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Zusammenfassung

Der Klimawandel schreitet voran.
Das Jahr 2024 hat zwei neue Rekorde aufgestellt: die globale Mitteltemperatur lag erstmals +1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau (Copernicus Climate Change Service 2024) und die globalen CO2-Emissionen erreichten einen neuen Höchststand (Global Carbon Project 2024).

Die deutsche Energiewende zeigt deutliche Fortschritte. Deutschland hat seine Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) im Jahr 2024 gegenüber 1990 fast halbiert (Agora Energiewende 2025). Zudem stammten 2024 mehr als 60 % der öffentlichen Nettostromerzeugung aus erneuerbaren Quellen, und es wurde so wenig Strom aus Kohle erzeugt wie zuletzt in den 1950er Jahren (Burger 2025). Das liegt hauptsächlich am seit 2022 beschleunigten Ausbau der Solarenergie und dem laufenden Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Gebäude, Verkehr und Industrie müssen jetzt schnell elektrifiziert und dekarbonisiert werden. Zum Erreichen des deutschen Emissionsminderungsziels für 2030 und der Klimaneutralität bis 2045 muss die weitgehende Elektrifizierung der Gebäudewärme sowie des Verkehrssektors gelingen und schließlich die Industrie nahezu CO2-neutral produzieren.

Der vorliegende Ariadne-Szenarienreport spannt den Optionenraum für die deutsche Energiewende auf. Dazu werden fünf Szenarien modelliert, die Klimaziele und Klimaneutralität erreichen: Drei Szenarien mit unterschiedlichem Technologiefokus (Fokus Strom, Fokus Wasserstoff, Technologiemix) illustrieren den Möglichkeitsraum zwischen direkter Elektrifizierung (direkter Nutzung von Strom) und indirekter Elektrifizierung (Nutzung von elektrolytischem Wasserstoff und Derivaten). Zwei Szenarien mit variierender Nachfrage (Niedrige Nachfrage und Hohe Nachfrage) zeigen, welche Effekte eine beschleunigte bzw. schleppende Transformation der Endnutzungssektoren Gebäude, Industrie und Verkehr hat. Ein sechstes Szenario Existierende Politiken bildet nur bereits implementierte Klimapolitiken ab – und zeigt, dass so das Ziel der Klimaneutralität 2045 verfehlt wird. Die Szenarien sind im Modellvergleich aus fünf Gesamtsystem- und Sektormodellen entstanden.

Abbildung Z.1: Gesamter Energiebedarf und Energiebedarf an Brennstoffen, Kraftstoffen und für stoffliche Nutzung, jeweils nach Energieträgern. (a) Energiebedarf nach Energieträgern (inklusive stofflichem Bedarf der Industrie und Bedarf für internationalen Flug- und Schiffsverkehr), (b) Energiebedarf an Brennstoffen, Kraftstoffen und für stoffliche Nutzung (in der Industrie und der Back-up-Stromerzeugung) nach Energieträger und Einsatz. Verkehr enthält auch den Energiebedarf des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs. Quelle: eigene Darstellung

Z.1 Energiesystemtransformation

Die Stromerzeugung wird in allen Ziel-szenarien bis 2030 weitgehend und bis 2035 nahezu vollständig dekarbonisiert (Abbildung Z.1). Das erfordert den massiven Ausbau von erneuerbarer Stromerzeugung, Stromnetzen und Flexibilitätsoptionen (Speicher, Elektrolyse und intelligentes Lastmanagement durch E-Fahrzeuge, Wärmepumpen und Industrie).

Der Anteil von Wind- und Solarenergie am Strommix steigt auf 84–91 % in 2035 (Kapitel 2.2, Szenario Technologiemix). Insgesamt kommt es somit ungefähr zu einer Verdreifachung der Wind- und Solarstromerzeugung bis 2030 gegenüber 2020. Besonders Wind spielt hier wegen seines günstigen saisonalen Erzeugungsprofils eine wichtige Rolle.

Mehr Flexibilität im Stromsystem ist eine wichtige Voraussetzung für mehr erneuerbare Stromerzeugung (Kapitel 6.1.3). Ein Großteil der Flexibilität (insbesondere über Zeiträume von Tagen und Wochen) wird durch Stromspeicher (vor allem stationäre Batteriespeicher, aber auch Pumpspeicherkraftwerke), das Laden batterieelektrischer Fahrzeuge und den Stromhandel mit europäischen Nachbarländern bereitgestellt. Die Entladekapazität von Stromspeichern steigt auf 50 GW bei 435 GWh Speicherkapazität im Jahr 2045. Flexible Nachfrage von Wärmepumpen und in der Industrie können ebenfalls einen kleinen Beitrag zur flexiblen Nachfrage leisten. Langfristige industrielle Flexibilitätskapazitäten über Zeiträume von 5–15 Minuten können
5–9 GW betragen (SynErgie 2024a). Backup-Kraftwerke im Umfang von 90 GW im Jahr 2045 machen ungefähr 5 % der Stromerzeugung aus und leisten damit einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zur Flexibilität, insbesondere durch saisonalen Ausgleich der Stromversorgung.

Regionale Strompreise erlauben effiziente Netzplanung und tragen dazu bei, die Strompreise für alle Endkunden in Deutschland zu senken (Kapitel 6.3.4). Eine Unterteilung Deutschlands in mehrere regionale Strompreiszonen ermöglicht eine effiziente, integrierte Netzplanung. Dadurch könnten Endkundenpreise im Jahr 2045 im Durchschnitt um 7,5 EUR/MWh sinken. Gleichzeitig entsteht ein Strompreisgefälle von etwa 10 EUR/MWh vom Süden zum Norden Deutschlands. Im Norden sind die Strompreise aufgrund hoher Stromerzeugung durch Windkraft besonders niedrig.

Die Klimaneutralität von Gebäudewärme, Verkehr und Industrie wird aufgrund der höheren Energie- und Kosteneffizienz überwiegend durch Elektrifizierung erreicht (insbesondere E-Fahrzeuge und Wärmepumpen) (Abbildung Z.1a). Zusammen mit energetischer Gebäudesanierung und material- und rohstoffeffizienter Kreislaufwirtschaft in der Industrie reduziert sich der Energiebedarf um 32–38 % bis 2045 im Vergleich zu 2023 und erleichtert die Transformation deutlich. Insgesamt steigt der Stromanteil am gesamten Energieverbrauch (inkl. stofflichem Bedarf in der Industrie und int. Flug- und Schiffsverkehr) von 17 % im Jahr 2023 auf 47–59 % im Jahr 2045.

Ein Flaschenhals für die Klimaneutralität sind Angebot und Nachfrage für erneuerbare stoffliche Energie („grüne Moleküle“). In den Klimaneutralitätsszenarien sinkt der Bedarf an Brennstoffen, Kraftstoffen und Rohstoffen auf 515–1023 TWh im Jahr 2045, maßgeblich für die Grundstoffindustrie, den Flug- und Schiffsverkehr und – in geringerem Umfang – Brennstoffe für die Backup-Stromerzeugung (Abbildung Z.1b).

Biomasse wird nur begrenzt verfügbar bleiben. Daraus entsteht eine anhaltende Notwendigkeit zur weitgehenden direkten Elektrifizierung. Zur Vermeidung von Emissionen in Industrie sowie Flug- und Schiffsverkehr kann Bioenergie mit circa 200 TWh beitragen, muss aber mit Wasserstoff und E-Fuels ergänzt werden, um die Bedarfe grüner Moleküle zu decken (Abbildung Z.1b).

Wasserstoff und E-Fuels bleiben teuer und knapp. Sie werden überwiegend für nicht direkt-elektrifizierbare Energiebedarfe in Teilen der Industrie, im Flug- und Schiffsverkehr sowie für die Backup-Stromerzeugung benötigt. Wasserstoffgestehungskosten belaufen sich laut der Modellergebnisse auf 156 EUR/MWh im Jahr 2030 und 110 EUR/MWh im Jahr 2045.

Deutschland wird im Jahr 2045 auf Importe von 60–250 TWh Wasserstoff und 100–130 TWh E-Fuels angewiesen sein (Kapitel 6.1.2). Das zeigen Modellergebnisse der Szenarios Technologiemix. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Jahre 2010–2019 importierte Deutschland 943 TWh Erdgas und 1.041 TWh Rohöl. Insgesamt wird Wasserstoff zu 34–68 % heimisch erzeugt und sonst importiert. E-Fuels werden hingegen überwiegend importiert.

Der Aufbau von Wasserstoff- und CO2-Infrastruktur sowie der Ausbau der Fernwärme müssen frühzeitig erfolgen (Kapitel 7.2 und 7.3). Die Wasserstoff- und CO2-Infrastruktur sind Voraussetzung für die Klimaneutralität der Industrie und Fernwärmenetze für klimaneutrale Wärmeversorgung in dicht besiedelten urbanen Räumen. Je nach Modell und Szenario variiert der Wasserstoffbedarf stark, woraus eine unterschiedliche Größe des benötigten Wasserstoff-Kernnetzes resultiert. Laut mancher Modellergebnisse ist der Umfang des im Oktober 2024 von der Bundesnetzagentur beschlossenen Kernnetzes (9.040 km Länge, 18,9 Mrd.EUR Investitionsvolumen) am oberen Ende dessen, was im Jahr 2045 an Wasserstoff-Pipelines für Ferntransportkapazität in Deutschland benötigt wird. Dieses Ergebnis hängt stark davon ab, wie groß die Rolle von Wasserstoff in der Backup-Stromerzeugung sein wird, zu welchem Grad in der Erzeugung von Kunststoffen Wasserstoff oder andere Klimaschutzoptionen eingesetzt werden, und ob erste Verarbeitungsschritte in wasserstoffintensiven Wertschöpfungsketten (Stahl, Ammoniak) in Länder mit besserer Verfügbarkeit von günstigem erneuerbarem Strom verschoben werden (Verpoort et al. 2024b).

Z.2 Investitionen

Der klimaneutrale Umbau des Energiesystems induziert Investitionen von ca. 116–131 Mrd. EUR pro Jahr (etwa 3,5 % des BIP 2024) (Abbildung Z.2c). Das zeigen die Modellergebnisse für die Szenarien Technologiemix, Fokus Elektrifizierung und Fokus Wasserstoff, die bis 2045 Klimaneutralität erreichen. Hierbei sind Investitionen in klimafreundliche Technologien in Gebäudewärme, Industrie und Energiewirtschaft, Antriebswende sowie Investitionen zur Ermöglichung der Energiewende (z.B. Stromnetze, Ladeinfrastruktur) und sonstige Investitionen, die auf Emissionsminderung abzielen, berücksichtigt (siehe Kapitel 1.4.2 für eine Definition und Tabelle 1.4 für eine vollständige Liste). Ein Großteil dieser Investitionen (95 Mrd. EUR pro Jahr) wird bereits durch die bis heute beschlossenen Maßnahmen induziert (Szenario Existierende Politiken).

Abbildung Z.2: Jährlicher Investitionsbedarf für die Energiewende in 2025–2045. (a) im Szenario Technologiemix, (b) im Mittel über die Jahre 2025–2045 je Sektor und mit Bandbreiten über die Szenarien, und (c) je Szenario. Quelle: eigene Darstellung

Die Wärmewende in Gebäudesektor macht mit 40–50 Mrd. EUR pro Jahr einen großen Anteil der Investitionsbedarfe der Energietransformation aus (Abbildung Z.2c, Technologieszenarien). Vor allem Ausgaben für die energetische Sanierung und, in einem geringeren Umfang, der Einbau klimafreundlicher Heizungssysteme schlagen hier zu Buche.

Die Energiewirtschaft hat mit 52–60 Mrd. EUR pro Jahr ebenfalls einen großen Anteil am Investitionsbedarf für die Energiewende (Abbildung Z.2c, Technologieszenarien). Der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und die Ertüchtigung der Stromnetze spielen an dieser Stelle eine wichtige Rolle.

Batterieelektrische Pkw und Lkw erreichen 2030 ein Marktvolumen von 80 Mrd. EUR pro Jahr (Kapitel 3.2). Die Differenzinvestitionen für batterieelektrische Antriebe machen nur rund
5–8 Mrd. EUR pro Jahr aus, da die Kosten von E-Fahrzeugen relativ zu vergleichbaren Verbrennern sinken werden. Hinzu kommen im Verkehrssektor Investitionen in Ladeinfrastruktur in Höhe von 5 Mrd. EUR pro Jahr (Abbildung Z.2c, Technologieszenarien).

Für den klimaneutralen Umbau der Industrie entsteht ein Investitionsbedarf von 11 Mrd. EUR pro Jahr durch Brennstoffwechsel, Energieeffizienz, Anlagen für neue Prozesse und CO2-Abscheidung (Abbildung Z.2b). Während die Investitionen in diesem Sektor also (verglichen mit anderen Sektoren) gering ausfallen, entstehen hohe Mehrbelastungen durch höhere Betriebskosten, weil klimaneutrale Energieträger teurer sind (z.B. Wasserstoff) als bisher genutzte fossile Brennstoffe (Kapitel Z.3).

Die erheblichen Investitionen durch die Energiewende können eine Chance für eine wirtschaftliche Modernisierung und konjunkturelle Belebung sein. So ergeben sich große Zukunftsmärkte durch grüne Technologien wie batterieelektrische Fahrzeuge, Wärmepumpen, Solarenergie, Windkraftanlagen, Elektrolyseure, Wärme- und Stromspeicher sowie Plattformtechnologien für die Elektrifizierung von Industrieprozessen.

Z.3 Sektorale Kostenstruktur

Die Energiewende verändert Kostenstrukturen und erzeugt Mehrkosten sowie Einsparungen, die je nach Endnutzungssektor (Gebäude, Verkehr und Industrie) stark variieren (Abbildung Z.3a). Mehrkosten und Einsparungen entstehen durch das Zusammenwirken von Verschiebungen bei kapitalgebundenen Ausgaben sowie veränderten Kosten für Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. Zusätzliche Energiekosten entstehen durch übergangsweise höhere Strompreise aufgrund von Umlagen des Netzausbaus auf die Stromkunden, durch ansteigende Preise für fossile Energieträger (resultierend aus steigenden CO2-Preisen) und, fast ausschließlich in der Industrie, durch teure nicht-elektrische grüne Energieträger (z.B. Wasserstoff). Energiekosten sinken durch effizientere Energienutzung zumeist aufgrund des Technologiewechsels, wie zum Beispiel beim Betrieb von Wärmepumpen oder E-Fahrzeugen. Aus den Modellergebnissen lassen sich jährliche Mehrkosten bzw. Einsparungen – als Summe aus annualisierten Kapitalkosten und Betriebskosten – berechnen und zwischen den Szenarien vergleichen.

Der Preis für Strom am Großhandelsmarkt stabilisiert sich langfristig bei 70–80 EUR/MWh. Dabei handelt es sich um Jahresmittelwerte. Über das Jahr betrachtet weisen die Preise eine höhere Variabilität auf als heute (Kapitel 6.3.2). Netzentgelte für Endkunden steigen im Zeitraum 2025–2030 durch Netzausbaukosten, sinken danach aber wieder durch einen höheren Strombedarf (Kapitel 6.3.3). Insbesondere können die bis 2045 notwendigen Investitionen in Übertragungsnetze durch eine integrierte Systemplanung mit regionalen Preisen um circa 92 Mrd. EUR reduziert werden, weil sie die systemdienliche Platzierung und den systemdienlichen Betrieb von Erzeugung und Flexibilität ermöglicht (Kapitel 7.1.2).

Endkundenpreise für Strom sinken bis 2045 unter das Niveau von 2020, ausgenommen in der energieintensiven Industrie (Kapitel 6.3.3). Getrieben ist diese Entwicklung durch die langfristig sinkenden Börsenstrompreise und die breitere Verteilung der Netzentgelte auf mehr Kunden (s. oben). Die Entwicklung in der Industrie ist stark abhängig von Annahmen über den schrittweisen Abbau von bestehenden Privilegien beim Stromverbrauch, die aus Systemperspektive Fehlanreize setzen.

Die Gestehungskosten von grünem Wasserstoff in Deutschland liegen bei 156 EUR/MWh im Jahr 2030 und sinken auf 110 EUR/MWh im Jahr 2045. Damit bleibt Wasserstoff als Energieträger langfristig teuer und insbesondere teurer als Strom.

In der Industrie dominieren Mehrkosten für Energie (vor allem für Wasserstoff und Derivate). Kapitalkosten spielen eine eher untergeordnete Rolle. Während die Kosten für fossile Energie im Szenario Technologiemix gegenüber Existierende Politiken im Durchschnitt in 2025–2045 6 Mrd. EUR pro Jahr geringer sind, fallen zusätzlich Kosten für grüne Moleküle in Höhe von 8–29 Mrd. EUR pro Jahr an (Abbildung Z.3b).

Spätestens ab 2030 rechnet sich die Anschaffung eines Elektro-Fahrzeugs gegenüber einem Verbrennerneufahrzeug für fast alle Endnutzer, meist gilt das sogar schon heute. Das zeigt der Vergleich der Kosten pro gefahrenem Kilometer, die sich aus Anschaffungskosten und Betriebskosten über die Lebensdauer des Fahrzeuges ergeben. Den kurzfristig noch höheren Anschaffungskosten stehen geringere Ausgaben für Energie und Wartung eines E-Fahrzeugs gegenüber (Kapitel 3.3).

Insgesamt ergibt sich im Zielszenario eine Einsparung von 4,9 Mrd. EUR pro Jahr für den Verkehrssektor (in Technologiemix gegenüber Existierende Politiken), weil geringe zusätzliche Kosten für Strom durch weniger Ausgaben für fossile Kraftstoffe (im Mix mit Bio-Kraftstoffen und E-Fuels) und langfristig geringere kapitalgebundene Ausgaben für E-Fahrzeuge überkompensiert werden (Abbildung Z.3a, Kapitel 3.3).

Wärmepumpen können Heizkosten in Neubauten und Bestandsgebäuden mit guter Wärmeisolation senken. Höhere Anschaffungskosten von Wärmepumpen verglichen mit Gasheizungen stehen niedrigeren Energiekosten für Strom verglichen mit Erdgas (auch aufgrund steigender CO2-Preise) gegenüber (Kapitel 4.3). Zusatzkosten entstehen vor allem für die Sanierung von Gebäuden in schlechtem energetischem Zustand. Insgesamt ergeben sich Mehrkosten von 1,9 Mrd. EUR pro Jahr für den Gebäudesektor (in Technologiemix gegenüber Existierende Politiken), da Einsparungen beim Energieausgaben die hohen Investitionskosten im Mittel über den gesamten Sektor nicht aufwiegen (Abbildung Z.3a).

Mehrkosten in der Industrie fallen besonders in der Grundstoffindustrie an. Hierzu zählen unter anderem Metallerzeugung, Grundstoffchemie, Glas- und Keramikbranche sowie Zement- und Kalkindustrie. In diesen Branchen steigen Kosten deutlich durch den Einsatz von Wasserstoff, durch CO2-Bepreisung, durch Investitionen in klimaneutrale Anlagen sowie durch Abscheidung-Anlagen und Infrastruktur für CO2-Transport und Speicherung (Kapitel 5.3). Im Szenario Technologiemix belaufen sich die Mehrkosten gegenüber Existierende Politiken über den gesamten Sektor im Mittel in 2025–2045 auf 15,5 Mrd. EUR pro Jahr (Abbildung Z.3a).

Abbildung Z.3: Mehrkosten des Klimaneutralitätsziels. (a) Mehrkosten des Klimaneutralitätsziels aus den Sektormodellen je Sektor nach verschiedenen Kostenkomponenten aufgeschlüsselt für Technologiemix gegenüber Existierende Politiken; (b) Vergleiche der Klimaschutz-Mehrkosten über verschiedenen Technologieszenarien hinweg (Gebäude inklusive Strom für sonstige Anwendungen). Rote Balken zeigen makroökonomische Mehrkosten des Klimaneutralitätsziels, ermittelt auf Basis von Konsumverlusten im Gesamtsystemmodell REMIND. Quelle: eigene Darstellung

Z.4 Gesamtbild

Kosteneffiziente Energiewendestrategien erreichen Klimaneutralität bis 2045 zu Mehrkosten von 16–26 Mrd. EUR pro Jahr (Kapitel 8.2). Die Mehrkosten für Klimaneutralität 2045 ergeben sich aus dem Szenarienvergleich (Technologiemix gegenüber Existierende Politiken) in einer Top-down-Schätzung eines Gesamtsystemmodells (REMIND) sowie aus der Summe der Bottom-up-Schätzungen der Sektormodelle FORECAST, ALADIN und REMod. Während das Gesamtsystemmodell Mehrkosten von 26 Mrd. EUR pro Jahr abschätzt, beträgt die Summe der in den Sektormodellen abgebildeten Mehrkosten 16 Mrd. EUR pro Jahr bis 2045 (Abbildung Z.4b).

Elektrifizierung senkt Kosten über alle Endnutzungssektoren hinweg (Abbildung Z.3b). Das zeigen Modellergebnisse von Szenarien mit variierender Elektrifizierung (Technologiemix und Fokus Elektrifizierung gegenüber Fokus Wasserstoff). Hierbei schneiden Szenarien mit hoher Elektrifizierung generell günstiger ab.

Kosteneffizienz erfordert einen fokussierten Einsatz von Wasserstoff und E-Fuels. Wasserstoff und E-Fuels spielen eine wichtige Rolle bei der Defossilisierung von nicht-elektrischen Energiebedarfen. Werden sie jedoch – wie im Szenario Fokus Wasserstoff – deutlich breiter eingesetzt, steigen die Klimaschutzmehrkosten auf 31–34 Mrd. EUR pro Jahr. Wichtigster Treiber solcher Mehrkosten ist zusätzlicher Wasserstoffeinsatz in der Industrie (Abbildung Z.3b).

Die Transformation der Energienachfrage ist eine wichtige Determinante der Klimaschutzkosten. Hohe Akzeptanz und ein beschleunigter Markthochlauf von nachfrageseitigen Klimaschutztechnologien wie Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen sowie klimafreundliche Lebensstile führen zu Einsparungen von 17 Mrd. EUR pro Jahr (Szenario NFniedrig) im Vergleich zum Referenzszenario Existierende Politiken. Umgekehrt erhöht ein Beharren in Nachfragesektoren die Kosten deutlich auf 52 Mrd. EUR pro Jahr (Szenario NFhoch) (Abbildung Z.3b).

Staatliche Förderprogramme helfen den Markthochlauf neuer Technologien zu fördern, Infrastrukturen aufzubauen und Mehrbelastungen zu reduzieren (Kapitel 8.3). Eine mittlere Abschätzung auf Basis der Szenarien unter der Annahme einer Fortschreibung aktueller Förderparadigmen ergibt fiskalische Bedarfe von circa 40 Mrd. EUR pro Jahr im Jahr 2030 für das Szenario Technologiemix.

Wesentliche Komponenten sind die staatlich finanzierten Erneuerbare-Energien-Gesetz-(EEG)-Kosten sowie die Förderung von energetischer Gebäudesanierung und klimafreundlicher Produktion. Zusätzliche Interventionen, beispielsweise eine staatlich finanzierte Reduktion der Stromnetzentgelte oder eine Ausweitung der Klimaschutzverträge für klimaneutrale Prozesse, erhöhen die fiskalischen Bedarfe deutlich. Diesen Ausgaben stehen im Jahr 2030 Einnahmen von circa 50 Mrd. EUR aus der CO2-Bepreisung gegenüber.

Die Mehrkosten für die Erreichung der Klimaneutralität sind deutlich geringer als die vermiedenen Klimaschäden (Kapitel 8.2). Zu diesem Ergebnis kommt eine Abwägung von Kosten und Nutzen von Klimaschutz. Der Nutzen wurde dabei gemäß der vermiedenen Klimaschäden durch die reduzierten Treibhausgas-(THG)-Emissionen Deutschlands abgeschätzt (UBA 2024). Die Kosten ergeben sich aus dem Vergleich eines Szenarios, das Klimaneutralität 2045 erreicht, mit Szenarien, die nur bisher beschlossene klimapolitische Maßnahmen berücksichtigen oder nur sehr schwache Klimapolitik beinhalten (Technologiemix gegenüber Existierenden Politiken und Referenz2020). Hier zeigt sich, dass die Klimaschäden durch ambitionierten Klimaschutz mehr als halbiert werden und der wirtschaftliche Nutzen gegenüber den Kosten deutlich überwiegt (Abbildung Z.4c)

Abbildung Z.4: Vergleich der verschiedener Kostenmetriken. (a) Investitionen bzw. Mehrinvestitionen, (b) Bottom-up und Top-down Abschätzungen zu Mehrkosten des Klimaneutralitätsziels, und (c) kumulierte und mit 3 % diskontierte Gesamtkosten durch Klimaschäden und Klimaschutzkosten. In (b) und (c) werden Kosten relativ zu einem Szenario Ref2020 berechnet, das die kontrafaktische Entwicklung ohne die zusätzlichen Politikmaßnahmen seit 2020 beschreibt. Quelle: eigene Darstellung

1. Einleitung und Methoden

1.1 Die Klimakrise ist einWohlstandsrisiko

Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen, mit der sich die Weltgemeinschaft im 21. Jahrhundert konfrontiert sieht. Diese Krise spitzt sich zu und ihre Symptome werden immer offensichtlicher: Seit 2010 hat sich die globale Erwärmung noch einmal deutlich beschleunigt. Im Jahr 2024 hat die jährliche globale Mitteltemperatur vermutlich erstmals die Schwelle von +1.5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau überschritten (Copernicus Climate Change Service 2024)1Damit ist das 1.5°C-Ziel des Pariser Klimaabkommens nicht automatisch verfehlt, da der Maßstab dafür ein Mittel des Temperaturanstiegs über einen längeren Zeitraum ist.. Aktuelle Abschätzungen zeigen, dass bei einer dauerhaften Erwärmung von über 1.5 °C im langjährigen Mittel mehrere Klima-Kipppunkte — wie das Abschmelzen der Eisschilde von Grönland und der Westantarktis — ausgelöst werden könnten (Armstrong McKay et al. 2022). Mit jedem weiteren Zehntelgrad zusätzlicher Erwärmung steigt das Risiko des Überschreitens dieser und weiterer Kipppunkte weiter an.

Auch die durch den Klimawandel ausgelösten wirtschaftlichen Schäden werden immer deutlicher. Allein die Veränderungen von Temperatur- und Niederschlagsmengen — ohne Berücksichtigung der Kippunkte — werden die globale Wirtschaftsleistung bis 2050 um circa 20 % reduzieren (Kotz et al. 2024). Jede weitere emittierte Tonne CO2 führt zu einer dauerhaften Erwärmung und verschärft damit die Klimaschäden um mehrere Hunderte Euro pro Tonne CO2. Ein aktueller Übersichtsartikel taxiert auf Basis eines Reviews der bestehenden Literatur die mittlere Abschätzung der Klimaschäden auf ca. 270 EUR/t CO2, bei einer oberen Abschätzung der Schäden von 840 EUR/t CO2 (Rennert et al. 2022; Moore et al. 2024). Das Umweltbundesamt (UBA) nutzt in seiner Methodenkonvention für die untere Abschätzung der Klimakosten einen ähnlichen Wert von 270 EUR/tCO2 (Umweltbundesamt et al. 2024). Die obere Abschätzung des UBA auf Basis einer hohen Gewichtung der Wohlfahrt künftiger Generationen kommt auf Werte von circa 1.000 EUR/t CO2, andere aktuelle Abschätzungen (Bilal and Känzig 2024) liegen sogar darüber.

Trotz jahrzehntelanger internationaler Klimapolitik ist der Scheitelpunkt bei den globalen Treibhausgasemissionen noch immer nicht überschritten. 2024 haben die globalen CO2-Emissionen ein Rekordhoch erreicht (Global Carbon Project 2024) Dies steht in deutlichem Kontrast zur vom letzten Sachstandsbericht des IPCC (Riahi et al. 2022) konstatierten Notwendigkeit, die Emission bis 2030 um 34–60 % gegenüber 2019 zu reduzieren, um das 1,5 °C Ziel mit zeitlich begrenztem Überschießen zu halten.

1.2 Klimaschutzziele für Deutschland und Europa

Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Bundesrepublik gemeinsam mit den anderen Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention auf das Ziel verständigt, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C zu beschränken und Anstrengungen zu unternehmen, die Temperaturgrenze von 1,5 °C zu halten (UNFCCC 2015). Die bisherigen von den Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention angekündigten Klimaschutzbeiträge sind zusammengenommen allerdings insgesamt deutlich zu schwach, um die Erreichung der Pariser Klimaziele sicherzustellen (United Nations Environment Programme et al. 2024).

Im European Green Deal (European Green Deal 2019) und im deutschen Klimaschutzgesetz (KSG 2021) wurde entsprechend das Ziel der Klimaneutralität für die Europäische Union (EU) auf 2050 und für Deutschland auf 2045 festgelegt. Klimaneutralität bedeutet die vollständige Vermeidung und, bzw. oder den vollständigen Ausgleich verbleibender positiver THG-Emissionen durch THG-Senken. Durch die europäische Gesetzgebung hat man sich unter den EU27 darüber hinaus dazu verständigt, der Atmosphäre nach 2050 mehr THG-Emissionen zu entnehmen als zuzuführen — also Netto-Negativ-Emissionen zu erzielen. Zusätzlich zu den Zielen der Klimaneutralität wurden Zwischenziele für 2030 beschlossen. Diese sehen eine Minderung der THG-Emissionen um mindestens –55 % (EU) bzw. –65 % (Deutschland) bis 2030 gegenüber 1990 vor. Auf europäischer Ebene wird dieses 2030-Ziel durch das Maßnahmenbündel Fit for 55 unterlegt, das unter anderem die Emissionsobergrenze für den EU-Emissionshandel verschärft, die Einführung eines zweiten Emissionshandels für die Sektoren Verkehr und Gebäudewärme vorsieht sowie eine Vielzahl sektoraler Maßnahmen, wie beispielsweise Flottengrenzwerte für Fahrzeug-Neuzulassungen, umfasst.

Im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen und den Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats für Klimawandel (ESABCC) empfiehlt die EU-Kommission in einer Mitteilung für 2040 ein netto THG-Minderungsziel von –90 % vor (European Commission 2024). In Deutschland ist laut Klimaschutzgesetz für 2040 bereits ein Minderungsziel von –88 % gegenüber 1990 festgelegt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Emissionsreduktionen in Deutschland (–46 % im Jahr 2023 gegenüber 1990) befindet sich Deutschland damit mitten in einer grundlegenden Transformation, die zur Erreichung der Klimaziele in den nächsten Jahren erfolgreich fortgeführt und bestenfalls beschleunigt werden muss.

1.3 Die Energietransformation als Herausforderung und Chance

Zahlreiche Studien haben sich in den letzten Jahren mit der Transformation zu einem klimaneutralen Energiesystem im Einklang mit den politischen Zielen für Deutschland und Europa beschäftigt (BDI 2021; Luderer et al. 2021; Sensfuß et al. 2021; Agora Think Tanks et al. 2024). Diese Studien zeigen übereinstimmend, dass die Klimaziele nur durch eine massive und beschleunigte Transformation des Energiesystems erreicht werden können. In den letzten Jahren wurden bei der Dekarbonisierung der Stromversorgung schon deutliche Fortschritte erzielt. So stieg der Anteil des erneuerbar erzeugten Stroms an der Stromnachfrage von 44 % im Jahr 2019 auf 56 % im Jahr 2024, bei gleichzeitiger Abschaltung der verbliebenen Kernkraftwerke und einem deutlichen Rückgang der Kohleverstromung (Burger 2025). Sowohl der derzeit rasche Photovoltaik-(PV)-Zubau als auch beschleunigte Genehmigungsverfahren und erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Gesetz-(EEG)-Ausschreibungen für Windenergie (BNetzA 2024) lassen für die nächsten Jahre auf eine weitere Beschleunigung des Wachstums bei der erneuerbaren Stromerzeugung hoffen.

Ein weiteres wichtiges Kernelement neben der Umstellung der Stromerzeugung ist (1) der umfassende Umstieg auf strombasierte Anwendungen insbesondere bei der Wärmebereitstellung und der Mobilität sowie (2) der schrittweise Markthochlauf von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten für Endnutzungssektoren, in denen die direkte Elektrifizierung nicht möglich oder unwirtschaftlich ist. Auch in diesen Bereichen gab es in den letzten Jahren eine deutliche Beschleunigung gegenüber dem vorherigen Jahrzehnt; trotzdem geht die Transformation noch zu schleppend voran, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Erst mit der für 2025 festgeschriebenen Verschärfung der EU-Flottengrenzwerte wird mit einer neuerlichen Belebung des Marktes für E-Pkw gerechnet (VDIK 2024).

Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden aktuellen und zu erwartenden Klimawandelfolgen und der deutschen Verpflichtung gegenüber dem Pariser Klimaabkommen ist eine möglichst schnelle Transformation zur Klimaneutralität unumgänglich. Jede weitere emittierte Tonne CO2 führt zu einer zusätzlichen und dauerhaften Erwärmung – entsprechend müssen die Emissionen auf Netto-Null sinken, um zu vermeiden, dass Deutschland über die historischen Emissionen hinaus zur Verschärfung der Klimakrise beiträgt.

Aus wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht birgt die Transformation sowohl Chancen als auch Herausforderungen. So führt die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen und der Rückgang von Verbrennungsprozessen zu einer deutlichen Abnahme der Luftverschmutzung. So sank die Zahl der vorzeitigen durch Feinstaub verursachten Todesfälle in der EU zwischen 2005 und 2020 bereits um 45 %; im Jahr 2020 verstarben in der EU dennoch laut aktuellen Schätzungen mindestens 238.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Luftverschmutzung (European Environment Agency 2022). Die Abkehr von Kohle, Öl und Gas wird außerdem Deutschlands Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger deutlich reduzieren – die Umstellung auf neue Energien und Technologien bietet so auch die Möglichkeit, Handelsbeziehungen neu zu ordnen und resilienter zu machen.

Nicht zuletzt bieten die erheblichen Investitionen, die für den Klimaschutz notwendig sind, eine große Chance für eine wirtschaftliche Modernisierung und konjunkturelle Belebung. Klimaschutz hilft dem Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa. Grüne Technologien wie Solarenergie, Windkraftanlagen, batterieelektrische Fahrzeuge und Wärmepumpen, aber auch Steuerungseinheiten für die smarte Kopplung und Flexibilisierung von Energieangebot und -nachfrage sowie Elektrolyseure, Batterie- und Wärmespeicher und Plattformtechnologien für die direkte Elektrifizierung der Industrie sind große Zukunftsmärkte (BCG, BDI, IW 2024). Deutschland ist heute Europas Drehscheibe für Energiewendetechnologien, sieht sich aber wachsendem Wettbewerbsdruck aus dem Ausland ausgesetzt (Tordoir and Setser 2025; Bruegel 2025). Eine ehrgeizige Energiewende ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Deutschland auch künftig eine führende Rolle in diesen Märkten spielen kann (BCG, BDI, IW 2024). Auch der im Sommer 2024 veröffentlichte Draghi-Report hebt die zentrale Bedeutung der Klimaschutztransformation für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft hervor (Draghi 2024): Technologien für die Dekarbonisierung können ein entscheidender Motor für Innovation und künftiges Wirtschaftswachstum sein.

Gleichzeitig sind die Risiken der Energiewende unübersehbar. Eine zentrale Herausforderung ist dabei die Geschwindigkeit: Aufgrund des zu geringen Fortschritts der letzten Jahrzehnte müssen jetzt zahlreiche Transformationen parallel und in kurzer Zeit erreicht werden. So zeigen die hier vorliegenden Klimaneutralitätsszenarien eine ungefähre Verdreifachung der Wind- und Solarstromerzeugung bis 2030 gegenüber 2020. Für die Erreichung der Reduktionsziele muss die Transformation in den bisher vernachlässigten Handlungsfeldern Verkehrswende und Wärmewende massiv beschleunigt werden. Da dadurch die Transformation zunehmend auch im Alltag der Bürger spürbar wird, werden Akzeptanz und die Wahrung breiter gesellschaftlicher Trägerschaft zunehmend herausfordernd.

Eine entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende ist, dass Energiepreise die ökologische Realität abbilden. Die CO2-Bepreisung leistet dies, indem sie die durch den Klimawandel entstandenen Schäden zumindest teilweise internalisiert. Sie hat aber auch zur Folge, dass die Preise für Energie steigen. Sie führt daher insbesondere in einer Übergangszeit, bevor die Umstellung auf energieeffiziente und insbesondere elektrifizierte Prozesse abgeschlossen ist, zu Mehrbelastungen für Haushalte und Unternehmen. Diesen Mehrbelastungen ausgewogen und zielgerichtet zu begegnen, ist eine große Herausforderung: Be- und Entlastungen fallen für spezifische Haushalte aufgrund verschiedener Strukturen des Energieverbrauchs sehr unterschiedlich aus (Kalkuhl et al. 2023a). Auch in der Industrie unterscheiden sich die Kostenimplikationen der Energiewende deutlich über die Sektoren hinweg (Verpoort et al. 2024c). In Bezug auf die Industrie weist der Draghi-Report darauf hin, dass eine effiziente und europäisch koordinierte Energietransformation entscheidend ist, um Energiekostennachteile für europäische Produktionsstandorte zu minimieren (Draghi 2024).

Die Klimaschutztransformation hat starke fiskalische Implikationen. Einerseits entstehen durch die CO2-Bepreisung zusätzliche staatliche Einnahmen. Andererseits können Fördermaßnahmen zur Beschleunigung der Transformation und zur Kompensation von Mehrkosten für Haushalte und Unternehmen zu erheblichen fiskalischen Mehrbelastungen führen. Angesichts der Haushaltsknappheit und des aktuellen Diskurses um die Schuldenbremse sind Ausmaß und Prioritäten klimapolitischer Förderinstrumente hochkontrovers.

Die Studie beschäftigt sich mit folgenden Leitfragen:

Welche Transformationen in den Einzelsektoren und im Gesamtsystem sind notwendig zur Erreichung der Klimaneutralität 2045 in Deutschland und der Zwischenziele für 2030 und 2040?

  • Welche Investitionen sind in den einzelnen Sektoren und Handlungsfeldern nötig, um die Erreichung der Emissionsminderungsziele zu ermöglichen?
  • Wie hoch sind die gesamtwirtschaftlichen Kosten und durch welche Faktoren werden sie bestimmt?
  • Wie hoch sind die fiskalischen Bedarfe für direkte und indirekte Förderung von Klimaschutz und den Ausgleich von Mehrbelastungen, die aus den öffentlichen Haushalten zu finanzieren sind?
  • Welche Transformationsschritte sind für die nächsten Jahre von besonders großer strategischer Bedeutung, um die Klimaziele effektiv und kosteneffizient zu erreichen und die wirtschaftlichen Chancen zu maximieren?

1.4 Methodisches Vorgehen

1.4.1 Szenarien und Modelle

Die vorliegende Studie stellt fünf mögliche Transformationspfade zur Klimaneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 vor. Es werden drei Szenarien mit unterschiedlichem Technologiefokus (Fokus Strom, Fokus Wasserstoff, Technologiemix) gezeigt, die den Optionenraum der Energiewende im Wettbewerb zwischen direkter Elektrifizierung (direkte Nutzung von Strom) und indirekter Elektrifizierung (Nutzung von elektrolytischem Wasserstoff und Derivaten) untersuchen. Zwei weitere Szenarien mit variierender Nachfrage (Niedrige Nachfrage und Hohe Nachfrage) werden analysiert, um die Effekte einer beschleunigten bzw. einer schleppenden Transformation in der Endnutzungssektoren Gebäude, Industrie und Verkehr zu vergleichen. Bei diesen Nachfragevariationen werden sowohl Annahmen zum nachfrageseitigen Markthochlauf von Klimaschutztechnologien als auch Annahmen zur Entwicklung von Lebensstilen differenziert. Neben diesen Zielerreichungsszenarien wird ein sechstes Szenario modelliert (Szenario Existierende Politiken), dass das durch die aktuell implementierten Klimapolitiken implizierte Ambitionsniveau fortschreibt, das Ziel der Klimaneutralität 2045 allerdings verfehlt.

Konkret sind die Szenarien folgendermaßen ausgestaltet:

Technologiemix: Dieses Szenario beschreibt einen Pfad zur Erreichung der Klimaneutralität mit einem weitgehend an Kosteneffizienz orientierten Mix an Technologien und Energieträgern. Dabei erreicht der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung weitgehend die politisch gesetzten Ziele. Das gemischte Energieträgerportfolio beinhaltet Importe auf mittlerem Niveau. Bezüglich des Einsatzes von direkter Elektrifizierung und indirekter Elektrifizierung ordnet es sich zwischen den unten beschriebenen Szenarien Fokus Elektrifizierung und Fokus Wasserstoff ein. Dabei wird zur Erreichung der Klimaziele auf einen Mix an Instrumenten gesetzt.

Fokus Elektrifizierung: Hier liegt der Fokus auf dem Hochlauf von Technologien zur direkten Elektrifizierung der Sektoren, sodass beispielsweise die Marktdurchdringung von E-Fahrzeugen und Wärmepumpen in diesem Szenario am höchsten ist. Strom ist der präferierte Energieträger in der Endenergie und der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung erreicht die politisch gesetzten Ziele. Die erfolgreiche Elektrifizierung begrenzt die Nachfrage nach Wasserstoff in Deutschland, der in erster Linie durch Elektrolyse in Deutschland erzeugt und durch geringe Importe von Wasserstoff beziehungsweise E-Fuels ergänzt wird.

Wie im Technologiemix-Szenario werden die Klimaziele durch einen Instrumentenmix erreicht. Die Strom-Importe aus europäischen Nachbarländern sind auf einem auskömmlichen Level (2030: +/- 0 TWh, 2045: 50–150 TWh).

Fokus Wasserstoff: In diesem Szenario liegt der Fokus verstärkt auf dem Einsatz von Wasserstoff und E-Fuels und somit stärker auf dem Hochlauf von Technologien zur indirekten Elektrifizierung von Energieverbräuchen verglichen mit dem Szenario Technologiemix. Direktelektrifizierung bleibt in den Bereichen dominant, in denen sie eindeutige Kostenvorteile gegenüber der indirekten Elektrifizierung aufweist. Der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung erreicht weitgehend die politisch gesetzten Ziele und die Klimaziele werden durch einen Mix an politischen Instrumenten erreicht. Die Importe von Strom sind eher moderat; Importe von Wasserstoff und E-Fuels auskömmlich (bis 2045 nachfragegetrieben bis zu 800 TWh/a möglich). Dahinter steht die Annahme einer gut ausgebauten und mit den europäischen Partnern koordinierte Wasserstoff-Infrastruktur, sowie dass durch günstigere Speicher und Elektrolyse, Erneuerbare-Energien-(EE)-Potenziale besser genutzt werden können.

Niedrige Nachfrage: Dieses Szenario ist gekennzeichnet durch eine geringere Endenergienachfrage, die sich ergibt aus einer schnelleren Durchdringung von klimafreundlichen, effizienten Technologien, einem beschleunigten Infrastrukturausbau, einem energiesparenden Verhalten der Bevölkerung (z.B. Umstieg auf Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), dadurch weniger Autofahrten), breiterer öffentlicher Akzeptanz und gegebenenfalls stärkerer Regulierung und angepassten monetären Anreizen. Langfristig ist die gleiche klimapolitische Ambition zur Klimazielerreichung angenommen wie im Technologiemix-Szenario (weitgehend identischer CO2-Preispfad wie im Szenario Technologiemix, leichte Übererfüllung der Klimaschutzgesetz-(KSG)-2030er-Ziele möglich, Erreichung der Klimaneutralität in 2045). Auch energieangebotsseitig entspricht das Szenario dem Technologiemix-Szenario mit einem gemischten Portfolio an Techno-logien und Energieträgern.

