

Dr. Nicolas Koch
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
„E-Autos müssen attraktiver werden.“
Dr. Nicolas Koch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Leiter des Arbeitspaktes „Verkehrswende“ im Kopernikus-Projekt Ariadne, spricht im Interview darüber, was es für eine erfolgreiche Verkehrswende braucht und wann Klimapolitik ihre Wirkung vollständig entfaltet.
Nicolas, was ist das Spannendste, woran du derzeit arbeitest?
Wir bauen gerade den Verkehrswendemonitor aus. Das ist eine interaktive Webseite, auf der sich alle Interessierten darüber informieren können, wo wir innerhalb der Verkehrswende stehen, was unsere Ziele sind und wie wir sie erreichen können. Wir versuchen unsere Idee einer lebendigen Evidenzkarte umzusetzen.
Worum geht es in deinem Arbeitspaket Verkehrswende genau?
Es geht im Großen und Ganzen um die Frage, wie wir die Verkehrswende schaffen. Es handelt sich um einen der Sektoren, der Emissionen in der Vergangenheit nicht reduziert sowie die Reduktionsziele nicht erreicht hat. Wir haben in diesem Sektor auch weiterhin Diskussionen darüber, was die richtigen Technologien und Politiken sind, um die Ziele zu erreichen. Wir versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen. Auf der einen Seite haben wir Teams, die mit Szenarioanalysen greifbarer machen, wie Zukunftswelten aussehen könnten. In meiner Gruppe bringen wir möglichst reichhaltige Daten zusammen, um zu lernen, was wirkt. Welche Maßnahmen kann Politik ergreifen, damit Emissionen sinken, zum Beispiel indem es attraktiver wird, auf das E-Auto umzusteigen oder stattdessen den ÖPNV zu nutzen?
Mit welchen Methoden arbeitest du?
Wir arbeiten mit Statistik zur Beantwortung von kausalen Fragen. Wir möchten auseinanderhalten, ob Emissionen sinken, weil eine bestimmte Politik implementiert war oder weil gleichzeitig zum Beispiel eine Krise herrschte, wie die Corona-Krise mit anhaltenden Änderungen beim Mobilitätsverhalten, oder andere zufällig gleichzeitig auftretende Dinge geschehen sind. Wir versuchen den Ursache-Wirkung-Zusammenhang bei der Evaluierung von Politikmaßnahmen herauszustellen. Unser Ziel ist, der Politik damit robuste Evidenz zur Verfügung zu stellen, welche Maßnahmen die größte Wirksamkeit versprechen.
Welche Bereiche innerhalb der Verkehrswende sind entscheidend, damit wir unsere Klimaziele erreichen?
Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass E-Autos schneller attraktiver für Menschen werden. Wir haben in Deutschland 49 Millionen Autos, davon sind etwa drei Prozent elektrisch. Selbst wenn wir annehmen, dass bald 50 Prozent aller verkauften Neuwagen elektrisch sind, wären das immer noch lediglich 15 Prozent vom gesamten Autobestand. Wir wissen aus unseren Modellierungen, dass 40 bis 60 Prozent unseres Autobestands in 2030 elektrisch sein müssten, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Und das kann nur funktionieren, wenn wir es attraktiver machen, schneller auf ein E-Auto umzusteigen. Ich sehe die größte Herausforderung in der Nachfrage der Bürgerinnen und Bürger.
Welche Maßnahmen wären deiner Meinung nach am effektivsten?
Der Blick in erfolgreiche Länder, ist an dieser Stelle spannend. Ich denke da beispielsweise an Norwegen, wo weit über 90 Prozent aller Neuwagen elektrisch sind. In Schweden sind es circa 40 Prozent. Beide Länder setzen da an, dass die Anschaffung eines E-Autos teurer ist als bei einem Verbrennerfahrzeug. Die Politik neutralisiert das durch finanzielle Anreize – oder kehrt es sogar um. Ganz konkret bedeutet das: Wenn man in diesen Ländern ein E-Auto kauft, bekommt man einen Bonus oder muss bestimmte Steuern, die sonst anfallen, nicht zahlen. Wenn man einen Sprit intensiven Verbrenner kauft, muss man dagegen draufzahlen. Man nennt das auch Bonus-Malus-System. Und das sorgt dafür, dass in Norwegen der Kauf des elektrischen Fahrzeugs viel günstiger ist als der des vergleichbaren Verbrennerfahrzeugs. Gleichzeitig haben Norwegen und Schweden einen CO2-Aufschlag auf Sprit. Das stärkt den Vorteil des Elektroautos, das in seinem Betrieb günstiger ist als ein Verbrenner.