Hohe Nachfrage: In diesem Szenario ist die Transformation der Endenergienachfrage beharrend, d.h. der Energiebedarf ist höher als im Technologiemix-Szenario. Dies liegt darin begründet, dass hier der Hochlauf klimafreundlicher, effizienter Technologien und der Ausbau der Infrastruktur langsamer gelingt, eine geringere öffentliche Akzeptanz und eventuell geringere Regulierung, bzw. weniger Anreize eine schnelle Transformation verhindern. Trotz langfristig vergleichbarer politischer Ambition wie im Szenario Technologiemix, ist ein Verfehlen der 2030er KSG-Ziele möglich. Die Klimaneutralität im Jahr 2045 wird schlussendlich erreicht. Wie im Szenario Niedrige Nachfrage ist der Ausbau der Erneuerbaren bis 2030 nachfragegetrieben. Energieangebotsseitig entspricht das Szenario dem Szenario Technologiemix mit einem gemischten Portfolio an Technologien und Energieträgern.

Existierende Politiken: In diesem Szenario werden alle am Stichtag 31.12.2023 implementierten klimapolitische Maßnahmen fortgeschrieben. Die Erreichung der THG-Minderungsziele ist nicht Teil der Szenarienformulierung und damit nicht gewährleistet (Kapitel 2.1). Das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 wird im Szenario nicht erreicht.

Die vorliegende Studie leitet anhand der Szenarien die strategisch wichtigsten, zumeist szenarien-übergreifend robusten Transformationsschritte zur Klimaneutralität ab. Aus dem Szenario Existierende Politiken wird deutlich, inwieweit zum Erreichen der Klimaneutralität zusätzliche Schritte notwendig sind, die über aktuell implementierte klimapolitische Maßnahmen hinaus gehen. Zusätzlich zu Existierende Politiken wird für die Kostenanalyse in Kapitel 8 ein Szenario Ref2020 betrachtet, das lediglich die bis 2020 implementierten Klimapolitiken betrachtet und dementsprechend deutlich geringere Emissionsminderungen erreicht.

Ein Überblick über alle Szenarien findet sich auch in Tabelle 1.1.

Tabelle 1.1: Übersicht der modellierten Szenarien

Die Modellierung der Szenarien geschieht im umfassenden Modellvergleich von insgesamt fünf Modellsystemen (Tabelle 1.2). FORECAST und ASTRA/ALADIN sind reine Sektormodelle. Sie bilden mit hohem Technologiedetail Emissionstreiber sowie Klimaschutzoptionen für den Industriesektor (FORECAST) beziehungsweise den Verkehrssektor (ASTRA/ALADIN) ab. Die Detailanalyse des Gebäudesektors beruht auf REMod – ein Gesamtsystemmodell mit Schwerpunkt auf Analysen des Gebäudesektors.

Tabelle 1.2: Kurzbeschreibung der eingesetzten Modelle und ihrer Schwerpunkte in Ariadne.2Detaillierte Beschreibung der Modelle und Links zum Quellcode der Open-Source Tools können auf der Ariadne-Projektwebseite gefunden werden: https://ariadneprojekt.de/ariadne-szenarien-modell-dokumentation/

Auch PyPSA-DE und REMIND sind Gesamtsystemmodelle. PyPSA-DE analysiert das Stromsystem mit stündlicher Auflösung und einer endogenen Repräsentation des Stromübertragungsnetzes sowie der Infrastruktur für Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung und –speicherung (CCS). Es wird daher in dieser Studie als das Leitmodell für das Stromsystem und die Energieinfrastruktur eingesetzt. REMIND untersucht die Energiewende mit besonders weiten Systemgrenzen. Es bettet Deutschland im europäischen und globalen Kontext ein und bildet alle relevanten THG-Emissionen ab. Die über den Zeithorizont integrierte Perspektive ermöglicht es, optimale intertemporale Klimaschutzstrategien abzuleiten. PyPSA-DE und REMIND sind quelloffene Modelle, deren Code auf Github publiziert und einsehbar ist.3PyPSA-DE: https://github.com/PyPSA/PyPSA-DE und REMIND: https://github.com/remindmodel/remind

Detaillierte Modellbeschreibungen aller Modelle befinden sich hier: https://ariadneprojekt.de/ariadne-szenarien-modell-dokumentation/.

Für die Gesamtsystemanalysen des Berichtes werden zusätzlich die Ergebnisse der nachfrageseitigen Leitmodelle FORECAST, ASTRA/ALADIN und REMod mit der Angebotsdynamik aus REMIND zu einem hybriden Gesamtdatensatz kombiniert, dem Hybrid-Modell. Aufgrund der modellspezifischen Unterschiede, beispielsweise in Bezug auf die Energiebilanzgleichungen, ist Hybrid nicht voll systemisch konsistent, liefert aber aufgrund der höheren Granularität der Sektormodelle einen hilfreichen Vergleichspunkt zu den Ergebnissen der Gesamtsystemmodelle.

Die Modelle wurden in Bezug auf die Annahmen zu Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung harmonisiert (Tabelle 1.3). Durch den gemeinsamen Modellierungsrahmen konnte die Modellierung der Transformation in den Einzelmodellen verfeinert werden. So konnten die Gesamtsystemmodelle durch einen Abgleich von sektoraler Nachfrageentwicklung und Klimaschutzpotenzialen auf Basis der Detailmodelle verbessert werden. Die Annahmen zu Endenergiepreisen und CO2-Preisen sowie zur Verfügbarkeit von Wasserstoff, Derivaten und Biomasse wiederum wurden den Sektormodellen von den Gesamtsystemmodellen zur Verfügung gestellt.

Die diesem Bericht zugrunde liegenden Szenariendaten stehen im Scenario Explorer unter https://data.ece.iiasa.ac.at/ariadne2 zur Verfügung.

GrößeAnnahmen
THG-MinderungszieleBis 2030: Reduktion der THG-Emissionen um 65 % ggü. 1990 über alle Sektoren hinweg. Kosten werden den Marktteilnehmenden zugeordnet, die sie verursachen.

Bis 2045: Klimaneutralität (Netto-Null THG-Emissionen.

Die Gesamtsystemmodelle halten ein indikatives Gesamt-CO2-Budget im
Zeitraum 2020–2045 von 8,2 Gt CO2äq ein (netto, inkl. CO2-Entnahmen/ Senken, inkl. Abfallverbrennung, excl. Kraftstoffe für int. Flug-/
Schiffsverkehr).
Nutzung von Biomasse2045: circa 300 TWh (Primärenergie)
Wirtschaftsentwicklung Bruttoinlandsprodukt (BIP)-Projektionen entsprechend SSP2-Szenario
Bevölkerung Projektionen entsprechend SSP24SSP2 ist das sogenannte „Middle of the Road”-Szenario innerhalb der gemeinsamen sozioökonomischen Pfade (Shared Socioeconomic Pathways (SSPs)). Dabei handelt es sich um Klimawandelszenarien für die projizierten sozioökonomischen globalen Veränderungen bis zum Jahr 2100, wie sie im Sechsten Sachstandsbericht des IPCC über den Klimawandel festgelegt wurden (Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) 2023).-Szenario
Tabelle 1.3: Emissionsminderungsziele in den Zielszenarien und makroökonomische Annahmen.

1.4.2 Investitionen für die Energiewende, Kosten der Energiewende und fiskalisch-wirksame Ausgaben

Auf Basis der Szenarien werden aus den jeweiligen Leitmodellen bottom-up, technologie- und sektorscharf die absoluten, jährlichen Investitionen abgeschätzt, die für die Energiewende notwendig sind. Diese werden in ihrem zeitlichen Verlauf analysiert, in 2025–2045 im Mittel pro Jahr betrachtet und auch aggregiert als Summe der Investition in die Energiewende im Zeitraum 2025–2045.

Unter Investitionen für die Energiewende verstehen wir alle Investitionen, die im Zusammenhang mit der Energiewende zum klimaneutralen Umbau der deutschen Energiewirtschaft, wie auch der Energieendnutzung für Verkehr, Gebäude und Industrie getätigt werden. Das können Investitionen in klimafreundliche Technologien, wie z.B. Wärmepumpen sein, Investitionen, die den Energiebedarf reduzieren, wie z.B. für energetische Gebäudesanierung, oder in Infrastruktur-Aufbau für die Energiewende, z.B. Investitionen in das Wasserstoffkernnetz.

Aufgrund großer Unterschiede in der Struktur von sektorspezifischen Investitionsausgaben mussten die Bilanzgrenzen für jeden Sektor einzeln definiert werden. In den meisten Fällen werden Brutto-Investitionen berücksichtigt, d.h. es werden die gesamten Investitionen einbezogen, nicht nur die Mehrausgaben gegenüber fossilen (Ersatz-)Investitionen. Eine Ausnahme bilden die Investitionen in Verkehrsträger mit alternativen Antrieben, die neben den absoluten Investitionen auch als Differenzinvestitionen gegenüber einem vergleichbaren Diesel-Fahrzeug als Energiewende-Investitionen angegeben werden. Ebenso werden bei Investitionen in die Steigerung der Energieeffizienz in der Industrie lediglich Differenzkosten zu den im Zuge von Modernisierung „sowieso“ anfallenden Investitionen angesetzt.

In einem zweiten Schritt betrachten wir die Kosten je Endnutzungssektor pro Jahr und Szenario, die sich als Summe aus den – mittels Zins und Lebensdauer – annualisierten Investitionskosten und den Kosten für Energieeinsatz und CO2 ergeben. Dabei sind die Kosten für den Energieeinsatz gleich dem Endenergieverbrauch je Energieträger bewertet zu projizierten Endkundenpreisen (inklusive CO2-Kosten), dazu kommen Kosten für weiteres emittiertes CO2 (prozessbedingte Emissionen der Industrie) bewertet zum projizierten CO2-Preis im ETS 1/2.

Darauf aufbauend werden die Mehrkosten bzw. Einsparungen pro Jahr berechnet, die sich je Sektor in einem Klimazielszenario gegenüber dem Szenario Existierende Politiken ergeben. Anhand dieser „makro-ökonomischen“ Betrachtung kann abgeschätzt werden, wie hoch die jährlichen zusätzlichen Kosten für alle Akteure gemeinsam (private Haushalte, Privatwirtschaft und öffentliche Hand) sind, wenn über die Transformation im Szenario Existierende Politiken hinaus Klimaziele und die Klimaneutralität angestrebt werden.

Zusätzlich zu dieser übergreifenden Kostenperspektive analysiert die Studie auf unterschiedliche Weise sektorspezifische Kostenindikatoren:

  • Im Verkehrssektor werden die spezifischen Kosten je gefahrenem Kilometer für E-Pkw gegenüber Verbrenner-Alternativen betrachtet.
  • In der Gebäudewärme werden spezifische Heizkosten je m2 beheizter Fläche pro Jahr in einem typischen Ein- bzw. Mehrfamilienhaus berechnet.
  • Für die Industrie werden die branchenspezifischen Mehrkosten in bestimmten Jahren gegenüber 2025 im Klimazielszenario analysiert. Des Weiteren werden betriebsbedingte jährliche Mehrkosten durch elektrische Wärme- und Dampferzeugung gegenüber dem klassischen Einsatz von Erdgas und durch die Nutzung von grünen Molekülen anstatt fossilen Alternativen bewertet.

Aus diesen spezifischen Kosten lässt sich auf die Wirtschaftlichkeit bestimmter klimafreundlicher Technologien schließen.

Alle in der Studie genannten Preise, Investitionen, Kosten und Einsparungen sind in Euro des Jahres 2020 angegeben, soweit nicht anders gekennzeichnet.

SektorBerücksichtigte Investitionen
Energiewirtschaft Kraftwerke zur Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien (Wind, Solar, Biomasse, Wasser, Geothermie)

Backup-Kraftwerke (Gas mit/ohne CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS), Kohle und Öl mit CCS, Wasserstoff

Stromnetzausbau (Übertragungs- und Verteilnetz), Anschluss von Offshore-Wind, Stromspeicher

Elektrolyseure, Anlagen für H2 aus anderen Quellen, H2-Speicher und H2-Netz

Power-to-X (PtX)-Anlagen, Direct Air Capture and Storage (DACCS)-Anlagen
VerkehrGesamtinvestitionen in alle Fahrzeuge (Pkw, Lkw, Busse, Schienenfahrzeuge), Schiffe und Flugzeuge – Energiewende-Investitionen als Differenz zu Dieselbetriebenen Fahrzeugen für Pkw und Lkw

Investitionen in neue Lade- und Betankungsinfrastruktur (Strom und Wasserstoff) für alle Verkehrsträger

Investitionen in Schienen- und Straßenerhaltung gemäß Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans5Investitionen in Schienen- und Straßeninfrastruktur werden nicht als Investitionen für die Energiewende klassifiziert, da sie unabhängig vom jeweiligen Szenario auf Basis des Bundesverkehrswegeplans fortgeschrieben werden (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2016). – die Differenz aus einer intensivierten oder reduzierten Nutzung gegenüber ExPol wird als Energiewende-Investition angesetzt.
GebäudeEnergetische Gebäudesanierung

Installation von Heizsystemen, die erneuerbare Energie nutzen (Wärmepumpe, Pellets, H2-Heizungen, Solarthermie, Biogas-Heizungen)

Wärmenetzausbau und Hausanschlüsse
IndustrieBrennstoffwechsel in der Warmwasser- und Dampferzeugung, in Industrieöfen und der Gebäudewärme
Tabelle 1.4: Vollständige Aufzählung aller berücksichtigten Investitionen je Sektor.

2. Die Transformation des Gesamtsystems

Nur noch 20 Jahre bleiben, um das Ziel der Klimaneutralität 2045 zu erreichen. Aufgrund unvermeidlicher Restemissionen und wegen der begrenzten Potenziale für CO2-Senken in Deutschland impliziert das Ziel der Klimaneutralität zeitglich einen nahezu vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energie. Die Energiewirtschaft in Deutschland muss folglich innerhalb der verbleibenden zwei Jahrzehnte fundamental transformiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Die wichtigsten Elemente dieser Transformation sind (1) die rasche und tiefgreifende Dekarbonisierung des Stromsystems; (2) der effizientere Energieeinsatz und eine weitgehende Elektrifizierung der Energienachfrage in fast allen Endnutzungssektoren; (3) der schrittweise Ersatz von Fossilen durch klimaneutrale Brennstoffe wie Wasserstoff und E-Fuels sowie – soweit nachhaltig verfügbar – Biomasse und Biokraftstoffe, wo eine Direktelektrifizierung nicht oder nur schwer möglich ist, und (4) die Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff, um einerseits verbleibende CO2-Ströme aus der Zementindustrie und Abfallwirtschaft zu mindern und andererseits durch Kombination mit Biomasse negative Emissionen zu generieren.

Die bestehende Politikambition bringt Deutschland in die Reichweite des 65 %-Minderungsziels für 2030. Allerdings sind substanzielle zusätzliche Anstrengungen in allen Sektoren und Handlungsfeldern nötig, um Deutschland auf Kurs zur Klimaneutralität 2045 zu halten.

2.1 Entwicklung der Treibhausgasemissionen

Getrieben durch deutlich verschärfte Klimaschutzpolitiken in der EU und Deutschland, und insbesondere die zuletzt beschleunigte Dekarbonisierung der Stromerzeugung, konnten die THG-Emissionen in den letzten Jahren deutlich reduziert werden (Abbildung 2.1). Zusätzlich haben die Corona-Pandemie, die Energiekrise und eine abgekühlte Wirtschaftsentwicklung zu einer schwächeren Energienachfrage geführt. Im Ergebnis führte dies zu einer starken THG-Minderung in Deutschland in den Jahren 2020–2023 von knapp 31 Mt CO2äq pro Jahr, während in den Jahren 2010–2019 lediglich ein jährlicher Rückgang von weniger als 15 Mt CO2äq erreicht wurde.
Zur Erreichung des Klimaziels im Jahr 2030 sind in den kommenden Jahren THG-Einsparungen von etwa 33 Mt CO2äq pro Jahr notwendig. Die Geschwindigkeit der letzten Jahre muss also mindestens gehalten werden.

Abbildung 2.1: Entwicklung der deutschen Treibhausgasemissionen. (a) Gesamtemissionen von 1990–2023 im Vergleich zu den Klimazielen 2030 und 2045 und Projektionen für das „Mit-Maßnahmen-Szenario“ (MMS) des Umweltbundesamtes in den Projektionsberichten 2021 und 2024; (b) Emissionen von 1990–2023 nach Hauptsektoren aufgeschlüsselt. Quelle: UBA, 2024

Die Verschärfung der Klimaschutzmaßnahmen in den letzten Jahren auf EU-Ebene und in Deutschland führen bereits zu einer deutlichen Reduktion der für 2030 erwarteten Emissionen gegenüber den heutigen Emissionen. Dies bestätigen auch die THG-Projektionen in den Projektionsberichten des Umweltbundesamtes. Im Projektionsbericht 2024 wurde im Mit-Maßnahmen-Szenario eine Reduktion der deutschen THG-Emissionen bis 2030 um 64 % gegenüber 1990 festgestellt, wodurch die Zielerreichung in greifbare Nähe rückt. Die Situation im Jahr 2021 sah noch deutlich anders aus: damals lagen die für 2030 erwarteten Emissionen mehr als 40 % über dem Zielwert (Umweltbundesamt 2021, 2024b, Abbildung 2.1).

So erreicht auch das in dieser Studie modellierte Szenario Existierende Politiken, welches die heutigen Politikmaßnahmen fortschreibt, beinahe das Klimaschutzziel für 2030. Es verfehlt jedoch das Klimaneutralitätsziel im Jahr 2045 deutlich – zur Erreichung dieses Ziels sind die zusätzlichen Maßnahmen der modellierten Zielszenarien Mix/Elek/H2 notwendig (Abbildung 2.2).

Abbildung 2.2: Sektorale Treibhausgasemissionen in Deutschland. Links: Zeitlicher Verlauf sektorspezifischer THG-Emissionen am Beispiel des Technologiemix-Szenarios in REMIND. Rechts: Vergleich der THG-Emissionen in den Gesamtsystemmodellen und dem Hybridmodell für die Jahre 2030 und 20456PyPSA-DE und REMod berichten nicht die Emissionen aller Sektoren, weshalb folgende Ergänzungen zur Komplettierung der Emissionsbilanz vorgenommen wurden: REMod wurde ergänzt mit Emissionen für Industrie-Prozesse aus FORECAST, Emissionen für Abfallwirtschaft, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Landnutzung aus REMIND. PyPSA berichtet Emissionen für Abfallwirtschaft als Teil der Energiewirtschaft, Emissionen für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Landnutzung wurden aus REMIND übernommen. in den Technologieszenarien und dem Szenario Existierende Politiken. Quelle: eigene Darstellung

In allen Zielszenarien ist die Energieversorgung im Jahr 2045 fast ausschließlich auf erneuerbare Energieträger umgestellt. Dies ergibt sich aus dem begrenzten Potenzial für natürliche und technische Senken, die nahezu vollständig zur Kompensation von nicht-CO2-Emissionen, insbesondere Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft sowie residualen Emissionen aus Industrieprozessen und Abfallwirtschaft, gebraucht werden.
Die einzelnen Sektoren unterscheiden sich deutlich in Bezug auf ihr kurzfristiges Emissionsminderungspotenzial. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in den sektoralen Zielen des Klimaschutzgesetzes: Während diese für die Energiewirtschaft eine Minderungsleistung von über 50 % gegenüber der Zeitspanne 2018–2022 vorsehen, müssen die Sektoren Industrie, Verkehr und Gebäude angesichts der geringeren kurzfristigen Einsparpotenziale auch geringere relative Minderungen erbringen.

Der Vergleich der sektoralen CO2-Emissionen im Jahr 2030 in den Szenarien Technologiemix und Existierende Politiken gegenüber den sektoralen Zielen des KSG zeigt, dass insbesondere in der Energiewirtschaft und der Industrie zusätzliche Maßnahmen zu den heute implementierten die Minderung der Emissionen beschleunigen und die Zielerreichung wahrscheinlicher machen können. Im Verkehrssektor und der Gebäudewärme dagegen bestehen weniger Optionen für weitere, kurzfristig wirksame Maßnahmen (über bestehende hinaus), weshalb dort das 2030er Ziel, wenn überhaupt, nur knapp erreichbar scheint (Abbildung 2.3).

Abbildung 2.3: Sektorale CO2-Emissionen in Deutschland im Jahr 2030. In den Szenarien Technologiemix und Existierende Politiken aus dem jeweiligen Leitmodell (plus Bandbreite aller Modelle) im Vergleich zu den mittleren jährlichen CO2-Emissionen in 2018–2022 (Umweltbundesamt 2024c) und den Sektorzielen laut KSG (KSG 2021). Quelle: eigene Darstellung

2.2 Transformation von Energiebereitstellung und -nutzung

Die Dekarbonisierung der Stromerzeugung wird durch einen in allen Szenarien und Modellen konsistenten, schnellen Ausbau der Photovoltaik und Windenergie erreicht. Gleichzeitig steigt der Strombedarf aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung der Endnutzung im Jahr 2030 auf 681–807 TWh und im Jahr 2045 auf 1.037–1.423 TWh deutlich an (Abbildung 2.4).

Abbildung 2.4: (a) Stromnachfrage7Die dargestellte Stromnachfrage ist die Summe aus Nettostromverbrauch und Netzverlusten. und (b) Stromerzeugung aus Wind + PV in Deutschland bis 2045. Ergebnisse der Gesamtsystemmodelle und Bandbreiten über die Technologieszenarien. Ergebnisse der Gesamtsystemmodelle und Bandbreiten über die Technologieszenarien (EEG 2024)8EEG2023: Gesetzlich festgelegtes Ziel für die Erzeugung von Strom aus Wind- und Solarenergieanlagen bis 2025 beziehungsweise 2030 laut Strommengenpfad nach § 4a aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2024; Historische Daten (BMWK and AGEE 2024). Quelle: eigene Darstellung

Bis 2030 ist die Dekarbonisierung der Stromversorgung in allen Szenarien schon weit fortgeschritten, während die Defossilisierung der nicht-elektrischen Brenn- und Kraftstoffnachfrage für Gebäude, Verkehr und Industrie erst ab 2030 Fahrt aufnimmt. Dieser Unterschied wird in der Auswertung der CO2‑Intensität der Stromerzeugung bzw. des Brennstoffeinsatzes (Abbildung 2.5) deutlich. In allen Szenarien und Gesamtsystemmodellen wird bis 2030 bereits 73–92 % weniger CO2 pro erzeugter kWh Strom ausgestoßen als im Jahr 2015. Die durchschnittliche CO2-Intensität der in den Nachfragesektoren genutzten Brennstoffe, d.h. die durchschnittlich emittierte Menge CO2 bei der Verbrennung von Energieträgern in diesen Sektoren, sinkt bis 2030 hingegen nur um durchschnittlich 12 %.

Abbildung 2.5: Elektrifizierung und CO2-Intensität der Stromerzeugung bzw. der Brennstoffnutzung in den Endnutzungssektoren. (a) Elektrifizierung (Anteil von Strom an der Endenergie ohne internationalen Flug- und Schiffsverkehr, ohne stoffliche Bedarfe in der Industrie), (b) CO2-Intensität der Stromerzeugung bzw. (c) CO2-Intensität der Brennstoffnutzung in den Endnutzungssektoren in den Gesamtsystemmodellen und allen Szenarien; Historische Daten (Umweltbundesamt 2024d; AG Energiebilanzen 2024). Quelle: eigene Darstellung

Aufgrund der schnelleren und tieferen Dekarbonisierung der Stromversorgung im Vergleich zu Brennstoffen sowie der (meist) deutlich höheren Effizienz von strombasierten Endnutzungen ist es kosteneffizient, zur Erreichung der Klimaziele die Endenergienutzung größtenteils auf Strom umzustellen. Dementsprechend steigt in allen Zielszenarien der Stromanteil in der Endenergie (ohne Berücksichtigung von stofflichen Bedarfen in der Industrie und dem internationalen Flug- und Schiffsverkehr) von 20 % im Jahr 2023 auf 53–80 % im Jahr 2045 (Abbildung 2.5). Werden auch Flug- und Schiffsverkehr sowie die stoffliche, nicht-energetische Nutzung berücksichtigt, beträgt der Stromanteil am Gesamtenergiebedarf 47-59% (Abbildung 2.6). In der Gebäudewärme und der Industrie spielt außerdem Fernwärme, die ebenfalls aus erneuerbaren Energiequellen stammt (Elektrische Großwärmepumpen, Biomasse), eine relevante Rolle.

Schließlich werden restliche, nicht oder schwer elektrifizierbare Verbräuche im Verkehrssektor und in der Industrie durch nicht-fossile Energieträger wie Wasserstoff, bio-basierte Energieträger oder synthetische CO2-neutrale Kraftstoffe (E-Fuels) gedeckt (Abbildung 2.6). Angebot und Nachfrage für nicht-fossile stoffliche Energieträger werden in Kapitel 2.3 vertieft analysiert.

Abbildung 2.6: Energiebedarf nach Sektoren und Energieträgern in Deutschland. Links: Zeitlicher Verlauf am Beispiel des Technologiemix-Szenarios im Gesamtsystemmodell REMIND. Rechts: Vergleich der Energienachfrage in den Gesamtsystemmodellen und dem Hybridmodell für die Jahre 2030 und 2045 in den Technologieszenarien und dem Szenario Existierende Politiken. Energie umfasst auch den Bedarf für internationale Flug- und Schiffsverkehr. Quelle eigene Darstellung

Die höhere Effizienz strombasierter Anwendungen – insbesondere Elektromobilität beim Straßenverkehr und Wärmepumpen für Gebäude – sowie weitere technische Effizienzverbesserungen in allen Sektoren führen insgesamt zu einem Rückgang des Energiebedarfs um etwa 31–45 % zwischen 2015 und 2045 in allen Technologieszenarien und Gesamtsystemmodellen und dem Hybrid-Modell9Ohne Einbeziehung von Umgebungswärme als Teil der Endenergie..

2.3 Entwicklung des Bedarfs anstofflichen Energieträgern

Trotz der oben beschriebenen zunehmenden Elektrifizierung und der zunehmenden Nutzung von Fernwärme im Gebäudesektor verbleiben Bedarfe an stofflichen Energieträgern für die Nutzung als Brenn- und Kraftstoffen oder für die nicht-energetische Nutzung. Aufgrund der Knappheit von Wasserstoff und nicht-fossilen Kohlenwasserstoffen ist der Restbedarf an stofflicher Energie für die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zur Erreichung der Klimaneutralität bestimmend.
Abbildung 2.7 zeigt die relativen Anteile der verschiedenen Energieträger an der Energiebereitstellung in den Zielerreichungsszenarien gemäß Modellierung der Sektormodelle. Wasserstoff und E-Fuels tragen im Jahr 2045 in den Technologieszenarien mit 28–39 % zum Energiebedarf bei. Den größten Anteil am Energiebedarf haben Wasserstoff und E-Fuels im Industriesektor, wo sie im FORECAST-Modell über alle Technologieszenarien im Jahr 2045 41–59 % des Energiebedarfs (inkl. stofflichem Bedarf) ausmachen. Die Wasserstoffnachfragen der Industrie unterliegen allerdings hohen Unsicherheiten, die nicht vollständig in der Bandbreite der hier gezeigten Szenarien abgebilidet ist (Kapitel 5.1.3). Im landgebundenen Verkehrssektor liegt der Anteil im Jahr 2045 immer noch bei 5–25 % (ohne Einbeziehung des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs), während im Gebäudesektor klar die Nutzung von Strom und Fernwärme dominiert.

Abbildung 2.7: Anteile von Energieträgern an der Energienachfrage in Deutschland. Bandbreiten in den Technologieszenarien. Anteile an (a) dem gesamten Energiebedarf entsprechend Hybrid-Modell, (b) der Endenergie des Verkehrssektors laut ALADIN/ASTRA (ohne int. Schiffs- und Flugverkehr), (c) dem Energiebedarf der Industrie (energetisch + nicht-energetisch) laut FORECAST, (d) der Endenergie der Gebäude laut REMod10Biomasse und Fernwärme aus dem Szenario Technologiemix, bestehende Variation über die Szenarien ist nicht gezeigt.. Quelle: eigene Darstellung

In der Gesamtschau (Abbildung 2.8) der stofflichen Energienachfrage in absoluten Zahlen ergibt sich für 2045 ein verbleibender Bedarf an stofflicher Energie von 577–771 TWh im Szenario Technologiemix. Dieser wird stark von der Nachfrage der Industrie, insbesondere für die Grundstoffsektoren Chemie, Metallerzeugung, Steine und Erden (Kapitel 5.1.3), dominiert. Zusätzlich schlägt der Schiffs- und Flugverkehr mit einem Bedarf von 51–128 TWh im Szenario Technologiemix zu Buche. Verbleibende nicht-elektrische Verbräuche für landgebundenen Verkehr und dezentrale Gebäudebeheizung sind 2045 hingegen sehr klein.

Abbildung 2.8: Energienachfrage nach Brennstoffen, Kraftstoffen und für stoffliche Nutzung in der Industrie und in der Backup-Stromerzeugung. Nach Energiequelle und Einsatz aufgeschlüsselt in den Gesamtsystemmodellen und dem Hybridmodell. Verkehr enthält auch den Energieverbrauch des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs. Quelle: eigene Darstellung

Zusätzlich zum Bedarf an nicht-elektrischer Endenergie für Industrie, Verkehr und Gebäude werden Brennstoffe auch für die Stromerzeugung in regelbaren Kraftwerken sowie die Fernwärme benötigt (Abbildung 2.8). Dieser Brennstoffbedarf der Energiewirtschaft reduziert sich im Szenario Technologiemix von 228–425 TWh im Jahr 2030 auf 62–163 TWh im Jahr 2045. Maßgeblich hierfür ist das Ausmaß, in dem das sektorgekoppelte Stromsystem flexibilisiert werden kann, um den Backupstrom-Bedarf zu minimieren (Kapitel 6.1.3.2).

Für das Szenario Fokus Wasserstoff ergibt sich eine um etwa 250 TWh höhere Nachfrage nach stofflicher Energie, maßgeblich aufgrund stärkerer Wasserstoffnutzung in der Industrie. Die Szenarien NFhoch und NFniedrig zeigen, dass die Annahmen zur Nachfrageentwicklung einen deutlichen Einfluss auf den nicht-elektrische Energiebedarf haben.

Aufgrund der Szenarienannahmen zur Verfügbarkeit nachhaltiger Biomasse (Thrän et al. 2019) ist der Beitrag von Bioenergieträgern zur Energergiebereitstellung auf ca. 200 TWh/a begrenzt. Der verbleibende stoffliche Energiebedarf muss größtenteils mit Wasserstoff und Wasserstoffderivaten gedeckt werden, wodurch sich für diese Energieträger in Technologiemix für 2045 ein Gesamtbedarf von 261–550 TWh/a ergibt. Der Anteil residualer fossiler Energie am Energiebedarf sinkt in REMIND und PyPSA auf unter 5 % des Niveaus von 2020, in REMod auf unter 0.1%.

3. Sektorale Perspektive – Verkehr

Die Emissionen im Verkehrssektor blieben von 1990 bis 2019 relativ konstant, da Effizienzgewinne beim Antrieb größtenteils durch schwerere Fahrzeuge und wachsendes Verkehrsaufkommen kompensiert wurden. Auch bei der Verkehrsträgerwahl zeigt sich bisher keine deutliche Entwicklung zu emissionsärmeren Modi (Bahn, Fahrrad, Fuß), weshalb in den letzten Jahren mit verstärkten Politikmaßnahmen auf EU-Ebene und in Deutschland eine Antriebswende angestoßen wurde. Getrieben durch die 2020 deutlich schärferen EU-Emissionsflottengrenzwerte für Personenkraftwagen (Pkw) in Verbindung mit Kaufprämien in Deutschland stieg der Marktanteil von batterieelektrischen Autos (BEV) von 1,7 % im Jahr 2019 auf 13,4 % im Jahr 2021 (Alternative Fuels Observatory 2025). Nach weiterem Wachstum auf 18 % im Jahr 2023 führte das Ende der Förderung gewerblicher Halter im August 2023 und privater Halter im Dezember 2023 dann zu einem Rückgang der BEV-Verkaufszahlen im Jahr 2024 in Deutschland. Zum Vergleich: die Vorreiterländer Norwegen, China und Dänemark konnten 2024 den Anteil von Elektroautos (batterieelektrisch + Plugin-Hybrid) an Neuwagenverkäufen auf 90 %, 48 % beziehungsweise 47 % steigern. Auch im Lkw-Bereich gelten seit 2021 Flottengrenzwerte für die Emissionen, sodass die Hersteller die Emissionen der Neuwagenflotte bis 2030 um 45 % gegenüber 2019–2021 senken müssen. Für 2025 wird aufgrund der erneut deutlich schärferen EU-Flottengrenzwerte für Pkw, dem Herausbringen mehrerer BEV-Modelle im Preissegment unter 30.000 EUR und dem kontinuierlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur wieder eine deutliche Erhöhung des Marktanteils auf über 25 % erwartet.

Um die weitere Transformation zu einem klimaneutralen Verkehrssektor kosteneffizient zu erreichen, sind nach heutigem Wissen die zentralen Hebel: (a) die fast vollständige Elektrifizierung der Pkw-Flotte, (b) eine überwiegende Elektrifizierung von Lkw und Bussen (möglicherweise mit Nutzung von Wasserstoff für gewisse Anwendungsbereiche) und (c) der Ausbau von synthetischen Kraftstoffen und Biokraftstoffen, um die Nachfragen des Flug- und Schiffsverkehrs decken zu können.

Die Punkte (a) und (b) sollten durch die heute bestehenden EU-Regulierungen (hauptsächlich Flottengrenzwerte, flankiert durch den Emissionshandel ETS 2) sowie die CO2-basierte Maut im Lkw-Bereich größtenteils erreicht werden, solange die Regulierungen nicht abgeschwächt werden. Für die Zeit nach 2035 ist voraussichtlich eine gewisse Nachschärfung notwendig, um die Elektrifizierung der bestehenden Pkw-Flotte zu beschleunigen. Gleiches gilt für Lkw, für welche die Entwicklung und Umstellung noch schneller bewerkstelligt werden muss, um die Grenzwerte zu erreichen. In beiden Bereichen ist die direkte Elektrifizierung das Mittel der Wahl, und Wasserstoff kann nur bei sehr niedrigen Wasserstoffpreisen eine Rolle im Lkw-Fernverkehr spielen. Der Endenergiebedarf im Verkehrssektor wird sich bis 2045 aufgrund der höheren Antriebseffizienz etwa halbieren, der Luft- und Schiffsverkehr (c) wird dann anteilig eine deutlich größere Rolle einnehmen.

Die Gesamtkosten für elektrische Fahrzeugvarianten bringen zudem deutliche Kostenvorteile gegenüber Verbrennern mit sich. Batterieelektrische Pkw haben bereits heute häufig einen Gesamtkostenvorteil. Etwa ab 2035 könnten auch die Investitionen elektrischer Fahrzeuge geringer ausfallen als die eines entsprechenden Verbrenners, weshalb die gesamten durch die Antriebswende induzierten Investitionen des Verkehrssektors deutlich sinken und langfristig negativ werden. Die wesentlichen Mehrausgaben beschränken sich dann auf die notwendige Lade- und Tankinfrastruktur. Einhergehend mit einer Vielzahl an heute bereits aktiven privatwirtschaftlichen Akteuren liegen die Bedarfe für direkte staatliche Förderung in Lade- oder Tankinfrastruktur bereits 2030 unter 1 Mrd. EUR pro Jahr.

3.1 Transformationsdynamik des Verkehrssektors

Neben den Energieträgerpreisen im Verkehr sind die Annahmen zur Verkehrsnachfrage (vgl. Abbildung 3.1) maßgeblich für die Ermittlung der Endenergienachfrage. Diese Entwicklungen werden auf Basis der angenommenen Bevölkerungsentwicklung, des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den Energieträgerpreisen mit dem Modell ASTRA11Mehr Informationen zum Modell: www.astra-model.eu ermittelt. Hierbei wurden drei Szenarien bestimmt, die unterschiedliche Grade von Suffizienz und Wandel des Verkehrsverhaltens unterstellen. Im Szenario für Hohe Nachfrage steigt der Personen- und Güterverkehr bis 2045 an, vor allem die Anzahl der Pkw steigt im Vergleich zu den anderen Szenarien, im Güterverkehr geht der Transport per Zug zurück. Im mittleren Szenario, das für die Szenarien Existierende Politiken, Technologiemix, Fokus Elektrifizierung, Fokus Wasserstoff verwendet wird, stagnieren die Pkw-Zahlen langfristig, der Güterverkehr steigt jedoch weiterhin an, vor allem im Lkw-Bereich. Im Szenario Niedrige Nachfrage reduziert sich der motorisierte Individualverkehr mit Pkw und es werden langfristig weniger Fahrzeuge gekauft. Auch der Güterverkehr geht aufgrund eines geänderten Konsumverhaltens langfristig zurück (bei allen Güterverkehrsträgern um etwa 10 %).

Abbildung 3.1: Verkehrsnachfrage des Personen- (a) und Güterverkehrs (b). Dargestellt ist die zeitliche Entwicklung im Szenario Mix (links) und die Variationen in den Szenarien NFniedrig und NFhoch für 2030 und 2045. Pkm = Personenkilometer, tkm = Tonnenkilometer. Quelle: eigene Darstellung

Die Verkehrsnachfrage bildet die Grundlage für die Antriebswahl im Modell ALADIN (Plötz et al. 2014; Gnann et al. 2022).
Basierend auf den Neuzulassungen und den Jahresfahrleistungen wird mithilfe der verschiedenen Kostenannahmen in den Szenarien die Verteilung der Antriebe im Zeitverlauf ermittelt. Auf Politikmaßnahmenseite wurde angenommen, dass die Kaufpreissubventionen weiter eingestellt bleiben, die geltenden Regelungen zur Kfz-Steuer und Mautbefreiung bis 2030 implementiert sind und die Maßnahmen gemäß des Fit-for-55-Pakets der EU erfüllt werden. Letzteres sind die Beibehaltung der verschärften Flottengrenzwerte (EU 2019/631; EU 2019/1242), die Einführung eines ETS 2 (Einführung ab 2027, ab 2030 analog zum ETS 1), der Einbezug des Luft- und Schiffsverkehrs in den ETS 1 und die Veränderung der Energiesteuerrichtlinie mit daraus resultierenden höheren Energiesteuerabgaben für Dieselkraftstoff und der Besteuerung von Schiffs- und Flugkraftstoffen (hier ab 2025, da bislang noch keine Einigung unter den EU-Mitgliedsländen erzielt werden konnte (Asquith 2024)).

Die Ergebnisse für Pkw und Lkw sind in Abbildung 3.2 und Abbildung 3.3 dargestellt. Hier erkennt man deutlich, dass alle Szenarien in Zukunft zu großen Teilen auf reine Elektrofahrzeuge (BEV) setzen, die teilweise noch von Plug-in Hybriden (PHEV) oder Brennstoffzellenfahrzeugen (FCEV) flankiert werden.

Abbildung 3.2: Entwicklung des Pkw-Bestands nach Antriebsarten. Links ist die Bestandsentwicklung im Zeitverlauf für das Szenario Mix dargestellt, rechts sieht man die Szenarien für 2030 (oben) und 2045 (unten) im Überblick. Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 3.3: (a) Entwicklung des Lkw-Bestands nach Antriebsarten für leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t und (b) Lkw über 3,5 t. Jeweils links ist die Bestandsentwicklung im Zeitverlauf für das Szenario Mix dargestellt, rechts sieht man die Szenarien für 2030 (oben) und 2045 (unten) im Überblick. Quelle: eigene Darstellung

Im Pkw-Bereich kommen FCEV ausschließlich in Fokus Wasserstoff zum Einsatz, wo besonders günstige Bedingungen für sie vorherrschen (geringer Wasserstoffpreis und günstige Entwicklung der Fahrzeugpreise bei bedarfsgerechtem Infrastrukturaufbau). In allen anderen Szenarien prägen BEV das Bild, nur in negativen Bedingungen (Existierende Politiken und Hohe Nachfrage) sind PHEV länger im Bestand, die sonst nur eine Übergangslösung darstellen.

Im Lkw-Verkehr stellt sich das Bild sehr ähnlich dar und die Szenarien unterscheiden sich wenig bei leichten und mittleren Lkw bis 12 t, bei denen langfristig nur noch Elektrofahrzeuge zum Einsatz kommen. Im Schwerlastverkehr sind unter günstigen Rahmenbedingungen (niedriger Wasserstoffpreis, geringe Kosten für Brennstoffzellen, flächendeckender Infrastrukturausbau) für Wasserstoff auch FCEV denkbar, andernfalls sind auch hier elektrische Lkw das Mittel der Wahl. Denkbar sind außerdem neben reinen Batterie-Lkw, die einen Großteil der Fahrzeuge ausmachen, auch Oberleitungs-Lkw, die im Langstreckenverkehr eingesetzt werden könnten. Wird keine Infrastruktur für sie errichtet, können diese durch BEV ersetzt werden.

Im Bahnverkehr kann im Fokus Wasserstoff Szenario ein Teil der heute mit Diesel betriebenen Züge auf Wasserstoff umgestellt werden, deutlich wahrscheinlicher ist der Einsatz von Batteriezügen, die an der Oberleitung geladen werden, da die Synergieeffekte für Wasserstofftankstellen fehlen. Dies gilt analog für den Busverkehr. In der Binnenschifffahrt sind elektrische Antriebe bis 2045 vermutlich nur in der Minderheit, was auch an den langen Haltedauern von Schiffen liegt. Hier könnte Wasserstoff eine Option sein (in Fokus Wasserstoff), vornehmlich werden hier aber aufgrund der hohen Energiedichte synthetische und biogene Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen zum Einsatz kommen. Gleiches gilt für den internationalen See- und Luftverkehr, bei dem die Energiedichte die entscheidende Rolle spielt. Im Luftverkehr bis 1.000 km wären elektrische und wasserstoffbetriebene Flugzeuge ab 2035 denkbar, die dann aber langfristig (aufgrund von Haltedauern von 25 bis 30 Jahren) nur einen kleinen Teil des Bestands und der Energienachfrage darstellen.

Über die Bestandsentwicklung sowie das Mobilitätsverhalten lässt sich die Endenergienachfrage bestimmen. Die Endenergienachfrage aller Verkehrsträger nimmt langfristig deutlich ab und halbiert sich in fast allen Szenarien bis zum Jahr 2045 (vgl. Abbildung 3.4). Dabei gewinnt jedoch der Anteil an Flug- und Schiffskraftstoffen klar an Bedeutung, der heute etwa 20 % der gesamten Endenergienachfrage im Verkehrssektor ausmacht und langfristig auf 42 % bis 47 % steigt. Zum einen hängt dies mit dem Anstieg der Verkehrsleistung in diesem Bereich zusammen, zum anderen ist es auf die verstärkte Elektrifizierung und damit einhergehende Effizienzverbesserung im landgebundenen Verkehr zurückzuführen.

Abbildung 3.4: Endenergienachfrage aller Verkehrsträger nach Kraftstoffart [Twh/a] (inkl. internationalem Verkehr). Auf der linken Seite ist die Energienachfrage des Verkehrssektors im Zeitverlauf für das Szenario Mix im Modell ALADIN dargestellt. Rechts sind die verschiedenen Szenarien und beteiligten Modelle für 2030 (oben) und 2045 (unten) dargestellt. Quelle: eigene Darstellung

Die Stromnachfrage liegt in fast allen Szenarien im Verkehrssektor bei rund 50 % im Jahr 2045, lediglich in Fokus Wasserstoff ist der Anteil von Strom mit 40 % der Endenergienachfrage im Verkehrssektor kleiner. In diesem Szenario ist auch die einzige Wasserstoffnachfrage zu verzeichnen (12 % der Endenergienachfrage), Wasserstoff kommt also nur bei sehr günstigen Bedingungen im Verkehrssektor zum Einsatz. Methan wird nur als Übergangstechnologie im Pkw und Lkw angesehen, die gegebenenfalls auch übersprungen werden könnte. Die Unterschiede in den Szenarien sind nicht sehr groß, was vor allem auch von der dominierenden Nachfrage aus der Luft- und Hochseeschifffahrt herrührt.

Etwas deutlicher werden die Unterschiede bei einem detaillierten Blick auf den Pkw-Verkehr und seine Endenergienachfrage (vgl. Abbildung 3.5). Hier ist zunächst die Verdrängung aller verbrennungsmotorischen Fahrzeuge bis zum Jahr 2045 in fast allen Szenarien klar zu erkennen, was mit einer Erhöhung der Strom- und Reduktion der Kraftstoffnachfrage einhergeht. Nur im Wasserstoffszenario (Fokus Wasserstoff) kommen einzelne Brennstoffzellen-Pkw zum Einsatz.

Abbildung 3.5: Endenergienachfrage von Personenkraftwagen nach Kraftstoffart [Twh/a]. Links ist die Endenergienachfrage von Pkw im Szenario Mix im Zeitverlauf dargestellt, rechts sieht man die unterschiedlichen Szenarien für die Jahre 2030 (oben) und 2045 (unten). Quelle: eigene Darstellung

Die gesamte Endenergienachfrage von Pkw im Jahr 2045 variiert aber zwischen den Szenarien deutlich zwischen 90 TWh in Niedrige Nachfrage und 130 TWh in Hohe Nachfrage. Zum einen ist das mit einer unterschiedlichen Verkehrsnachfrage zu erklären, zum anderen hängt es mit der unterschiedlich schnellen Durchdringung und Art von Elektrofahrzeugen zusammen (vgl. Abbildung 3.2).

In allen Szenarien ist die Grundannahme, dass Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 erreicht wird, außer im Existierende Politiken-Szenario, wo dies erst 2050 der Fall ist. Dies spiegelt sich in den Emissionen (Abbildung 3.6) unterteilt nach Verkehrsträgern wider, bei denen eine deutliche Verschiebung von Pkw und Lkw als Hauptemittenten zum Schiffs- und Luftverkehr deutlich wird.

Abbildung 3.6: CO2-Emissionen nach Verkehrsträgern im Zeitverlauf. Links sind die CO2-Emissionen im Zeitverlauf für das Szenario Mix mit dem Modell ALADIN dargestellt, rechts sieht man unterschiedlichen Modelle und Szenarien für 2030 (oben) und 2045 (unten).
Quelle: eigene Darstellung

Die THG-Neutralität wird, abgesehen von der Reduktion des Gesamtenergiebedarfs, aber vor allem durch den Einsatz alternativer Kraftstoffe (Abbildung 3.7) erreicht, der in den Szenarien unterschiedlich groß ist. Während heute biogene Kraftstoffe vor allem im Straßenverkehr eingesetzt werden, sind diese aufgrund der starken Elektrifizierung des Straßenverkehrs langfristig für den Schiffs- und Luftverkehr verfügbar. Alle weiteren notwendigen Kraftstoffe müssen dann synthetisch aus erneuerbarem Strom erzeugt werden. In Technologiemix, Fokus Elektrifizierung und Fokus Wasserstoff sind dies 180 bis 195 TWh, wovon etwa 90 % für den internationalen Verkehr zum Einsatz kommen. Im Szenario Hohe Nachfrage liegen diese mit 205 TWh an synthetischen und biogenen Kraftstoffen nur leicht darüber, in Niedrige Nachfrage sind es nur 160 TWh.

Abbildung 3.7: Einsatz alternativer Kraftstoffe. Links ist die Zusammensetzung der Kraftstoffe im Zeitverlauf für das Szenario Mix zu sehen. Rechts sind alle Szenarien für 2030 (oben) und 2045 (unten) dargestellt. Quelle: eigene Darstellung

3.2 Investitionsbedarfe im Verkehrssektor

Im Anschluss an die Transformationsdynamik, die sich in einigen Fällen nicht mehr sehr stark unterscheidet, da der landgebundene Verkehr in allen Szenarien fast vollständig elektrifiziert wird, stellt sich die Frage, wie hoch die Investitionen in den verschiedenen Szenarien sind. Die Investitionen umfassen hierbei Investitionen in Neufahrzeuge, neu zu errichtende Lade- und Betankungsinfrastruktur sowie eine Fortschreibung der Investitionen in Schienen- und Straßeninfrastruktur auf Basis des Bundesverkehrswegeplans. Weitere Ausgaben, beispielsweise für den Ausbau des ÖPNV, sind nicht berücksichtigt (Kapitel 1.4.2).
Die Gesamtinvestitionen des Verkehrs im Zeitverlauf sind in Abbildung 3.8 dargestellt. Hier erkennt man die höheren Investitionen in Technologiemix12Jahreswerte für Investitionsbedarfe bilden die mittleren Investitionsbedarfe über 5 Jahre ab, z. B. Investitionsbedarf pro Jahr in 2030 = Mittlere Bedarfe pro Jahr in 2028–2032. und Hohe Nachfrage, wie auch die etwas geringeren in Niedrige Nachfrage. Dies liegt zum einen an den unterschiedlichen Verkehrsleistungen, zum anderen aber auch an der unterschiedlichen Durchdringung mit Elektrofahrzeugen, die langfristig günstiger als verbrennungsmotorische Fahrzeuge zu kaufen sein werden. Deutlich wird hierbei, dass die große Anzahl an Pkw und Lkw auch die Gesamtinvestitionen dominieren und die weiteren Verkehrsträger (insbesondere Flugzeuge und Schiffe) bei den Investitionen aufgrund ihrer kleinen Fahrzeugbestände eine untergeordnete Rolle spielen. Von den ca. 100 Mrd. EUR Investitionen in Fahrzeuge entfallen bereits 2030 ca. 80 Mrd. EUR auf batterieelektrische Pkw und Lkw. Die Lade- und Wasserstoffinfrastruktur mit knapp 6,5 Mrd. EUR Investitionen liegt im Jahr 2045 in derselben Größenordnung wie die Investitionen in Schiene (5 Mrd. EUR 2045) und Straße (8 Mrd. EUR 2045).

Abbildung 3.8: Gesamtinvestitionen nach Szenarien und Verkehrsträgern im Zeitverlauf. F=Flotte (Fahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe), I=Betankungs- oder Ladeinfrastruktur. Quelle: eigene Darstellung

Um die Investitionen durch die Antriebswende zu beziffern, lassen sich auch die Differenzinvestitionen im Vergleich zum verbrennungsmotorischen Antrieb bestimmen, wobei hier Dieselfahrzeuge als Referenz gewählt wurden (vgl. Abbildung 3.9).

Abbildung 3.9: Jährliche Energiewende-Investitionen nach Szenarien im Zeitverlauf13Jahreswerte für Investitionsbedarfe bilden die mittleren Investitionsbedarfe über 5 Jahre ab, z. B. Investitionsbedarf pro Jahr in 2030 = Mittlere Bedarfe pro Jahr in 2028–2032.. Links ist der Investitionsbedarf im Zeitverlauf für das Szenario Mix, rechts der Überblick über die Szenarien für 2030 (oben) und 2045 (unten) dargestellt. Quelle: eigene Darstellung

Man erkennt deutlich die teilweise negativen Investitionen in Technologiemix, Fokus Elektrifizierung und Niedrige Nachfrage, welche langfristig auch die geringsten Energiewende-Investitionen aller modellierten Szenarien aufweisen. Diese negativen Differenzinvestitionen kommen zustande, weil reine Elektro-Pkw und Elektro-Lkw langfristig schon in den reinen Anschaffungskosten voraussichtlich günstiger als ihre verbrennungsmotorischen Pendants sein werden. Szenarien mit PHEV oder FCEV weisen hingegen langfristig höhere Differenzinvestitionen auf (Existierende Politiken, Fokus Wasserstoff oder Hohe Nachfrage). Die größten weiteren Energiewende-Investitionen rühren von der Lade- oder Betankungsinfrastruktur her, die in Gänze zusätzlich anfallen, während bei den Investitionen in Schiene und Straße die Differenz zum Existierende Politiken-Szenario angenommen wurde (ca. +/- 0,5 Mrd. EUR im Vergleich zu 5 Mrd. EUR im Szenario Technologiemix)14Notwendige Investitionen zur Instandhaltung von Straße und Schiene sind nicht ursächlich auf die Energie- bzw. Verkehrswende zurückzuführen und daher nicht Teil der betrachteten zusätzlichen Investitionen. Lediglich die Differenz zum bereits vorhandenen Investitionsbedarf, beispielsweise aufgrund einer stärkeren Nutzung der Schiene, ist in diesem Zusammenhang relevant..

Summiert man die Energiewende-Investitionen zwischen 2020 und 2045 auf, erhält man die Darstellung in Abbildung 3.10. Hier wird deutlich, dass in den Szenarien Technologiemix, Fokus Elektrifizierung und Niedrige Nachfrage die geringsten Energiewende-Investitionen anfallen; sie liegen bei rund 200 Mrd. EUR bis 2045. Im Fokus Wasserstoff-Szenario sind diese etwas höher und liegen bei etwa 260 Mrd. EUR. Im Szenario Existierende Politiken und Hohe Nachfrage sind 320, bzw. 400 Mrd. EUR Energiewende-Investitionen notwendig. Die Unterschiede liegen vor allem in den Differenzinvestitionen für Pkw begründet; beim Einsatz von BEV werden die Differenzinvestitionen langfristig negativ (BEV sind günstiger als konventionelle Fahrzeuge), bei größeren Anteilen an PHEV und FCEV sind die Differenzinvestitionen höher aufgrund der größeren Anschaffungskosten im Vergleich zum Verbrenner.

Abbildung 3.10: Kumulierte Investitionen in die Energiewende nach Szenarien 2020–2045. F=Fahrzeuge (Differenz der Investitionen für alternativen Antrieb gegenüber Diesel), I=Betankungs- oder Ladeinfrastruktur (Gesamte Ausgaben für Infrastrukturerrichtung). Quelle: eigene Darstellung

Die Investitionen sind jedoch von unterschiedlichen Akteuren zu tätigen. Neue Pkw werden zu zwei Dritteln von Unternehmen als gewerbliche Flottenfahrzeuge oder Dienstwagen zugelassen. Diese gehen im Mittel nach vier Jahren in den Zweitwagenmarkt und an Privatnutzer, wo sie noch rund 8–10 Jahre gehalten werden. Ein Drittel der Nutzungsdauer entfällt also auf die gewerbliche Nutzung der ursprünglich gewerblich angeschafften Fahrzeuge. Verteilt man die Investitionen aller Pkw auf die Nutzungszeit, so würden Unternehmen etwa 25 % der Investitionen tragen, während die restlichen Investitionen von Privathaushalten gestemmt würden. Da von staatlicher Seite keine Kaufprämie mehr gezahlt wird, ist keine Investition von Staatsseite zu tragen.

Bei der Ladeinfrastruktur werden die Investitionen auf Haushalte (Ladepunkte daheim), Unternehmen (Ladepunkte am Arbeitsplatz, Ladepunkte für gewerbliche Fahrzeuge und Teile der öffentlichen Ladepunkte) und den Staat (Teile der öffentlichen Ladepunkte) aufgeteilt. Da sich der Staat hier weiter aus dem Aufbau einer öffentlichen Mindestinfrastruktur zurückziehen wird, sind vor allem Unternehmen diejenigen, die den Großteil der Investitionen in Pkw-Ladeinfrastruktur tragen werden.

Die Investitionen für Lkw werden in Gänze von Unternehmen getragen. Auch bei der Ladeinfrastruktur sowie der Betankungsinfrastruktur für FCEV wird der Staat nur eine kleine Grundmenge finanzieren, während der Rest von der Privatwirtschaft übernommen wird. Der Ausbau des Schienen- und Straßenverkehrs hingegen wird weiter Aufgabe der der öffentlichen Hand sein.

3.3 Kosten der Verkehrs- und Antriebswende

Neben den Investitionen im Verkehrssektor spielen aber auch die laufenden Kosten eine entscheidende Rolle. Berechnet man die Annuität der Investitionen (Umrechnung auf jährliche Kosten unter Berücksichtigung der Zinsen) bei 14 Jahren Nutzungsdauer und einem Zinssatz von 5 %, so lassen sich die Kosten ins Verhältnis zu den laufenden Kosten setzen. Abbildung 3.11 stellt diesen Zusammenhang her und zeigt alle weiteren antriebsentscheidungsrelevanten Kostenkomponenten im oberen Teil der Abbildung (umgelegt auf den Kilometer bei einer Jahresfahrleistung von 15.000 km für einen Mittelklasse-Pkw, Versicherung beispielsweise als antriebsunabhängig gleich angenommen) für 2025 und 2035.

Abbildung 3.11: Vergleich der Vollkosten eines Mittelklasse-Pkw 2025 und 2035 im Szenario Technologiemix. Oben: Kostenverteilung bei 15.000 km Jahresfahrleistung. Unten: Verteilung der Differenzkosten zwischen BEV und Benzinfahrzeug in Abhängigkeit der Jahresfahrleistungen (verschiedene Quantile) im Zeitverlauf. Q0,1=5.683 km, Q0,25=8.760 km, Q0,75=19.710 km, Q0,9=29.930 km, Mittelwert=16.200 km. Quelle: eigene Darstellung

Es zeigt sich klar, dass die Annuität für das Fahrzeug eine große Rolle einnimmt und 2025 bei Verbrennern am niedrigsten ist. Bei Elektrofahrzeugen hat insbesondere die Wahl der Batteriegröße einen relevanten Einfluss auf die Annuität der Fahrzeuge. In der hier vorgestellten beispielhaften TCO (Total Cost of Ownership) wurden dabei 16 kWh für PHEV und 56 kWh für rein batterieelektrische Fahrzeuge angenommen. Gleichzeitig sind die laufenden Kosten für Energie und Wartung und Instandhaltung bei Elektrofahrzeugen niedriger, wodurch im ausgewählten Beispiel nahezu Kostenparität zwischen allen Antrieben außer FCEV erreicht wird. FCEV haben zu diesem Zeitpunkt noch sehr hohe Anschaffungskosten und höhere Energieträgerkosten, weshalb sie 2025 nicht mit den anderen Antriebsarten konkurrieren können. Auch für kleinere und größere Fahrzeuge ist die Kostenparität für 2025 bei durchschnittlichen Fahrleistungen gegeben.

Bis 2035 ändert sich das Bild, da die Annuitäten für alternative Antriebe – trotz zunehmender Batteriegrößen von 22 kWh für PHEV und 69 kWh für BEV – sinken und nun auf einem ähnlichen Niveau für alle Fahrzeuge liegen. Die Verbrauchskosten verändern sich aber deutlich zu Gunsten der Elektrofahrzeuge, da vor allem die Verbrauchskosten der konventionellen Antriebe steigen: dort werden vermehrt biogene oder synthetische Kraftstoffe eingesetzt werden, deren Erzeugung teurer ist. Für noch verwendete konventionelle Kraftstoffe wird von einem sukzessiven steigenden CO2-Preis ausgegangen.

Im unteren Teil ist die Verteilung der Differenzkosten im Zeitverlauf gezeigt. Für niedrige Jahresfahrleistungen fallen die Anschaffungskosten mehr ins Gewicht und die Kilometerkosten sind entsprechend höher, während sie bei hohen Fahrleistungen an Relevanz verlieren. Für Fahrleistungen unter dem Durchschnitt sind Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren noch etwas teurer als Verbrenner, wenn man die Vollkosten in Betracht zieht. Ab 2030 sind dann aber alle Fahrzeuge als batterieelektrische Fahrzeuge in den Gesamtkosten günstiger als ihre Verbrennerpendants.

Bei Lkw spielen die fahrleistungsabhängigen Kosten – also die Kosten für Wartung, Energieverbrauch sowie Maut – im Verhältnis zur Annuität der Investition eine deutlich größere Rolle als bei Pkw. Bei einer für Sattelzugmaschinen üblichen Fahrleistung von 100.000 km jährlich sind nur rund 20 % der laufenden Kosten auf die Annuität der Investitionen zurückzuführen. Allerdings gewinnt die Annuität der Investition bei elektrischen Fahrzeugen an Bedeutung. Insbesondere die Kosten für die verwendeten Batterien, im hier vorgestellten Beispiel 360 kWh für batterieelektrische Sattelzüge 2025 und rund 500 kWh 2035, führen dazu, dass der Anteil der Annuität der Investition an den laufenden Kosten auf rund 50 % ansteigt. Abbildung 3.12 stellt beispielhaft die Kilometerkosten 2025 und 2035 bei einer Jahresfahrleistung von 100.000 km für Dieselfahrzeuge, Flüssigerdgas-(LNG)-Fahrzeuge, Plug-in Hybride (PHEV), Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV), Hybrid-Oberleitungs-Diesel (HO-Diesel) und rein elektrische Oberleitungs-Lkw (HO-BEV) dar.

Abbildung 3.12: Vergleich der Vollkosten eines schweren Lkw (40 t) in den Jahren 2025 und 2035 im Szenario Technologiemix. Oben: Kostenverteilung bei 100.000 km Jahresfahrleistung. Unten: Verteilung der Differenzkosten zwischen BEV und Dieselfahrzeug in Abhängigkeit der Jahresfahrleistungen (verschiedene Quantile) im Zeitverlauf. Q0,1=25.203 km, Q0,25=50.109 km, Q0,75=132.068 km, Q0,9=153.725 km, Mittelwert=93.832 km. Quelle: eigene Darstellung

Trotz höherer Investitionen sind batterieelektrische Lkw aufgrund geringerer fahrleistungsabhängiger Kosten gesamtwirtschaftlich in der Regel günstiger als ihre Dieselpendants. Insbesondere die aktuelle Mautbefreiung, beziehungsweise deutliche Mautreduktion für batterieelektrische Lkw, stellt einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil und Anreiz dar. Allerdings hängt die Wirtschaftlichkeit stark von der notwendigen Reichweite sowie der Jahresfahrleistung ab. Die Variation der Jahresfahrleistung ist in Abbildung 3.12 dargestellt. Sie zeigt, dass bereits heute der batterieelektrische Antrieb bei moderater Batteriegröße die günstigere Antriebsalternative ist. Die Abhängigkeit von der Reichweite bzw. Batteriegröße wird deutlich, wenn man die jährliche Fahrleistung vergleicht, die mindestens gefahren werden muss, um Kostenparität mit dem Dieselfahrzeug zu erreichen. Für die hier beispielhaft dargestellte Sattelzugmaschine mit 360 kWh beträgt sie rund 40.000 km jährlich. Für heutige Premium-Modelle mit mindestens 600 kWh Batterie liegt sie bei rund 60.000 km jährlich.

3.4 Fiskalische Bedarfe für den Verkehrssektor

Für den Verkehrssektor wurden drei fiskalische Elemente identifiziert, deren Höhen bestimmt werden (vgl. Abbildung 3.13): Der Steuerverlust durch die Reduktion der Kfz-Steuer für E-Pkw, die Förderung öffentlicher Lade- und Tankinfrastruktur und die Investitionen in das Schienennetz. Einflüsse auf das Mautaufkommen von Lkw sowie Mindereinnahmen durch die reduzierte Besteuerung von alternativ angetriebenen Dienstwagen sind ebenfalls möglich, werden an dieser Stelle jedoch nicht näher betrachtet.

Abbildung 3.13: Fiskalische Bedarfe des Verkehrs in Mrd. EUR (Summe der Ausgaben im Betrachtungszeitraum). LIS=Ladeinfrastruktur, HRS=Hydrogen Refueling Station (Wasserstofftankstellen). Quelle: eigene Darstellung

Neben den Annahmen aus dem Szenario Technologiemix („avg“), das als Basisfall dient, wurden reduzierte fiskalische Maßnahmen („min“) und erhöhte Staatsausgaben („max“) berechnet. Bei der Berechnung entgangener Einnahmen für die Kfz-Steuer wurde die Differenz der Kfz-Steuer zwischen einem durchschnittlichen Verbrenner (Mittel aus Benzin und Diesel) und einem Elektrofahrzeug (0 EUR für BEV und FCEV, abhängig von der Reichweite) ermittelt und über die Jahre kumuliert. Da die Regelung nur für Neufahrzeuge bis 2030 gilt und auf 10 Jahre pro Fahrzeug begrenzt ist, nimmt dieser Block über die Zeit deutlich ab. Für das Szenario mit reduzierten Maßnahmen wurde eine Beendigung der Befreiung im Jahr 2025, für die erhöhten Maßnahmen eine Beendigung im Jahr 2035 angenommen.

Für Investitionen in Ladeinfrastruktur wurde ein öffentlicher Anteil von rund 20 % und eine abnehmende Förderquote für Pkw- und Lkw-Ladeinfrastruktur angenommen (Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur and NOW GmbH 2024), wo auch heute schon ein großer Anteil ohne staatliche Förderung aufgebaut wird. Bei Wasserstofftankstellen wurde ein höherer Anfangswert (50 % Förderquote 2025) und ein analoger Rückgang der staatlichen Förderung angenommen. Im Fall der reduzierten fiskalischen Maßnahmen zieht sich der Staat deutlich schneller zurück, bei den erhöhten Maßnahmen ist auch noch 2030 eine staatliche Beteiligung in Höhe von 20 % angenommen.

Bei der Investition in die Schieneninfrastruktur wurden die Ausgaben des Bundesverkehrswegeplans zugrunde gelegt (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2016) und diese um 1 % p.a. reduziert oder erhöht für die beiden zusätzlichen Betrachtungen. Es zeigt sich, dass vor allem die Schienenerhaltung hohe staatliche Ausgaben erfordert, die Förderung von Ladeinfrastruktur und die indirekten Ausgaben für die Kfz-Steuer fallen kaum ins Gewicht.

Neben den direkten Fördermaßnahmen hat die Antriebswende aber auch direkte Auswirkungen auf die Einnahmen durch die Energiesteuer auf Mineralölprodukte, die langfristig durch den großen Einsatz von alternativen Antrieben deutlich reduziert wird. In einer ersten Näherung und unter verschiedenen Unsicherheiten könnten jährliche Mindereinnahmen von rund 30 Mrd. EUR entstehen, wenn der komplette Bestand von Pkw elektrifiziert würde. Bei 15 Mio. BEV im Bestand könnten Mindereinnahmen von rund 10 Mrd. EUR entstehen. Die erhöhten Stromsteuereinnahmen würden sich auf etwa 3 Mrd. EUR jährlich belaufen und wären zur Kompensation nicht ausreichend. Die temporären CO2-Preis-Einnahmen durch den ETS 2 könnten kurz- bis mittelfristig einen Teil der Ausfälle kompensieren, würden langfristig jedoch, aufgrund der Vermeidung fossiler Antriebsenergie, ebenfalls wieder wegfallen (George et al. 2024). Hier müssen Alternativen im Verkehr gefunden werden, beispielsweise eine kilometerabhängige Pkw-Maut, die das Verursacherprinzip der Energiesteuer auf Mineralölprodukte weiterführt. Auch eine Besteuerung der Energieträger im Schiffs- und Luftverkehr stellt eine Option dar.

4. Sektorale Perspektive – Gebäudewärme

Der Gebäudesektor machte im Jahr 2023 etwa 15 % der deutschen Treibhausgasemissionen aus (Umweltbundesamt 2024d). Weitere Emissionen, die ebenfalls mit Gebäuden verbunden sind, wie die Emissionen des Strommixes sowie der Fernwärme, werden entsprechend dem Quellprinizip im Sektor Energiewirtschaft bilanziert. Diese sind somit nicht in den Emissionen des Gebäudesektors enthalten. Trotz einer Reduktion der Emissionen musste das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) in den vergangenen Jahren mehrfach ein Sofortprogramm für den Gebäudesektor vorlegen, da die jährlich zulässigen Emissionsmengen laut Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) überschritten wurden. Die jährlichen Emissionen des Sektors sind stark vom Witterungsgeschehen und dem temperaturabhängigen Bedarf an Heizenergie abhängig.

Anfang des Jahres 2024 trat die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in Kraft, welche die sogenannte 65 %-Erneuerbare-Energien-Regel an neue Heizsysteme einführt. Gekoppelt ist das Gesetz an das Kommunale Wärmeplanungsgesetz (WPG), das ebenfalls zum 01.01.2024 in Kraft trat und vorsieht, dass alle Städte und Gemeinden ab 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bis zum Jahr 2026 eine Wärmeplanung durchgeführt haben müssen; alle kleineren Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2028. Zudem wurden die zentralen Förderprogramme, die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) und die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), angepasst. Die BEG beinhaltet nun auch einkommensabhängige Fördersätze und einen Geschwindigkeitsbonus. Zudem wurde das Programm zur Förderung des Neubaus grundlegend angepasst. Auf EU-Ebene wurde eine Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, EPBD) verabschiedet, deren Umsetzung in nationales Recht bis Juni 2026 vorgesehen ist. Zentrale Bestandteile sind Vorgaben hinsichtlich der Mindesteffizienzstandards (MEPS) an Nicht-Wohngebäude sowie den Primärenergieverbrauch des Wohngebäudebestands.

Die wesentlichen strukturellen Hebel zur Reduktion der THG-Emissionen im Gebäudesektor sind a) der Energieträgerwechsel durch Heizungstausch (Ersatz von fossilen Heiztechnologien wie Öl- und Gasheizungen durch CO2-arme Technologien wie Wärmepumpen, Fernwärme oder Biomasse), b) die energetische Gebäudesanierung zur Reduktion der Endenergienachfrage und c) die effiziente Nutzung von Wohnraum sowie effizientes Heiz- und Lüftungsverhalten.

Der derzeitige Instrumentenmix aus Regulatorik (GEG und WPG) sowie Förderung (BEG und WPG) adressiert die Handlungsfelder a) und b). Einen stärkeren Fokus auf die energetische Gebäudesanierung, insbesondere der Worst-Performing Buildings, legt die Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie durch Festlegung von Mindesteffizienzstandards. Grundsätzlich werden durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) sowie den Umstieg auf das ETS 2 alle Handlungsfelder adressiert.

Zum Erreichen der Klimaschutzziele wurden verschiedene Zielszenarien mit dem Energiesystemmodell REMod gerechnet. Die berücksichtigten Szenarien zeigen, dass der Großteil der Investitionen im Bereich der energetischen Gebäudesanierung in einer Größenordnung zwischen 403 und 688 Mrd. EUR kumuliert über die Jahre 2025 bis 2045 bzw. 19 bis 33 Mrd. EUR pro Jahr liegen. Für den Heizungstausch fallen Investitionen von 272 bis 379 Mrd. EUR (2025–2045) beziehungsweise jährlich 13 bis 18 Mrd. EUR an. Die Kosten der Wärmeversorgung für Endkunden in Bestandgebäuden fallen für Wärmepumpen, Pelletkessel und Fernwärme günstiger aus als andere Lösungen. Allerdings sind die Kosten für Fernwärme stark von der jeweiligen Netzstruktur abhängig. Wasserstoffbetriebene Technologien sind bereits heute, aber auch im Jahr 2035, teilweise um 100 % teurer als andere Wärmesysteme. Der Einfluss des CO2-Preises ist bei einer Investitionsentscheidung im Jahr 2035 höher als bei einer Investitionsentscheidung im Jahr 2024, da ein Anstieg der CO2-Preise erwartet wird. Die Entwicklung der fiskalischen Bedarfe ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Unter der Annahme der Fortschreibung der heutigen Fördersätze beziehungsweise einer Degression der Fördersätze ergibt sich über den Zeitraum 2025 bis 2045 ein Fördervolumen im Rahmen der BEG zwischen 123 bis 274 Mrd. EUR bzw. durchschnittlich 5,8 bis 13 Mrd. EUR pro Jahr.

4.1 Transformationsdynamik des Gebäudesektors

Im Jahr 2024 war in Neubauten zwar die Wärmepumpe die am häufigsten installierte Technologie mit rund 64 %, gefolgt von der Fernwärme mit 24 %. Im gesamten Gebäudebestand machen jedoch immer noch fossile Gas- und Ölheizungen mit rund 73 % (Agora Energiewende 2025) den Großteil der Heizsysteme aus. Laut Verbandsangaben sind die Absätze von Heizsystemen im Jahr 2024 stark eingebrochen. Zwischen Januar und September 2024 wurden 48 % weniger Wärmeerzeuger abgesetzt als im Vorjahreszeitraum (Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. 2024). Die am häufigsten verkaufte Technologie war weiterhin die Gasheizung. Auch der Absatz an Wärmepumpen fiel 2024 auf 193.000 Geräte und lag damit nicht nur 54 % unter dem Vorjahreswert (Bundesverband Wärmepumpe e.V. 2025), sondern auch deutlich unter dem politischen Ziel von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr.

Die Entwicklung des Gebäude- und Heizungsbestands und des nötigen Investitionsbedarfs im Zuge der Transformation zu einem klimaneutralen Energiesystem wird mit dem sektorengekoppelten Gesamtsystemmodell REMod modelliert. Das Modell basiert auf einer kostenoptimalen Strukturoptimierung des deutschen Energieversorgungssystems für die Sektoren Energiewirtschaft, Gebäudewärme, Prozesswärme und Verkehr. Zentrale Optimierungsgröße ist die Einhaltung eines CO2-Budgets von 7.807 Mt  CO2 über den Zeitraum 2025 bis 2045 und der sektorenübergreifenden jährlichen THG-Minderungsziele der Jahre 2030, 2040 und 2045 gemäß Klimaschutzgesetz 2021. Hinsichtlich des Gebäudesektors quantifiziert REMod endogen die Struktur des Heizungsbestands sowie der energetischen Qualität der Gebäudehülle. Gleichzeitig optimiert das Modell die Zusammensetzung der Energieträger wie den Gasmix, die Zusammensetzung flüssiger Energieträger sowie die Bereitstellung der Fernwärme, da das gesamte Energiesystem im Modell berücksichtigt wird. Hinsichtlich der Optimierung der Heizsysteme, wird in Hoch- und Niedertemperatur unterschieden. Zudem werden zwei Sanierungsstufen unterschieden: Effizienzhausstandard EH 55 bis 70 sowie EH 40. Für Neubauten wird der Standard EH 55 angenommen. Für die Sanierungsrate wurde ein Korridor zwischen 1 % und 2 % angenommen.

Die Parametrierung des Szenarios Existierende Politiken wurde an den THG-Emissionsverlauf des Szenarios MMS 2024 des Projektionsberichts 2024 (Umweltbundesamt 2024b) angelehnt. Im Jahr 2045 werden im Szenario Existierende Politiken noch etwa 130 Mt CO2 in den betrachteten Sektoren ausgestoßen und somit das Ziel der Klimaneutralität nicht erreicht. In den Zielszenarien Technologiemix, Fokus Elektrifizierung und Fokus Wasserstoff werden die Jahresziele in den Jahren 2030, 2040 und 2045 sowie das THG-Budget eingehalten. In dem Szenario Niedrige Nachfrage wird eine niedrigere Nachfrage in den Nachfragesektoren angenommen. Im Gebäudesektor wird dabei eine 10 % Abnahme des Wärmebedarfs durch effizienteres Wohnen und Heizen angenommen. So kann das THG-Budget um 500 Mt  CO2 verringert werden. Der Wärmebedarf im Gebäudesektor im Szenario Hohe Nachfrage liegt um 5 % höher, dort ist das mögliche THG-Budget zusätzlich um 500 Mt  CO2 erhöht.

Die Entwicklung der Endenergienachfrage im Gebäudesektor ist in Abbildung 4.1 dargestellt. Die Endenergie wird in den Zielszenarien im Vergleich zum Jahr 2023 um 4–5 % bis 2030 reduziert und um etwa 18 bis 20 % bis zum Jahr 2045, im Szenario Existierende Politiken nur um 2 % bis zum Jahr 2030 und um 10 % bis zum Jahr 2045. Die Reduktion ist auf zwei Effekte zurückzuführen: höhere Wandlungseffizienz der Heiztechnologien und Reduktion des Wärmebedarfs durch Sanierung. Die Sanierung spielt für die Zielerreichung eine entscheidende Rolle und liegt in den Ergebnissen der Zielszenarien bei durchschnittlich 1,9 bis 2,0 %, sprich die maximal angenommene Sanierungsrate wird vom Modell ausgereizt. Im Szenario Niedrige Nachfrage liegt die Sanierungsrate mit 1,6 % deutlich unter den Zielszenarien. Im Szenario Existierende Politiken bleibt die Sanierungsrate mit etwa 1,0 % auf heutigem Niveau. Die Tiefe der energetischen Sanierung liegt größtenteils beim EH 55 bis 70 Standard. Der EH 40 Standard ist nur in den Szenarien Elektrifizierung und Hohe Nachfrage Teil der Modelllösung. Gründe hierfür sind zum einen, um Stromspitzen möglich gering zu halten und zum anderen, um die Effizienz von Wärmepumpen in sanierten Gebäuden besonders gut in der Fläche auszunutzen.

Abbildung 4.1: Endenergienachfrage des Gebäudesektors nach Energieträgern. Endenergienachfrage des Gebäudesektors im Szenario Technologiemix im Leitmodell REMod (links im Zeitverlauf) und in den Gesamtsystemmodellen in den Jahren 2030 und 2045 in allen Szenarien (rechts). Quelle: eigene Darstellung

Die im derzeitigen Energiesystem dominierenden fossilen Energieträger Erdgas und Heizöl werden insbesondere durch die direkte Elektrifizierung mittels der Wärmpumpe sowie durch einen steigenden Anteil von Fernwärme substituiert. Der Anteil von Strom liegt in den Zieleszenarien bei 57 bis 68 % in 2045 (Umweltwärme ist hier in der Endenergie nicht betrachtet). Im Gegensatz dazu verbleiben im Szenario Existierende Politiken rund 21 % gasförmige Energieträger am Endenergiebedarf des Gebäudesektors. Das Gas setzt sich hier überwiegend aus fossilem Erdgas (65 %) und Biomethan (25 %) zusammen. Im Vergleich dazu reduziert sich der Anteil von gasförmigen Energieträgern am Endenergiebedarf in den Zielszenarien deutlich. Gasförmige Energieträger machen 3 % (Szenarien Technologiemix und Fokus Elektrifizierung) bis 9 % (Szenario Fokus Wasserstoff) am Endenergiebedarf des Gebäudesektors (exklusive Umweltwärme) aus und setzen sich zu 60–64 % aus Biomethan, 30 % aus synthetischem Gas und etwa 20 bis 22 % aus importierten synthetischen Gasen zusammen.

Alle Szenarien haben ein Rückgang von Gas- und Ölkesseln zugunsten von Wärmepumpen gemein. Wärmenetze gewinnen an Bedeutung, jedoch weniger stark als Wärmepumpen. Abbildung 4.2 zeigt die Entwicklung des deutschen Heizsystembestands bis 2045 in den betrachteten sechs Szenarien. Die Szenarien unterscheiden sich in der Geschwindigkeit dieser Entwicklung und der relativen Bedeutung einzelner Technologien. Im Szenario Existierende Politiken verläuft der Wärmepumpen-Anstieg moderat und Gaskessel behalten bis 2045 einen hohen Anteil von 26 %. Demgegenüber zeigt das Szenario Fokus Elektrifizierung den höchsten Anteil an Wärmepumpen mit 66 % des Bestandes im Jahr 2045 und den niedrigsten Anteil an Holzkesseln aller Szenarien. In allen Szenarien ist der Anteil von Ölkesseln bis etwa 2040 vernachlässigbar. Die Nutzung von Wasserstoff ist in allen Szenarien nur in sehr geringem Umfang Teil der Modelllösung. Selbst im Szenario Fokus Wasserstoff, in dem mehr Wasserstoffimporte angenommen wurden als in den anderen Szenarien, kommt Wasserstoff im Gebäudesektor kaum zum Einsatz. Im Jahr 2045 werden lediglich 1 % des Endenergiebedarfs im Jahr 2045 beziehungsweise 5 TWh Wasserstoff verwendet. Im Szenario Technologiemix werden 2,3 TWh (0,4 % des Endenergiebedarfs) genutzt.

Abbildung 4.2: Entwicklung des Heizsystembestands in allen Szenarien. Quelle: eigene Darstellung

Die Dekarbonisierung der Fernwärmebereitstellung ist ein weiterer Schlüssel zur Transformation des Gebäudesektors. Abbildung 4.3 zeigt die sehr ähnliche Entwicklung der Fernwärmebereitstellung in Deutschland in den betrachteten Szenarien. Im Jahr 2045 wird so zwischen 175 TWh (Fokus Elektrifizierung) und 225 TWh (Hohe Nachfrage) bereitgestellt.

Abbildung 4.3: Entwicklung der Fernwärmebereitstellung in allen Szenarien.
Quelle: eigene Darstellung

Zu Beginn des Zeitraums dominieren gasbasierte Energieträger die Fernwärmebereitstellung. Von 2025 bis 2045 steigt die gesamte Fernwärmebereitstellung in allen Szenarien kontinuierlich an. Am Ende des Zeitraums nimmt Strom in allen Szenarien den größten Anteil ein, was durch den verstärkten Zubau und Einsatz von Großwärmepumpen und Wärmespeichern erreicht wird. Die Zielszenarien folgen einem ähnlichen Trend in der Zusammensetzung der Energieträger: Der Anteil von Strom steigt an, während der Anteil von Gas abnimmt, und es gibt einen geringen Beitrag von Solarthermie, der im Szenario Fokus Wasserstoff noch geringer ausgeprägt ist. Das Szenario Existierende Politiken unterscheidet sich dadurch, dass es einen höheren Gasanteil beibehält und kaum Solarthermie nutzt.

Die THG-Emissionen im Gebäudesektor enthalten laut Quellprinzip die direkten Emissionen im Gebäude, die durch die Verbrennung fossiler Energieträger entstehen. Das bedeutet, dass die Emissionen der Fernwärmebereitstellung sowie der Strombereitstellung im Sektor Energiewirtschaft bilanziert werden. So führt zum einen die Reduktion der Endenergienachfrage durch energetische Sanierung sowie die zunehmende Nutzung von Wärmepumpen und Fernwärme in den Szenarien zu einer deutlichen Reduktion der CO2-Emissionen im Sektor.

Abbildung 4.4: Entwicklung der CO2-Emissionen in
den unterschiedlichen Szenarien und Modellen.
Historische Daten (Umweltbundesamt 2024d); KSG = 2030er
Sektorziel laut KSG 2021 (KSG 2021). Quelle: eigene Darstellung

Im Jahr 2023 hat der Gebäudesektor 102 Mt  CO2äq emittiert und machte 15,2 % der Gesamtemissionen aus (Umweltbundesamt 2024c). Gemäß der ex-post Daten des Umweltbundesamtes zu den Treibhausgasemissionen haben sich die Emissionen des Gebäudesektors in den Jahren 2021, 2022 und 2023 jährlich um 3,0 bis 8,8 Mt  CO2äq reduziert. Dennoch folgen die Emissionen keinem strengen Abwärtstrend, was unter anderem durch starke Abhängigkeiten von der Witterung sowie in der Lagerhaltung von leichtem Heizöl15Gemäß dem Absatzprinzip werden in der Treibhausgasberichterstattung die Emissionen aus dem Absatz eines Energieträgers mit dem jeweiligen Emissionsfaktor berechnet. Im Gebäudesektor kann dies zu einer zeitlichen Verschiebung der Emissionen zwischen Kauf (Absatz) und tatsächlichem Verbrauch führen. begründet ist (Expertenrat für Klimafragen 2024). Gemäß der Annahme der Erreichung der Klimaneutralität im Jahr 2045 in den Zielszenarien reduzieren sich die Emissionen bis dahin auf null (Abbildung 4.4). Bis zum Jahr 2035 reduzieren sich die Emissionen um rund 30 Mt  CO2äq (30 % gegenüber dem Jahr 20 25). Eine Ausnahme stellt das Szenario Existierende Politiken dar, in dem die Ziele nicht erreicht werden und im Jahr 2045 Emissionen in Höhe von rund 20 Mt  CO2äq verbleiben. Im Verlauf des Wasserstoff-Szenarios liegen die Emissionen ebenfalls etwas höher als bei den anderen Szenarien, da länger und zu größeren Anteilen auf fossil-betriebene Heizungen bis zur Umstellung auf Wasserstoff gesetzt wird.

4.2 Investitionsbedarfe des Gebäudesektors

Die Transformation des Wärmesektors zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele nach dem KSG ist mit Investitionen verbunden. Die hier betrachteten Investitionen für die Dekarbonisierung der Gebäudewärme beinhalten 1) Investitionen in dezentrale Heizungen, 2) Investitionen in die Fernwärme und 3) Investitionen in die energetische Gebäudesanierungen. In der dezentralen Wärmeversorgung werden die Investitionen für den Tausch der Heizungen quantifiziert, das beinhaltet auch Ersatzinvestitionen in fossile Technologien wie Gaskessel, die jedoch zunehmend mit Biogas und anderen synthetischen Gasen betrieben werden. In der Fernwärme werden die Investitionen in Technologien zur Fernwärmebereitstellung sowie den Ausbau des Fernwärmenetzes und den Umbau der Hausanschlüsse integriert. Die Kosten für die Gebäudesanierung beinhalten nur Maßnahmen zur energetischen Sanierung der Gebäudehülle und nicht die Kosten für nicht-energetische Sanierung sowie für Neubauten.

Die Gesamtkosten im Gebäudesektor gemittelt über die Jahre 2025 bis 2045 sind in Abbildung 4.5 dargestellt. Hinsichtlich der Investitionskosten sind hier die Annuitäten berücksichtigt. Die Kosten betragen etwa 2050–2150 Mrd. EUR in den Szenarien. Die Betriebskosten machen in allen Szenenarien den größten Anteil der Kosten aus. Hierbei wurden die Energieträgerpreise für Endkunden berücksichtigt, sowie ein BEHG-Preis, der im Szenario Existierende Politiken mit rund 220 EUR/t CO2 im Jahr 2045 deutlich geringer ist als in den Zielszenarien, in denen ein Preis von rund 400 EUR/ tCO2 angenommen wurde. Die Gesamtkosten der Zielszenarien, unter Berücksichtigung der annualisierten Investitionen, sind jährlich um 3 Mrd. höher als das Szenario Existierende Politiken. Das Szenario Hohe Nachfrage führt mit 103 Mrd. EUR jährlich zu den höchsten Gesamtkosten im Gebäudesektor, das Szenario Niedrige Nachfrage mit 97 Mrd. EUR zu den geringsten. Die Energiekosten der Fernwärme sind in Höhe von 18 bis 20 Mrd. EUR in allen Szenarien (mit Ausnahme des Szenarios Fokus Strom) der zweithöchste Bestandteil der Gesamtkosten. Im Szenario Technologiemix sind die Kosten der energetischen Gebäudesanierung von jährlich 17 Mrd. EUR vergleichbar mit den Kosten der Heiztechnologien mit 16 Mrd. EUR. Die Betriebs- und Wartungskosten machen den geringsten Kostenbestandteil in allen Szenarien aus. Das Szenario Fokus Elektrifizierung ist im Vergleich zum Szenario Technologiemix insgesamt über den Zeitraum 2025 bis 2045 um 16 Mrd. EUR leicht höher, da der höhere Standard des EH 40 Teil der Modelllösung ist und der Anteil der Wärmepumpen im Vergleich zur Fernwärme höher ist. Das Szenario Fokus Wasserstoff weicht nur geringfügig vom Szenario Technologiemix ab, da Wasserstoff im Gebäudesektor auch unter erhöhter Verfügbarkeit eine vernachlässigbare Rolle spielt.