Worauf sollte geachtet werden, damit die Verkehrswende sozial gerecht verläuft?
Die Frage nach der sozial gerechten Ausgestaltung ist total wichtig. Ich denke, in dem Bereich ist noch großes Potenzial, wenn wir die Rolle von Förderprogrammen im Kontext einer CO2-Bepreisung systematisch zusammendenken. Durch einen CO2-Aufschlag können wir ein altes Auto unattraktiver machen, sodass sich ein Umstieg aufs E-Auto finanziell lohnt. Gleichzeitig haben die Menschen dadurch finanzielle Herausforderungen. An dieser Stelle kommen Förderprogramme ins Spiel, damit ich eine Alternative finde, die ich mir auch leisten kann. Wenn man diese Maßnahmen enger zusammendenkt, bekommt man einen Mix für eine sozial gerechte Verkehrswende.
Was wurde in den vergangenen fünf bis zehn Jahren versäumt?
Da komme ich wieder auf die Förderprogramme zurück. Ich sehe es als ein Versäumnis, dass Politik manchmal den Anschein ergeben hat, dass man durch das Prinzip „Viel hilft viel“ die Klimaziele erreicht. Unsere Forschung zeigt ganz klar: Dem ist nicht so. Es geht darum, gezielte Maßnahmen aufzusetzen, anstatt nach dem Gießkannenprinzip alle ein bisschen zu fördern. Gerade in Zeiten angespannter Haushalte und einer geschwächten Wirtschaft müssen wir denjenigen helfen, die sich ohne staatliche Unterstützung kein Elektroauto leisten können. Da sind wir wieder bei dem Thema soziale Gerechtigkeit. Und weil wir aus unserer Forschung auch wissen, dass Förderprogramme alleine nicht helfen, müssen diese eingebettet sein in die CO2-Bepreisung. Sie sorgt im Hintergrund dafür, dass alte Technologien und hoher Energieverbrauch planbar mit steigenden Kosten verbunden sind, die Bürgerinnen und Bürger dann zum Suchen nach Alternativen bewegen. Aus einer solchen abgestimmten Kombination von Förderprogrammen und CO2-Bepreisung entfaltet sich die Wirkung von Klimapolitik.
Welche Rolle oder Bedeutung nimmt das Deutschlandticket deiner Einschätzung nach innerhalb der Verkehrswende ein?
Das Deutschlandticket setzt den Anreiz, weniger Auto zu fahren, dadurch, dass der öffentliche Verkehr günstiger wird. Unsere Forschung zeigt, dass das erfolgreich war. Eine beachtliche Anzahl an Menschen ist vom Auto in den ÖPNV, insbesondere Regionalzüge, gewechselt. Das geht auch mit einem bedeutenden CO2-Rückgang einher. Das D-Ticket leistet einen wichtigen Klimabeitrag, aber auch finanzielle Entlastung bei den Mobilitätskosten in einer Zeit, in der der Inflationsdruck hoch ist. In der Zukunft, wenn die CO2-Preise immer stärker anziehen werden, ist eine Entlastungsmaßnahme wie das Deutschlandticket zentral. Ich denke, nimmt man beides zusammen – macht Alternativen zum Verbrenner wie den ÖPNV attraktiver und bringt finanzielle Entlastung – kann man Bürgerinnen und Bürger von dem Versuch, die Verkehrswende sozial gerecht zu gestalten, überzeugen und mitnehmen.
Wie beurteilst du die Preiserhöhung auf 63 Euro ab Januar 2026?
Die einfache Antwort ist: Wir wissen es nicht genau. Das möchten wir uns basierend auf den Voranalysen noch einmal anschauen. Von der letzten Preiserhöhung wissen wir, dass die Zahlen nicht so eingebrochen sind, wie es viele Analysen vorab erwartet haben, inklusive unserer eigenen. Es wäre wünschenswert, wenn das wieder so kommt.
Wie blickst du in die Zukunft?
Mein Blick in die Zukunft ist angespannt. Die geopolitischen Herausforderungen, Krieg in Europa, ein Zulauf zu Populismus, Angriffe auf zentrale demokratische Institutionen – all das macht einen klimapolitischen Rücklauf so viel wahrscheinlicher.
Auf der anderen Seite bin ich ganz optimistisch, dass wir hier und auch an anderen Orten neue Gedanken entwickeln können, wie Klimapolitik ausgestaltet sein kann, damit sie bislang unerreichte Bevölkerungsgruppen in den Blick nimmt, die nicht Teil der „grünen Blase“ sind. Das ist zukünftig zentral und genau das, was wir in Ariadne tun.