Abbildung 4.5: Kumulierte Gesamtkosten gemittelt über die Jahre 2025–2045. Die Kosten für die Heizsysteme und Gebäudesanierung sind annualisiert mit einem Zinssatz von 4 %. n (Umweltbundesamt 2024d); KSG = 2030er Sektorziel laut KSG 2021 (KSG 2021).
Quelle: eigene Darstellung

Die kumulierten (nicht annualisierten) Investitionen über den Zeitraum 2025 bis 2045 sind in Abbildung 4.6 dargestellt. Im Segment der Heizsysteme und energetischen Gebäudesanierung fallen im Szenario Technologiemix Investitionen von 960 Mrd. EUR (ohne Finanzierungskosten) an. Das entspricht jährlich etwa 46 Mrd. EUR und damit rund 1,1 % des Brutto-Inlands-Produkts (BIP) des Jahres 2023. Die Investitionen in Wärmepumpen in Höhe von jährlich etwa 308 Mrd. EUR stellen 32 % der Gesamt-investitionen dar. Die Investitionen für die energetische Sanierung auf das Effizienzhaus 55 bis 70 in Höhe von 581 Mrd. EUR machen mit etwa 60 % ein Großteil der Gesamtinvestitionen aus. Dieses Sanierungsniveau ist das Ergebnis der Optimierung des Modells unter Berücksichtigung endogener Abwägungen im Gesamtsystem, u.a. der Kosteneffizienz zwischen Sanierung von Gebäuden und Austausch von Heizungen, unter Vorgabe eines Korridors der Sanierungsrate zwischen 1 bis 2 %. Eine Sanierung auf den EH 40 Standard ist nur im Szenario Fokus Elektrifizierung Teil der Modelllösung. Die Sanierungsrate erreicht einen Wert von etwa 1,9–2,0 % in den Zielszenarien. Die restlichen Investitionen entfallen auf Solarthermieanlagen, Wärmespeicher, Gas- und Holzkessel sowie Hausanschlüsse für Fernwärme (insgesamt rund 70 Mrd. EUR (bis 2045)).

Abbildung 4.6: Kumulierte Investitionen im Gebäudesektor für Heizsysteme und energetische Gebäudesanierung (ohne Neubaukosten und nicht-energetische Modernisierungskosten) im Zeitraum 2025 bis 2045 in allen Szenarien.
Quelle: eigene Darstellung

Im Vergleich dazu fallen im Szenario Existierende Politiken, welches die klimaschutzpolitischen Ziele nicht erreicht, rund 34 % geringere Investitionen an. Dies ist begründet durch geringere Investitionen in energetische Gebäudesanierung sowie Wärmepumpen. In den Szenarien Fokus Elektrifizierung sind die kumulierten Investitionen 2025 bis 2045 infolge höherer energetischer Gebäudesanierung und einem stärkeren Fokus auf Wärmepumpen um rund 116 Mrd. EUR höher, im Szenario Fokus Wasserstoff durch geringeren Ausbau von Wärmepumpen und einer niedrigeren Sanierungsrate im Vergleich zum Szenario Technologiemix rund 239 Mrd. EUR geringer. Allerdings entfällt in diesem Szenario ein größerer Anteil der verbleibenden CO2-Emissionen auf den Gebäudesektor als in den anderen Szenarien.

Zusätzlich fallen Investitionen im Segment der Fernwärme im Zeitraum 2025 bis 2045 an (Abbildung 4.7). Die Gesamtkosten in der Fernwärme von rund 67 bis 96 Mrd. EUR beziehungsweise durchschnittlichen 4 Mrd. EUR pro Jahr im Szenario Technologiemix. Die niedrigsten Investitionen in die Fernwärme fallen in dem Szenario Fokus Elektrifizierung an, da hier der Fokus auf dezentralen Wärmepumpen liegt. Die Investitionen in die Fernwärme liegen in allen Szenarien deutlich unterhalb derer des dezentralen Heizungstauschs und der energetischen Sanierung. Der Hauptanteil der Investitionen entfallen auf die Fernwärmebereitstellung durch Großwärmepumpen (41 Mrd. EUR im Szenario Technologiemix) und die Wärmenetze (21 Mrd. EUR im Szenario Technologiemix).

Abbildung 4.7 Zeitliche Entwicklung der Investitionsbedarfe im Gebäudesektor in den verschiedenen Szenarien. Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 4.8: Zeitliche Entwicklung der Investitionsbedarfe
im Gebäudesektor. (links im Szenario Technologiemix) in
den verschiedenen Szenarien (rechts) Quelle: eigene Darstellung

Im Laufe der nächsten Jahre steigen laut der Modellergebnisse die jährlichen Investitionsbedarfe bis zum Jahr 2040 an. Die jährlichen Investitionsbedarfe im Szenario Technologiemix  im Jahr 2030 liegen für den Bau- und Austausch von dezentralen Heizsystemen bei rund 19 Mrd. EUR und für die energetische Gebäudesanierung bei rund 29 Mrd. EUR. Im Jahr 2045 liegen die jährlichen Investitionsbedarfe für dezentrale Heizsysteme bei 13 Mrd. EUR und für die energetischen Gebäudesanierung bei gleichbleibendem Niveau von 29 Mrd. EUR (Abbildung 4.8). Durch die höhere Elektrifizierung in dem Szenario Fokus Elektrifizierung wird die höchste Reduktion der Endenergie erreicht.

Die Entwicklung der Betriebskosten für die gesamte Wärmebereitstellung ist in Abbildung 4.9 dargestellt. Gezeigt sind hier die Summe der Betriebs- und Wartungskosten für alle Technologien der dezentralen Wärmebereitstellung und die Kosten der benötigten Energieträger zu Endkundenpreisen inklusive dem CO2-Preis. Die Kosten der Fernwärme beziehen sich auf die bereitgestellte Menge Fernwärme zum Endkundenpreis.

Abbildung 4.9: Entwicklung der Betriebs- und Wartungskosten und Energieträgerkosten für Endkundinnen und Endkunden inklusive CO2-Preis in den verschiedenen Szenarien.
Quelle: eigene Darstellung

Die gesamten Wartungs-, Betriebs- und Energieträgerkosten liegen im Szenario Existierende Politiken und den Kernszenarien bei durchschnittlich etwa 60–87 Mrd. Euro pro Jahr. Der Szenarienvergleich zeigt kumuliert über den Zeitraum 2025 bis 2045 höhere Wartungs-, Betriebs- und Energieträgerkosten im Szenario Existierende Politiken (1.550 Mrd. EUR) im Vergleich zum Szenario Technologiemix (1.420 Mrd. EUR). Das ergibt sich durch 30 % höhere Kosten für die fossilen Energieträger und 76 % höhere Kosten für biogene Energieträger im Szenarienvergleich. Durch die starke Elektrifizierung und energetische Gebäudesanierung in den Szenarien Technologiemix und Fokus Elektrifizierung fallen im Jahr 2045 etwa 10 % niedrigere Kosten für Energieträger an als im Szenario Existierende Politiken.

4.3 Heizkosten für Endkunden

Die Energiekosten für verschiedene Heizsysteme wurden im Projekt Ariadne im Jahr 2023 analysiert (Meyer et al. 2024) und die Kosten als Jahresgesamtkosten je Quadratmeter für die wichtigsten Heizsysteme, die in einem klimaneutralen Energiesystem genutzt werden, berechnet. Im Zuge der Szenarienanalyse in diesem Report werden an dieser Stelle die Berechnungen mit den genutzten Parametern dieser Studie sowie mit aktuellen Preis- und Kostenentwicklungen im Energiesystem erneuert. Ein Fokus der Analyse sind hierbei Bestandswohngebäude, für die die Heizkosten beispielhaft berechnet wurden. Im Neubau hingegen dominieren sowieso schon klimaneutrale Lösungen wie Wärmepumpen. In den Analysen werden sowohl die aktuellen und zukünftigen CO2-Preise sowie die aus dem GEG vergebenen Technologiekombination beziehungsweise Grenzwerte für die Nutzung bestimmter Energieträger berücksichtigt.

Zusätzlich zu den Kosten für den Heizungstausch fallen Kosten für die energetische Gebäudesanierung an, da ein Großteil der Bestandsgebäude zum Erreichen der Klimaneutralität energetisch saniert werden muss. Diese Kosten der Sanierung und die Einsparungen wegen des durch Sanierung sinkenden Wärmebedarfs werden hier nicht betrachtet.

Die Analyse wird sowohl für einen Austausch des Heizsystems im Jahr 2024 als auch einen Austausch zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 2035 analysiert. Die aktuellen Fördertatbestände (Anfang 2025) werden in der Abbildung 4.10 auf Seiten der Investitionsförderung durch die weißen Flächen abgebildet. Würde die Förderung entfallen, würden die Jahreskosten auf den gesamten Balken ausgeweitet.

Ähnlich zu den Ergebnissen der Transformationspfade für den Wärmesektor fallen die Kosten für Wärmepumpen, Pelletkessel und Fernwärme günstiger aus als andere Lösungen. Die Ergebnisse der Fernwärme sind allerdings sehr abhängig vom jeweiligen Wärmenetz und werden hier nur mit einem Vergleichswert angegeben. Weiterhin fallen zwei Aspekte auf: Zum einen hat der CO2-Preiseffekt aus dem angenommenen CO2-Preispfad bis 2045 noch keine dramatische Wirkung auf die Gesamtkosten der Lösungen, die mit Erdgas betrieben werden. Zum anderen sind wasserstoffbetriebene Heizsysteme um bis zu 100 % teurer als andere Wärmesysteme. Hauptgrund hierfür sind die hohen Kosten für den Energieträger Wasserstoff im Vergleich zu den anderen Energieträgern (unter Berücksichtigung der deutlich schlechteren Effizienz im Vergleich zur Wärmepumpe, wenn die Wärmemenge nur auf den Strominput bezogen wird).

Im Jahr 2035 sind die beiden Aspekte nur beim Thema CO2-Kosten etwas anders gelagert. Der Anteil der CO2-Kosten steigt deutlich an, sodass Wärmelösungen mit CO2-Kosten weiter an Wirtschaftlichkeit verlieren. Auch im Jahr 2035 liegen die Heizsysteme mit Wasserstoff immer noch circa 100 % über den Kosten von anderen Heizsystemen wie Wärmepumpen. Im Vergleich zwischen Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern zeigen sich bei den Ergebnissen keine großen Unterschiede. In beiden Fällen wird die Wärmeversorgung mit Wärmepumpen als die kostengünstigste berechnet. Zukünftige Lerneffekte, die insbesondere bei Wärmepumpen zu geringeren Investitionskosten führen können, wurden vernachlässigt. Ihre Berücksichtigung würde die Wirtschaftlichkeit von Wärmepumpen gegenüber anderen Technologien weiter verbessern.

4.4 Fiskalische Bedarfe für den Gebäudesektor

Die im Gebäudesektor relevanten politischen Förderinstrumente sind zum einen die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), die in verschiedenen Teilprogrammen die Sanierung von Bestandsgebäuden (Wohngebäude und Nichtwohngebäude), den klimaneutralen Neubau sowie Einzelmaßnahmen (Heizungstausch oder -optimierung, individuelle Sanierungsfahrpläne) fördert. Zum anderen fördert die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) die Dekarbonisierung von Wärmenetzen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit der steuerlichen Abschreibung.

Für eine grobe Einschätzung der möglichen Entwicklung der Fördervolumina wurde die BEG als Hauptposten der Förderung betrachtet. Um eine potenzielle Bandbreite abzuschätzen, werden zwei Fälle betrachtet: Für die obere Bandbreite wird davon ausgegangen, dass sich die heutigen Fördersätze fortschreiben. Für Heizungstausch der Heizungen, die unter die Erfüllungsoptionen der 65 %-Regel fallen, wird mit einem Fördersatz von 44 % gerechnet, der sich aus der Basisförderung von 30 % zuzüglich eines Anteiles von 48 %16ie Annahme von 48 % für den Anteil der Förderfälle mit einkommensabhängigem Bonus begründet sich durch die Evaluation der BEG aus dem Jahr 2022 (Prognos AG, ifeu, FIW, ITG 2024) in der 48 % der Zuwendungsempfänger von Einzelmaßnahmen Personen mit Monatsnettohaushaltseinkommen von bis zu 4.000 EUR in Anspruch genommen wurde. einkommensabhängigem Bonus von zusätzlichen 30 % ergibt. Der Geschwindigkeitsbonus wurde nicht berücksichtigt, da in der Modellierung kein vorgezogener Heizungstausch angenommen wurde. Im Fall der energetischen Sanierung wurde ein Fördersatz von 17 % angenommen, der sich aus dem Basisfördersatz von 15 % zuzüglich eines Anteils von 12 %17Annahme Anteil der Förderfälle mit energetischer Sanierung wurde aus der Evaluation der BEG aus dem Jahr 2022 (Prognos AG, ifeu, FIW, ITG 2024) übernommen.18 der Förderfälle mit individuellen Sanierungsfahrplan (zusätzliche 5 % Förderung) zusammensetzt.

Für die untere Bandbreite wurde vereinfacht angenommen,19Eine detaillierte Qualifizierung dieser Annahmen kann an dieser Stelle nicht durchgeführt werden. dass die Fördersätze ab dem Jahr 2030 aufgrund von Kostensenkungen und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit durch einen Anstieg des CO2-Preises kontinuierlich absinken, bis keine Förderung mehr notwendig ist. Unter Annahme der Fördersätze und der Investitionssummen des Szenarios Technologiemix ergeben sich die in Abbildung 4.12 dargestellten Bandbreiten. Die Förderfälle für 65 %-kompatible Heizsysteme und Sanierungsaktivitäten steigen im Zeitverlauf, wie in Abbildung 4.12 dargestellt. Daher nehmen die durchschnittlichen jährlichen Fördersummen im Fall der fortgeschriebenen Fördersätze zunächst zu: Bei der energetischen Sanierung von 4,4 Mrd. EUR pro Jahr auf 5 Mrd. EUR pro Jahr ab 2031. Beim Heizungstausch von 7,5 Mrd. EUR im Zeitraum 2025 bis 2030, auf 8,7 Mrd. EUR pro Jahr im Zeitraum 2031 bis 2035. Ab 2036 pendeln sich die Fördervolumina beim Heizungstausch bei rund 8,3 Mrd. EUR pro Jahr ein.

Abbildung 4.11: Heizkostenvergleich von Bestandsgebäuden (Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser) im Jahr 2035. Quelle: eigene Darstellung

Eine Fortschreibung der heutigen Fördersätze wird sich in der Realität jedoch vermutlich nicht einstellen, da mit steigenden BEHG-Preisen die Wirtschaftlichkeit der energetischen Sanierung als auch die der 65 %-konformen Heiztechnologien deutlich steigen wird, wie bereits in Kapitel 4.3 für Heizsysteme dargestellt. Vergleicht man die Heizkosten für Endkundinnen und Endkunden unter Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen von Energieträger- und CO2-Preisen sowie Anschaffungskosten, zeigt sich, dass insbesondere GEG-konforme Wärmepumpen für viele bereits heute und noch stärker in Zukunft günstiger als Gaskessel sind. Unwirtschaftlich hingegen sind biogas- und wasserstoffbasierte Heizsysteme. Daher ist von einer Abnahme der Fördersätze auszugehen. Wie die Fördersätze, und damit verbunden die zukünftigen Subventionsbedarfe, ausgestaltet werden sollte, kann hier nicht abschließend beantwortet werden, da sie großen Unsicherheiten unterliegen. Einflussfaktoren auf die Höhe von staatlichen Subventionen sind beispielsweise der politisch verhandelte Bundeshaushalt, die Preisentwicklungen von Anschaffungs- und Betriebskosten sowie der zukünftige Instrumentenmix aus ordnungsrechtlichen und fiskalischen Maßnahmen. Hinzu kommen die Wechselwirkung mit den Investitionen in die Energieinfrastrukturen: Die je nach Szenario deutlich unterschiedlichen Investitionen in die energetische Sanierung reduzieren dort Kosten aufgrund geringerer Leitungsanforderungen.

Abbildung 4.12: Vereinfachte Abschätzung der Entwicklung
der Fördervolumina der BEG für das Szenario Technologiemix.
Oberes Ende der Bandbreite stellt die Fortschreibung der aktuellen
Fördersätze dar, untere Bandbreite eine degressive Entwicklung.
Dargestellt ist jeweils der 5-Jahres Durchschnitt pro Zeitraum.
Quelle: eigene Darstellung

Für eine Reduzierung der Fördersätze wird die vereinfachte Annahme der Halbierung der Fördersätze in 5-Jahres Schritten angenommen, woraus sich sinkende Fördervolumina von rund 2,5 beziehungsweise 4 Mrd. EUR im Zeitraum 2030 bis 2035, 1,2 beziehungsweise 2,1 Mrd. EUR pro Jahr im Zeitraum 2036 bis 2040 für jeweils die energetische Sanierung als auch die Heizsysteme ergeben.

Begrenzte staatliche Subventionen, insbesondere bei gegebener Wirtschaftlichkeit sollten stärker in Richtung der Abfederung sozialer Härten gelenkt werden, um potenzielle Mitnahmeeffekte zu vermeiden.

5. Sektorale Perspektive – Industrie

Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht vor neuen Herausforderungen: Die Klimaziele erfordern von der Industrie weitreichende strukturelle Veränderungen in kurzer Zeit. Heute entfallen auf die Industrie in Deutschland etwas weniger als ein Drittel des Endenergiebedarfs und etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen, was vor allem auf energieintensive Produkte und Prozesse in Schlüsselindustrien wie der Stahl-, Zement- und Grundstoffchemie zurückzuführen ist. Die Dekarbonisierung dieser Industrien ist daher entscheidend für die Erreichung der Klimaziele.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Transformation zu einer nahezu treibhausgasneutralen Industrieproduktion in Deutschland möglich ist. Die Transformationsszenarien erreichen eine THG-Minderung von etwa 95 % im Jahr 2045 gegenüber dem Jahr 1990 und erfordern eine grundlegende Umstellung von Energieversorgung, Produktionsprozessen und Wertschöpfungsketten, besonders in der energieintensiven Grundstoffindustrie sowie den Aufbau neuer Infrastrukturen (Kapitel 7). Grundlegende Herausforderungen für den Industriesektor sind dabei eine schnelle Markteinführung von klimafreundlichen Produktionsverfahren und eine große Nachfrage nach grünem Strom und Wasserstoff. Nicht nur zur Bereitstellung von industrieller Prozesswärme, sondern auch als CO2-neutraler Rohstoff wird grüner Wasserstoff in der Chemieindustrie und als Reduktionsmittel in der Stahlherstellung benötigt. Folglich ist besonders der schnelle Hochlauf der Erneuerbaren und der Wasserstoffwirtschaft zentral, um eine CO2-neutrale Industrieproduktion zu ermöglichen. Die Umstellung von Produktionsverfahren erlaubt einen vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger. Einzige Ausnahme hier in allen Szenarien ist die Zementindustrie, welche weiterhin Ersatzbrennstoffe, wie zum Beispiel Kunststoffabfälle, in ihren Öfen einsetzt. CCU und CCS sind dort wichtiger Teil der Strategie, um verbleibende prozessbedingte Emissionen in der Zement- und Kalkherstellung zu adressieren. Die Umstellung auf eine energie- und materialeffiziente Kreislaufwirtschaft kann die Nachfrage nach klimaneutralen Energieträgern verringern und damit den Transformationsdruck auf das Versorgungssystem reduzieren.

Zusätzlich hat spätestens die Gas-Krise gezeigt, welche Bedeutung die Verfügbarkeit von Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen für den Wirtschaftsstandort Deutschland hat. Somit ergibt sich beim Umbau der Industrie die Herausforderung, dass der insgesamt noch deutlich zu langsam fortschreitende Wandel nicht nur in nie dagewesener Weise beschleunigt und in die Fläche getragen werden muss, sondern zusätzlich wettbewerbliche und wirtschaftspolitische Aspekte besonders beachtet werden müssen. Alle Szenarien enthalten Annahmen zur Produktionsentwicklung energieintensiver Branchen. Andere wirtschaftliche Dynamiken können das Bild für die Zielerreichung aber deutlich verändern – in beide Richtungen.
Zentrale Herausforderung für die Industrietransformation sind hohe Betriebskosten CO2-neutraler Verfahren. Rund dreiviertel der kumulierten Kosten (Energie, CAPEX und CO2) sind Energiekosten und somit entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Transformation zur klimaneutralen Industrie. In allen Zielszenarien kommt auf die Industrie eine deutliche Steigerung der energiebedingten Kosten zu, welche den Sektor stark unter Druck setzen wird. Besonders die Preise von Strom und Wasserstoff als zukünftig wichtigste Energieträger im Industriesektor sind dabei ausschlaggebend. Potenziale für Kosteneinsparungen liegen in der Elektrifizierung (wo möglich im Vergleich zu einem Szenario mit hohem Wasserstoffeinsatz) aber auch in der stärkeren Umsetzung von Kreislaufwirtschafts-Maßnahmen sowie einer beschleunigten Energie- und Materialeffizienz.

Dazu kommen Unsicherheiten im Infrastrukturausbau bei Strom, Wasserstoff und CO2, die Notwendigkeit einer effektiven Umsetzung von CO2-Preissignalen entlang von Wertschöpfungsketten und die Reduzierung von Unsicherheiten großer strategischer Investitionen in CO2-neutrale Verfahren, unter anderem durch besser planbare Verfügbarkeit und Preise erneuerbarer Energieträger.

5.1 Transformationsdynamik des Industriesektors

Für die Quantifizierung der Szenarien im Industriesektor wird das Simulationsmodell FORECAST eingesetzt (Fleiter et al. 2018). Der Bottom-up-Modellansatz ermöglicht eine breite Berücksichtigung verschiedener Strategien zum Erreichen der nahezu CO2-neutralen Industrie, wie beispielsweise der Einsatz CO2-neutraler Energieträger, der Fortschritt bei Recycling und Materialeffizienz oder Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (CCU)/ -speicherung (CCS). Zusätzlich werden die Systemmodelle PyPSA-DE und REMIND eingesetzt, welche den Fokus auf die sektorübergeifenden Effekte legen.

Die resultierende Entwicklung der Energienachfrage des Industriesektors ist für die drei Modelle im Vergleich in Abbildung 5.1 dargestellt. Es zeigt sich in allen Zielszenarien (außer dem Szenario Fokus Wasserstoff) eine deutliche Zunahme des Strombedarfs – bedingt durch eine starke Elektrifizierung der Prozesswärme – bei nahezu vollständigem Verzicht auf fossile Energieträger bis zum Jahr 2045. Neben Strom wird Wasserstoff zum zweiten wichtigen Energieträger für eine klimaneutrale Industrieproduktion. Dabei werden in allen Zielszenarien große Mengen Wasserstoff für die Rohstoffversorgung der chemischen Industrie eingesetzt. Die energetische Nutzung entfällt vor allem auf die Stahlindustrie und andere Prozesswärmeanwendungen, die sich nur schwer elektrifizieren lassen. Insbesondere die rohstoffliche Nutzung von Wasserstoff ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Im Modell FORECAST wurde angenommen, dass heutige fossil versorgte Prozesse zukünftig vollständig auf die Nutzung von Wasserstoff als Rohstoff umgestellt werden. Dementsprechend sind die Szenarien als maximal zu erwartender Wasserstoffbedarf zu verstehen. Die Ergebnisse der Modelle PyPSA-DE und REMIND zeigen im Vergleich, wie groß die Unsicherheiten sind. Es ist denkbar, dass der rohstoffliche Wasserstoffbedarf deutlich geringer ausfällt und alternative Lösungen – wie die Nutzung von Biomasse oder der Import von Wasserstoffderivaten, wie klimaneutrales Methanol oder Ammoniak – eine größere Rolle spielen werden.

Abbildung 5.1: Energienachfrage des Industriesektors. Inkl. stofflichem Einsatz von Energieträgern im Vergleich aller Modelle. (links im Zeitverlauf im Szenario Technologiemix und rechts für die Jahre 2030 und 2045 in allen Szenarien). Quelle: eigene Darstellung

In allen Szenarien – mit Ausnahme der Szenarien Niedrige Nachfrage (NFniedrig) und Hohe Nachfrage (NFhoch) – sinkt der Endenergiebedarf des Industriesektors im Jahr 2045 nur geringfügig (Abbildung 5.1): auf zwischen 90 % (655 TWh, Mix) und 94 % (677 TWh, ExPol) des Niveaus von 2021 (724 TWh). Dies ist auf mehrere Effekte zurückzuführen:

  • Produktionsrückgange in der jüngeren Vergangenheit seit 2021 und notwendige Aufholeffekte bis 2030 basierend auf den Szenario Annahmen zur Wirtschaftsentwicklung;
  • Maßnahmen zur Energie- (z.B. Abwärmenutzung, neue Motoren) und Materialeffizienz (z.B. Leichtbau) sowie der Anstieg von recyclingbasierten Verfahren überkompensieren den Wachstumsimpuls der Bruttowertschöpfung (~+20 % im Jahr 2045 verglichen mit 2021);
  • Je nach Szenario zusätzliche Effekte wie etwa Effizienzgewinne durch die Elektrifizierung.

Die im Szenario Niedrige Nachfrage zusätzlich eingeführten und deutlich stärker ausgeprägten Annahmen zu Materialeffizienz, Suffizienz und Kreislaufwirtschaft reduzieren den Endenergiebedarf weiter, bis 2045 auf 80 % (580 TWh) des Wertes im Jahr 2021. Im Vergleich stagniert hier die Produktionsmenge auf dem Niveau des Jahres 2021, während in den anderen Klimaschutzszenarien noch leichtes Wachstum in den meisten Bereichen zu beobachten ist. Im Vergleich zum Technologiemix-Szenario ist die Produktion der energieintensiven Industrie im Jahr 2045 im Niedrige Nachfrage-Szenario rund 13 % niedriger (vgl. Abbildung 5.2).

Abbildung 5.2: Produktionsmenge in Mt je Szenario für die Jahre 2019, 2021, 2030 und 2045. Quelle: eigene Darstellung

Die getroffenen Annahmen zu Wirtschafts- und Produktionsentwicklung der deutschen Industrie unterliegen insbesondere in den energieintensiven Industrien Unsicherheiten. Hohe Preise für CO2-neutrale Energieträger, Investitionsbedarfe und Unsicherheiten im Infrastrukturaufbau erhöhen das Risiko der Abwanderung von Teilen der Wertschöpfungskette. Für eine detaillierte Analyse siehe Verpoort et al. 2024d.

5.1.1 Prozesswechsel in der energieintensiven Industrie

Die zentrale Grundlage der Transformationsszenarien ist die Umstellung einzelner, besonders emissionsintensiver Produktionsverfahren der Grundstoffindustrie auf Technologien, die einen (nahezu) CO2-neutralen Betrieb erlauben. Dazu gehört die Produktion von Rohstahl, Zementklinker, Ethylen/Olefinen, Ammoniak und Methanol. Die Szenarien gehen davon aus, dass erste Anlagen ab 2025 in Betrieb gehen und bis 2030 nennenswert als kommerzielle Anlagen Marktanteile einnehmen.

Abbildung 5.3: Rohstahlproduktion nach Verfahren im Mix-Szenario.
Quelle: eigene Darstellung

In der Stahlherstellung steigt die Rohstahlerzeugung bis 2045 auf 48 Mt im Technologiemix-Szenario (2021: 41 Mt, Abbildung 5.3). Dieser Anstieg beginnt nach einer Erholung aus einem Tief (zwischen 2021 und 2028) und ist insbesondere durch die Umstellung auf wasserstoffbasierte Direktreduktion (DRI) getragen (Abbildung 5.4). Nach einer Übergangsphase, in der ein Teil der neuen Direktreduktionsanlagen zunächst mit Erdgas betrieben werden (etwa 7 Mt CH4-DRI und 6 Mt H2-DRI in 2030), steigt die wasserstoffbasierte Route auf 29 Mt im Jahr 2045, ergänzt durch einen steigenden Anteil der Sekundärproduktion um rund 10 % (2021: 30 %, 2045: 40 %). Die im Jahr 2021 dominierende Primärerzeugung in der Hochofenroute (28 Mt) wird bis 2045 nach und nach ersetzt und hat schon 2035 nur noch untergeordnete Bedeutung.

Abbildung 5.4: Endenergienachfrage nach Szenario im Sektor Metallerzeugung20Erzeugung von Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen..
Quelle: eigene Darstellung

Durch den Umbau der Stahlindustrie werden große Mengen CO2-intensiver Kohle (56 TWh in 2021) durch Erdgas (kurz- bis mittelfristig) und Wasserstoff ersetzt (zwischen 65 und 90 TWh in 2045; 78 TWh in Mix; Abbildung 5.4).
Diese Umstellung ist mit Investitionen verbunden als auch mit dem Wechsel von billigeren fossilen Energieträgern auf teure CO2-neutrale Sekundärenergieträger (Kapitel 5.2 und 5.3). Durch die hybride Nutzung (Erdgas und Wasserstoff) der Direktreduktionsanlagen können in der Übergangsphase Flexibilitätspotenziale entstehen, welche dazu beitragen Investitionsunsicherheiten zu reduzieren.

Der Hochlauf der Prozessumstellung und der Einsatz von grünem Wasserstoff als CO2-neutraler Rohstoff für die Chemieindustrie beginnt erst relativ spät nach dem Jahr 2035. Im Jahr 2045 liegt der stoffliche Energiebedarf im Szenario Technologiemix bei 369 TWh (vgl. Abbildung 5.6). Der niedrigste Bedarf an grünem Wasserstoff entsteht im Szenario Niedrige Nachfrage (281 TWh im Jahr 2045, etwa 60 TWh weniger als im Szenario Technologiemix) aufgrund ambitionierterer Annahmen zu Materialeffizienz und Kreislaufwirtschaft (z.B. Einsatz von chemischem Kunststoffrecycling). Dies illustriert noch einmal, wie wichtig Energie- und Materialeffizienz sowie eine Steigerung der Kreislaufwirtschaft sind, um den Bedarf an hochwertigen klimaneutralen Energieträgern zu verringern und eine klimaneutrale Energieversorgung zu erleichtern.

Abbildung 5.5: Ethylen-Produktion nach Verfahren
im Technologiemix-Szenario. Quelle: eigene Darstellung

Die Grundstoffchemie ist derzeit der größte Nutzer von Wasserstoff für Rohstoffanwendungen. Insbesondere die Produktionsprozesse für die Herstellung von Ammoniak, Methanol und Olefinen haben ein hohes Potenzial für den zukünftigen Einsatz von grünem Wasserstoff. Alle Szenarien benötigen große Mengen Wasserstoff für die Umstellung der Chemieindustrie auf CO2-arme Produktionsrouten. Für die Entwicklung des nicht-energetischen (also stofflichen) Wasserstoffbedarfs ist die zukünftige Entwicklung der Produktionsmengen in der Chemieindustrie sowie der angenommene Prozesswechsel der wichtigste Treiber. Für den Ersatz des stofflichen Bedarfs durch klimafreundliche Alternativen wird in den Szenarien die Herstellung von Olefinen aus Methanol (Methanol-to-Olefins bzw. MtO-Verfahren) und das für Aromaten Methanol-to-Aromats (beziehungsweise MtA) Verfahren angenommen (Abbildung 5.5). Der Vorteil der auf Methanol basierenden Route ist ein potenziell geringerer Energiebedarf und eine hohe Selektivität. Sie ist jedoch in Europa bisher nicht verbreitet.

Abbildung 5.6: Stoffliche Energienachfrage nach Szenario im Sektor Grundstoffchemie. Quelle: eigene Darstellung

Dennoch zeigt der Szenarienvergleich in Abbildung 5.6, dass alle Zielszenarien einen substanziellen Bedarf an Wasserstoff im Jahr 2045 aufweisen. Dies zeigt, dass die zentralen Stellhebel der Szenarien (Elektrifizierung, Materialeffizienz und Produktionsänderungen) nur einen begrenzten Einfluss auf die Wasserstoffnachfrage haben. Dennoch sind die Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Wasserstoffchemie sehr groß. So ist es z.B. denkbar, dass statt der angenommenen inländischen Produktion Vorprodukte, wie grünes Methanol oder Ammoniak, im Ausland hergestellt und importiert werden, oder dass Biomasse als Rohstoff für die chemische Industrie eine größere Rolle spielen wird. Welchen Weg die chemische Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität einschlagen wird, ist derzeit noch weitgehend offen und damit auch die Menge Wasserstoff, die sie in Deutschland nachfragen wird.

Abbildung 5.7: Endenergienachfrage unterschieden nach Szenario im Sektor Grundstoffchemie. Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 5.8: Klinkerproduktion nach Verfahren, Anteil CCU/S im
Technologiemix-Szenario.
Quelle: eigene Darstellung

Die Zementindustrie steht aufgrund hoher prozessbedingter Emissionen vor speziellen Herausforderungen. Durch das Brennen von Zementklinker im Drehrohrofen wird chemisch gebundenes CO2 aus dem eingesetzten Kalkstein freigesetzt, welches durch einen reinen Energieträgerwechsel nicht vermieden werden kann. Emissionen sind hier eng mit dem genutzten Rohstoff und Prozess verbunden. Folglich spielt die Einführung von CCU/S zur Abscheidung und Speicherung dieser schwer-/nichtvermeidbaren Emissionen in der Zementindustrie eine maßgebliche Rolle für die Transformation. Bis 2045 muss die gesamte Produktionskapazität mit CO2-Abscheidung ausgestattet sein, wodurch vorrangig prozessbedingte THG-Emissionen adressiert werden (Abbildung 5.8). Der Klinkerfaktor (der Anteil des energieintensiven Zementklinkers im Zement) bleibt dabei über die Zeit konstant21Aufgrund der schwindenden Verfügbarkeit konventioneller Klinkersubstitute ist dies nicht ohne Herausforderung – die Entwicklung, Einführung und Verbreitung neuer Zementtypen mit anderen Hauptbestandteilen ist hierfür eine wichtige Voraussetzung. Eine weitere Senkung scheint möglich und würde den hohen Handlungsdruck in anderen Feldern etwas reduzieren (https://www.vdz-online.de/wissensportal/publikationen/klinkereffiziente-zemente-ein-wichtiger-baustein-auf-dem-weg-zur-dekarbonisierung-von-zement-und-beton-schritte-zur-weiteren-reduzierung-des-klinker-zement-faktors).. Einen kleinen Beitrag zur Transformation der Zementproduktion liefert zusätzlich die Einführung neuer Bindemittel, welche in den Szenarien jedoch nur als Nischenprodukt (mit etwa 10 % Marktanteil) angenommen werden.

Das zweite wichtige Standbein der Transformation der Branche ist die Dekarbonisierung der Energienutzung (Abbildung 5.9), die bis 2045 vor allem auf direkte Elektrifizierung setzt und durch nicht-biogenen Müll, Wasserstoff und Biomasse ergänzt wird. Die Energieversorgung der Zement- und Kalkindustrie ist derzeit fossil geprägt. Der Energiebedarf basiert auf einer Prozesswärmeerzeugung durch Braun- und Steinkohle und nicht-erneuerbaren Ersatzbrennstoffen mit einem geringen biogenen Anteil. Für die Dekarbonisierung der Prozesswärme stehen eine Vielzahl von Optionen zur Verfügung. Der Prozessschritt der Entsäuerung des Kalksteins kann in absehbarer Zeit direkt elektrifiziert werden. Für die Sinterung auf deutlich höherem Temperaturniveau ist ein breit gefächerter Brennstoffmix möglich, von Wasserstoff über Biomasse zu Ersatzbrennstoffen (Siedlungs- und Gewerbeabfall). Elektrifizierung und die Wasserstoffnutzung erfordern größere Eingriffe in bestehende Strukturen, während Biomasse und Ersatzbrennstoffe sehr strukturkonservative Pfade repräsentieren.

Abbildung 5.9: Endenergienachfrage nach Szenario im Sektor Verarbeitung von Steinen und Erden22Zement und Kalk. Quelle: eigene Darstellung

5.1.2. Energie- und Materialeffizienz

Abbildung 5.10: Energieintensität des Industriesektors
nach Szenario. Quelle: eigene Darstellung

In allen untersuchten Szenarien wird eine ambitionierte Steigerung von Energie- und Materialeffizienz in allen Anwendungen und Branchen angenommen. Maßnahmen zur Steigerung der Materialeffizienz können dabei sehr vielfältig sein und zum Beispiel die Fehlproduktion im Produktionsprozess minimieren, den Einsatz von Beton und Stahl im Hochbau optimieren oder die Stärke von Verpackungsmaterial, wie Glasflaschen, reduzieren. Ausgedrückt werden kann die Entwicklung der Energie- und Materialeffizienz durch die Energieintensität je Euro Bruttowertschöpfung (BWS) des Industriesektors (Abbildung 5.10). Die Energieintensität lag im Jahr 2021 bei 4,05 GJ/1.000 EUR. Bis zum Jahr 2045 sinkt sie bereits im Szenario Existierende Politiken auf 3 GJ/1.000 EUR und im Szenario Technologiemix geringfügig stärker auf 2,9 GJ/1.000 EUR. Diese geringe Veränderung ist darauf zurückzuführen, dass Energie- und Materialeffizienz in den Verfahren der energieintensiven Grundstoffindustrie häufig bereits weitestgehend optimiert sind. Der hinterlegte zusätzliche Materialeffizienzfortschritt im Szenario Technologiemix ist als moderat bis vorsichtig zu interpretieren. Im Szenario Niedrige Nachfrage wird von einem ambitionierteren Materialeffizienzfortschritt ausgegangen (z.B. in der Bauwirtschaft), wodurch die Energieintensität bis zum Jahr 2045 auf 2,5 GJ/1.000 EURBWS sinkt. Energie- und Materialeffizienz sind eine der zentralen Säulen zur Treibhausgasreduktion, da sie kurz- bis mittelfristig zur Reduzierung des Bedarfs an fossilen Energieträgern, Strom und Fernwärme als auch der THG-Emissionen beiträgt. Langfristig führt Effizienz im klimaneutralen Energiesystem zu einer Senkung der Bedarfe an Erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung, Power-to-X, Infrastrukturen und den dabei entstehenden Kosten.

Abbildung 5.11: Stromnachfrage (direkt) im Industriesektor nach Szenario.
Quelle: eigene Darstellung

5.1.3 Elektrifizierung und weiterer Brennstoffwechsel

In allen Szenarien spielt die Elektrifizierung der Prozesswärme eine wichtige Rolle, ist jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. Während im Bereich der Warmwasser- und Dampfversorgung, beispielsweise in der Papier-, Lebensmittel- und Chemieindustrie, Techniken wie Elektrodenkessel und Wärmepumpen bereits industriell eingesetzt werden, so ist das Bild bei den Hochtemperaturanwendungen weniger eindeutig. In einigen Anwendungen sind elektrische Techniken bereits verfügbar, besonders in der Metallindustrie, während eine Vollelektrifizierung bei vielen Anwendungen noch Technologieentwicklung und Hochskalierung benötigt – besonders in den Branchen der Mineralindustrie (Rehfeldt et al. 2024). Dazu kommen Herausforderungen bei der Bereitstellung und dem zeitnahen Aufbau von Infrastruktur und Erzeugungskapazitäten.

Der direkte Elektrifizierungsgrad des Industriesektors steigt in allen Szenarien deutlich an und erreicht im Jahr 2045 48 % (ExPol, 342 TWh), beziehungsweise 69 % (Elek, 449 TWh) und 45 % (H2, 302 TWh). Im Jahr 2021 betrug er 30 % (214 TWh) und ist überwiegend auf die Stromnutzung für die Bereitstellung mechanischer Energie, Beleuchtung und Kühlung zurückzuführen.

Der Anstieg der Stromnutzung wird maßgeblich von der Umstellung der Prozesswärmeerzeugung getrieben. Darunter besonders stark elektrifizierte Branchen sind Nicht-Eisen-Metalle, Metallbearbeitung und Glas und Keramik.

Die energetische Nutzung von Wasserstoff (in Abgrenzung zur stofflichen Nutzung) nimmt in allen Szenarien mit Ausnahme des Szenarios Fokus Wasserstoff eine ähnliche Größenordnung ein (zwischen 11 % und 14 % im Jahr 2045, zwischen 74 TWh und 102 TWh siehe Abbildung 5.12) des Endenergiebedarfs. Signifikante Nutzung entsteht vor allem im Szenario Fokus Wasserstoff, mit 41 % Anteil am Endenergiebedarf im Jahr 2045 (271 TWh).

Abbildung 5.12: Wasserstoffnachfrage (energetisch und stofflich) im Industriesektor nach Szenario. Quelle: eigene Darstellung

Im Szenario Fokus Wasserstoff liegen Schwerpunkte der Wasserstoffnutzung in der Grundstoffchemie, der Metallerzeugung und der Verarbeitung von Steinen und Erden. In mehreren weiteren Branchen sind geringere Anteile der Wasserstoffnutzung zu beobachten. Dies sind vor allem Anwendungen, die keine besonders hervorgehobenen Anforderungen an Energieträger stellen. In den meisten Branchen wird der heutige Anlagenbestand in der Prozesswärme mit Erdgas befeuert. Robust erscheint in allen Szenarien die Nutzung von Wasserstoff in der Metallerzeugung (d.h. zur Herstellung von Rohstahl)23Auch hier wurden aber mit Berücksichtigung der wasserstoffbasierten Direktreduktionsroute Szenarioannahmen getroffen.. Insgesamt gilt: Potenziale für eine Umstellung auf Wasserstoff sind groß und Herausforderungen hängen hauptsächlich mit der Verfügbarkeit und den perspektivischen Kosten von Wasserstoff zusammen (Kapitel 5.2–5.4).

Die stoffliche Nutzung von Wasserstoff ist ein zentraler Treiber der zukünftigen Wasserstoffnachfrage im Industriesektor. Als Rohstoff in der Chemieindustrie wird grüner Wasserstoff zur Herstellung von Olefinen/Aromaten, Methanol oder weiterer chemischer Produkte eingesetzt. In allen Szenarien — mit Ausnahme des Existierende Politiken-Szenarios – werden im Jahr 2045 rund 340 TWh Wasserstoff stofflich genutzt (Abbildung 5.12). Im Szenario Niedrige Nachfrage lassen sich durch eine materialeffiziente Kreislaufwirtschaft rund 60 TWh stofflicher Wasserstoffbedarf einsparen (281 TWh Nachfrage in 2045). Gerade die Entwicklungen in der Grundstoffindustrie unterliegen jedoch hohen Unsicherheiten hinsichtlich der Positionierung von globalen Wertschöpfungsketten (Verpoort et al. 2024d) und der Technologiewahl. Dies betrifft die Annahmen zum stofflichen und chemischen Recycling und dem Import einzelner energieintensiver Vorprodukte wie grünes Ammoniak und grüne Rohstoffe für Ethylen.

Die Nutzung biogener Energieträger sinkt in den klimaneutralen Szenarien (Mix, Elek, H2; Abbildung 5.13) bis 2045 auf ungefähr ein Drittel ihres Ausgangswertes (von 33 TWh im Jahr 2021 auf rund 20 TWh im Jahr 2045). Davor kommt es jedoch zu einem Anstieg der Biomassenutzung um das Jahr 2035. Notwendig ist dieser Anstieg für die Zielerreichung im Jahr 2030, da bis 2035 noch kein breiter Einsatz von Wasserstoff oder direkter Elektrifizierung stattfindet. Bezogen auf die Gesamtsumme bleibt der Anteil der Biomassenutzung am Endenergiebedarf der Industrie aber dauerhaft gering.

Abbildung 5.13: Biomasseeinsatz (energetisch) im Industriesektor nach Szenario.
Quelle: eigene Darstellung

5.1.4 Treibhausgasemissionen

Abbildung 5.14: CO2-Emissionen im Industriesektor
nach Szenario und Modell. Quelle: eigene Darstellung

Alle Szenarien (abgesehen vom Szenario Existierende Politiken) erreichen die THG-Reduktionsziele für 2030 und zeigen, wie die Industrie einen starken Beitrag zur Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 gewährleisten kann (Abbildung 5.14). In den Szenarien Mix, Elek, H2 und Niedrige Nachfrage besteht im Jahr 2030 ein Puffer von etwa 12 Mt CO2äq zum verfügbaren THG-Budget, der vor allem durch Übererfüllung des angestrebten Reduktionspfades bis 2025 aufgebaut wurde. In Hohe Nachfrage ist dieser vollständig aufgebraucht, die Zielerreichung ist damit mindestens unsicherer, aber noch möglich.

Nach 2030 existiert kein deutlich definierter Reduktionspfad für den Industriesektor. Im Bereich der energiebedingten THG-Emissionen wird der Rückgang maßgeblich getrieben durch die Umstellung der Primärstahlerzeugung, die Dekarbonisierung des Energiebedarfs in Dampferzeugung und Industrieöfen sowie steigende Material- und Energieeffizienz und verstärkte Kreislaufwirtschaft (Abbildung 5.15). Die Emissionsentwicklung folgt einer nahezu linearen Reduktion, die bis 2045 so gut wie alle – mit bekannten Technologien adressierbaren – THG-Emissionen vermeidet. Es verbleiben geringe energiebedingte Mengen aus der Verbrennung fossilen Abfalls (etwa 1 Mt CO2äq) sowie prozessbedingte Emissionen (7–8 Mt CO2äq) aus verschiedenen kleinteiligen Quellen, darunter Produktverwendung, Elektronik, chemische Produkte (Lösungsmittel, Ruß, Schmierstoffe) sowie Keramik und Glas24In diesen Anwendungen erscheint die Nutzung von CCU/S deutlich weniger attraktiv oder ist nicht möglich. Die Ergebnisse weisen darüber hinaus geringfügige Restmengen aus fossilen Energieträgern aus (<0,1 Mt CO2äq). Diese sind modell- und rechenbedingt. Sie haben inhaltlich keine Bedeutung.. Diese müssen durch CO2-Senken außerhalb des Industriesektors kompensiert werden. Darüber hinaus werden insgesamt rund 20 Mt CO2 im Jahr 2045 in der Zement- und Kalkindustrie abgeschieden.

Abbildung 5.15: Energiebedingte CO2-Emissionen des Industriesektors nach Subsektoren.
Quelle: eigene Darstellung

5.2 Investitionsbedarfe im Industriesektor

Die Transformation zur klimaneutralen Industrie verlangt hohe Investitionen von Unternehmen. Diese beinhalten den Neubau von Anlagen, wie z.B. Stahlwerken, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden können, aber auch Effizienzverbesserungen und Modernisierungen bestehender Anlagen. Tabelle 5.1 zeigt eine Übersicht der für die Kostenbetrachtung bewerteten Investitionskategorien, und welche Technologien/Anlagen diese jeweils beschreiben.

KategorieTechnologieKostendefinitionen
CO2-InfrastrukturCO2-AbscheidungVollkosten
CO2-AbscheidungVollkosten
CO2-AbscheidungVollkosten
Wärmeerzeuger / BrennstoffwechselDampf- und WarmwasserVollkosten
IndustrieöfenVollkosten
RaumwärmeVollkosten
Neue Prozessez.B. DRI-Stahl, El. Cracker, MtO, etc.Vollkosten
EnergieeffizienzQuerschnittstechniken: E-Motoren und Systeme, Dampfsysteme, BeleuchtungDifferenzkosten ggü. konventioneller Technik
ProzesseDifferenzkosten
GebäudehülleDifferenzkosten
Kreislaufwirtschaft und MaterialeffizienzNicht quantifiziert aufgrund unzureichender Datenlage
Tabelle 5.1: Strukturierung der Investitionskategorien und methodischer Ansatz.

Die Bewertung der CO2-Infrastruktur enthält die gesamte Kette, von der Abscheidung bis zur Speicherung des CO2. Wärmeerzeugung, beinhaltet Prozesswärmeanwendungen, wie z.B. Elektrodenkessel oder Wärmepumpen für die Dampf- und Warmwassererzeugung, aber auch spezifische Industrieöfen und die Raumwärme. Neue Prozesse umfassen die Umstellung, zum Beispiel in der Stahlherstellung, von der Hochofenroute auf die Direktreduktion.

Für alle diese Investitionen werden die Vollkosten berechnet. Das heißt die Investitionen sind nicht nur die zusätzlichen Kosten der Umstellung auf eine klimaneutrale Industrie, sondern enthalten anteilig auch Investitionen aus Modernisierungsbedarf, der unabhängig von der Transformation zur Klimaneutralität anfällt. Entsprechend kann eine Schätzung der tatsächlichen Investitionen, die der Energiewende zuzuschreiben sind, nur als Differenz zu einem Szenario ohne Energiewende berechnet werden.

Für die Kategorie Energieeffizienz wurden hingegen die Differenzkosten betrachtet. Energieeffizienz wird häufig im Zuge von Modernisierungen verbessert und eine Berücksichtigung der Vollkosten würde nahezu sämtliche Anlageinvestitionen der Industrie umfassen, da in allen Bereichen Effizienzverbesserungen möglich sind. Entsprechend wären die Vollkosten schwierig zu interpretieren und hätten nur eine geringe Aussagekraft. Häufig sind die Differenzkosten einer effizienteren Lösung gering. Investitionen, beziehungsweise Kosten, die sich aus einer Steigerung der Materialeffizienz beziehungsweise dem Umsetzen von Maßnahmen zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft ergeben, wurden nicht quantifiziert. Der Hauptgrund dafür ist die lückenhafte Datenlage und die große Vielfalt an unterschiedlichen Maßnahmen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Lücke in der Kostenbewertung das Gesamtbild nicht grundsätzlich beeinflusst.

Im modellierten Zeitraum (2025 bis 2045) sind zur Erreichung der oben beschriebenen Pfade der Energieträgernutzung und Treibhausgasminderung in der Industrie im Szenario Technologiemix 180 Mrd. EUR Investitionen nötig. Diese umfassen zum Großteil Vollkosten der Investitionen und setzen sich aus den vier Kategorien zusammen: klimaneutrale Wärmeerzeugung, CO2-Infrastruktur, Energieeffizienz und die Umstellung auf neue klimafreundliche Produktionsprozesse. Der Aufbau des CO2-Systems (Abscheidung, Speicherung und Transport) erzeugen einen Investitionsbedarf von 28 Mrd. EUR, der größte Anteil darin ist der Aufbau des Transportnetzes25Hier wird von einer Netzlänge von 6.000 km und Investitionen von 2,5 Mio. EUR/km ausgegangen, darunter keine Umwidmung von bestehenden Leitungen.. Der Aufbau neuer Produktionsverfahren erfordert Investitionen in Höhe von 52 Mrd. EUR – wichtigste Branchen sind die Metallerzeugung (29 Mrd. EUR) und die Grundstoffchemie (22 Mrd. EUR).
Der bei Weitem größte Posten in dieser Zusammenstellung ist der allgemeine Posten Brennstoffwechsel. Er umfasst Prozess- und Raumwärmebedarf in der Industrie, alle Branchen und Temperaturniveaus der Wärmenachfrage sowie eine Vielzahl verschiedener Technologien. Innerhalb dieser Gruppe sind der Umbau der Dampferzeugung mit 24 Mrd. EUR sowie der Industrieöfen mit 26 Mrd. EUR die wichtigsten Kategorien.
Das Existierende Politiken-Szenario weist demgegenüber geringe Investitionsbedarfe auf. Mit 150 Mrd. EUR sind sie 40 Mrd. EUR geringer als in Technologiemix – allerdings auch bei deutlich höheren Treibhausgasemissionen.

Der Zeitverlauf der Investitionen ist besonders stark von Szenarioannahmen abhängig und wird besonders gegen Ende des Modellierungszeitraums unsicherer. Der Zeitpunkt von Investitionen lässt sich zwar in einigen Fällen anhand bekannter Altersstrukturen von Bestandsanlagen wie Hochöfen und Dampfspaltöfen schätzen (Neuwirth et al. 2024). Bei kleinteiligen Anlagen mit unsicherer Altersstruktur – das trifft auf weite Teile der Industrieöfen und Dampferzeuger zu – steht fest, dass sie ersetzt werden müssen, aber nicht zu welchem Zeitpunkt.

Abbildung 5.16: Investitionsbedarf für die
Energiewende im Industriesektor. Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 5.16 zeigt die jährlichen Investitionsbedarfe der Szenarien. Im Zeitraum bis etwa 2035 ist der größte Anteil der Investitionen auf Wärmeerzeuger in der Prozesswärme sowie die Verbesserung der Energieeffizienz zurückzuführen. Hier sind Technologien bereits marktreif und die Wirtschaftlichkeit in vielen Fällen gegeben. In der darauffolgenden Dekade spielen Investitionen im Aufbau der CO2-Infrastruktur inklusive Abscheidung an den Industriestandorten sowie neue klimaneutrale Prozesse eine zunehmend wichtige Rolle. Zu diesem Ergebnis kommen die Szenarien Technologiemix und Existierende Politiken auf ähnliche Weise. Allerdings werden die Investitionen im Szenario Technologiemix nach 2035 verstetigt und erreichen Ende der 2030er und Mitte der 2040er noch einmal neue Höchststände – während sie im Szenario Existierende Politiken langfristig absinken. Insbesondere in Dampferzeuger wird im Szenario Technologiemix gegen Ende der Modellierung stark investiert, gefolgt von hohen Investitionen in innovative Verfahren in der Grundstoffindustrie. Der Grund für diese Konzentration ist ein hoher Preis für Wasserstoff, der in der Grundstoffchemie stofflich und in hohen Mengen genutzten wird. Dies drängt zu einer möglichst späten Investition, um die hohen Differenzkosten im Betrieb nicht unnötig lange zu tragen.

5.3 Die Kosten der Industriedekarbonisierung

Die Kosten der Transformation zu einer nahezu klimaneutralen Industrie werden anhand von drei Komponenten berechnet. Dies sind

Abbildung 5.17: Endkundenpreise Erdgas, Strom
und Wasserstoff für die energieintensive
Industrie (ct2020/kWh). Quelle: eigene Darstellung
  • die Annuitäten der Investitionskosten mit 5 % Diskontierung entsprechend dem vorhergehenden Kapitel,
  • die Energieträgerkosten, die sich aus den Energiepreisen und den bezogenen Mengen der jeweiligen Jahre ergeben (siehe Annahmen zu den Energiepreisen in Abbildung 5.17), und
  • die CO2-Kosten, die im Rahmen des ETS 1 oder ETS 2 anfallen.

Sämtliche Kosten sind in diesem Kapitel in EUR2020 angegeben.

Die gesamten kumulierten Kosten im Industriesektor für die Energieversorgung, Investitionen in klimaneutrale Anlagen sowie Ausgaben für CO2-Zertifikate sind in Abbildung 5.18 zusammengefasst und belaufen sich in den Zielszenarien auf 1,95 bis 2,35 Bio. EUR bis 2045. Diese Summe umfasst deutlich mehr als lediglich die Kosten der Dekarbonisierung. Sie enthält z.B. auch den Strombedarf bereits elektrifizierter Anlagen und hat daher isoliert nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Ein Vergleich der Szenarien gibt jedoch weitere Einblicke. So sind die kumulierten Gesamtkosten im Szenario Fokus Wasserstoff mit 2,35 Bio. EUR am höchsten und liegen etwa 250 Mrd. EUR über den Kosten in den Szenarien Technologiemix und Fokus Elektrifizierung. Unterschiede ergeben sich durch die angenommenen höheren Preise für Wasserstoff gegenüber Strom. Gegebenenfalls etwas geringere Anlageinvestitionen können diese Mehrkosten bei der Energiebeschaffung nicht kompensieren.

Abbildung 5.18: Vergleich der kumulierten Kosten für Energie, CAPEX und CO2 im Industriesektor im Zeitverlauf (links) und in Summe von 2025 bis 2045 nach Kategorie (rechts). Investitionen sind mit 5 % über die jeweilige Lebensdauer annuisiert. Annuitäten und jährliche Kosten sind undiskontiert aufsummiert. Quelle: eigene Darstellung

Beim Blick auf die einzelnen Kostenkategorien zeigt sich, dass Energiekosten entscheidend sind – diese machen bei den angenommenen Preisen 72–76 % der kumulierten Gesamtkosten aus. Der Anteil der (annualisierten) Investitionen liegt hingegen lediglich zwischen 10 und 13 %.

Somit sind die Energiekosten entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Transformation zur klimaneutralen Industrie. Besonders die Preise von Strom und Wasserstoff als zukünftig wichtigste Energieträger im Industriesektor sind ausschlaggebend.

Die jährlichen Kosten geben weitere Aufschlüsse über die Belastungen, die auf die Industrie zukommen. Die resultierenden jährlichen Kosten sind über den gesamten Zeitraum in allen Szenarien stark durch die Energieträgerkosten geprägt, wie Abbildung 5.19 zeigt. Besonders Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle, sodass die eingesetzte Menge und die Annahmen zum Preis von Wasserstoff entscheidend für die Gesamtkosten sind. Die Wasserstoffmenge wiederum ist stark abhängig vom Grad der Elektrifizierung und dem Einsatz von biogenen Energieträgern und Rohstoffen.

Abbildung 5.19: Vergleich der jährlichen Kosten für Energie,
kapitalgebundene Kosten der Investition (CAPEX) und CO2 im Industriesektor
bis zum Jahr 2045.
Quelle: eigene Darstellung

Alle Zielszenarien zeigen eine deutliche Steigerung der jährlichen Kosten mit einer Bandbreite von +60 % (Szenario Niedrige Nachfrage) bis +104 % (Szenarien Hohe Nachfrage und Fokus Wasserstoff) im Jahr 2045 gegenüber dem Jahr 2025. Entsprechend steigen die absoluten jährlichen Kosten deutlich von etwa 67 Mrd. EUR/a im Jahr 2025 auf etwa 120–140 Mrd. EUR/a im Jahr 2045.

Die Szenarien Fokus Elektrifizierung und Technologiemix weisen im Vergleich zum Szenario Fokus Wasserstoff bis zum Jahr 2045 deutlich niedrigere jährliche Kosten von etwa 123 Mrd. EUR pro Jahr auf. Noch niedriger sind die Kosten im Szenario Niedrige Nachfrage mit etwa 106 Mrd. EUR pro Jahr. Allerdings liegen sie auch hier noch etwa 60 % über dem Wert von 2025. Zu beachten ist, dass im gleichen Zeitraum die Wertschöpfung der Industrie um etwa 24 % ansteigt.
Die Kosten für CO2-Emissionen erreichen in allen Zielszenarien in etwa im Jahr 2033 ihren Höchstwert mit 21–23 Mrd. EUR pro Jahr und fallen bis zum Jahr 2045 auf einen Wert von etwa 5 Mrd. EUR pro Jahr, der sich aus verbleibenden (z.B. prozessbedingten) Emissionen ergibt. Der Rückgang bei den CO2-Kosten kann den Anstieg bei den Energieträgerkosten in keinem Szenario kompensieren.

Bei der Interpretation dieser Zahlen ist es wichtig zu beachten, dass energiebedingte Kosten (inklusive Investitionen) nur einen relativ geringen Teil der gesamten Produktionskosten ausmachen. Selbst in energieintensiven Branchen liegt ihr Anteil heute in einer Größenordnung von 10–15 % der Gesamtkosten (siehe Verpoort et al. 2024b). Die gesamte Kostenbewertung bezieht sich lediglich auf diesen Teil und lässt somit 85–90 % der Kosten, wie Rohstoffbezug, Personal oder Anlagenabschreibung außen vor, da diese nicht energiewende-spezifisch sind.

Weiterhin ist zu beachten, dass für die Investitionen die Vollkosten genutzt wurden. Für den Großteil der Investitionen spiegeln diese tatsächlich auch die Mehrkosten der Energiewende wider. Weiterhin wurden die Kosten für CO2-Zertifikate vollständig berücksichtigt, auch wenn Unternehmen aktuell kostenlose Zuteilungen entsprechend ihrem Benchmark erhalten. Die tatsächliche Belastung mit Kosten für die Beschaffung von CO2-Zertifikaten dürfte daher deutlich geringer ausfallen. Mit dem vorgesehenen Übergang zu CBAM und einem gleichzeitigen Auslaufen der kostenlosen Zuteilung in einigen Branchen wird dieser Effekt jedoch kontinuierlich abnehmen. Diese Einschränkungen zeigen, dass die berechneten Kostenentwicklungen zwar in ihrer Größenordnung aussagekräftig sind, allerdings vorsichtig interpretiert werden sollten.

Abbildung 5.20: Vergleich der Änderung der spezifischen jährlichen Kosten bezogen auf die Wertschöpfung der Branchen. Im 5-Jahresmittel für das Szenario Technologiemix zwischen den Branchen gegenüber den jährlichen Kosten im Jahr 2025. Die Kosten umfassen Energie- und CO2-Kosten sowie annuisierte energiebedingte Investitionen. Quelle: eigene Darstellung

Die Unterschiede der Kostenentwicklung zwischen den einzelnen Branchen sind erheblich. Die Mehrbelastungen konzentrieren sich auf wenige Branchen, während auf andere unter diesen Annahmen kaum oder keine Mehrbelastungen zukommen. Die zukünftige Änderung der jährlichen Kosten im Vergleich zum Jahr 2025 ist in Abbildung 5.20 dargestellt, bezogen auf die generierte Wertschöpfung der Branche. Es zeigt sich eine deutliche Steigerung der spezifischen jährlichen Kosten für Energie, CO2 und energiebedingte Investitionen bei den Branchen Grundstoffchemie, Metallerzeugung, Glas und Keramik sowie Verarbeitung von Steinen und Erden (u.a. Zement, Kalk, Ziegel), aber auch die Nichteisen-Metalle sowie Gießereien. Wichtige Faktoren sind der Bedarf an Wasserstoff in der Grundstoffchemie und der Metallerzeugung sowie der Glas- und Keramikherstellung. In der Branche Verarbeitung von Steinen und Erden sind die Kosten für CO2-Abscheidung und Infrastruktur ein wichtiger Faktor. Bei vielen anderen Branchen sind geringfügige Kostensteigerungen gegenüber dem Jahr 2025 oder sogar leichte Reduktion der Kosten zu verzeichnen. Hierbei handelt es sich um die weniger energieintensiven Branchen, bei denen die Energiekosten weniger als 5 % der Gesamtkosten ausmachen. Steigen diese energiebedingten Kosten um 10–20 %, so ist das zwar eine Belastung, jedoch ist nicht davon auszugehen, dass es die Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen stark gefährden wird. Der in einigen Branchen verzeichnete Rückgang der jährlichen Kosten gegenüber 2025 ist vorwiegend auf Effizienzgewinne zurückzuführen. Je generierter Wertschöpfung wird jedes Jahr 1–2 % weniger Energie benötigt. Die in vielen Branchen hinterlegte Elektrifizierung der Prozesswärme durch effiziente Wärmepumpen trägt dazu bei, dass die Kostensteigerung in den Branchen Papier und Ernährung nur geringfügig ausfällt.
Wenngleich die Schätzung zukünftiger Kosten bis zum Jahr 2045 für den gesamten Industriesektor erheblichen Unsicherheiten unterliegt, so lassen sich dennoch folgende belastbare Schlussfolgerungen ziehen.

  • Auf den Industriesektor kommt in allen Zielszenarien eine deutliche Steigerung der energiebedingten Kosten zu, welche die Industrie stark unter Druck setzen wird.
  • Kosten für den Energiebezug werden ausschlaggebend sein, während Anlageinvestitionen zwar im Einzelfall erheblich sein können, aber in Summe deutlich schwächer zur Kostenbelastung beitragen. Die Preise für Strom und Wasserstoff sind die wichtigsten Kostenelemente und bieten das größte Potenzial für Kosteneinsparungen.
  • Szenarien, welche stärker auf eine Elektrifizierung setzen, zeigen deutlich niedrigere Kosten als Szenarien, die einen hohen Einsatz von Wasserstoff enthalten.
  • Die Umsetzung von Maßnahmen zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft sowie beschleunigte Energieeffizienz können die Kosten für „teure“ Energieträger deutlich senken.
  • Besonders hohe Belastungen werden für die Branchen Grundstoffchemie, Metallerzeugung, Glas- und Keramikherstellung, die Verarbeitung von Steinen und Erden (Zement, Kalk, Ziegel) sowie Nichteisenmetalle wie Aluminium und Kupfer und Gießereien erwartet.
  • Für diese Branchen wird die Energiewende eine große Herausforderung. Die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber „fossiler“ Produktion sowie gegenüber klimaneutraler Produktion im Ausland ist gefährdet und in besonders hohem Maße abhängig von den Kosten und Preisen für klimaneutralen Wasserstoff und Strom.

5.4 Fiskalische Bedarfe für den Industriesektor

Bei den für die Szenariorechnungen angenommenen Preisen für Erdgas, Strom und Wasserstoff genügt der CO2-Preis in der kommenden Dekade nicht, um in allen Branchen eine Umstellung auf klimafreundliche Verfahren wettbewerbsfähig zu machen. Besonders dort, wo ein Wechsel von günstigen fossilen Energieträgern, wie Erdgas oder Kohle, auf klimafreundliche Sekundärenergieträger, wie Strom oder Wasserstoff, notwendig ist, ist in den kommenden Jahren bei vielen Anwendungen von einer Wirtschaftlichkeitslücke auszugehen. Diese Lücke können Förderprogramme schließen und über gezielte Zuschüsse zu CAPEX oder OPEX klimafreundliche Technologien wettbewerbsfähig gegenüber der fossil-befeuerten Referenztechnologie machen. In diesem Kapitel wird die Wirtschaftlichkeitslücke quantifiziert. Das Ergebnis zeigt, welches Budget nötig wäre, um die Lücke vollständig über staatliche Förderung zu schließen. Zur Quantifizierung werden zwei Ansätze verfolgt. Zum einen werden die Mehrkosten gegenüber dem Szenario Existierende Politiken berechnet und zum anderen die Mehrkosten für den Einsatz von Strom und Wasserstoff gegenüber Erdgas, welches heute in den meisten Branchen und Prozessen die Referenz ist.

Abbildung 5.21: Vergleich der jährlichen Energiekostendifferenz
für das Szenario Mix (oben), H2 (Mitte) und NFniedrig
(unten) ggü. ExPol. Quelle: eigene Darstellung

Vergleicht man die Energieausgaben nach Szenario gegenüber der Entwicklung im Szenario Existierende Politiken, so entstehen die höchsten zusätzlichen Bedarfe durch die hohen zusätzlichen Wasserstoffkosten im Szenario Fokus Wasserstoff (Abbildung 5.21). Der über den Zeitraum 2025 bis 2045 kumulierte zusätzliche Bedarf des Szenarios beträgt rund 475 Mrd. EUR. Ein ausgeglichenerer Technologiemix reduziert diesen zusätzlichen Bedarf um mehr als die Hälfte auf rund 217 Mrd. EUR. Der zusätzliche kumulierte Bedarf im Szenario Fokus Strom bewegt sich mit rund 211 Mrd. EUR in einer ähnlichen Größenordnung wie das Szenario Technologiemix (deswegen hier nicht weiter dargestellt).

Hervorzuheben ist auch, dass vor allem Maßnahmen, welche die Nachfrage nach teuren Energieträgern wie Strom und Wasserstoff reduzieren (z.B. Kreislaufwirtschaft und Energie und Materialeffizienz), diese zusätzlichen Bedarfe noch einmal drastisch reduzieren können – auf kumuliert rund 90 Mrd. EUR.

Den Bedarfen gegenüber stehen die verfügbaren Fördermittel bereits laufender Förderprogramme (Abbildung 5.22), welche dem fiskalischen Bedarf im Existierende Politiken Szenario entsprechen. Dazu zählen beispielsweise die Klimaschutzverträge, die Bundesförderung Industrie und Klimaschutz oder die Important Projects of Common European Interest (IPCEI)-Projekte und der Innovationsfonds des EU-Emissionshandels. Die über das Szenario Existierende Politiken hinausgehenden gezeigten Mehrkosten in den Zielszenarien sind hier nicht berücksichtigt.

Abbildung 5.22: Jährliche Budgets der Förderprogramme
zur Industriedekarbonisierung im Zeitverlauf.

Quelle: Instrumentenbericht Projektionsbericht 2025
(Förster et al. 2024).

Eine aktuelle Schätzung zukünftiger Budgets relevanter Programme ist aus dem Treibhausgas-Projektionsbericht des Jahres 2025 verfügbar (Förster et al. 2024). Dieser enthält eine Schätzung bis 2030 und teilweise darüber hinaus. Abbildung 5.22 zeigt die jährlichen Budgets aufsummiert über die einzelnen Programme auf Grundlage des Projektionsberichtes. Diese summieren sich bis zum Jahr 2030 auf eine kumulierte Förderung von etwa 30 Mrd. EUR auf. In der folgenden Dekade bis 2040 wird nochmal von zusätzlich 20 Mrd. EUR ausgegangen, sodass in Summe etwa 50 Mrd. EUR verfügbar sind. Diese Finanzierung ist im Szenario Existierende Politiken bereits berücksichtigt.

Abbildung 5.23: Mehrkosten Wasserstoff im
Vergleich zu Erdgas inkl. CO2-Preis nach Szenario.
Quelle: eigene Darstellung

Die einzelnen Förderprogramme haben spezifische Anforderungen an die Mittelvergabe. Einige Programme, wie zum Beispiel die Bundesförderung Industrie und Klimaschutz, bezuschussen lediglich Investitionskosten und keine laufenden Kosten, beispielsweise durch den Mehrpreis von Wasserstoff gegenüber Erdgas. Häufig werden etwa 40 % der förderfähigen Investition übernommen und die Vergabe findet nach Fördereffizienz bezogen auf die vermiedene Menge THG-Emissionen statt. Die Klimaschutzverträge fördern sämtliche Mehrkosten inklusive des Energiebezugs.

Abbildung 5.24: Mehrkosten Strom im Vergleich
zu Erdgas inkl. CO2-Preis nach Szenario.
Quelle: eigene Darstellung

Im Vergleich zur fossilen Produktion ist insbesondere der Einsatz von Wasserstoff mit hohen zusätzlichen Energiekosten belastet. Vergleicht man die Kosten für die benötigten Mengen Wasserstoff in den Szenarien mit den Kosten, welche man für den Einsatz derselben Menge Erdgas (plus CO2-Aufschlag) bezahlen müsste, so entsteht ein kumulierter finanzieller Mehrbedarf (2025–2045) von rund 82 Mrd. EUR (Technologiemix), 75 Mrd. EUR (Fokus Strom) beziehungsweise 202 Mrd. EUR (Fokus Wasserstoff). Die entgegengesetzten Wirkungen aus dem langfristig sinkenden Preis für Wasserstoff und dem stark ansteigenden CO2-Preis führen dazu, dass die absoluten Mehrkosten nach 2036 schnell sinken, obwohl der Wasserstoffbedarf für den Einsatz als Rohstoff in der Chemieindustrie ist in diesem Zeitraum relevant ansteigt.
Der Kostenvergleich für Strom zeigt, dass hier unter den getroffenen Energie- und CO2-Preisannahmen (kontinuierlicher Anstieg des CO2-Preises auf 500 EUR in 2045) die Nutzung von Strom gegenüber Erdgas wettbewerbsfähig wird und kein zusätzlicher Finanzierungsbedarf besteht.

6. Sektorale Perspektive – Energiewirtschaft

Die Energiewirtschaft stellt die Versorgung der Endverbraucher mit Energie sicher. Sie umfasst dabei nicht nur die Stromerzeugung, die die Emissionen des Sektors dominiert, sondern auch die Umwandlung von fossilen Energieträgern, Biomasse und Abfall sowie in Zukunft die Bereitstellung von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten. Der Stromsektor wird dabei zunehmend zum Kern der zukünftigen Energieversorgung, der die anderen Sektoren durch Elektrifizierung und innovative Technologien transformiert.

Unumstritten ist, dass ein zukünftiges emissionsfreies Stromsystem überwiegend auf Wind- und Solarstrom basiert und dass der Anteil dieser Erzeugungsformen am Strommix bis 2040 auf über 90 % ansteigen wird. Dementsprechend fällt der Großteil der nötigen Investitionen in der Energiewirtschaft für Erneuerbare Energien an sowie für Stromnetze, die die Energie zu neuen elektrifizierten Verbrauchern bringen. Tägliche Schwankungen von Angebot und Nachfrage werden zukünftig durch Lastmanagement und Batterien ausgeglichen. Außerdem spielt der Stromaustausch mit den europäischen Nachbarn eine zunehmend wichtige Rolle bei der Integration von Windeinspeisung und hilft, den Einsatz von teuren Backup-Kraftwerken in kalten Phasen mit niedriger Solar- und Windeinspeisung zu reduzieren. Zur Überbrückung dieser Phasen wird dennoch regelbare Erzeugungsleistung im Umfang von 90–170 GW benötigt, überwiegend bereitgestellt von Wasserstoffturbinen. Kernenergie spielt in den Modellergebnissen dieser Studie keine Rolle, da von einer Beibehaltung des beschlossenen deutschen Atomausstieg ausgegangen wird. Diese Annahme wird zusätzlich von Modellergebnissen anderer Studien gestützt, die Kernenergie aufgrund hoher Kosten als unökonomisch bewerten (Kan et al. 2020; Göke et al. 2023).

Der jährliche Investitionsbedarf im Energiesystem steigt in den nächsten Jahren zunächst deutlich an, sinkt dann aber mit dem Fortschreiten der Transformation wieder. Der Höhepunkt wird im Zeitraum 2030–2035 erreicht, wenn bis zu 70 Mrd. EUR pro Jahr aufgewendet werden müssen. Bei den Strompreisen projiziert die Modellierung ab 2025 einen Rückgang für die Mehrheit der Endkunden, getrieben durch sinkende Börsenpreise und abnehmende Netzentgelte (Abbildung 6.18). Die Netzentgelte nehmen ab, da die Netzausbaukosten über eine immer größere Stromnachfrage verteilt werden und da Einsparungen beim Ausbau des Strom-Übertragungsnetzes nach 2030 (vergleiche Kapitel 7.1) erzielt werden können. Es zeigt sich, dass durch regionale Strompreiszonen – trotz Preisunterschieden zwischen den untersuchten Preiszonen – die Endkundenpreise für Strom in allen Regionen Deutschlands gesenkt werden könnten. Im Durchschnitt würden diese Preissenkungen bei etwa 7,5 EUR/MWh liegen. Die Ergebnisse im vorliegenden Kapitel werden vor allem für PyPSA-DE als Ariadne-Leitmodell für die Energiewirtschaft dargestellt. Ergänzt werden diese mit Erkenntnissen aus den beiden Gesamt-systemmodellen REMIND und REMod sowie aus relevanten externen Studien.

6.1 Transformationsdynamik in der Energiewirtschaft

Die Dekarbonisierung des Stromsektors bildet den Schlüssel zur Transformation der gesamten Energiewirtschaft. Durch den massiven Ausbau von Wind- und
Solarenergie als tragende Säulen der Stromerzeugung entsteht ein System, in dem Flexibilität eine zentrale Rolle einnimmt. Diese Flexibilität ist entscheidend, um Erneuerbare Energien zu integrieren und gleichzeitig die Stabilität der Energieversorgung zu gewährleisten. Flexibilität wird durch eine Reihe von Technologien bereitgestellt, darunter der Stromaustausch mit Nachbarländern, Lastmanagement, Speicher, Wasserstoffproduktion und regelbare (Backup-) Kraftwerke.

6.1.1 Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und Emissionsminderung

Abbildung 6.1: CO2-Emissionen in der Energiewirtschaft. Historischer
Verlauf der CO2-Emissionen in Deutschland (Umweltbundesamt 2024d)
und Trajektorien bis 2045 für die drei Gesamtsystemmodelle PyPSA-DE,
REMIND und REMod unter dem Existierende Politiken-Szenario (keine
Zielerreichung) und den drei Zielerreichungsszenarien; die Markierung
„KSG 2021” weist auf das in der ursprünglichen Version des
Klimaschutzgesetz anvisierte Sektorziel für die Energiewirtschaft in Höhe
von 108 Mt CO2äq hin (KSG 2021). Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 6.1 zeigt die Entwicklung der Emissionen in der Energiewirtschaft, die durch den EU-Emissionshandel und Maßnahmen zur Förderung der Erneuerbaren über die letzten 10 Jahre deutlich reduziert werden konnten. Vor dem Hintergrund der Verschärfung der Emissionshandelsziele und den Maßnahmen zur Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus in den letzten Jahren wird das ursprüngliche Ziel des KSG 2021 für das Jahr 2030 in Höhe von 108 Mt CO2äq Emissionen in der Energiewirtschaft in den meisten Szenarien erreicht.

Die Bandbreite der Emissionen im Zieljahr liegt in den Zielerreichungsszenarien zwischen 0 und –40 Mt CO2äq. Negative Emissionen treten dabei vor allem im Modell REMIND aufgrund der Nutzung von Biomasse mit nachgelagerter CO2-Abscheidung und -Speicherung in der Energiewirtschaft auf (beispielsweise bei der Produktion von Biokraftstoffen). Auch im Szenario Existierende Politiken sinken die Emissionen auf ein niedriges Niveau, getrieben durch die sinkenden Kosten von Erneuerbaren Energien. Allerdings bestehen in diesem Szenario im Jahr 2045 weiterhin Restemissionen aus der Energiewirtschaft von bis zu 56 Mt CO2äq, die zu einer Verfehlung des Klimaneutralitätsziels beitragen.

Abbildung 6.2: Stromerzeugung und -einsatz. Stromerzeugung und -verbrauch von 2020 bis 2045 für das Modell PyPSA-DE im Szenario Technologiemix (links) und für alle Gesamtsystemmodelle und Technologieszenarien für die Jahre 2030 und 2045 (rechts). Energieverluste bei der Stromübertragung sind in der Bilanz nicht dargestellt. Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 6.2 zeigt die Entwicklung der Stromerzeugung und des Strombedarfs bis 2045 der Modelle PyPSA-DE, REMIND und REMod sowie einen Vergleich zwischen den verschiedenen Szenarien und Modellen für die Jahre 2030 und 2045. Die Stromerzeugung ist durch zwei Entwicklungen geprägt: Den durch Elektrifizierung wachsenden Strombedarf auf der Nachfrageseite einerseits und den Ausbau von Wind- und Solarenergie auf der Angebotsseite andererseits. Bis zum Jahr 2045 steigt die Stromnachfrage im Szenario Technologiemix deutlich an. Die größten Unterschiede zwischen den Ariadne-Modellen treten bei der Höhe der Stromproduktion aus Windenergie, dem Umfang der einheimischen Kapazitäten an Elektrolyseuren und deren Stromnachfrage, sowie der Stromnachfrage in der Industrie auf. Im Szenario Technologiemix wird Deutschland außerdem zum Nettoimporteur von Strom mit Importen von bis zu 100 TWh netto (je nach Modell zwischen 4,5 % und 8,0 % des Strombedarfs). REMod zeigt mit einem Nettoexport von 108 TWh ein anderes Verhalten, importiert allerdings höhere Volumina an Wasserstoff und E-Fuels (s. auch Kapitel 6.1.2).

Im Szenario Technologiemix wird das Ziel des EEG, den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis 2030 auf mindestens 80 % zu steigern, in den Modellen PyPSA-DE und REMod erreicht. Im Modell REMIND gelingt dies erst 2035. Im Szenario Existierende Politiken wird das 80 %-Ziel von allen Modellen verfehlt.

Biomasse findet kaum Anwendung in der Stromerzeugung, da diese erneuerbare Kohlenstoffquelle systemdienlicher in Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen eingesetzt werden kann. Für die Stromversorgung in Zeiten geringer erneuerbarer Erzeugung bei gleichzeitig hoher Nachfrage (sog. Dunkelflauten) werden Gas- und Wasserstoffkraftwerke benötigt, die im Jahr 2045 etwa 30–54 TWh Strom bereitstellen. Mehr zum Einsatz von Backup-Kraftwerken ist im Kapitel Flexibilität zu finden (Kapitel 6.1.3).

Abbildung 6.3: Kapazität Stromerzeugung. Installierte Leistung in Deutschland unter dem Technologiemix und Existierende Politiken Szenario von 2020–2045 des PyPSA-DE Modells (links) und in allen Gesamtsystemmodellen für die Jahre 2030 und 2045 (rechts). Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 6.3 zeigt die Stromerzeugungskapazitäten, die schon 2025 von Erneuerbaren Energien dominiert werden. Den nominell größten Anteil übernimmt im Szenario Technologiemix im Jahr 2045 die Solarenergie mit 445–468 GW, gefolgt von Windkraft an Land mit 160–214 GW und schließlich Windkraft auf See mit 57–70 GW. Dadurch steigt der Anteil variabler erneuerbarer Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie an der Stromerzeugung bereits 2030 auf 74–85 %, und 2035 auf 84–91 %. Im Szenario Fokus Wasserstoff werden in REMIND bis 2045 lediglich 396 GW Solarenergie ausgebaut, während in PyPSA-DE die Kapazität sogar auf 494 GW steigt. Die Kapazitäten von Windkraft an Land und auf See schwanken zwischen den Szenarien im Bereich von ±15 %. Damit kann die robuste Aussage getroffen werden, dass ein Ausbau der Erneuerbaren in der Größenordnung der bisherigen politischen Ausbauziele zum Erreichen der Klimaziele essenziell ist.26Die Ausbauziele für 2045 sind 400 GW Solarenergie, 70 GW Windkraft auf See, 160 Windkraft an Land (WindBG 2022; Klimaschutz 2023; WindSeeG 2024).

Die Backup-Kapazitäten sind zunächst durch Erdgas geprägt, werden aber bis 2045 teilweise auf Wasserstoff umgestellt. Insgesamt 87–169 GW Backup-Kraftwerke, davon 25–68 GW Wasserstoffkraftwerke und 19–144 GW Gaskraftwerke, werden benötigt, um insbesondere in kalten Wintermonaten die Variabilität der erneuerbaren Erzeugung auszugleichen. Die unterschiedlichen Kapazitäten zwischen den Modellen erklären sich unter anderem durch abweichende Berücksichtigung von Importen und Flexibilität (Kapitel 6.1.3).

Dunkelflauten (geringe Winderträge bei gleichzeitig geringer solarer Einstrahlung) stellen eine besondere Herausforderung für ein erneuerbares Energiesystem dar. Geringe Erträge aus Erneuerbaren müssen über mehrere Tage aus Backup-Kapazitäten kompensiert werden können. Da Batterien nur den Bedarf für Stunden speichern können, kommen hierfür nur Gas- und Wasserstoffkraftwerke in Frage. Die benötigten Energieträger können in unterirdischen Kavernen in großen Mengen über Wochen und Monate gespeichert werden. Die Entscheidung für Wasserstoff oder Erdgas ist abhängig von den Brennstoff- und Investitionskosten sowie den Emissionsrestriktionen. Da die Backup-Kraftwerke selten laufen, ist der Einsatz von fossilem Erdgas denkbar. Durch ein nachgelagertes Abscheiden und Einspeichern von CO2 können die Emissionen von Erdgas-Kraftwerken vermindert werden, allerdings ist dies mit höheren Investitionskosten verbunden. Verbleibende Restemissionen müssten durch negative Emissionen an anderer Stelle kompensiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Wo Wasserstoff aufgrund fehlender oder verzögerter Infrastruktur nicht verfügbar ist, könnten flüssige Kraftstoffe wie die Wasserstoffderivate Methanol oder Ammoniak eine Rolle spielen (Brown and Hampp 2023).

6.1.2 Wasserstoff und seine Derivate

Grüner Wasserstoff, erzeugt von einer mit erneuerbarem Strom betriebenen Elektrolyse oder aus Biomasse, wird dort eingesetzt, wo Strom aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht genutzt werden kann. Im Industriesektor wird Wasserstoff als Rohstoff für Ammoniak und andere Grundchemikalien, zur Wärmebereitstellung und für die Herstellung von synthetischen flüssigen Kraftstoffen (E-Fuels) benötigt. Letztere werden im Transportsektor für klimaneutralen Schiffs- und Flugverkehr eingesetzt. Molekularer Wasserstoff (H2) kann unter Energieeinsatz chemisch mit anderen Molekülen kombiniert werden, um wei-tere Energieträger zu erzeugen (sogenannte Wasserstoff-Derivate), die beispielsweise leichter zu transportieren oder zu speichern sind, oder sich durch eine höhere Energiedichte auszeichnen. Beispiele dafür sind synthetisches Erdgas (CH4), Ammoniak (NH3), Methanol (CH3OH) und E-Fuels (oft langkettige Kohlenwasserstoffe oder komplexere organische Verbindungen). Sofern der Kohlenstoff (C) dieser Stoffe aus nicht-fossilen Quellen stammt, sind auch diese Derivate klimaneutral. Wie im Kapitel Flexibilität (Kapitel 6.1.3) detaillierter ausgeführt, wird Wasserstoff außerdem als Energieträger für Backup-Kraftwerke benötigt, um in Zeiten geringer Verfügbarkeit Erneuerbarer die Stromlast decken zu können.

Abbildung 6.4: H2 und Derivate – Angebot und Nachfrage. Bereitstellung und Verwendung von Wasserstoff und Derivaten für die verschiedenen Modelle im Szenario Technologiemix27Der Wasserstoffbedarf für Raffinerien ist in dieser Grafik nicht enthalten.. Links dargestellt für PyPSA-DE, rechts für die drei Gesamtsystem-Modelle in den Stützjahren 2030 und 2045.
Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 6.4 zeigt die Herkunft von Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten und wo diese Energieträger eingesetzt werden. Anfangs (2025–2030) wird Wasserstoff noch durch die Erdgasreformierung hergestellt. Ab 2035 wird diese Technologie bei gleichzeitig stark zunehmender Nachfrage durch Wasserstoffimporte und einheimische Elektrolyse ersetzt. In PyPSA-DE wird im Jahr 2045 mit einem Anteil von 68 % ein Großteil des Wasserstoffs durch Elektrolyse erzeugt und durch Importe ergänzt. Im Gegensatz dazu werden Wasserstoff-Derivate im Jahr 2045 überwiegend importiert, nur kleine Mengen werden inländisch erzeugt. Bei den Wasserstoff-Derivaten wird sowohl die zur Herstellung benötigte Menge Wasserstoff als auch die erzeugte Menge Derivate in die Bilanz aufgenommen.

Insgesamt werden in den Modellen PyPSA-DE und REMIND je nach Szenario im Jahr 2045 etwa 175–350 TWh Wasserstoff verwendet, im Modell REMOD sogar 330–420 TWh. Außerdem werden je nach Modell und Szenario 85–165 TWh Wasserstoff-Derivate verwendet. Die Nachfrage nach Wasserstoff liegt vor allem im Industriesektor und in der Energiewirtschaft, wofür sich im Szenario Technologiemix Bandbreiten über die Modelle hinweg von 102–253 TWh (Industrie) und 68–146 TWh (Energiewirtschaft) ergeben. Davon werden in der Energiewirtschaft 22–66 TWh Wasserstoff für die Produktion von E-Fuels verwendet und 20–55 TWh rückverstromt. Setzt Deutschland vermehrt auf Wasserstoff (Szenario Fokus Wasserstoff), wird im Industriesektor mehr Wasserstoff für die Prozesswärme genutzt, im Transportsektor finden auch wasserstoffbetriebene Fahrzeuge Anwendung (Kapitel 3.1).

Über alle Modelle und Szenarien hinweg werden im Jahr 2045 Wasserstoff und E-Fuels importiert. Die Bandbreite der Importe liegt im Szenario Technologiemix bei 60–250 TWh Wasserstoff und 100–125 TWh E-Fuels. Es zeigt sich also, dass Deutschland auf Importe von Wasserstoff und seinen Derivaten im Umfang von mindestens 160–200 TWh angewiesen sein wird. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Jahre 2010–2019 importierte Deutschland 943 TWh Erdgas und 1.041 TWh Rohöl.

Damit fallen die Modellergebnisse geringer aus als die Annahmen in der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS), die 2045 einen Bedarf von 360–500 TWh/a Wasserstoff sowie zusätzlich 200 TWh/a Wasserstoff-Derivate prognostiziert, bei einem Importanteil von mindestens 50–70 %. Auch das Modell REMod, das im Vergleich eine hohe Wasserstoffnachfrage erwartet, stimmt mit der NWS nur im Szenario Fokus Wasserstoff überein (BMWK 2023).

6.1.3 Flexibilität

Aufgrund der natürlichen Fluktuation der erneuerbaren Stromerzeugung kann es zu einem Überangebot oder auch einem Defizit an Strom kommen. Flexibilität bezeichnet die Fähigkeit eines Energiesystem diese Schwankungen auszugleichen. In einem sektorengekoppelten Energiesystem gibt es dazu vielfältige Möglichkeiten. Stündliche und tageszeitliche Flexibilität wird angebotsseitig beispielsweise von (stationären) Batterien und Pumpspeicherkraftwerken bereitgestellt. Nachfrageseitig können – bei Verfügbarkeit zeitlich variabler Stromtarife – E-Fahrzeuge und Wärmepumpen sowie Elektrolyseure und perspektivisch auch Industrieprozesse und Wärmespeicher in der Industrie Flexibilität bereitstellen. Für Letztere errechnet das Kopernikus-Schwesterprojekt SynErgie ein Potenzial von etwa 9 GW für kurze Zeiträume von bis zu 5 Minuten und ein Potenzial von 5 GW für Zeiträume bis 15 Minuten (SynErgie 2024a).

Durch den innerdeutschen Netzausbau und den Stromaustausch mit Nachbarländern können außerdem lokale Erzeugungs- und Lastspitzen ausgeglichen werden. Für die Deckung von längeren Knappheiten und saisonalen Flexibilitätsbedarfen kann Energie beispielsweise chemisch durch die Erzeugung von grünem Wasserstoff und E-Fuels oder thermisch in den Warmwasserspeichern der Fernwärmesysteme gespeichert werden. Auch durch Stromimport aus dem europäischen Umland können Knappheiten ausgeglichen werden.

Abbildung 6.5: Stromerzeugung und -verbrauch in Drei-Stunden-Schritten im Beispielmonat Januar (Wetterdaten von 2019) im Szenario Technologiemix im Jahr 2045 für das Modell PyPSA-DE. Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 6.6: Tagesdurchschnittliche Stromerzeugungs- und -verbrauchsleistung (Wetterdaten von 2019) im Szenario Technologiemix im Jahr 2045. Quelle: eigene Darstellung
6.1.3.1 Strombilanz

Abbildung 6.5 und Abbildung 6.6 zeigen das Zusammenspiel von Erzeugung und Verbrauch auf dem Strommarkt in einem CO2-neutralen System für den Monat Januar und für das gesamte Jahr im Modell PyPSA-DE. Im Monatsverlauf ist gut zu erkennen, wie die Zeiten mit geringer Windverfügbarkeit durch Stromimporte und Backup-Kraftwerke ausgeglichen werden. Besonders deutlich wird dies in der kalten Flaute (18. bis 25. Januar). Wasserstoffkraftwerke und Gaskraftwerke mit und ohne Kraft-Wärme-Kopplung laufen unter Volllast. Auf der Nachfrageseite werden alle vermeidbaren Lasten reduziert. Die Wasserstoff-Elektrolyse und die Methanolproduktion werden nahezu vollständig eingestellt.

Aus der tagesscharfen Strombilanz für das Gesamtjahr in Abbildung 6.6 lassen sich allgemeine Trends ableiten. Wie bereits erwähnt, spielen in den Wintermonaten Stromhandel und Backup-Kraftwerke eine wichtige Rolle. Dabei ist die Stromimportkapazität modellseitig auf 35 GW begrenzt, um Netzengpässe abzubilden, die in den Anrainerstaaten auftreten könnten, aber nicht explizit modelliert werden. Zusätzlich dazu baut das System bis 2045 eine Kapazität von 68 GW Stromerzeugung aus Wasserstoff aus und nutzt alte Gaskraftwerke mit einer Kapazität von 19 GW. Die Batteriespeicher werden hauptsächlich dafür genutzt, Solarstrom von der Tagesmitte in die Abend- und Nachtstunden zeitlich zu verschieben. Speichertechnologien wie Batteriespeicher oder Pumpspeicherkraftwerke ermöglichen eine zeitliche Verschiebung von insgesamt 109 TWh (Abbildung 6.9 unten). In Zeiten hoher Solarstromeinspeisung und niedriger Strompreise wird außerdem Wasserstoff durch Elektrolyse erzeugt. Hierfür steht eine installierte Leistung von 40 GW zur Verfügung, die eine große flexible Nachfrage darstellt.

Abbildung 6.7: Strom-Import und -Exporte.
Stromaustausch mit den europäischen
Nachbarländern im Szenario Technologiemix
für das Modell PyPSA-DE. Quelle: eigene Darstellung

Die gesamte inländische Stromerzeugung im Jahr 2045 beträgt 1.172 TWh, wovon 1.135 TWh von Erneuerbaren Energien und 37 TWh (3 %) von regelbaren Backup-Kraftwerken bereitgestellt werden. Zusätzlich beträgt der Netto-Stromimport 94 TWh, was verdeutlicht, wie Deutschland von der Integration ins europäische Stromnetz profitiert. Fluktuationen in der Stromversorgung, beispielsweise aufgrund von Unterschieden in der Windverfügbarkeit, können dadurch über größere Entfernungen ausgeglichen werden, wodurch die Stromkosten sinken. Hierzu sei angemerkt, dass der vom Modell ermittelte Import-Bedarf, wie beispielsweise auch die benötigten Speicherkapazitäten, vom verwendeten Wetterjahr abhängt (Kapitel 6.1.3.3). Der Brutto-Stromimport fällt mit 244 TWh noch deutlich größer aus (Abbildung 6.7). Die große Menge Stromaustausch über den reinen Import hinaus unterstreicht die Rolle Deutschlands als zentral gelegene Drehschreibe für den europäischen Stromhandel. Es werden also nicht nur Leistungsengpässe in Deutschland durch den Stromaustausch gedeckt, umgekehrt trägt Deutschland auch zum Ausgleich der Strombilanz in anderen Ländern bei oder fungiert als Transitland für Stromhandel.

Abbildung 6.8: Entwicklung der Backup- und Batteriekapazitäten in Deutschland im Technologiemix-Szenario im Model PyPSA-DE für verschiedene Energieträger. Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 6.9: Bereitstellung von Strom aus Backup-Kraftwerken und Batteriespeichern im Szenario Technologiemix für die verschiedenen Stützjahre und Energieträger. Quelle: eigene Darstellung
6.1.3.2 Backup-Kraftwerke

Backup-Kraftwerke und Speicher sichern die Versorgungssicherheit, wenn die Erträge aus Erneuerbaren Energien gering sind. Die Kapazitäten und Einspeisungen der Backup-Kraftwerke und Speichertechnologien im Szenario Technologiemix im Modell PyPSA-DE sind in Abbildung 6.8 und Abbildung 6.9 dargestellt. Die installierte Leistung zur Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern nimmt kontinuierlich ab, sodass 2045 nur noch 19 GW Gaskapazität zur Verfügung stehen. Konventionelle Gaskraftwerke, die ab dem Jahr 2030 gebaut werden, müssen ab 2035 auf 100 % Wasserstoff umgerüstet werden. Ab diesem Zeitpunkt dürfen vom Modell nur noch Wasserstoffkraftwerke und Gas-Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mit CO2-Abscheidung gebaut werden. Letztere spielen im Szenario Technologiemix keine Rolle, werden aber im Szenario Existierende Politiken mit einer Kapazität von 2,5 GW durchaus genutzt. Strom aus Ölkraftwerken und Müllverbrennungsanlagen spielt eine untergeordnete Rolle. Die installierte Leistung der Wasserkraft wird als konstant angenommen, die erzeugten Strommengen ändern sich nur geringfügig. Die installierte Leistung von Biomassekraftwerken geht bis 2045 stetig zurück, da der Energieträger in anderen Sektoren systemdienlicher eingesetzt werden kann.

Die größten Kapazitätszuwächse sind bei Batteriespeichern und Wasserstoffkraftwerken zu verzeichnen. Bei den Batteriespeichern handelt es sich fast ausschließlich um stationäre Großspeicher. Ihre Entladekapazität steigt auf 50 GW bei 435 GWh Speicherkapazität im Jahr 2045. Die Einspeisung ist solargetrieben vor allem in den Sommermonaten hoch (8–12 TWh/Monat) und in den Wintermonaten volatiler und geringer (3–6 TWh/Monat).

Die Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Wasserstoff steigen von rund 37 GW im Jahr 2035 auf 68 GW im Jahr 2045. Davon entfallen 38 GW auf neu errichtete Wasserstoffturbinen, 21 GW auf neue Wasserstoff-basierte KWK-Kraftwerke, 7 GW auf KWK-Anlagen, die auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet wurden, und 2 GW auf umgerüstete Gasturbinen. Die Kapazität ist damit etwas geringer als im Szenario O45-Strom der Langfristszenarien mit 81 GW H2-Backup-Kraftwerken (Fraunhofer ISI et al. 2024, Folie 16). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie von Agora Energiewende (Agora Think Tanks et al. 2024), die ebenfalls einen Bedarf von 68 GW H2-basierte Backup-Kapazitäten identifiziert (davon 38 GW direkt mit H2 betrieben, 30 GW mit H2-Derivativen). Allerdings muss hier die Abhängigkeit vom getesteten historischen Wetterjahr berücksichtigt werden. PyPSA-DE rechnet für Ariadne mit dem Wetterjahr 2019 und die Langfristszenarien mit dem Wetterjahr 2010, während REMod fünf unterschiedliche Wetterjahre von 2010 bis 2014 verwendet. REMod kommt dabei auf höhere Backup-Kapazitäten (169 GW), davon 25 GW Wasserstoff und 144 GW Methan betriebene Kraftwerke, unter anderem weil in diesem Zeitraum andere Groß-Wetterlagen auftreten. Um robuste Aussagen zu treffen, müsste ein Zeitraum von Jahrzehnten modelliert werden (Ruggles et al. 2024; Gøtske et al. 2024). Die Erzeugungsmengen der Wasserstoffkraftwerke liegen 2045 bei insgesamt 17 TWh (max. 19 TWh in 2040) und beschränken sich fast ausschließlich auf die Wintermonate.

6.1.3.3 Speichertechnologien

Wie bereits im vorherigen Unterkapitel erläutert, erfüllen Speicher eine wichtige Rolle im Energiesystem der Zukunft. Mithilfe von Batteriespeichern, dem flexiblen Laden von E-Fahrzeugen und Pumpspeicherkraftwerken können im Tagesverlauf Lastspitzen und Einspeisespitzen, vor allem durch PV, ausgeglichen werden. Je höher die Erträge aus Solarenergie, desto höher die Zyklenzahl der Batteriespeicher. Genauer wird dies im Unterkapitel Flexibilitätsbedarf aufgegriffen (6.1.3.4).

Abbildung 6.10: Verlauf des Speicherfüllstandes der
Langzeitspeichertechnologien im Jahr 2045 für das Szenario
Technologiemix im Modell PyPSA-DE. Quelle: eigene Darstellung

Im Langzeitspeicherverhalten zeigt sich die Volatilität der Erneuerbaren sowie die saisonal schwankende Nachfrage. Abbildung 6.10 zeigt den Verlauf des Speicherstands der Langzeitspeicher. In Zeiten von hoher Windverfügbarkeit (im Modelljahr z.B. Anfang Januar oder Ende Dezember) wird Energie in thermischen Speichern (Erdbeckenspeicher für Fernwärme) und in Form von Wasserstoff gespeichert. Diese Energie wird dann in Zeiten hoher Nachfrage und geringer Verfügbarkeit Erneuerbarer wieder ins System eingespeist. Darüber hinaus können die Speicher über die Sommermonate gefüllt werden, da hier weniger Wärme bereitgestellt werden muss und die Erträge der Solarenergie sehr hoch sind.

Der Wasserstoffspeicher fällt mit 16–17 TWh Kapazität klein aus und durchläuft im Wesentlichen nur einen Ladezyklus, um Energie aus den Sommermonaten in die Wintermonate zu verschieben. Ergebnisse z.B. der Langfristszenarien (Fraunhofer ISI et al. 2024) zeigen eine deutlich höhere Kavernenspeicherkapazität (circa 80 TWh) für Wasserstoff. Eine andere Studie weist eine Kapazität von 34–50 TWh für Deutschland im Jahr 2050 aus (Frischmuth et al. 2024). Die Unterschiede sind teilweise auf das gewählte Wetterjahr (2019 für PyPSA-DE, das windarme Jahr 2010 für die Langfristszenarien) zurückzuführen und teilweise darauf, dass PyPSA-DE Stromerzeugung nicht nur von Wasserstoffkraftwerken, sondern auch von alten Gaskraftwerken zulässt. Die Investitionskosten für Wasserstoff-Kavernenspeicher in Höhe von 0,55 EUR/kWh wurden von den Langfristszenarien übernommen. Die Energiesystemoptimierung berücksichtigt hier nur die Wetterdaten von 2019. Je nachdem, ob ein Wetterjahr hohe Erträge aus Wind- und Solarenergie oder vermehrt lange Dunkelflauten aufweist, wird ein größerer Langzeitspeicher benötigt. Während die meisten Investitionen nicht stark vom Wetterjahr abhängen, reagiert insbesondere der Wasserstoffspeicher sensibel darauf. Deshalb sollte der Speicher real größer dimensioniert werden, um alle Extremwetterereignisse abfangen und sogar Energie über längere Zeiträume als ein Jahr speichern zu können (Ruhnau and Qvist 2022; Brown and Hampp 2023; Gøtske et al. 2024). Bei Kosten von 0,55 EUR/kWh für Wasserstoffkavernen würde eine Pufferkapazität von 25 TWh zusätzliche Investitionskosten von 14 Mrd. EUR bedeuten. Flüssige Wasserstoffderivate, die in oberirdischen Behältern sehr günstig gelagert werden können, würden diese Kosten und das nötige Ausbautempo für die Kaverne erheblich reduzieren (Brown and Hampp 2023).

Wichtig ist auch, dass die Optimierung des Modells PyPSA-DE vollständig intertemporal erfolgt und somit der zeitliche Verlauf eines gesamten Jahres in der Optimierung berücksichtigt werden kann. Das bedeutet unter anderem, dass alle Dunkelflauten zu Beginn des Jahres schon abgesehen werden können. Als Systembetreiber könnte es insbesondere in den Wintermonaten sinnvoll sein, die Speicher nicht vollständig zu leeren, um eine gewisse Sicherheitsreserve vorzuhalten. Dies würde ebenfalls für eine höhere Langzeitspeicherkapazität sprechen. Batteriespeicher, flexibles Laden von Elektroautos und Pumpspeicherkraftwerke dienen im Gegensatz dazu als Tagesspeicher. Dabei kommen Batteriespeicher auf die höchste Zyklenzahl gefolgt von Pumpspeicherkraftwerken.

6.1.3.4 Flexibilitätsbedarf

Um den Flexibilitätsbedarf der verschiedenen Systeme und Zeitskalen zu bestimmen, wurde die Methode von Artelys (Artelys 2023) verwendet. Diese basiert auf der Berechnung der Differenz zwischen der Residuallast und deren Mittelwert (z.B. Tagesmittelwert). Daraus ergibt sich der tägliche Flexibilitätsbedarf in TWh. Für den wöchentlichen Flexibilitätsbedarf wird die Abweichung der Tagesmittelwerte der Residuallast vom Wochenmittelwert ermittelt. Somit wird der tägliche Bedarf eliminiert und nur der wöchentliche Bedarf bestimmt. Abbildung 6.11 zeigt die Entwicklung des täglichen, wöchentlichen und jährlichen Flexibilitätsbedarfs für das Szenario Technologiemix.

Es ist zu erkennen, dass der Bedarf auf allen Zeitskalen steigt. Am stärksten ist der Anstieg beim täglichen Bedarf, der sich von 26 TWh im Jahr 2020 auf 233 TWh im Jahr 2045 fast verzehnfacht. Dies entspricht fast 20 % der gesamten inländischen Stromerzeugung. Treiber ist vor allem der starke Ausbau der Solarenergie. Auch der wöchentliche Bedarf steigt von 36 TWh im Jahr 2020 auf 149 TWh im Jahr 2045 stark an. Der insgesamt steigende Trend ist auf die zunehmende Einspeisung aus Erneuerbaren und die damit verbundene Variabilität der Stromerzeugung zurückzuführen.

Abbildung 6.11: Flexibilitätsbedarf auf verschiedenen Zeitskalen
im Szenario Technologiemix für das Modell PyPSA-DE.
Quelle: eigene Darstellung

Um den Beitrag der einzelnen Technologien zur Deckung des Flexibilitätsbedarfs zu quantifizieren, wird die beschriebene Methode erweitert. Der tägliche, wöch-entliche und jährliche Flexibilitätsbedarf wird wie oben beschrieben ermittelt. Dann wird die Strombereitstellung bzw. der Stromverbrauch der untersuchten Technologie aus der Berechnung ausgeschlossen und der Flexibilitätsbedarf erneut ermittelt. Das Ergebnis stellt den noch zu deckenden Bedarf ohne die ausgeschlossene Technologie dar. Berechnet man nun die Differenz zwischen dem Flexibilitätsbedarf inklusive aller Technologien und dem Bedarf nach Ausschluss einer Technologie, so erhält man deren Beitrag zur Reduktion des Flexibilitätsbedarfs (Artelys 2023).

Abbildung 6.12 zeigt welche Technologien zur Deckung dieses Flexibilitätsbedarfs beitragen. Hinsichtlich des täglichen Flexibilitätsbedarfs sind es vor allem Batterietechnologien, die die Schwankungen auf der Nachfrageseite reduzieren. Den größten Einfluss im Jahr 2045 hat das flexible Laden von Elektroautos mit einem Beitrag von rund 80 TWh/a. Auch das Laden von stationären Großbatteriespeichern hat mit 55 TWh/a einen großen Einfluss. Der größte flexible Stromlieferant ist die Entladung dieser Großbatterien. Der Stromaustausch mit den Nachbarländern spielt vor allem in den frühen Jahren (2030) eine große Rolle, wenn noch keine ausreichenden Batteriekapazitäten vorhanden sind. Zunehmend an Bedeutung gewinnt auch die flexible Nachfrage zur Erzeugung von Wasserstoff aus Elektrolyse.

Auf der wöchentlichen Zeitskala ergibt sich ein anderes Bild: Der wichtigste Lieferant von Flexibilität über alle Jahre ist der Stromaustausch mit den Nachbarländern. Ab dem Jahr 2030 folgt an zweiter Stelle die flexible Stromnachfrage für die Wasserstofferzeugung aus Elektrolyse. Auch die Wärmebereitstellung durch Widerstandsheizungen hat einen hohen Anteil vor allem in späteren Jahren. Darüber hinaus spielen auf dieser Zeitskala gas- und wasserstoffbetriebene Backup-Kraftwerke eine größere Rolle. Ihr Beitrag beläuft sich auf rund 10 TWh/a im Jahr 2045.

Abbildung 6.12: Beitrag zur Deckung des Flexibilitätsbedarfs nach Technologie auf Tages- (links) und Wochenskala (rechts). Quelle: eigene Darstellung

6.1.4 Räumliche Verteilung

PyPSA-DE modelliert Deutschland mit 30 Regionen, die so gewählt wurden, dass die Netzüberlastung innerhalb jeder Region minimiert wird, sodass Leitungsengpässe im Übertragungsnetz vor allem zwischen Regionen erwartet werden. Die räumliche Verteilung der installierten Kapazitäten der Erneuerbaren korreliert stark mit deren Verfügbarkeit (Abbildung 6.13). Graduell steigt also der Anteil von Süddeutschland (viel PV, wenig Windkraft) bis Norddeutschland (wenig PV, viel Windkraft). Eine Säule der Versorgungssicherheit ist der Ausbau des Stromnetzes (Kapitel 7.1). Batteriespeicher, die Last- und Produktionsspitzen der Erneuerbaren abfangen, stellen eine zweite Säule dar. Mit ihnen kann in Gebieten mit hoher Stromnachfrage (z.B. durch Industrie) die täglich stark schwankende Erzeugung von PV optimal genutzt werden. Die dritte Säule der Versorgungssicherheit sind schließlich die regelbaren (Backup-)Kraftwerke (Kapitel 6.1.3.2), wobei vor allem Wasserstoffkraftwerke eingesetzt werden.

Abbildung 6.13: Installierte Leistung innerhalb Deutschlands
(Kreisdiagramme) und Batteriespeicherkapazität (Farbskala) im
Jahr 2045. Offshore-Windkraft wird am Ort der Netzeinspeisung
dargestellt. Windkraft wird vor allem im Norden ausgebaut.
Quelle: eigene Darstellung

Auffällig ist, dass in Süddeutschland weniger Backup-Kraftwerke zu finden sind und es sich zumeist um ältere Gaskraftwerke handelt. Dies steht auch mit dem in Abbildung 7.5 gezeigten geringeren Wasserstoffnetzausbau nach Süddeutschland im Zusammenhang: dort steht weniger Wasserstoff zur Verfügung, der daher vorrangig im Industriesektor eingesetzt wird, wo eine Elektrifizierung keine Option ist. Elektrolyseure (s. auch Abbildung 7.5) und Wasserstoffkraftwerke sind vor allem im Norden Deutschlands zu finden, wo sich auch der Ausbau der Windkraft an Land und auf See konzentriert.
Das Windenergieflächenbedarfsgesetz schafft die rechtliche Grundlage bis 2032, 2 % der Fläche Deutschlands für Windenergie an Land auszuweisen. Dieses Ziel ist für jedes Bundesland einzeln zu erreichen, mit Bandbreiten zwischen 1,8 % und 2,2 % (Gerhardt et al. 2023). Die in Abbildung 6.13 dargestellten Kapazitäten zeigen einen optimalen Ausbau der Erneuerbaren unter Berücksichtigung der Netzkapazität und der regionalen Flächen-Verfügbarkeit und Standortgüte. Das maximale Potenzial für Windkraft an Land in PyPSA-DE wird mit 226 GW angesetzt.

Im Ergebnis zeigt sich, dass vor allem im Norden Deutschlands die Windkraft stark ausgebaut wird und die mit dem 2 %-Ziel kompatiblen Potenziale dort komplett ausnutzt. In Süddeutschland hingegen werden weniger Windenergieanlagen errichtet und insbesondere im Südosten die Flächenanteile nicht erreicht. Dies ist zum einen damit zu erklären, dass ein Ausweisen von Flächen für Windenergie grundsätzlich noch nicht zu einer Investitionsentscheidung führt. Zum anderen sorgt der modellseitige Stromnetzausbau (der sogar teilweise geringer ausfällt als der offizielle Netzentwicklungsplan, s. auch Kapitel 7.1) dafür, dass der im Norden erzeugter Strom aus Wind in den Süden transportiert werden kann.

6.2 Investitionsbedarfe und Subventionen in der Energiewirtschaft

6.2.1 Investitionen

In der Energiewirtschaft fallen Investitionen in erster Linie für Erneuerbare-Energien-Anlagen und für den Ausbau des Stromnetzes an, mit kleineren Beiträgen für die Fernwärme-Erzeugung, Wasserstoffbereitstellung und CO2-Infrastruktur. In REMIND und PyPSA-DE belaufen sich die Gesamt-Investitionen bis 2045 in Erneuerbare Energien und Netze auf etwa 1–1,3 Bio. EUR, mit einem deutlichen Höhepunkt in den Jahren 2030–2035, in denen bis zu 70 Mrd. EUR pro Jahr investiert werden müssen (Abbildung 6.14). Im Modell PyPSA-DE fällt der Großteil der Investitionen für die Energiewende bereits im Zeitraum 2025–2040 an, sodass im Jahr 2045 nur ein Restbedarf verbleibt.

Abbildung 6.14: Jährliche Investitionsbedarfe im Technologiemix Szenario aus dem Modell REMIND (links) und in den anderen Szenarien für die drei Gesamtsystemmodelle in den Stützjahren 2030 und 2045 (rechts)28Die Jahreswerte für Investitionsbedarfe bilden die mittleren Investitionsbedarfe über 5 Jahre ab, z.B. Investitionsbedarf pro Jahr in 2030 = Mittlere Bedarfe pro Jahr in 2028–2032..
Quelle: eigene Darstellung

Der größte Anteil von den Investitionen in erneuerbare Energien wird von privaten Investoren getragen, unterstützt mit Förderungen vom Staat über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das gegen Preisrisiken absichert. Die EEG-Ausgaben sowie Förderbedarfe für Backup-Kraftwerke, Wasserstofferzeugung und Fernwärme werden im nächsten Unterkapitel abgeschätzt. Der Erhalt und Ausbau des Stromnetzes wird über Netzentgelte finanziert, die einen wichtigen Bestandteil der Strompreise für Endkunden darstellen. Den Aufbau des Wasserstoffnetzes trägt eine Kombination aus (Wasserstoff-)Netzentgelten und ein Amortisationskonto, das zunächst eine negative Bilanz aufweist, die später durch Einnahmen aus Netzentgelten nach dem erwarteten Wasserstoffhochlauf ausgeglichen wird (Fraunhofer IEG et al., 2024).

6.2.2 Förderbedarfe

Die öffentlichen Förderbedarfe in der Energiewirtschaft, die die Förderung laut EEG sowie Subventionen für Backup-Kraftwerke und Wasserstofferzeugung umfassen, sind in Abbildung 6.15 (grün) dargestellt. Laut Berechnungen mit PyPSA-DE wird der öffentliche Förderbedarf von mehr als 18 Mrd. EUR jährlich im Jahr 2025 kontinuierlich sinken und sich ab 2040 auf einem Niveau von 7 Mrd. EUR jährlich stabilisieren. Das entspricht einer langfristigen Reduktion von rund 60 %. Dazu kommen die voraussichtlichen fiskalischen Belastungen durch aktuell diskutierte Maßnahmen zur Entlastung der Stromkunden: die Stabilisierung der Netzentgelte und die Absenkung der Stromsteuer auf die europäische Mindesthöhe (gelb dargestellt in Abbildung 6.15).

Abbildung 6.15: Jährliche Förderbedarfe für die
Energiewirtschaft (grün); Kosten möglicher Entlastungen
von Stromkunden (gelb). Quelle: eigene Darstellung

Die Ausgaben des Kontos für das EEG werden seit 2022 öffentlich finanziert. Zur Berechnung der Höhe dieser Ausgaben wird für bis 2015 errichtete Bestandsanlagen der Agora-Rechner (Öko Institut e.V. 2023) und für später errichtete Bestandsanlagen die PyPSA-DE-Modellergebnisse (sowohl Fördersätze als auch Marktwerte) verwendet. Die Ergebnisse hängen stark davon ab, wie der Strommarkt und die Förderung von Erneuerbaren Energien und Backup-Kraftwerken ausgestaltet werden, weil diese sowohl die Vergütungssätze als auch den Strommarktpreis beeinflussen. Ab 2027 wurde in Übereinstimmung mit der EU-Richtlinie 2024/1747 (Europäische Union 2024 (35 und 36)) angenommen, dass zweiseitige Differenzverträge für die Förderung von neuen erneuerbaren Anlagen eingeführt werden.

Während in der Vergangenheit die EEG-Fördersätze deutlich über den Marktwerten von Erneuerbaren Energien lagen, sind die Kosten für Erneuerbare Energien in den letzten Jahren so stark gesunken, dass die EEG-Förderung eher die Rolle einer Versicherung gegen niedrige Marktpreise übernommen hat. Die Ausgaben im Jahr 2025 fallen in erster Linie für die alten Bestandsanlagen an und sinken in den folgenden Jahren, wenn die alten Anlagen aus der Förderung fallen. Ab 2040 steigen die EEG-Ausgaben entsprechend dem Volumen an erneuerbaren Anlagen und dem leicht sinkenden Strompreis.

Das PyPSA-DE-Modell geht von regionalen Preiszonen in Deutschland aus. In einer Einheitszone wird erwartet, dass die Marktwerte von Erneuerbaren Energien etwas höher ausfallen, sodass die Förderbedarfe niedriger werden. Niedrigere Ausgaben für das EEG-Konto werden aber mehr als kompensiert durch höhere Netzentgelte für die Einheitszone (Kapitel 7.1).

Laut Modellergebnissen von PyPSA-DE würde der Förderbedarf für den Hochlauf von grüner Wasserstofferzeugung in Deutschland nur 500 Mio. EUR pro Jahr ab 2030 betragen, da das Modell grünen Wasserstoff langsamer und für geringere Volumina hochskaliert als in der aktuellen nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehen (BMWK 2023). Um den nationalen Plänen gerecht zu werden, wurde als Obergrenze für die Förderbedarfe für Wasserstofferzeugung die Ergebnisse einer Studie von Agora Energiewende übernommen (Agora Think Tanks et al. 2024). Die Förderkosten für auf Wasserstoff umrüstbare Kraftwerke, Wasserstoffkraftwerke und Langzeitstromspeicher werden aus dem Referentenentwurf des BMWK für das Kraftwerkssicherheitsgesetz entnommen (BMWK 2024a).

Es wird angenommen, dass die Kosten für den Stromnetzausbau über die Netzentgelte und für das Wasserstoffnetz über eine Mischung aus gedeckelten Netzentgelten und dem geplanten Amortisationskonto finanziert werden. Sollten die Stromnetzentgelte auch gedeckelt werden, könnte die Differenz entweder über ein weiteres Amortisationskonto wie für das Wasserstoffnetz oder direkt aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden. Ein Amortisationskonto würde helfen, die starke Belastung der Stromkunden in den Jahren 2025–2030 auf die späteren Jahre zu verteilen. Die fiskalische Belastung, um die Netzentgelte für alle Stromkunden auf dem Niveau von 2020 zu halten, wird in Abbildung 6.15 dargestellt. Daneben werden die Kosten quantifiziert, um die Stromsteuer auf das europäische Minimum für alle Stromkunden zu reduzieren. Während die Stromsteuerentlastung mit der Stromnachfrage steigt, werden die zunächst zunehmenden Kosten für die Netzentgeltentlastung in späteren Jahren durch wieder sinkende Netzentgelte teilweise kompensiert.

6.3 Kosten der Transformation für die Energiewirtschaft

In diesem Kapitel werden verschiedene Preis- und Kostendimensionen entlang der Energiewertschöpfungskette analysiert. Zunächst werden die Erzeugungskosten betrachtet, darunter die Levelised Cost of Electricity (LCOE) und die Levelised Cost of Hydrogen (LCOH), die die wirtschaftlichen Grundlagen für Strom- und Wasserstoffproduktion darstellen. Darauf aufbauend werden die Großhandelspreise für Strom und Wasserstoff untersucht, die zentrale Indikatoren für die Marktentwicklung und den Wettbewerb auf den Energiemärkten sind. Schließlich werden die Endkundenpreise analysiert, die neben den eigentlichen Energiekosten auch Steuern, Abgaben und Netzgebühren beinhalten und somit die Gesamtkosten für Verbraucher und Unternehmen widerspiegeln. Diese dreistufige Betrachtung bietet eine umfassende Perspektive auf die Preisbildung, von der Produktion über den Handel bis hin zur finalen Nutzung. Ziel ist es, die Zusammenhänge und Einflussfaktoren der einzelnen Preiskomponenten darzustellen und zu bewerten.

6.3.1 Erzeugungskosten

Die durchschnittlichen Erzeugungskosten für Strom (LCOE) aus fluktuierenden erneuerbaren Energien in Deutschland bewegen sich im Bereich 48–72 EUR/MWh im Jahr 2025 und 46–65 EUR/MWh im Jahr 2045. Zum Vergleich: Die Erzeugungskosten fossiler Energie lagen im Jahr 2024 in Deutschland bei 109–326 EUR/MWh (je nach Energieträger und Kraftwerkstechnologie) und liegen damit bereits heute deutlich höher als die LCOE der Erneuerbaren Energien (Kost 2024). Im Jahr 2045 ist die Solarstromerzeugung mit 53 EUR/MWh etwas günstiger als Wind an Land mit 58 EUR/MWh und Wind auf See mit 59–66 EUR/MWh. Die LCOE der wichtigsten Backup-Kraftwerke auf Basis von Wasserstoff und Erdgas im Jahr 2045 liegen für reine Elektrizitätskraftwerke bei rund 350 EUR/MWh und für Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung bei 320 EUR/MWh und stimmen mit den Bandbreiten des Fraunhofer ISE überein (Kost 2024). Diese prognostizieren im Jahr 2045 LCOE für Backup-Kraftwerke von 141–405 EUR/MWh für Gas und 145–511 EUR/MWh für Wasserstoff. Die Prognosen des Fraunhofer ISE für Erneuerbare Energie betragen für PV auf Freiflächen 30–50 EUR/MWh, für Wind an Land 37–79 EUR/MWh und für Wind auf See 51–94 EUR/MWh und fallen damit sogar noch günstiger aus also die PyPSA-DE Ergebnisse.

Wasserstoff wird im Modell auf zwei Wegen erzeugt: Durch Elektrolyse oder per Dampfreformierung. Die Kosten für die Erzeugung von Wasserstoff (LCOH) in Deutschland im Jahr 2030 liegen bei etwa 156 EUR/MWh aus Elektrolyse und bei etwa 87 EUR/MWh aus Dampfreformierung mit beziehungsweise ohne Kohlendioxidabscheidung. 2045 sinken die Kosten für Wasserstoff aus Elektrolyse auf knapp über 110 EUR/MWh. Dampfreformierung spielt dann keine Rolle mehr bei der Erzeugung von Wasserstoff.

6.3.2 Großhandelspreise Strom

Abbildung 6.16 (links) zeigt die Entwicklung der Großhandelspreise für Strom in PyPSA-DE. Diese steigen zunächst an, getrieben von den erhöhten Gaskosten im Zeitraum 2021–2025, und pendeln sich langfristig im Bereich von 70–80 EUR/MWh ein. Die Strompreise im Sommer sind weniger volatil und günstiger als in den Wintermonaten (Abbildung 6.16 (rechts)). Diese Entwicklung verstärkt sich mit dem Schrumpfen des jährlichen Budgets an CO2-Emissionen und den damit einhergehenden, steigenden CO2-Preisen.

Abbildung 6.16 Durchschnittliche Börsenpreise für Strom in PyPSA-DE. Links: Jährlicher Durchschnitt in den Technologieszenarien und in Existierende Politiken. Rechts: Zeitlicher Verlauf des täglichen Durchschnitts im Szenario Technologiemix. Quelle: eigene Darstellung

Die Strompreis-Dauerkurven (Abbildung 6.17) geben Aufschluss über die zeitliche Entwicklung der Strompreise in den Optimierungszeiträumen. Generell ist eine Entwicklung von mehreren relativ stabilen Preisniveaus hin zu einem System mit fließenden Übergängen zwischen weniger dominanten Preisniveaus zu erkennen. Dies hängt mit der Preisbildung zusammen: In früheren Jahren werden die Preise durch Kohle und Gas-befeuerte Kraftwerke gesetzt, wohingegen in späteren Jahren Flexibilitätstechnologien und Erneuerbare eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Der höhere CO2 Preis führt, aufgrund der unterschiedlichen CO2 Kosten, zu einer größeren Spanne bei den Angebotspreisen für fossile Kraftwerke und damit zu einer größeren Bandbreite stabiler Preisniveaus.

Abbildung 6.17: Strompreisdauerlinien (links) und Histogramme der Strompreise (rechts) für das Szenario Technologiemix ab dem Jahr 2030. Quelle: eigene Darstellung

Die Integration von fluktuierenden Erneuerbaren Energien zieht eine Verdrängung konventioneller Kraftwerke auf dem Strommarkt und eine wetterab-hängige Verschiebung der Angebotskurve nach sich. Dies führt zu mehr Situationen, in denen Solar oder Windkraftwerke mit Grenzkosten nahe Null den Preis bestimmen. Dieser Merit-Order-Effekt wird durch eine zunehmende Nachfrage nach Strom abgeschwächt. Zudem stabilisieren Technologien der Sektorenkopplung, wie Elektrolyse oder Methanolsynthese, den Strompreis in einem stark dekarbonisierten System.

Nachfrageseitig stabilisiert der Wasserstoffpreis durch die Stromnachfrage der Elektrolyse den Strompreis bei 20–50 EUR/MWh. In Knappheitssituationen mit geringer Einspeisung aus Erneuerbaren und gleichzeitig hoher Strom- und Wärmenachfrage sind vor allem Pumpspeicherkraftwerke, Batteriespeicher und Gas- bzw. Wasserstoffkraftwerke die Preissetzer. Im Jahr 2035 liegen die Preise in 16 % der Zeit über 200 EUR/MWh, im Jahr 2040 in 12 % und im Jahr 2045 in 7 % der Zeit.

Generell hängen die Knappheitspreise stark vom verwendeten Marktdesign ab. Anders als in Deutschland modelliert das System in PyPSA-DE nicht mit einem zonalen Preis (und nachgelagertem Redispatch), sondern mit regionalen Preiszonen. Zudem ist zu betonen, dass es sich um ein vereinfachtes Modell handelt, das die Dynamik der Energieträgerpreise sowie das Marktdesign nur modellhaft darstellt. Niedrigpreisphasen von unter 1 EUR/MWh gibt es 2040 in 10 % und 2045 in 7 % der Zeit. Das sind die Zeitpunkte, in denen Solar- oder Windkraftwerke die Preise setzen.

6.3.3 Endkundenpreise Strom

Die Endkundenpreise bestehen aus Beschaffung, Vertrieb, Netzentgelten (inklusive Offshore- und § 19 StromNEV-Umlage), Mehrwertsteuer, Stromsteuer und anderen kleineren Preisbestandteilen. Die hier gezeigten Kosten der Beschaffung basieren auf den durchschnittlichen Börsenpreisen des PyPSA-DE-Modells, während zwei unterschiedliche Fälle für die Netzentgelte berechnet werden. Dabei basiert einer auf den Kostenschätzungen der Netzbetreiber laut Netzentwicklungsplan (NEP) 2023 (50Hertz Transmission GmbH et al. 2023) und einer auf den Modellergebnissen von PyPSA-DE für den Übertragungsnetzausbau im Szenario Technologiemix sowie einheitlichen Annahmen zum Verteilnetzausbau. Abhängig von der Verbrauchergruppe (z. B. Haushalte, Unternehmen, energieintensive Industrie) werden die Netzkosten fallspezifisch berechnet und auf die Netzentgelte durch das Vollkostenwälzungstool des Fraunhofer IEE umgelegt. Die daraus entstehenden Endkundenpreise und Netzentgelte werden in Abbildung 6.18 dargestellt.

Abbildung 6.18: Vergleich der Endverbraucherpreis für Strom und der zugehörigen Netzentgelte zwischen PyPSA-DE und dem Netzentwicklungsplan 2023. Der zugrunde gelegte durchschnittliche Börsenstrompreis wurde für beide Fälle aus PyPSA-DE entnommen. Quelle: eigene Darstellung

Die Netzentgelte hängen stark von Annahmen zur Umlegung der Kosten (horizontaler Ausgleich auch für alle Verteilnetzbetreiber, Beibehaltung der vertikalen Top-down-Wälzung), zum Anteil von Solareigenerzeugung und zur Höhe der reduzierten Netzentgelte (Annahme einer zunehmenden Kostenbeteiligung) ab. Eine weitere Frage ist, ob der Staat Teile der Kosten zumindest übergangsweise übernimmt. Bei der Berechnung wurde davon ausgegangen, dass die derzeitige Politik fortgesetzt wird. Ebenfalls ist die reduzierte Stromsteuer für das produ-zierende Gewerbe nur bis 2025 berücksichtigt.

Die Netzentgelte haben bereits ein sehr hohes Niveau erreicht. Der Anstieg in den letzten Jahren wird durch Investitionen in Erwartung eines hohen Anteils Erneuerbarer Energien und neuer elektrifizierter Lasten getrieben. Während für Haushalte in den nächsten Jahren mit stabilen, oder bereits wieder sinkenden Netzentgelten zur rechnen ist, ist für die Industrie jedoch bis 2030 mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Ab 2030 sinken die Netzentgelte wieder, weil die Stromnachfrage durch Elektrifizierung steigt, sodass die Kosten über immer mehr Verbrauchende verteilt werden. Wenn der Anstieg des Stromverbrauchs sich bis 2030 verzögern sollte, würde sich auch eine Reduktion der Netzentgelte verzögert einstellen und der weitere Anstieg für die Industrie würde sich vergrößern (Abbildung 6.18 „Geringe Nachfrage 2030”). Die niedrigeren Netzentgelte im Falle der PyPSA-DE Resultate ergeben sich direkt aus dem geringeren Netzausbau, der vom Modell ermittelt wird (Kapitel 6.1). Eine entscheidende Modellannahme, die zu Einsparungen führt, ist die Verwendung regionaler Preiszonen.

Bei den Endkundenpreisen sorgen der Anstieg der Netzentgelte sowie die hö-heren Börsenstrompreise, die durch den erhöhten Gaspreis im Zeitraum 2021–2025 getrieben werden, für eine Preis-spitze im Jahr 2025. Ab 2030 sinken sowohl die Börsenpreise als auch die Netz-entgelte, sodass die Endkundenpreise bis 2045 unter das Niveau von 2020 fallen. Davon ausgenommen ist die energieintensive Industrie, bei der sich langfristig zwar eine Stabilisierung der Strompreise auf heutigem Niveau abzeichnet, das niedrigere Niveau von 2020 aber nicht wieder erreicht wird. Grund dafür ist, dass die Modellierung einen schrittweisen Abbau von Industrie-Privilegien, wie etwa der Bandlastregelung, annimmt, die zwar für einzelne Unternehmen attraktiv ist, aber aus der Perspektive des Gesamtsystems Fehlanreize setzt (Agora Energiewende, Agora Industrie, FIM und RAP 2024).

6.3.4 Regionale Preise

Bevor im nächsten Kapitel (Kapitel 7) detailliert auf die Modellierung des Netzausbaus in PyPSA-DE eingegangen wird, sei hier bereits erwähnt, dass einige wichtige Unterschiede zum Szenariorahmen des NEP bestehen. Insbesondere geht der NEP von einer einheitlichen Strompreiszone aus, während sich die Strompreise durch die integrierte Planung in PyPSA-DE von Region zu Region unterscheiden können. Regionale Preise ermöglichen es Marktteilnehmenden, auf lokale Überschüsse oder Engpässe zu reagieren und dadurch das Netz zu entlasten. Solche lokalen Preise werden weltweit bereits in mehreren Märkten genutzt, unter anderem in den USA. Allerdings bringen sie einige Herausforderungen mit sich, wie die komplexe Implementierung, die Ausübung lokaler Marktmacht und die Gefahr fehlender lokaler Liquidität, wobei diese Herausforderungen laut Fachliteratur weniger gravierend sind als oft angenommen (Maurer et al. 2018; Eicke and Schittekatte 2022; Agora Energiewende, Agora Industrie, FIM und RAP 2024). PyPSA-DE geht von 30 Modellregionen für Deutschland aus, die zur bestmöglichen Abbildung der Netzengpässe gewählt wurden – deutlich mehr als die 2–4 Preiszonen, die in der Anfang 2025 anstehenden europäischen „Bidding Zone Review” (ACER 2022) analysiert werden.

Abbildung 6.19: Für das Jahr 2045 simulierte Börsenstrompreise
im Technologiemix-Szenario aus PyPSA-DE zuzüglich der
durchschnittlichen Netzentgelte für zwei verschieden
Netzausbauszenarien. Links: durchschnittlicher Börsenstrompreis
zuzüglich der durchschnittlichen Netzentgelte, die sich aus dem
Netzausbau des NEP 2023 ergeben. Rechts: regionale Preiszonen
zuzüglich der reduzierten Netzentgelte aus dem geringeren
Netzausbau von PyPSA-DE. Im Südosten ergeben sich durchschnittliche
Einsparungen für Endkunden in Höhe von 3,5 EUR/MWh, die im
Nordwesten bis auf 14,1 EUR/MWh ansteigen. Quelle: eigene Darstellung

Die regionalen Preiszonen führen zu einem Preisgefälle von etwa 10 EUR/MWh vom Süden zum Norden, da die Preise aufgrund der Einspeisung aus Windkraft im Norden am niedrigsten sind (Abbildung 6.19). Gleichzeitig ermöglicht die integrierte Planung eine signifikante Reduktion des Ausbaubedarfs im Übertragungsnetz, wodurch sich deutliche Einsparungen bei den Netzentgelten ergeben. Es zeigt sich, dass der maximale regional zu zahlende Aufpreis im Vergleich zum Durchschnittspreis (4,0 EUR/MWh) im Jahr 2045 geringer ist als die Einsparungen bei den durchschnittlichen Netzentgelten (7,5 EUR/MWh), die in dieser Analyse gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilt werden. Mit anderen Worten: in jeder Region Deutschlands würden die durchschnittlichen Endkundenpreise um mindestens 3,5 EUR/MWh sinken, wenn eine integrierte Systemplanung mit regionalen Preisen eingeführt wird.

Die Kosteneinsparungen ergeben sich aus einer Kombination von geringerem Netzausbau, geringeren Redispatch-Kosten (weil die Engpässe im Markt abgebildet werden) sowie aus den durch Preisunterschiede bedingten Einnahmen aus der Engpassrente innerhalb Deutschlands (7,3 Mrd. EUR pro Jahr). Diese Engpassrente trägt zur Finanzierung der Netzkosten und damit zur Senkung der Netzentgelte bei. Teilweise werden diese Einsparungen durch höhere Ausgaben für das EEG-Konto (wegen niedrigerer Marktwerte für EE) kompensiert und sind deswegen nur anteilig berücksichtigt. Eine im Jahr 2023 veröffentlichte Studie über die Einführung von nodalen Preisen in Großbritannien kam zu ähnlichen Ergebnissen: Jede Region profitiert von niedrigeren Endkundenpreisen und die Engpassrente im Jahr 2040 für Großbritannien betrug 3 Mrd. GBP (FTI Consulting and Energy Systems Catapult 2023). Berücksichtigt man die geringere Stromnachfrage in Großbritannien im Jahr 2040, haben die hier gezeigten Ergebnisse also die gleiche Größenordnung.

7. Infrastrukturbedarfe für die Energiewirtschaft

Die Infrastruktur für die Übertragung und Verteilung von Strom, Wasserstoff, CO2, Fernwärme und Gas ist das Rückgrat der Energiewende und bestimmt die regionale und technologische Ausgestaltung eines klimaneutralen Energiesystems entscheidend mit. In diesem Ariadne-Report werden die Infrastrukturbedarfe für die Übertragung von Strom und Wasserstoff auf Basis des regional aufgelösten, sektorengekoppelten Energiesystem-Modells PyPSA-DE analysiert. Die Ergebnisse werden mit den Plänen der Netzbetreiber und mit anderen Studien verglichen. Die Modellierung im vorliegenden Bericht ersetzt eine volle Netzplanung nicht, aber kann Indizien über systemische Effekte und mögliche Kosteneinsparungen geben, die auch für die geplante Systementwicklungsstrategie relevant sind (BMWK 2024b).

Es zeigt sich, dass das Stromnetz in allen Szenarien stark ausgebaut wird, was die Größenordnung der Pläne der Netzbetreiber bestätigt. Allerdings kann eine integrierte Systemplanung mit regionalen Preisen Kosten beim Übertragungsnetzausbau ab 2030 sparen, weil sie Aspekte der Systemdienlichkeit bei Platzie-rung und Betrieb von Erzeugung und Flexibilität berücksichtigt, wodurch Netz-engpässe vermieden werden können. Zusätzlich vermeidet die flexible Anbindung von Offshore-Kapazitäten (die teils ins Stromnetz einspeisen und teils Elektrolyseure direkt beliefern), die besonders langen Anbindungen zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) bis in den Süden, wie sie im Netzentwicklungsplan (NEP) vorgesehen sind. Beim Ausbau des Strom-Übertragungsnetz können so insgesamt 92 Mrd. EUR gespart werden. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf 191 Mrd. EUR, verglichen mit 283 Mrd. EUR im NEP 2023. Der geringere Netzausbau ermöglicht Einsparungen bei den durchschnittlichen Netzentgelten in Höhe von etwa 20 %, was 7,5 EUR/MWh entspricht (vgl. Kapitel 6.3.3).

Außerdem zeigt sich, dass der Aufbau eines Wasserstoffnetzes in der Größenordnung des geplanten Kernnetzes ausreicht, um den Transportbedarf für Wasserstoff im Jahr 2045 zu decken. Elektrolyseure werden durch die sektorübergreifende Optimierung eher an der Küste platziert, wo sie zur Integration der Offshore-Windkraft beitragen und wo sich auch geologisch geeignete Salzablagerungen für Wasserstoff-Kavernenspeicher befinden. Von dort wird der Wasserstoff zu Industrieanlagen und Kraftwerken verteilt.

7.1 Übertragungsnetz Strom

Abbildung 7.1: Gesamtinvestitionsbedarf ins
Übertragungsnetz laut Netzentwicklungsplan 2023,
aufgeschlüsselt nach Netzkomponenten.
Quelle: eigene Darstellung

Der Ausbau der Stromnetze ist dringend notwendig, um Strom aus Erneuerbaren Energien zu verteilen und neue Verbrauchende wie E-Mobilität und Wärmepumpen zu bedienen. Allerdings sind die von den Netzbetreibern abgeschätzten Kosten für den Ausbau in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen, was Stromkunden durch das Umlegen der Kosten auf Netzentgelte stark belasten würde. Während in der Vergangenheit die Verteilnetzentgelte der dominierende Kostenfaktor waren, kommen durch den NEP 2023 die Übertragungsnetzentgelte als fast gleichrangig in den Fokus. In diesem Kapitel werden die Pläne der Netzbetreiber beschrieben und es wird anhand von Modellergebnissen gezeigt, wo Kosteneinsparungen möglich wären.

Abbildung 7.2: Seit 2012 sind die spezifischen Kosten
für 380-kV-Leitungen stark gestiegen. Quelle: eigene
Darstellung auf Basis der NEP der Jahre 2012-2023

Nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) § 12b müssen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) der Bundesnetzagentur alle 2 Jahre einen Plan für die Weiterentwicklung ihrer Netze vorlegen. Im Zuge des NEP 2023 wurde von den ÜNB erstmals ein Netzausbau für ein Klimaneutralitätsnetz 2045 ermittelt. Dabei wurde gegenüber dem NEP 2021 eine sprunghafte Steigerung der zusätzlichen Investitionsvolumen (gegenüber Erhaltung des Bestandsnetzes und Umsetzung des vorhergehenden Bundesbedarfsplans) von vormals 181 Mrd. EUR2022 auf 314 Mrd. EUR2022 (Bundesnetzagentur 2024a) ermittelt. Kostentreiber sind hier insbesondere lange, teilweise bis weit ins Landesinnere reichende HGÜ-Erdkabel für den Anschluss der zusätzlichen Offshore-Wind-erzeugung (+28 GW) sowie für den herkömmlichen Stromtransport (+14 GW). Insgesamt entfallen im Zeitraum 2021–2045 circa 50 % der Investitionen auf den Offshore-Bereich und 25 % auf OnshoreHGÜ-Leitungen (Abbildung 7.1). Außerdem gab es hohe spezifische Kostensteige-rungen bei Stromkabeln und den Overhead-Kosten für Planung, Genehmigung und Entschädigung sowie Änderungen bei den Annahmen zu Szenariorahmen und Marktdesign. Der starke Anstieg bei den spezifischen Kosten von Komponenten wie Leitungen und Transformatoren (Abbildung 7.2) liegt an einem zu geringen Angebot bei gleichzeitig hoher Nachfrage. Der Ausbau der Produktionskapazitäten könnte z.B. durch Abnahmegarantien bei den Herstellern gefördert werden (IEA 2023; Agora Energiewende and NERA Economic Consulting 2024).

7.1.1 Methodik der Netzausbauplanung in PyPSA-DE

Die Netzausbauplanung in PyPSA-DE unterscheidet sich von der des NEP in mehreren substanziellen Punkten. Im NEP wird nach dem mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) abgestimmten Szenariorahmen die Modellierung des Markts von der des Netzes getrennt: Zunächst wird das Marktmodell unter der Annahme einer einzigen Gebotszone für Deutschland geräumt und dann wird sichergestellt, dass die resultierenden Stromflüsse im detaillierten Netzmodell transportiert werden können, ohne die N-1-Redundanz-Kriterien zu verletzen. Die Abbildung der Dispatch-Ergebnisse aus dem Marktmodell auf das Netzmodell beruht auf exogen angenommenen Verteilungsschlüsseln für die verschiedenen Technologien (obwohl eine gewisse Optimierung der Platzierung der Elektrolyse stattfindet29Im NEP 2023 wurde zum ersten Mal eine Metaheuristik eingeführt, um in geringem Umfang die Platzierungen von Elektrolyse zu steuern und Redispatch gegenüber Netzausbau zu optimieren.). Es gibt dabei keine lokalen Anreize für Investitionen in Flexibilität oder Erzeugung, keine lokale Koordinierung, um Netzengpässe zu vermeiden, und keine durchgehende Wohlfahrtsoptimierung, wie z.B. eine Abwägung von Redispatch- gegenüber Netzausbaukosten. Die Netze werden so ausgebaut, dass möglichst wenige Engpässe innerhalb Deutschlands entstehen.

PyPSA-DE verfolgt einen anderen Ansatz und führt eine wohlfahrtsorientierte sektorengekoppelte Optimierung – sowohl der Dimensionierung und Platzierung von neuen Infrastrukturen und Anlagen als auch des stündlichen Anlageneinsatzes – durch. Anstelle einer einheitlichen Gebotszone werden separate Preiszonen für jede der 30 modellierten Regionen in Deutschland verwendet, was zu einem geringeren Netzausbau führt. Die Netzengpässe würden dann in den Marktpreisen abgebildet. Die dadurch ermöglichten Engpassrenten (Arbitrage durch Preisunterschiede an den Leitungsenden) können benutzt werden, um den Leitungsausbau zu finanzieren und so zu einer Reduktion der Netzentgelte beizutragen. Dies bedeutet, dass ein systemintegrierter Ansatz verfolgt wird, der Kompromisse zwischen Stromnetzen, Wasserstoffinfrastruktur und lokalen Flexibilitätsoptionen berücksichtigt. So können beispielsweise die Steuerung der Nachfrage und Speicher in verschiedenen Regionen Deutschlands eingesetzt werden, um eine Überlastung der Übertragungsleitungen zu vermeiden.

Durch die Kombination von Markt-, System- und Netzplanung kann das Modell Zielkonflikte erkennen, die die getrennte Netzplanung der Netzbetreiber nicht berücksichtigen kann. Wegen ihres höheren Rechenbedarfs erfordert die integrierte Planung allerdings einige Vereinfachungen an anderer Stelle, sodass sie die volle Netzplanung der Netzbetreiber nicht ersetzen kann (siehe Absatz Einschränkungen weiter unten).

Die Grundlage für die Netzausbauplanung in PyPSA-DE bilden die planungsrechtlich fortgeschrittenen Übertragungsnetz-Projekte des „Startnetzes“ des NEP 2023. Insgesamt umfassen diese Projekte für Netzverstärkung und Netzausbau ein Investitionsvolumen von etwa 45 Mrd. EUR. Weiterhin werden die Offshore-Windkraft-Projekte ins Modell übernommen, die bis 2030 fertiggestellt werden sollen. Laut dem Offshore-Teil des NEP haben sie eine Gesamtkapazität von 23,5 GW und erfordern ein Investi-
tionsvolumen von etwa 40 Mrd. EUR. Zusammen mit den bereits existierenden Anlagen (7,8 GW) sind sie Teil der 70 GW Offshore-Windkraftanlagen, die laut des Windenergie-auf-See-Gesetzes bis 2045 gebaut werden sollen (WindSeeG 2024). Die Netzanbindung der verbleibenden 38,7 GW Windkraftanlagen soll laut NEP weit im Landesinneren erfolgen (teilweise bis Süd-Hessen) und wird mit hohen Netzausbaukosten einhergehen, die das zwei- bis sechsfache der Kosten der Windkraftanlage betragen. Im Sinne der wohlfahrtsorientieren Minimierung der Gesamtsystemkosten wird deshalb die Entscheidung über eine mögliche küstennahe Anbindung der nächsten 18,7 GW dem Modell überlassen (bis zu einer Gesamtkapazität von 50 GW). Der Ausbau der letzten 20 GW (bis zu einer Gesamtkapazität von maximal 70 GW) wird modellendogen entschieden. Eine andere Option, die hier allerdings nicht betrachtet werden kann, wäre die Einspeisung direkt an den Windanlagen auf künstlichen Offshore-Inseln (BMBF 2023; Glaum et al. 2024; Schmitz et al. 2024) für Elektrolyse zu verwenden, um Wasserstoff für andere Sektoren herzustellen und das Stromnetz zu entlasten.

Der verbleibende Teil des NEP bezieht sich auf Investitionen, die abseits von den Leitungen anfallen, beispielsweise für vertikale Maßnahmen wie Umspannwerke, Transformatoren und Schaltfelder, oder die Bereitstellung von Systemdienstleistungen wie Blindleistung und Momentanreserve. Da diese im Rahmen des vorliegenden Berichts nicht modelliert werden konnten, wurde der dafür im NEP vorhergesehene Investitionsbedarf von 38,9 Mrd. EUR komplett übernommen.

Der weitere Netzausbau, der über die oben beschriebenen Maßnahmen hinausgeht (insbesondere für den Zeitraum 2030–2045) wird mit Hilfe der Modelloptimierung bestimmt. Ein wichtiger Unterschied ist hierbei, dass für den Ausbau weiterer HGÜ-Kapazitäten die günstigeren Freileitungen anstelle von Erdverkabelung angenommen werden. Die Modellergebnisse zeigen jedoch, dass trotz der durch diese Annahme niedrigeren Kosten im Zeitraum ab 2030 nur wenige neue HGÜ-Leitungen auf dem Festland gebaut werden (NEP: circa 11,5 TWkm, PyPSA-DE: circa 1,8 TWkm).

Einschränkungen. Wie zuvor beschrieben, minimiert PyPSA-DE die Gesamtsystemkosten durch eine gleichzeitige Optimierung von Dimensionierung, Platzierung und Betrieb der Energieinfrastruktur angesichts regionaler Preiszonen für 49 Modellregionen (30 davon in Deutschland, 19 in umliegenden EU-Staaten). Um alle Sektoren und Regionen über den Zeitraum eines Jahres zu optimieren, muss das Modell an einigen Stellen vereinfacht werden. Zum Beispiel werden nur 30 Regionen innerhalb Deutschlands modelliert, in denen jeweils hunderte Umspannwerke zusammengefasst sind. Deshalb kann keine volle Lastflussberechnung für das Übertragungsnetz durchgeführt werden. Stattdessen wird diese durch einen linearisierten Lastfluss mit stückweise linearisierten Verlusten ersetzt. Diese Methodik kann die Ergebnisse einer vollen Lastflussberechnung gut approximieren (Neumann et al. 2022). Das N-1-Kriterium wird auf Basis einer wissenschaftlichen Studie (Shokri Gazafroudi et al. 2022) dadurch abgebildet, dass Leitungen nur bis zu 70 % ausgelastet werden dürfen. Das Netz wird nicht in diskreten Trassen ausgebaut, sondern zunächst kontinuierlich optimiert, und danach in einem weiteren Schritt diskretisiert, sobald eine bestimmte Auslastung und Kapazität überschritten wird (Neumann et al. 2022). Obwohl die Bereitstellung von Blindleistung und Momentanreserve nicht explizit modelliert wird, übernimmt PyPSA-DE alle nicht leitungsbezogenen Kosten aus dem NEP 2023, sodass die Kosten dafür berücksichtigt werden. Innovative Technologien, die die Auslastung des bestehenden Netzes erhöhen können, wie Phasenschiebertransformatoren oder kurative Systemführung mit Netzboostern, werden nicht modelliert und könnten den Ausbaubedarf weiter reduzieren (Koch et al. 2019).

Außerdem unterscheiden sich die Rahmenbedingungen für den Netzausbau in PyPSA-DE an mehreren Stellen von dem von der BNetzA genehmigten Szenariorahmen für den NEP 2023. Der Nettostromverbrauch von PyPSA-DE im Szenario Technologiemix im Jahr 2045 liegt geringfügig niedriger als im Szenario C 2045 des NEP (1.237 TWh gegenüber 1.259 TWh). Dafür werden etwas weniger Onshore-Wind-Kapazitäten (160 GW gegenüber 180 GW), Offshore-Wind-Kapazitäten (64 GW gegenüber 70 GW) und Elektrolyseure (40 GW gegenüber 55 GW) sowie mehr Photovoltaik-Kapazitäten (468 GW gegenüber 445 GW) und Batterien (436 GWh gegenüber 336 GWh) installiert.

Während der Ansatz von PyPSA-DE eine vollständige Netzplanung nicht ersetzen kann, gibt er dennoch wichtige Indizien zur Optimierung der Systemplanung und zeigt Handlungsfelder auf, um die Kosten der Energiewende so gering wie möglich zu halten.

7.1.2 PyPSA-DE Ergebnisse

Abbildung 7.3: Ausbau des Übertragungsnetzes bis zum
Jahr 2045 zusammen mit den installierten
Erzeugungskapazitäten Erneuerbarer Energie im Jahr 2045
im Szenario Technologiemix für PyPSA-DE.
Quelle: eigene Darstellung

Die PyPSA-DE Modellergebnisse bestätigen, dass das Übertragungsnetz stark und zügig ausgebaut werden muss. Allerdings betragen die Netzausbaukosten in PyPSA-DE mit einer Höhe von 191 Mrd. EUR2020 bis 2045 nur 68 % der im NEP 2023 festgestellten Kosten von 283 Mrd. EUR2020 (entspricht 314 Mrd. EUR2022). Daraus ergibt sich ein Einsparpotenzial beim Ausbau des Übertragungsnetzes in Höhe von 92 Mrd. EUR. Einsparungen in dieser Größenordnung würden eine durchschnittliche Entlastung bei den Netzentgelten um 7,5 EUR/MWh bedeuten, was in etwa 20 % entspricht (Kapitel 6.3.3). Dabei ist es wichtig zu betonen, dass das Übertragungsnetz in den nächsten Jahren stark ausgebaut werden muss, so wie es auch das Startnetz des NEP vorsieht. Erst für den Zeitraum 2030–2045 können Einsparpotenziale identifiziert werden. Die größten Kostensenkungen ermöglichen die küstennahe Anbindung der Offshore-Windkraft, die Verwendung von Freileitungen für nach 2030 gebaute HGÜ-Projekte auf Land, eine geringere Offshore-Windkapazität von 64 GW statt 70 GW und weniger Netzausbau. Diese Ersparnisse werden durch die oben beschrieben Unterschiede in der Modellierung ermöglicht, insbesondere ist die Verwendung von regionalen Preiszonen förderlich für die flexible Offshore-Anbindung und den geringeren Netzausbau. Die ab 2030 gebauten 33 GW Offshore-Wind werden zum Teil zur Versorgung der 40 GW Elektrolyseure an der Küste genutzt, anstatt in den Süden über das Stromnetz geleitet zu werden. Die möglichen Kosteneinsparungen durch die Verwendung von Freileitungen statt Erdkabeln für HGÜ-Leitungen an Land betragen im Modell 18,1 Mrd. EUR und fallen damit auf Grund leicht abweichender Annahmen zu spezifischen Kosten etwas höher aus als die im Jahr 2024 veröffentlichte Berechnung der Bundesnetzagentur (Einsparungen von 16,5 Mrd. EUR für Projekte an Land und 18,8 Mrd. EUR für die Anbindung der Offshore-Windkraft (Tagesspiegel Background 2024)).

Vergleich mit den Langfristszenarien. In den im Juli 2024 veröffentlichten Orientierungsszenarien (Fraunhofer ISI 2024) wurde für die Netzausbauplanung davon ausgegangen, dass alle bestätigte Projekte des NEP 2023 gebaut werden. Folglich können keine Einsparpotenziale gegenüber dem NEP identifiziert werden, sondern nur zusätzliche Bedarfe. Weil die bestätigten Projekte des NEP bereits für das Stromtransportaufkommen im Jahr 2045 ausgelegt sind, fallen die zusätzlichen Bedarfe sehr gering aus und treten vor allem an den Grenzen Deutschlands auf. Im Gegensatz zur PyPSA-DE Methodik findet in den Langfristszenarien außerdem keine integrierte Optimierung von Energieangebot und Netzausbau statt. Stattdessen werden im Angebotsmodell enertile 10 Regionen für Deutschland mit einer vereinfachten Abbildung des Übertragungsnetzes optimiert (Enertile). Erst danach werden die Ergebnisse in ein detaillierteres Netzmodell gespeist, um den Netzausbaubedarf zu bestimmen. Während die Langfristszenarien auf Grund ihres Modellierungsansatzes also nur einen geringen, zusätzlichen Netzausbaubedarf an den Grenzen Deutschland identifizieren können, zeichnen sich mit Hilfe der Methodik von PyPSA-DE Einsparmöglichkeiten gegenüber dem NEP in Höhe von 92 Mrd. EUR ab.

Abbildung 7.4: Das Wasserfalldiagramm zeigt die Investitionsbedarfe ins Übertragungsnetz im NEP2023. Quelle: eigene Darstellung

7.2 Übertragungsnetz Wasserstoff

In Zukunft wird ein Wasserstoff-Pipelinenetz benötigt, um Wasserstoff aus Importen und heimischer Elektrolyse zu Industrie und Kraftwerken zu transportieren. Grundlage für den Wasserstofftransport im Modell ist das Wasserstoff-Kernnetz der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB Gas). Der finale Antrag zum Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes wurde am 22.10.2024 von der Bundesnetzagentur genehmigt (Bundesnetzagentur 2024b). Dieser sieht den schrittweisen Aufbau von 9.040 km Wasserstoffleitungen im Zeitraum 2025–2032 vor. Die geplanten Investitionen für das von den FNB Gas entwickelte Wasserstoff-Kernnetz in Deutschland belaufen sich auf 19,7 Mrd. EUR. Davon entfallen 18 Mrd. EUR auf die Pipelines selbst, der Rest wird für Verdichterstationen benötigt.

Im Modell PyPSA-DE werden nur die bis 2028 geplanten Leitungen sowie Projekte mit dem Status „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) oder „Project of Common Interest“ (PCI) als feste Vorgabe übernommen. Dafür ergeben sich im Modell für Technologiemix Investitionskosten von 13 Mrd. EUR. Zusätzlich baut das Modell flexibel weitere Wasserstoff-Pipelines mit Investitionskosten von 3 Mrd. EUR auf, um die Versorgung optimal sicherzustellen. Insgesamt ergeben sich im Modell also Investitionskosten für Wasserstoff-Pipelines von rund 16 Mrd. EUR, und damit rund 2 Mrd. EUR weniger als im offiziellen Plan der FNB Gas. Ein Vergleich der Länge und Kapazität des geplanten Wasserstoff-Kernnetzes und der Modellierung in PyPSA-DE zeigt, woher die Einsparungen kommen. Die Länge des Pipelinenetzes in PyPSA-DE beträgt 11.000 km und ist damit sogar etwas länger als das geplante Kernnetz. Allerdings werden im Modell mehr kleinere Pipelines mit geringerer Kapazität gebaut, die unter anderem aus der Umrüstung des bestehenden Gasnetzes stammen. Ermittelt man zum Vergleich die Gesamtgröße des Netzes als Produkt aus Übertragungskapazität in TW und Länge in km, so hat das geplante Kernnetz eine Größe von 70 TWkm und das Pipelinenetz im Modell von 63 TWkm.
Abbildung 7.5 zeigt die Wasserstoffinfrastruktur für das Jahr 2045. Die Produktions- und Speicherzentren konzentrieren sich vor allem im Norden (Abbildung 7.5 links). Die Verbraucher sind gleichmäßiger über Deutschland verteilt (Abbildung 7.5 rechts). Das Pipeline-Netzwerk hat im Jahr 2045 eine mittlere jährliche Auslastung von etwa 16 %. Diese eher niedrige Auslastung ist Resultat einer im Jahr 2045 im hier untersuchten Szenario Technologiemix immer noch geringen Wasserstoffnachfrage von 191 TWh/a (Kapitel 6.1.2). Zum Vergleich: für das Jahr 2045 errechnen die Langfristszenarien eine Nachfrage von 200–440 TWh/a (Fraunhofer ISI and consentec 2024) und Agora Energiewende eine Nachfrage von 265 TWh/a (Stiftung Klimaneutralität et al. 2021). Auch die Modellierung der Ariadne-Szenarien mit FORECAST (Kapitel 5) zeigt, dass bei einer verstärkten Nutz-ung von elementarem Wasserstoff anstatt importierter Wasserstoffderivaten und Biomasse höhere Wasserstoffbedarfe entstehen würden.

Abbildung 7.5: Wasserstoff-Infrastruktur inklusive Pipeline Netz, Speicher, Produktionszentren (links) und Verbrauchszentren (rechts). Im Vergleich mit dem Szenario Technologiemix für PyPSA-DE können die Ersparnisse, die sich aus den abweichenden Modellierungsannahmen ergeben, verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Quelle: eigene Darstellung

Die inländische Wasserstoffproduktion im Jahr 2045 beträgt 130 TWh und stammt fast ausschließlich aus Elektrolyse. Zusätzlich werden 61 TWh per Pipeline importiert. Das entspricht in etwa der inländischen Produktion, die im Szenario O45-Strom der Langfristszenarien errechnet wurde, bei gleichzeitig wesentlich geringerer Nachfrage. Das Modell hat also eine Präferenz, eine gewisse Menge der Wasserstoffproduktion in Deutschland anzusiedeln, um Flexibilität für das Stromnetz bereitzustellen.

Die Elektrolyse-Kapazitäten sind an der Küste platziert (Abbildung 7.5), wodurch sie direkt den Windstrom aus den Offshore-Anlagen verwenden können und den Bedarf an Netzausbau zur Offshore-Integration reduzieren. Insgesamt beträgt die Kapazität zur Erzeugung von Wasserstoff aus Elektrolyse im Jahr 2045 etwa 40 GW. Neben den Erzeugungszentren werden im Norden Wasserstoffspeicher in einem Gesamtumfang von 17 TWh in Salzkavernen gebaut. Diese Speicherkapazitäten fallen deutlich geringer aus als in vergleichbaren Studien von z.B. Agora Energiewende (80 TWh) (Agora Think Tanks et al. 2024) oder bei den Langfristszenarien (70–100 TWh) (Sensfuß 2022). Gründe hierfür sind die Nutzung von Gas neben Wasserstoff während Dunkelflauten und zusätzliche Flexibilität durch Stromimporte für das verwendete Wetterjahr 2019 (Kapitel 6.1.3). Die Platzierung der Elektrolyse im Norden ist konsistent mit Studien, die eine systemdienliche Verortung betonen. Vom Scheidt et al. zeigen, dass nodale Preissignale die Ansiedlung von Erzeugern von grünem Wasserstoff an Standorten mit niedrigen Strompreisen (z.B. im Norden) anreizen (Vom Scheidt et al. 2022). Ähnlich empfiehlt die Forschungsstelle für Energiewirtschaft eine Orientierung der Elektrolysekapazitäten an der Residuallast und dem NEP, was ebenfalls Norddeutschland priorisiert (Schmidt-Achert, Tapio and Martinez Perez 2024). Anreize für eine systemdienliche Ansiedlung sind daher auch bei einheitlicher Gebotszone essenziell.

Die Nachfrage nach Wasserstoff im Jahr 2045 untergliedert sich wie folgt: 102 TWh werden für die Industrie (Stahl, Ammoniak) benötigt, 41 TWh für die Produktion von Methanol, 6 TWh für andere synthetische Kraftstoffe (inklusive Grundstoffe für die Chemieindustrie), 10 TWh für die reine Stromerzeugung und 32 TWh für die KWK-Erzeugung. Während mit einem Anteil von 68 % der Großteil des benötigten Wasserstoffs inländisch durch Elektrolyse erzeugt wird, werden im Gegensatz dazu 80 % der kohlenstoffhaltigen Wasserstoffderivate (Methanol und E-Fuels) für industrielle Rohstoffe sowie für den Flug- und Schiffsverkehr importiert, da die Herstellungskosten in anderen europäischen Ländern geringer sind.

Im Falle einer Verlagerung der Herstellung von Ammoniak und des Zwischenprodukts Eisenschwamm für die Stahlproduktion ins Ausland würde mehr als die Hälfte der Nachfrage nach Wasserstoff wegfallen (Verpoort et al. 2024a, d). Da die Produktion synthetischer Kraftstoffe in räumlicher Nähe zur Elektrolyse erfolgen kann, bliebe lediglich die Strom- und KWK-Erzeugung als lokal fixierte Nachfrage, die vom Netz bedient werden muss. Bei einer dadurch noch niedrigeren Auslastung könnte die Rentabilität des Netzes in Frage gestellt werden. Die H2-Nachfrage in den Kraftwerken könnte dann auch ohne Verteilnetz mit H2-Derivaten wie Ammoniak oder Methanol gedeckt werden, wobei die etwas höheren Herstellungskosten durch die einfacheren und günstigeren Verteilkosten kompensiert würden (Brown and Hampp 2023).

Insgesamt deuten die PyPSA-DE-Ergebnisse darauf hin, dass die Größenordnung des offiziellen Kernnetzes eher am oberen Ende bzw. über dem modellierten Ausbaubedarf liegen könnten. Ein Netz dieser Größenordnung wäre auch für die Transportmengen im Jahr 2045 ausreichend.

7.3 Kohlendioxidnetz

Ein Netzwerk aus Pipelines für den Transport von flüssigem Kohlendioxid (CO2) würde Punktquellen, wie Industrie-, Müllverbrennungs- oder Biomasseanlagen, für die Abscheidung von CO2 aus Abgasen mit Senken, wie geologischen Speicherstätten (CCS) oder Anlagen für die Synthese kohlenstoffhaltiger Produkte (CCU), verbinden. Open Grid Europe GmbH (OGE) hat schon Pläne für ein Netzwerk in Deutschland skizziert (Open Grid Europe GmbH) und andere wissenschaftliche Studien bestätigen, dass ein Kohlendioxidtransport Kosten gegenüber lokaler Nutzung oder Speicherung sparen kann (Hofmann et al. 2024). Eine Studie des Vereins Deutscher Zementwerke errechnet einen Investitionsbedarf von 14 Mrd. EUR für das CO2-Netz in Deutschland (VDZ 2024a). Das Modell REMIND errechnet Investitionen von 19 Mrd. EUR für Kohlendioxidtransport und –speicherung und trifft damit eine ähnliche Größenordnung. Im Modell PyPSA-DE wurde das Kohlendioxidnetz in dieser Studie nicht räumlich aufgelöst. Ein mögliches CO2-Netzwerk aus einer anderen Studie auf Basis des europäischen Energiesystem-Modells PyPSA-Eur ist in Abbildung 7.6 dargestellt (Hofmann et al. 2024).

Abbildung 7.6: Beispielhafte Darstellung eines europäischen CO2-Netzes; die unteren Halbkreise stellen die Nachfrage für CO2 dar, und die Oberen das Angebot aus Abscheidung. Quelle: Hofmann et al. 2024

7.4 Verteilnetze

In dieser Studie wird der Netzausbaubedarf in den Verteilnetzen für Strom, Gas, Wasserstoff, Kohlendioxid und Wärme nicht detailliert betrachtet. Da insbesondere dem Strom-Verteilnetz eine große Relevanz für die Berechnung der Netzentgelte zukommt, werden hier kurz die Ergebnisse aus anderen Studien beleuchtet. Die Investitionen für den Ausbau der Fernwärmenetze werden im Kapitel 4.2 behandelt.

Für das Stromverteilnetz ergeben Berechnungen der Langfristszenarien (Fraunhofer ISI 2024) im Szenario T45-Strom* Annuitäten für das Ist-Verteilnetz im Jahr 2018 von 7,9 Mrd. EUR/a und für das Verteilnetz im Jahr 2045 von 17,5 Mrd. EUR/a. Daraus können Gesamtinvestitionen für den Zubau der Stromverteilnetze in Höhe von 320 Mrd. EUR abgeleitet werden. Weiterhin hat die Bundesnetzagentur anhand von Umfragen der 82 größten Verteilnetzbetreiber die Kosten des Ausbaus der Stromverteilnetze mit 200 Mrd. EUR geschätzt (Energie & Management 2024). Hinzu kommen Kosten für den Erhalt bestehender Infrastruktur in Höhe von 30 Mrd. EUR. Der große Unterschied zwischen beiden Studien hängt mit dem Fehlen einer einheitlichen Datengrundlage und Freiheitsgraden im Hinblick auf die zukünftige Verfügbarkeit von Flexibilitäten im Verteilnetz zusammen.
Als Grundlage für die Berechnung der Netzentgelte werden die anfallenden Investitionen in das Stromübertragungsnetz und das Stromverteilnetz benötigt. Für die Höhe der Verteilnetzinvestitionen wird in diesem Bericht der Mittelwert aus beiden zuvor diskutierten Quellen verwendet. Es wird also davon ausgegangen, dass sich die Investitionen in die Stromverteilnetze bis zum Jahr 2045 auf eine Höhe von 260 Mrd. EUR belaufen.

8. Sektorübergreifende Investitionseffekte, Kosten und fiskalische Bedarfe der Energiewende

In diesem Kapitel werden die sektorspezifischen Erkenntnisse zu ökonomischen Indikatoren der Transformationen in ein Gesamtbild bezüglich der übergreifenden Investitionsbedarfen (Kapitel 8.1), der volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen (Kapitel 8.2) und der fiskalischen Bedarfe (Kapitel 8.3) gefügt.

Erneuerbare Energien und Klimaschutztechnologien sind typischerweise deutlich kapitalintensiver als ihre konventionellen Pendants. Der Umstieg auf klimafreundliche Technologien zum Heizen, im Verkehr und in der industriellen Produktion, wie auch der klimaneutrale Umbau der Energiewirtschaft führt entsprechend zu einem deutlichen Anstieg der Investitionen im Energiesystem.

In den Klimazielszenarien Technologiemix (Mix), Fokus Elektrifizierung (Elek) und Fokus Wasserstoff (H2) betragen die jährlichen Investitionen für die Energiewende 116–131 Mrd. EUR im Durchschnitt der Jahre 2025-2045. Ein Großteil dieser Investitionen (95 Mrd. EUR pro Jahr) wird bereits durch die bis heute beschlossenen Maßnahmen induziert (Szenario Existierende Politiken). 

Einen großen Anteil an den Energietransformations-Investitionen hat der klimaneutrale Umbau der Gebäudewärme mit 40–50 Mrd. EUR pro Jahr. Hier schlagen vor allem Ausgaben für die energetische Sanierung und in einem geringeren Umfang der Einbau klimafreundlicher Heizungssysteme zu Buche. Ein ebenfalls hoher Anteil der Investition entfällt mit 52–60 Mrd. EUR pro Jahr auf die Energiewirtschaft, insbesondere den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugungskapazität und die Ertüchtigung der Stromnetze. Weil die Differenzinvestitionen für batterieelektrische Antriebe im Vergleich zu Verbrennern gering sind, entstehen für die Antriebswende Investitionsbedarfe von nur rund 5-8 Mrd. EUR pro Jahr. Hinzu kommen im Verkehrssektor Investitionen in Ladeinfrastruktur in Höhe von etwa 5 Mrd. EUR pro Jahr. Für den klimaneutralen Umbau der Industrie entsteht ein Investitionsbedarf von 11 Mrd. EUR pro Jahr durch Brennstoffwechsel, Energieeffizienz, Anlagen für neue Prozesse und CO2-Abscheidung.

Die Energiewende verändert Kostenstrukturen, erzeugt Mehrkosten und Einsparungen, die je nach Endnutzungssektor (Gebäude, Verkehr und Industrie) stark variieren. Mehrkosten und Einsparungen entstehen im Wesentlichen durch das Zusammenwirken dreier Aspekte: 1. Verschiebungen bei kapitalgebundenen Ausgaben durch den Einsatz von Klimaschutztechnologien; 2. Zusätzliche Kosten für Strom und andere erneuerbare Energieträger, sowie den verbleibenden CO2-Ausstoß; 3. Einsparungen durch geringere fossile Energienutzung. Aus dem Szenarienvergleich ergeben sich Mehrkosten von 16 Mrd. EUR (Bottom-up-Schätzung) bzw. 26 Mrd. EUR (Top-down-Schätzung) pro Jahr im Szenario Technologiemix gegenüber Existierende Politiken. Ein breiterer Einsatz von indirekter Elektrifizierung mittels Wasserstoffs und E-Fuels – wie im Szenario Fokus Wasserstoff – führt zu steigenden Klimaschutzmehrkosten. Wichtigster Treiber solcher Mehrkosten ist zusätzlicher Wasserstoffeinsatz in der Industrie. Eine beschleunigte Transformation der Energienachfrage kann hingegen die Kosten deutlich senken.

Fiskalische Bedarfe können nur nachgelagert und grob abgeleitet werden, da staatliche Förderprogramme und Transfers zumeist nicht in den Modellen explizit abgebildet sind. Für das Szenario Technologiemix ergibt sich eine mittlere Abschätzung der fiskalischen Bedarfe von circa 40 Mrd. EUR im Jahr 2030. Wesentliche Komponenten sind die staatlich finanzierte EEG-Kosten, Förderung von energetischer Gebäudesanierung und klimafreundlicher Produktion. Dem stehen erwartete Einnahmen aus den europäischen Emissionshandelssystemen 1 und 2 von circa 50 Mrd. EUR im Jahr 2030 gegenüber, die allerdings nicht vollständig an Deutschland fließen, sondern zu Teilen innerhalb der EU umverteilt werden.

Schließlich überwiegt der volkswirtschaftliche Nutzen des Klimaschutzes die Kosten der Transformation deutlich, wenn man Klimaschäden durch THG-Emissionen berücksichtigt. So werden die von den THG-Emissionen Deutschlands verursachten direkten volkswirtschaftlichen Klimaschäden durch die Transformation zur Klimaneutralität mehr als halbiert.

Abbildung 8.1: Investitionsbedarf für die Energiewende im Jahr 2030. Dargestellt ist der Investitionsbedarf für die Energiewende aus den jeweiligen Sektor-Leitmodellen für Industrie, Verkehr und Gebäude und aus dem Modell REMIND für die Energiewirtschaft (zusammen = Hybrid-Modell) im Jahr 203030ahreswerte für Investitionsbedarfe bilden in diesem Kapitel jeweils die mittleren Investitionsbedarfe über 5 Jahre ab, z.B. entspricht der gezeigte Investitionsbedarf pro Jahr im Jahr 2030 dem mittleren Bedarf pro Jahr in Zeitraum 2028–2032.. Quelle: eigene Darstellung

8.1 Investitionsbedarfe

Abbildung 8.1 fasst Investitionen für die Energiewende in den Sektoren Industrie, Verkehr, Gebäude und Energiewirtschaft zusammen. Die Abgrenzung zwischen Investitionen, die einen Bezug zur Energiewende haben, und sonstigen Investitionen in den relevanten Sektoren ist naturgemäß unscharf. Für die Energiewirtschaft sind hier Brutto-Investitionen in erneuerbare Stromerzeugung, Stromnetze, Speicher, Backup-Kraftwerke, Fernwärmeerzeugung, Wasserstoff-Elektrolyse und Power-to-X-Anlagen sowie Wasserstoff-Infrastruktur berücksichtigt (Kapitel 6.2.1). Im Bereich der Gebäudewärme werden die kapitelgebundenen Kosten der energetischen Sanierung, Kosten für dezentrale klimafreundliche Wärmeerzeuger und Wärmenetze (Kapitel 4.3) berücksichtigt. Im Verkehrssektor ist die Abgrenzung zu sonstigen Investitionen besonders schwierig, weil ein Großteil der Fahrzeugkosten unabhängig von der Art des Antriebs ist (Kapitel 3.3). Hier werden daher die Differenzinvestitionen für E-Fahrzeuge im Vergleich zu konventionellen Verbrennern mit Dieselmotor bilanziert. Neben Investitionen in Ladeinfrastruktur sind auch weitere Investitionen in Straßen- und Schieneninfrastruktur notwendig, wobei hier nur die Mehraufwendungen gegenüber dem Szenario Existierende Politiken bilanziert sind. Für die Industrie sind Investitionen in den Brennstoffwechsel für die Wärme- und Dampferzeugung, in neue Prozesse, in die Steigerung der Energieeffizienz sowie CO2-Abscheidung und -Infrastruktur berücksichtigt.

In den Technologieszenarien erreichen die Investitionssummen zwischen 2030 und 2035 Maximalwerte von etwa 130–140 Mrd. EUR pro Jahr (Abbildung 8.2). Dieses Volumen entspricht mehr als einer Verdopplung gegenüber den aktuellen Energiewendeinvestitionen aus öffentlichen und privaten Quellen und einer Steigerung von circa 50 % gegenüber dem Szenario Existierende Politiken. Nach 2035 sinkt der Investitionsbedarf wieder ab und fällt 2045 in den Szenarien Technologiemix, Fokus Elektrifizierung und Fokus Wasserstoff auf circa 95–120 Mrd. EUR pro Jahr.

Abbildung 8.2: Investitionsbedarf für die Energiewende nach Szenario aus dem Hybrid-Modell. a) jährlich in Technologiemix, (b) im Mittel in 2025–2045 pro Jahr und je Szenario (c) jährlich je Szenario. Quelle: eigene Darstellung

Das ausgeprägte Maximum der jährlichen Investitionen im Zeitraum 2030–2035 ist maßgeblich auf die Investitionsstruktur in der Energiewirtschaft zurückzuführen: Die Umstellung auf eine erneuerbare Stromversorgung muss bereits bis 2035 weitgehend vollzogen sein, weshalb bis dahin nicht nur hohe Investitionen in neue Erzeugungskapazitäten, sondern auch in den Ausbau des Stromnetzes erforderlich sind. Auch im Verkehrssektor erreichen die Investitionsbedarfe für die Antriebswende etwa um das Jahr 2030 ein Maximum und sinken danach wegen der abnehmenden Differenz der Anschaffungskosten zwischen konventionellen Fahrzeugen und E-Fahrzeugen. Allerdings bewegen sich diese Zusatzinvestitionen auf einem deutlich geringeren Niveau als in der Energiewirtschaft.

In der Gebäudewärme steigen die Investitionen bis 2030/2035 an, danach bleiben sie weitgehend konstant oder gehen leicht zurück. In der Industrie steigen die Investitionsbedarfe im Zeitverlauf kontinuierlich an.

8.2 Volkswirtschaftliche Kosten und Nutzen der Energiewende

Auf Basis der Ariadne-Szenarienmodellierung lassen sich die Mehrkosten des Klimaneutralitätsziels über zwei komplementäre Ansätze abschätzen.

Zum einen werden nachfolgend auf Basis der Sektormodellierung kapital- und betriebsgedingte Mehrkosten und Einsparungen im Vergleich zum Szenario Existierende Politiken für Industrie, Transport und Gebäude abgeleitet (Bottom-up-Ansatz).

Dieser Ansatz beruht darauf, dass sektorale Mehrkosten und Einsparungen im Wesentlichen durch das Zusammenwirken dreier Aspekte entstehen: 1. aus den Energiewende-Investitionen ergeben sich Verschiebungen bei kapitalgebundenen Ausgaben; 2. der klimaneutrale Umbau des Energiesystems führt zu zusätzlicher Nachfrage nach Strom und erneuerbarer nicht-elektrischer Energie; 3. der Wechsel auf klimafreundliche Technologien führt zu einer Minderung des Verbrauchs an fossiler Energie und damit einhergehenden finanziellen Einsparungen. Aus den Modellergebnissen wird daher für jedes betrachtete Szenario die Summe aus den annualisierten kapitalgebundenen Ausgaben für die Energiewende und den jährlichen Betriebskosten, die aus Energieverbrauch entstehen, berechnet. Gemäß den Konventionen des europäischen Emissionshandels EU-ETS sind die CO2-Kosten für die Industrie separat bilanziert und nicht wie bei Verkehr und Gebäudewärme in den Endenergiepreisen enthalten. Die relevanten Mehrkosten bzw. Einsparungen des Klimaneutralitätsziels werden dann als Delta zwischen den Szenarien mit Zielerreichung (z.B. Technologiemix) gegenüber dem Szenario Existierende Politiken bestimmt. Die Bottom-up-Ergebnisse erlauben es, die Kostenstruktur zu analysieren und wesentliche Determinanten der Kosten zu identifizieren.

Zum anderen wird das energieökonomische Gleichgewichtsmodell REMIND verwendet, um die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten abzuleiten. Technisch werden hierzu die Unterschiede im Konsum des im Modell abgebildeten repräsentativen Haushaltes zwischen Referenzszenarien mit bestehender Klimapolitik und Klimaschutz-Zielszenarien betrachtet (nachfolgend als Top-down-Ansatz referenziert).

Die Top-down-Abschätzungen berücksichtigen neben den direkten sektoralen Klimaschutzkosten auch die Wirkung makro-ökonomischer Rückkopplungen beispielsweise durch Energienachfrageveränderungen und der Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. Zudem werden auch die Minderung von in den Bottom-up-Abschätzungen nicht enthaltenen Quellen wie Flug- und Schiffsverkehr und nicht-CO2-Treibhausgasen wie Methan und Lachgas abgebildet.

Für diesen Top-down-Ansatz wird neben dem Existierende Politiken-Szenario, das bis 2045 eine Reduktion der Netto-THG-Emissionen von 80 % gegenüber 1990 erreicht, auch ein kontrafaktisches Szenario Ref2020 betrachtet, das lediglich die bis 2020 implementierte Klimapolitikambition reflektiert und entsprechend nur eine THG-Emissions-Minderung von 61 % bis 2045 erreicht. Die so errechneten Klimaschutzkosten berücksichtigen sowohl die Auswirkungen des Klimaschutzes auf die Produktion und Gewinne von Unternehmen als auch Mehrkosten für private Haushalte.

Abbildung 8.3: Bottom-up-Abschätzung der Mehrkosten (positiv) und
Einsparungen (negativ) pro Jahr in den Zielerreichungsszenarien
gegenüber dem Szenario Existierende Politiken.
Dargestellt ist die
Bottom-up-Abschätzung der Mehrkosten (positiv) und Einsparungen
(negativ) pro Jahr in den Zielerreichungsszenarien gegenüber dem
Szenario Existierende Politiken. (a) je Sektor gemittelt über den Zeitraum
2025–2045; (b) im Vergleich verschiedener Zielszenarien und (c) im
Zeitverlauf. Ergebnisse stammen aus den jeweiligen Leitmodellen für
die Sektoren. „Strom sonst“ bilanziert Kosteneffekte auf den
nicht-heizungsbezogenen Stromverbrauch der Haushalte und
anderer nicht-industrieller Verbraucher. Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 8.3 zeigt die Bottom-up-Kostenschätzungen aus den Sektormodellen. Im Bereich der Industrie dominieren energieverbrauchsbezogenen Betriebsausgaben gegenüber den annualisierten Kapitelkosten: Deutliche Mehrkosten entstehen vor allem durch die Umstellung auf grüne Moleküle in Bereichen, wo die direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. In den Szenarien Technologiemix und Fokus Elektrifizierung betragen diese Mehrkosten gegenüber dem Szenario Existierende Politiken allein für die Industrie circa 10 Mrd. EUR pro Jahr. Im Zielszenario Fokus Wasserstoff hingegen, für das laut Ergebnissen des Industriemodells FORECAST zusätzlich zur stofflichen Nutzung bis 2050 auch 240 TWh Wasserstoff energetisch eingesetzt werden, erhöhen sich die Mehrkosten für grüne Moleküle auf 29 Mrd. EUR pro Jahr.

Die Kostenwirkung der Antriebswende für den straßengebundenen31In der Bottom-up Kostenschätzung sind methodisch bedingt Ausgaben für den internationalen Flug- und Schiffsverkehr nicht enthalten. Verkehr ist klein im Vergleich zu den anderen Sektoren. Im Zeitverlauf fallen zunächst geringe Mehrkosten im Vergleich zu Existierende Politiken bei den Fahrzeuganschaffungen an, die in Technologiemix nach 2030 ins Negative umschlagen (Abbildung 8.3c). Die zusätzlichen Energieausgaben für Ladestrom werden durch Einsparungen bei fossiler Energie überkompensiert. Diese Ergebnisse spiegeln den in Kapitel 3.3 beschriebenen zunehmenden Kostenvorteil von batterieelektrischen Antriebssystemen gegenüber Verbrennerfahrzeugen wieder. Im Szenario Fokus Wasserstoff ergeben sich im Durchschnitt der Jahre 2025–2045 Mehrausgaben für Wasserstoff von 4 Mrd EUR pro Jahr für Wasserstoff und zusätzliche Farhzeugkosten.

Durch eine schnelle Transformation des Verkehrssektors und ein lebensstilbedingtes geringeres Verkehrsvolumen können im gesamten Verkehrssektor sogar 26 Mrd. EUR pro Jahr eingespart werden (Szenario Niedrige Nachfrage gegenüber Existierende Politiken). 

Im Gebäudesektor führt die Beschleunigung der Transformation im Zielszenario Technologiemix zu Mehrkosten von 1,3 Mrd. EUR pro Jahr gegenüber dem Referenzszenario Existierende Politiken. Hier ergeben sich vor allem durch zusätzliche kapitalgebundene Kosten Mehrausgaben (Kapitel 4.3). Andererseits führen die energetische Sanierung und der Heizungstausch zu einem deutlichen Rückgang der Ausgaben für fossile Energie, Bioenergie und Fernwärme. Die über den gesamten Sektor aggregierten Nettokosten der Wärmewende spiegeln allerdings nicht die hohe Heterogenität des Gebäudebestands in Deutschland wider (Deutsche Energie-Agentur (dena) 2024; Rau et al. 2024). Während der reine Heizungstausch zu Wärmepumpen – wie er im Neubau und Gebäuden in gutem energetischen Zustand in den meisten Fällen Kosten spart (Kapitel 4.3), ist die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden oft mit Mehrkosten verbunden. Daher ist zu erwarten, dass die mit der Wärmewende einhergehenden Kosten und Einsparungen sehr ungleich über den Gebäudebestand verteilt sind.

In der sektorübergreifenden Bottom-up-Betrachtung (Abbildung 8.3b und c) sind zusätzlich zur Wärmewende auch die Kosteneffekte auf den konventionellen Stromverbrauch (ohne Heizstrom) der Haushalte und anderer nicht-industrieller Verbraucher in den Mehrkosten des Gebäudesektors bilanziert. Durch die leicht höheren Strompreise in Technologiemix entstehen hier Mehrbelastungen von circa 2 Mrd. EUR pro Jahr im Mittel von 2025–2045. Teilweise können diese durch eine aus der CO2-Bepreisung finanzierte Minderung von Steuern und Umlagen ausgeglichen werden (Kapitel 8.3).

Im Top-Down-Ansatz ergeben sich jährliche Mehrkosten in Technologiemix gegenüber dem Szenario Existierende Politiken von 26 Mrd. EUR pro Jahr im Mittel der Jahre 2025–2045. Gegenüber dem schwächeren Szenario Ref2020, das die zusätzlichen klimapolitischen Maßnahmen seit 2020 nicht reflektiert, betragen die Mehrkosten 38 Mrd. EUR pro Jahr. Bezüglich der Technologieausrichtung zeigen sowohl der Bottom-up- (Abbildung 8.3b) als auch Top-down-Ansatz (Abbildung 8.4a) deutlich höhere Kosten in Fokus Wasserstoff sowohl im Vergleich zu Technologiemix als auch zu Fokus Elektrifizierung. Dieser ist hauptsächlich auf die Zusatzkosten für die höhere Nutzung von Wasserstoff und seinen Derivaten im Industriesektor zurückzuführen. In der Top-down-Abschätzung aus REMIND ergeben sich leicht geringere Kosten in Fokus Elektrifizierung im Vergleich zu Technologiemix; diese reflektieren hauptsächlich den dort angenommenen schnelleren Hochlauf von batterieelektrischen Fahrzeugen. In den Bottom-up-Modellen sind die Unterschiede zwischen diesen beiden Szenarien hingegen gering, weil bereits Technologiemix das Elektrifizierungspotenzial weitgehend ausreizt.
Bemerkenswert ist der Einfluss der Nachfrageseite auf die Klimaschutzkosten. Im Szenario Niedrige Nachfrage reduzieren sich die Klimaschutzkosten gegenüber Technologiemix um 20 % in der Top-down Abschätzung: Aufgrund der stärkeren Nachhaltigkeitsorientierung der Energienutzung und Materialnachfrage reduziert sich die Größe des Energiesystems und damit der Transformationsaufwand. Umgekehrt führt die träge Nachfragetransformation im Szenario Hohe Nachfrage zu einer deutlich höheren Belastung bei der Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung. Entsprechend sind die Klimaschutzkosten um 80 % höher als in Technologiemix. Überproportional stark ins Gewicht fällt hier der Bedarf für grüne Brennstoffe, der zu hohen zusätzlichen Kosten führt.

Abbildung 8.4: Konsumverluste im Gesamtsystemmodell REMIND im Szenario Technologiemix gegenüber dem Szenario Existierende Politiken. (a) Konsumverluste im Gesamtsystemmodell REMIND im Szenario Technologiemix pro Jahr, im Mittel der Jahre 2025–2045 gegenüber dem Szenario Existierende Politiken bzw. einem Referenzszenario Ref2020, das den Stand der Energiewende Ende 2020 fortschreibt; (b) Klimaschäden und Klimaschutzkosten von 2025–2045 kumuliert und mit 3 % diskontiert, basierend auf UBA Klimakosten-Empfehlung sowie CO2-Emissionen und Top-down Mehrkosten aus dem Gesamtsystemmodell REMIND. Quelle: eigene Darstellung

Für eine breitere Perspektive können die Kosten zur Erreichung der Klimaneutralität in Bezug zum Nutzen des Klimaschutzes gesetzt werden (Abbildung 8.4b). Es gibt zunehmend starke empirische Evidenz dafür, dass die globale Erwärmung in den meisten Erdteilen zu einer messbaren Abschwächung des Wirtschaftswachstums führt (Burke et al. 2015; Kotz et al. 2024). Diese marktlichen Klimaschäden lassen sich auch auf den Klimaeffekt einer einzelnen Tonne CO2 umrechnen – die sogenannten Social Costs of Carbon oder Klimaschadenskosten. Wenn hierfür der niedrigere Wert aus der aktuellen Methodenkonvention des Umweltbundesamt von 300 EUR/t CO2 angesetzt wird (Umweltbundesamt et al. 2024), entsprechen die aktuellen Emissionen Deutschlands Klimaschäden von fast 175 Mrd. EUR pro Jahr. Wie in Kapitel 1.1 diskutiert, besteht eine substanzielle Unsicherheit bezüglich der Höhe dieser Schäden. Der hier genutzte Wert ist sowohl in Bezug auf die in UBA (2024) berechnete Spanne von 300–880 EUR2024/t CO2 als auch die aktuelle akademische Literatur (Bilal and Känzig 2024; Kotz et al. 2024; Moore et al. 2024) als eher konservativ anzusehen.

Mit Erreichen der Klimaneutralität reduziert sich der territoriale Beitrag Deutschlands zum Klimawandel auf Null. Im Mittel der Jahre 2025–2045 ergeben sich im Zielszenario Technologiemix relativ zu Existierende Politiken (THG-Minderung von 80% bis 2045) vermiedene marktliche Schäden von 38 Mrd. EUR pro Jahr. Gegenüber dem Szenario Ref2020, das lediglich die bis 2020 implementierte Politikambition berücksichtigt und 2045 nur eine THG-Minderung von 55 % erreicht, betragen die vermiedenen Klimaschäden in Technologiemix 87 Mrd. EUR pro Jahr.

Betrachtet man die Summe aus Klimaschutzkosten und vermiedenen Klimaschäden (Abbildung 8.4b), lässt sich der wirtschaftliche Nutzen der Klimapolitik ableiten. Die von Deutschland verursachten Klimaschäden betragen – über den Zeitraum 2025–2045 kumuliert und mit 3 % diskontiert – in Ref2020 2.400 Mrd. EUR. Durch existierende Politiken reduziert sich dieser Schaden um circa ein Drittel, im Fall der Zielerreichung 2045 in Technologiemix sogar um mehr als die Hälfte. In beiden Fällen ist der Nutzen des Klimaschutzes deutlich höher als die Kosten der Energiewende.

Bei dieser Betrachtung sollte berücksichtigt werden, dass die Abschätzung der marktlichen Klimaschäden nur die Wirkung des graduellen Klimawandels auf das Wirtschaftswachstum berücksichtigt, nicht aber die Auswirkungen auf Ökosysteme oder die zusätzlichen Schäden durch das Auslösen von Kipppunkten im Erdsystem beinhaltet. Zudem ist der Zusatznutzen des Klimaschutzes etwa durch geringere geopolitische Abhängigkeiten für fossile Energie oder für die Luftreinhaltung nicht berücksichtigt. Selbst bei der hier durchgeführten verengten Berücksichtigung nur der direkten volkswirtschaftlichen Schäden zeigt sich also, dass der Nutzen der Klimapolitik die Klimaschutzkosten deutlich übersteigt.

8.3 Fiskalische Effekte

Die meisten für den Klimaschutz notwendigen staatlichen Interventionen wirken sich direkt auf öffentliche Haushalte aus. Gleichzeitig entstehen durch die CO2-Bepreisung im Rahmen des EU-Emissionshandels und des BEHG fiskalische Einnahmen. Diesen stehen Ausgaben für Fördermaßnahmen und für die Entlastung von privaten Haushalten und Unternehmen entgegen. Die fiskalischen Implikationen der Energietransformation sind naturgemäß von besonders hoher politischer Relevanz. Das gilt in besonderem Maße für den aktuellen klimapolitischen Diskurs in der Bundesrepublik. Angesichts nach unten korrigierter Erwartungen an die Steuereinnahmen (Bundesministerium der Finanzen 2024) und der aktuellen Ausgestaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ist der Spielraum für zusätzliche staatliche Ausgaben begrenzt.

Die Auswirkungen der in dieser Studie modellierten Klimaschutzpfade auf die öffentlichen Haushalte werden hier unter der Annahme einer Weiterführung bestehender Förderparadigmen grob abgeschätzt. Hierbei ist zu beachten, dass die staatlichen Fördervolumina in der Regel nicht explizit in der Modellierung hinterlegt sind, sondern auf Basis der Transformationsdynamik in den Modellen und unter der Annahme einer Weiterführung bestehender Förderparadigmen abgeschätzt wurden (Details sind in den Kapitel 3.4, 4.4, 5.4 und 6.2.2 beschrieben). Die verwendeten Annahmen unterliegen hohen Unsicherheiten. Daher sind die hier berechneten Werte als indikative Abschätzungen und nicht als robuste Prognose zu betrachten.

Die Analyse zeigt, dass die potenziellen fiskalischen Belastungen durch staatliche Fördermaßnahmen vor allem aus der Förderung der Energiewirtschaft, der Wärmewende im Gebäudebereich sowie klimafreundlicher Produktionsverfahren dominiert werden. Auf der einen Seite spiegeln diese die hohen Investitionsbedarfe für die Energiewirtschaft und die Wärmewende im Gebäudebereich wider, die mit verschiedenen Förderinstrumenten begleitet werden. Die Ausgaben für die Industrie sind hingegen im Wesentlichen durch die höheren Brennstoffkosten für die grüne Produktion von Grundstoffen wie Stahl, Kunststoff oder Düngemittel bestimmt. Aufgrund der zunehmend hohen Wettbewerbsfähigkeit von batterieelektrischen Fahrzeugen sind die energiewendebezogenen Förderbedarfe im Verkehr im Vergleich zu den anderen Sektoren klein; ohne die zusätzliche Förderung für Ausbau von Schiene und ÖPNV von etwa 5 Mrd. EUR pro Jahr betragen sie im Basisfall max. 2 Mrd. EUR pro Jahr in 2030 (Abbildung 8.5). Staatliche Fördermaßnahmen im Stromsystem haben vor allem das Ziel, die Belastung des Strompreises durch Umlagen, Steuern und Abgaben zu reduzieren. Angesichts der Schlüsselrolle der Elektrifizierung ist die Reduktion dieser Preiskomponenten auch von hoher Bedeutung für die Wärmewende, die Antriebswende im Verkehrssektor und den Klimaschutz in der Industrie.

Zentrale Interventionen zur Dämpfung des Strompreises sind (1) die Umstellung der Finanzierung der EEG-Kosten auf den Bundeshaushalt anstatt einer Umlage auf den Strompreis und (2) die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum, die mit 7–11 Mrd. EUR pro Jahr in 20252045 zu Buche schlagen kann (Kapitel 6.1.2). Weil ein Großteil der EEG-Kosten auf die Förderung von Altanlagen zurückzuführen ist und die Energiesteuer auf Strom höher ist als auf Erdgas, wirken diese Maßnahmen tendenziell Marktverzerrungen entgegen. Zusätzlich wird derzeit diskutiert, die Netzentgelte ganz oder teilweise steuerfinanziert zu reduzieren (Handelsblatt 2024).

Die EEG-Kosten werden ab 2030 deutlich sinken (von 16 Mrd. EUR pro Jahr im Basisfall auf etwa 47 Mrd. EUR pro Jahr in 2035–2045, weil die Bestandsanlagen mit hohen Fördersätzen schrittweise aus der EEG-Förderung fallen, die Vergütungssätze für neuere Anlagen deutlich weniger stark von den Marktwerten abweichen und durch die Umstellung auf zweiseitige Differenzverträge die Fördereffizienz weiter steigt (Kapitel 6.3.1)). Im Bereich der Wärmewende schlagen die Fördermaßnahmen zur Gebäudesanierung und zum Heizungstausch im abgeschätzten Basisfall in 2025-35 mit 5–11 Mrd. EUR pro Jahr zu Buche (Kapitel 4.4). In der Projektion führt insbesondere der zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudebereich notwendige beschleunigte Hochlauf von Wärmepumpen zu einer Erhöhung der Förderbedarfe.

In Summe ergeben sich im Basisfall (mittlere Abschätzung) fiskalische Belastungen durch energiewendebezogene Fördermaßnahmen auf von circa 40 Mrd. EUR pro Jahr für 2025-45. Dem zunehmenden Förderbedarf für die Wärmewende und die klimaneutrale Grundstoffproduktion in der Industrie stehen sinkende fiskalische Ausgaben für die EEG-Umlage gegenüber. Gemäß der mittleren fiskalischen Abschätzung könnten die Förderbedarfe zwischen 2035 und 2045 deutlich auf etwa 20 Mrd. EUR pro Jahr sinken. Dieses Ergebnis hängt allerdings entscheidend davon ab, ob die infolge des Stromnetzausbaus absehbar steigenden Annuitäten für die Netzinfrastruktur (Kapitel 6.3.3) vollständig auf die Endkunden gewälzt werden oder, wie derzeit diskutiert (Bundesregierung 2024), teilweise durch fiskalische Mittel finanziert werden.

Ein weiterer wichtiger Treiber der fiskalischen Bedarfe ist das Fördervolumen für klimaneutrale Prozesse in der Industrie (Kapitel 5.4). Die Mehrkosten für diese CO2-neutralen Prozesse wird zum einen maßgeblich durch den Umfang bestimmt, in dem grüner Wasserstoff und Wasserstoffderivate zum Einsatz kommen, weil hier die Wirtschaftlichkeitslücke am höchsten ist. Dieser Bedarf an grünen Molekülen unterscheidet sich deutlich über die Szenarien hinweg (Kapitel 5.1). Zum anderen hängen die fiskalischen Bedarfe stark davon ab, zu welchem Anteil diese Wirtschaftlichkeitslücke durch staatliche Förderung überbrückt wird. In der mittleren Abschätzung der Förderbedarfe für Technologiemix, in der die Fortschreibung der bisherigen Klimaschutzverträge für die Industrie angenommen wird, steigt das Fördervolumen für die Industrie auf knapp 10 Mrd. EUR pro Jahr in 2035/2040 an. Falls die Wirtschaftlichkeitslücke vollständig gedeckt würde, ergäben sich Förderbedarfe von über 30 Mrd. EUR pro Jahr in 2035/2040 (hohe Abschätzung, Abbildung 8.5).

Abbildung 8.5: Energiewende-bedingte Ausgaben und Einnahmen des Staates. Einnahmen = CO2-Bepreisung (EU ETS und nationaler Emissionshandel)32Fortschreibung der Einnahmen in 2024 (Umweltbundesamt 2025) mittels CO2-Preisprojektionen für EU ETS/BEHG aus den Gesamtsystemmodellen und der Entwicklung der CO2-Emissionen aus REMIND, Technologiemix, in den unter das ETS/BEHG fallenden Sektoren.; Ausgaben = Basisfall auf der Basis aktueller Förderung und der Notwendigkeit im Szenario Technologiemix, Hoch und Niedrig ist Schätzung für höhere/niedrige Förderung. Quelle: eigene Darstellung

Eine zentrale Einnahmequelle im Rahmen der Energiewende ist die Bepreisung von CO2 im Rahmen des EU-ETS 1 sowie dem Brennstoffemissionshandelsgesetz bzw. ab 2027 im ETS 2. Auf Grundlage der Emissionen und CO2-Preisen in den modellierten Szenarien ergeben sich für das Jahr 2030 erwartete Einnahmen aus den europäischen Emissionshandelssystemen 1 & 2 von circa 50 Mrd. EUR pro Jahr, die allerdings nicht vollständig an Deutschland fließen, sondern zu Teilen innerhalb der EU umverteilt werden. Würden diese Einnahmen vorrangig für Klimaschutzmaßnahmen verwendet werden, könnten sie einen Großteil der staatlichen Fördermaßnahmen finanzieren. Teilweise konkurrieren die hier diskutierten Förderbedarfe mit Ansätzen, über eine pro-Kopf-Rückerstattung der CO2-Einnahmen oder eine Härtefall-Kompensation die Klimaschutzkosten für Haushalte abzufedern (Kalkuhl et al. 2023a).

Abbildung 8.6: Vergangene Investitionen und jährlicher Investitionsbedarf bis 2030 in der Energiewirtschaft in Deutschland in Mrd. EUR. Daten von Bundesnetzagentur & Bundeskartellamt, 2010, 2023; O’Sullivan et al., 2019, 2023; VDZ, 2024; Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, 2024). Quelle: eigene Darstellung

9. Fazit – Politikimplikationen für eine kosteneffiziente Erreichung der Klimaneutralität

Die Analysen dieser Studie zeigen, wie tiefgreifend der Umbau der Volkswirtschaft ist, der durch Klimaschutzanforderungen und Energietechnologierevolution induziert wird. In Summe führt die Klimatransformation zu Investitionen von 116–131 Mrd. EUR pro Jahr. Ein Großteil der Investitionen wird aus privaten Mittel geschöpft werden, aber auch die öffentliche Hand wird energiewendebezogene Fördermaßnahmen in Milliardenhöhe finanzieren.

Der Kostenvergleich der Szenarien in Kapitel 8.2 zeigt jedoch auch, dass diesen Investitionen substanzielle Einsparungen bei fossiler Energie entgegenstehen und so die Netto-Mehrkosten bei kosteneffizienten Strategien für die Erreichung der Klimaneutralität mit 16–26 Mrd. EUR pro Jahr nur einen Bruchteil der Brutto-Investitionen betragen. Nichtdestotrotz bleibt die Aufbringung für die oft kapitalintensiven Klimaschutzmaßnahmen eine Herausforderung, insbesondere aufgrund der zunehmend knappen öffentlichen Mittel.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus der Szenarienmodellierung 20 zentrale Handlungsempfehlungen für eine kosteneffiziente Erreichung der Klimaneutralität in allen Sektoren.

9.1 Stromsystem und Energiewirtschaft

  • Die konsequente Umstellung auf variable Strompreise und Netzentgelte in allen Verbrauchssektoren als Anreiz für die Bereitstellung systemdienlicher Flexibilität: Während Großkunden bereits zeitvariable Stromtarife haben, sind diese bisher für fast alle Haushalte und andere kleinere Endverbraucher zeitlich konstant. Durch eine Umstellung auf zeitvariable Tarife in Kombination mit Smart Meter und automatisierter Steuerung könnten auch Haushalte den Betrieb von Wärmepumpen oder das Laden von Elektrofahrzeugen in Stunden mit geringer Knappheit oder erneuerbarem Überangebot verschieben und so einerseits Kosten sparen (und möglicherweise sogar Einnahmen erzielen) und andererseits das Netz entlasten (Lohr et al. 2025). Die derzeitigen Bedingungen zur Mindestnutzung von Netzanschlüssen (7.000-Stunden-Regel) für die Netzentgeltbefreiung von Industriebetrieben führt zu massiven Fehlanreizen entgegen systemdienlicher Lastflexibilisierung (Bundesnetzagentur 2024c; Hirth and Eicke 2024; Agora Energiewende 2024; Agora Industrie 2024; FIM 2024; RAP 2024). Eine Umstellung auf zeitvariable Netzentgelte hat hier hohe Priorität, um Systemkosten zu senken.
  • Einführung regionaler Strompreise: Örtlich differenzierte Preise haben eine Koordinationsfunktion für den Umgang mit Netzengpässen: Sie schaffen einerseits Anreize für eine netzdienliche Platzierung von Erzeugungskapazitäten, Speichern und Elektrolyseuren und andererseits für eine netzdienliche Nutzung von Flexibilitäten in Stunden akuter Netzengpässe. Netzausbau und Redispatch können so deutlich reduziert werden. Die Modellierung zeigt, dass die dadurch mögliche Senkung der Netzentgelte die räumlichen Preisunterschiede deutlich überwiegt (Kapitel 7.1.2), sodass alle Regionen in Deutschland im Falle der räumlichen Differenzierung niedrigere durchschnittliche Preise aufweisen, als bei einem Festhalten an einer Einheitspreiszone.
  • Temporäre Belastungen abfedern: Netzausbaukosten gleichmäßig über längeren Zeithorizont verteilen: Die Netzentgelte erreichen in den Jahren 2025–2030 einen Höchststand und sinken danach wieder wegen des zunehmenden Strombedarfs. Ähnlich wie beim Wasserstoff-netz könnte ein Amortisationskonto eingerichtet werden, um die Kosteninzidenz gleichmäßiger über einen längeren Zeitraum auszugleichen.
  • Erneuerbaren Ausbau und Förderung an den spezifischen systemischen Nutzen anpassen: Verschiedene erneuerbare Stromer-zeugungstechnologien unterscheiden sich stark bei Gestehungskosten, Marktwerten und den Anschlusskosten. Die Modellergebnisse zeigen einen hohen systemischen Wert von Windenergie, da die überproportional hohe Erzeugung im Winter gut mit der Energienachfrage übereinstimmt. Den systemischen Nutzen gilt es bei EEG-Ausschreibungsvolumina und Fördersätzen zu berücksichtigen. Der eingeleitete Paradigmenwechsel von fixen Einspeisevergütungen bei kleinen Dach-PV-Anlagen zu zunehmend marktbasierter Vergütung und Auflagen für intelligente Steuerung stärkt die Systemdienlichkeit und sollte in weiteren Reformschritten vertieft werden.
  • Ein klimaneutrales System integriert und optimiert planen: Der Ausbau des Stromübertragungsnetzes ist von zentraler strategischer Bedeutung für die Energiewende, jedoch kostenintensiv. Durch eine integrierte, sektorübergreifende Planung und regionale Preise sowie eine flexiblere Anbindung der Offshore-Windenergieerzeugung und in geringerem Umfang, eine Priorisierung von Freileitungen anstatt Erdverkabelung für nach 2030 gebaute HGÜ-Leitungen, können jedoch erhebliche Kosteneinsparungen von bis zu 92 Mrd. EUR bis 2045 erzielt werden. Damit können die Netzentgelte langfristig um durchschnittlich 7,50 EUR/MWh gesenkt werden.
  • Technologieoffenheit bei Backup-Stromerzeugung: Bei ausreichender Nutzung der Flexibilitätspotenziale des Stromsystems kann der Anteil regelbarer Backup-Erzeugung im klimaneutralen Stromsystem auf ungefähr 5 % der Gesamtstromerzeugung begrenzt werden. Grüner Wasserstoff, Wasserstoffderivate und Bioenergie ermöglichen CO2-neutrale Backup-Stromerzeugung, variieren räumlich aber stark in ihrer Verfügbarkeit. Angesichts geringer Volllaststunden und der Deckelung der Emissionen über das EU-ETS kommt auch eine fortdauernde Nutzung von Gaskraftwerken als Backup-Systeme infrage. Die Weiterentwicklung der Kraftwerks- und Systementwicklungsstrategien der Bundesregierung sollte angesichts dieser Unsicherheit durch marktbasierte Ansätze Kosteneffizienz sicherstellen.

9.2 Nachfragesektoren

9.2.1 Verkehrssektor

  • Klare politische Signale für die Elektrifizierung des Individualverkehrs: Die Detailanalyse in Kapitel 3 und die breitere Literatur (Agora Verkehrswende et al. 2018; Wietschel et al. 2019; Basma and Rodriguez 2023; Göckeler et al. 2023; Krail and Plötz 2023) zeigen klar, dass Elektromobilität in Bezug auf die Gesamtnutzungskosten schon mittelfristig deutlich günstiger als konventionelle Verbrennungsfahrzeuge sein wird. Mit Blick auf die Mobilitätskosten und industriepolitischen Chancen scheint es sinnvoll, die Antriebswende zu beschleunigen. Angesichts des unvermeidlichen globalen Trends zur Elektromobilität (International Energy Agency 2024) ist es auch im langfristigen industriepolitischen Interesse, durch die beschleunigte einheimische Antriebswende die Technologieentwicklung voranzutreiben und so der zunehmenden automobilwirtschaftlichen Konkurrenz aus China zu begegnen (Tordoir and Setser 2025).
  • Flottengrenzwerte der EU beibehalten: Ein zentraler Baustein für die Elektrifizierung des individuellen Verkehrs sind die EU-Flottengrenzwerte (European Union 2019; European Commission). Für Pkw sehen diese eine schrittweise Absenkung der CO2-Grenzwerte für Neuwagen auf Null bis 2035 vor, für Lkw eine 90 %-ige Reduktion der Emissionsintensität von Neufahrzeugen bis 2040. Eine Aufweichung dieser Regulierung würde nicht nur den Klimaschutz im Verkehr massiv zurückwerfen, sondern auch zu Mehrkosten führen und wäre industriepolitisch kontraproduktiv.
  • Hochlauf synthetischer Kraftstoffe für Flug- und Schiffsverkehr vorantreiben: Während der landgebundene Verkehr größtenteils elektrifiziert werden könnte, sind für die CO2-Neutralität der Luft- und Schifffahrt (v.a. im internationalen Verkehr) synthetische Kraftstoffe unumgänglich. Die in der REFuelEU-Verordnung der EU (European Comission) festgesetzten schrittweise ansteigenden Beimischungsquoten von E-Fuels in Flugkerosin sind ein bedeutsames Politikinstrument, um den Einstieg in die Defossilisierung dieser Verkehrsmodi sicher zu stellen. Diese Verordnung sollte zeitnah konkret implementiert werden, um Investitionssicherheit zu schaffen und den Markthochlauf von E-Fuels durch eine planbare Nachfrage zu sichern.

9.2.2 Gebäudesektor

  • Klare politische Signale für den Umstieg auf klimaneutrale Heizsysteme: Nach wie vor haben Gas- und Ölheizungen einen Anteil von circa 70 % am Absatz von Heizungsanlagen in Deutschland (Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. 2024). Angesichts der typischen Nutzungsdauer von 20 Jahren droht diese Entwicklung in einer Kostenfalle zu münden. Um den Beitrag des Gebäudesektors zur Erreichung der Klimaziele sicherzustellen, wird ein großer Teil dieser fossilen Energieerzeuger vor Ende ihrer technischen Lebenszeit durch klimafreundliche Heizungen ersetzt werden müssen. Eine großskalige Umstellung auf grüne Gase oder Flüssigkraftstoffe wäre angesichts der zu erwartenden Knappheiten für Bioenergie und E-Fuels unwirtschaftlich und vermutlich unrealistisch.

    Wärmepumpen sind aus systemischer Sicht die kostengünstigste Alternative für die Dekarbonisierung der dezentralen Wärmeversorgung (Kapitel 4.1 und 4.2). Daneben spielt in allen Zielszenarien die zentrale Wärmeversorgung über Wärmenetze eine wichtige Rolle. Hier kommen zur Wärmebereitstellung Großwärmepumpen, KWK-Anlagen, Geothermie, Biomasse und Solarthermie zum Einsatz.
  • Entlastung des Strompreises im Wärmesektor: Entscheidend für die Rentabilität von Wärmepumpen ist das Verhältnis zwischen Strom- und Gaspreis (Rosenow et al. 2022; Letz et al. 2025). Bisher ist dieses in Deutschland aufgrund einer höheren Belastung des Stroms mit Steuern und Umlagen im Vergleich zu den meisten europäischen Nachbarn ungünstig (EHPA 2024). Sowohl eine Erhöhung des CO2-Preises für fossile Energienutzung in Gebäuden als auch eine Senkung der Umlagenbelastung des Strompreises reduzieren Marktverzerrungen und begünstigen den Einsatz von Wärmepumpen.
  • Investitionskosten für klimaneutrale Heizsysteme zielgenau fördern: Ein zentrales Hemmnis beim Austausch des Heizsystems sind die hohen Anschaffungskosten, die sich in der Regel erst langfristig durch reduzierte Energiekosten amortisieren. Insbesondere für Bestandsgebäude ist eine Investitionsförderung wichtig, um den notwendigen Hochlauf von Wärmepumpen zu erreichen. Durch eine stärkere Differenzierung der Gebäude gemäß der spezifischen Transformationskosten könnte die Förderung zielgenauer und sozial gerecht ausgerichtet und Mitnahmeeffekte minimiert werden (Kalkuhl et al. 2023b).
  • „Worst-First-Prinzip”- Sanierungsmaßnahmen und Energieträgerwechsel zusammen denken: Ein einseitiger Fokus auf die Dekarbo-nisierung der Heizsysteme ist nicht ausreichend. Durch energetische Sanierungsmaßnahmen kann der Energiebedarf in Gebäuden gesenkt werden, was zu geringeren Verbrauchskosten, geringeren Treibhausgasemissionen und einer geringeren Dimensionierung der benötigten Versorgungsinfrastruktur führt. Gemäß der Zielszenarien ist eine Verdopplung der Sanierungsrate für eine kosteneffiziente Transformation nötig. Eine zentrale Rolle kommt hierbei der priorisierten Sanierung der Gebäude mit den höchsten Wärmeverbräuchen („Worst-Performing-Buildings“) zu.

9.2.3 Industriesektor

  • Elektrifizierung von Prozessen priorisieren: Eine Elektrifizierung der Prozesswärme ist in vielen Branchen möglich und häufig mit Effizienzgewinnen gegenüber einem Einsatz von Wasserstoff verbunden. Dennoch wird dieser in einigen Branchen, wie z.B. der Stahl- und Chemieindustrie, unverzichtbar bleiben und die Bereitstellung sowie der Infrastrukturausbau sollten unverzögert vorangetrieben werden.
  • Hemmnisse für einen marktorientierten Hochlauf klimaneutraler Lösungen abbauen: Die vollständige Umstellung einzelner energieintensiver Anlagen von fossilen Energieträgern wie Erdgas oder Kohle auf klimaneutralen Wasserstoff oder Strom ist in den Szenarienrechnungen im Zeitraum bis etwa 2035 für viele Prozesse noch nicht wirtschaftlich. Die teilweise Umstellung in hybriden Systemen, beispielsweise mit Gas und Strom oder Gas und Wasserstoff, können Lösungen bieten, um dennoch die Transformation zu beginnen und Kosten zu sparen. Derzeit verhindern aber beispielsweise die bestehende Stromnetzentgeltstruktur oder Bedingungen von Förderprogrammen mit sehr hohen Anforderungen an die kurzfristige Treibhausgasminderung den Einsatz flexibler Systeme (Fleiter et al. 2024).
  • Stoffkreisläufe schließen und Circular Economy stärken: Ein ganz erhebliches Effizienzpotenzial besteht in der Kreislaufwirtschaft. So wird beispielsweise für die Sekundärroute, also recycelter grüner Stahl aus Schrott, circa 75–80 % weniger Energie als bei der Primärstahlerzeugung (Birat 2010) benötigt. Weiterhin wird für das Stahlrecycling im Lichtbogenofen vorwiegend Strom genutzt, während für grünen Primärstahl vor allem Wasserstoff zum Einsatz kommt. Entscheidend für den weiteren Fortschritt bei der Sekundärstahlproduktion sind Innovationen bei Recycling und Sortierung von Schrott, die es ermöglichen, auch bei Sekundärstahl hohe Stahlqualitäten zu erzielen. In ähnlicher Weise könnte der Bedarf an grünen Molekülen für die Kunststoffindustrie deutlich gesenkt werden, wenn es auch hier gelingt, den Recycling-Anteil substanziell zu erhöhen.

9.3 Synergie durch die europäische Integration

  • Einführung des ETS 2 absichern und national vorbereiten: Der Erfolg des Europäischen Emissionshandels ist messbar: Relativ zu 2005 sind die Emissionen in den durch den EU-ETS abgedeckten Bereichen Energiewirtschaft und große Industrieanlagen zwischen 2005 und 2023 um circa 48 % gefallen (European Environment Agency 2024). Auch in den hier vorgelegten Szenarien zur Klimaneutralität ist die Annahme einer umfassenden CO2-Bepreisung eine entscheidende Voraussetzung für die Erreichung der Klimaneutralität. Mit der Einführung des ETS 2 im Jahr 2027 weitet die CO2-Bepreisung auf die energiebedingten Emissionen insbesondere aus den bisher (auf gesamteuropäischer Ebene) nicht abgedeckten Bereichen Straßenverkehr und Gebäude aus. Das führt einerseits zu einer europaweiten Vereinheitlichung in diesen Sektoren, und reduziert andererseits den Unterschied zur Bepreisung in der Energiewirtschaft und Industrie.

    Die Einführung des ETS 2, die derzeit unter erheblichen politischen Druck gerät, sollte von der Bundesregierung verteidigt und auf nationaler Ebene vorbereitet werden. Insbesondere ist eine soziale Abfederung der höchstwahrscheinlich steigenden Verbraucherpreise, insbesondere für einkommensschwache Gruppen notwendig. Eine spätere Zusammenführung von ETS 1 und ETS 2 kann weitere Effizienzgewinne ermöglichen.
  • Erweiterung des ETS um CO2-Entnahme vorbereiten: In einem nächsten Schritt sollte auch über die Einführung von Zertifikaten für die Entnahme von CO2 in den Emissionshandel vorbereitet werden (European Scientific Advisory Board on Climate Change. 2024). Die Szenarien zeigen, dass zusätzlich zur Vermeidung fossiler Emissionen und zu natürlichen Senken auch eine technische CO2-Entnahme gebraucht wird, um unvermeidliche Emissionen, beispielsweise aus der Landwirtschaft, zu kompensieren. Diese sollte durch Preissignale entsprechend angereizt werden.
  • Stärkung des Energiebinnenmarktes durch grenzüberschreitenden Infrastrukturausbau: Durch die massive Ausweitung der erneuerbaren Stromerzeugung gewinnt die Möglichkeit, Schwankungen von Stromangebot und -nachfrage durch grenzüberschreitenden Handel auszugleichen, massiv an Bedeutung. Die Ariadne-Szenarien zeigen, dass Deutschland mit seiner zentralen Lage innerhalb des europäischen Stromnetzes in besonderem Maße vom europäischen Binnenmarkt profitiert (Kapitel 6.1.3). Es liegt daher im Interesse der Bundesrepublik, den Strombinnenmarkt insbesondere durch Koordination des grenzüberschreitenden Netzausbaus (Heussaff 2024; Zachmann et al. 2024) zu stärken.
  • Einen koordinierten europäischen Ansatz für den Wasserstoffhochlauf und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nehmen: Für den Markthochlauf von Wasserstoff und beim Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur ist europäische Koordination zentral. Neben der einheimischen flexiblen Produktion von Wasserstoff wird Deutschland auch auf Importe von Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten angewiesen sein, um den Bedarf zu decken. Dabei wird ein innereuropäischer Wasserstoffhandel über Pipeline-Importe eine wichtige Säule einer kosteneffizienten Wasserstoffversorgung. Eine Koordination für die Herstellung energieintensiver Vorprodukte an wind- und sonnenreichen europäischen Standorten kann zu der Erhaltung der wertschöpfungsstarken weiterverarbeitenden Produktionsschritte (wie beispielsweise die Weiterverarbeitung in der chemischen Industrie oder die Herstellung von Spezialstählen für die Automobilindustrie) an anderen Standorten sinnvoll sein (Verpoort et al. 2024a). Partnerschaften mit europäischen Ländern für den Import können dabei Abhängigkeiten von Drittländern mindern und die Resilienz steigern. Ein verstärkter europäischer Ansatz für die Förderung der Transformation durch bestehende oder neue europäische Instrumente (z.B. grüne Leitmärkte) kann die Kosteneffizienz erhöhen und Wettbewerbsverzerrungen mindern.

Glossar

Abkürzungsverzeichnis


Für Ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Berichts, während des Reviews und beim finalen Layout bedanken sich die Autoren sehr herzlich bei Ann-Katrin Schenk, Ottmar Edenhofer, Michèle Knodt, Ulrich Fahl, Christopher Leisinger, Benjamin Pfluger, Falko Ueckerdt, Valentin Preis, Matthias Koch, Stefan Niessen, Max Dauer, Hanno Stagge, Dorothe Ilskens und Nicole Krüger. Großer Dank geht außerdem an alle
Modelliererinnen und Modellierer, die mit ihrer kontinuierlichen Arbeit an den verwendeten Modellen die Entwicklung der Szenarien überhaupt möglich machen.

Der vorliegende Ariadne-Report wurde von den oben genannten Autorinnen und Autoren des Ariadne-Konsortiums ausgearbeitet. Er spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung des gesamten Ariadne-Konsortiums oder des Fördermittelgebers wider. Die Inhalte der Ariadne-Publikationen werden im Projekt unabhängig vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erstellt.

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Autorinnen & Autoren

Prof. Dr. Gunnar Luderer

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Dr. Frederike Bartels

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Prof. Dr. Tom Brown

Technische Universität Berlin

Felix Schreyer

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Dr. Dominika Sörgel

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Robin Hasse

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Johanna Hoppe

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Dr. Robert Pietzcker

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Dr. Philipp C. Verpoort

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Dr. Till Gnann

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Dr. Daniel Speth

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Fabio Frank

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Dr. Michael Krail

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Clara Aulich

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Dr. Patrick Plötz

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung

Hannah Nolte

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Dr. Christoph Kost

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme

Charlotte Senkpiel

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme

Sebastian Herkel

Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme

Dr. Matthias Rehfeldt

Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung

Dr. Andrea Herbst

Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung

Dr. Tobias Fleiter

Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung

Marius Neuwirth

Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung

Michael Lindner

Technische Universität Berlin

Norman Gerhardt

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik

Toni Elia Seibold

Technische Universität Berlin

Julian Geis

Technische Universität Berlin

Helen Ganal

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE

Alyssa Gunnemann

ETH Zürich

Dr. Bjarne Steffen

ETH Zürich

Falk Benke

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung