Albin Marciniak / Adobe Stock
pdf
Open Publikation

Kernbotschaften

Der Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ (Jäkel, de Maizière, Steinbrück und Voßkuhle 2025) ist seit seinem Erscheinen viel beachtet und kontrovers diskutiert worden. Der Bericht adressiert unter anderem Defizite der Klima- und Energiepolitik und benennt konkrete Reformoptionen. In diesem Kurzdossier setzen sich Forschende aus dem Projekt Ariadne kritisch mit diesem begrüßenswerten Impuls auseinander. In unserer Analyse fokussieren wir auf die in der Klima- und Energiepolitik identifizierten Defizite und aufgezeigten Lösungsvorschläge.

  • Unser Ergebnis ist, dass die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates in der Klima- und Energiepolitik weniger ein Problem unklarer Aufgabenverteilung als adäquater Koordination im Mehrebenensystem ist. Diese wird in ihrer horizontalen Dimension der regierungsinternen Entscheidungsfindung ebenso wie durch die vertikale Dimension des Föderalismus strukturell herausgefordert.
  • Innerhalb der Bundesregierung behindern parteipolitische Konkurrenz und das stark ausgeprägte Ressortprinzip eine effektive Zusammenarbeit. Zwischen Bund, Ländern und Kommunen fehlt es häufig an strategischer Abstimmung sowie ausreichenden Ressourcen auf den nachgelagerten Ebenen. Grundsätzlich bietet der Föderalismus für eine effektive Klima- und Energiepolitik das Potenzial für Innovation und die Entwicklung differenzierter Lösungen und kann die Legitimität politischer Entscheidungen stärken. Diese funktionalen Vorteile gegenüber zentralisierten Staatsstrukturen setzen allerdings eine hinreichende Priorisierung von Klima- und Energiepolitik durch zentrale Akteurinnen und Akteure, geeignete Koordinationsformate und Ressourcenausstattung der beteiligten Ebenen voraus.
  • Wir identifizieren Handlungsoptionen, die an den tiefliegenden Ursachen (fehlender) staatlicher Handlungs- und Steuerungsfähigkeit in der Energie- und Klimapolitik ansetzen. Unsere übergreifende Empfehlung ist, Koordinationspotenziale auf der horizontalen Regierungsebene und im vertikalen Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden zu heben. So würde eine Neuauflage des Klimakabinetts weniger von einer Geschäftsstelle profitieren – so der Vorschlag der Initiative – als von einem starken politischen Mandat der Ministerien seitens der Leitungsebene zur gemeinsamen Problem- und Lösungsdefinition; dies in Kombination mit einem kontinuierlichen Austausch und gemeinsamer Verantwortung auf der Arbeitsebene sowie einem entsprechenden kulturellen Wandel in den politischen Abstimmungsprozessen.
  • Auf Bundesebene schlagen wir deshalb interministerielle Arbeitsgruppen vor, die auf operativer Ebene im Modus positiver Koordination gemeinsame Problemdefinitionen und -lösungen erarbeiten. Es bedarf also einer veränderten Art des Regierungshandelns, nicht eines weiteren Instruments wie einem Klima-, Energie- und Sozialcheck im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren – so der zweite Vorschlag der Initiative – die aller Wahrscheinlichkeit eine zeitraubende Formalie wären.
  • Eine erste Gelegenheit für eine solche positive Koordination bietet der gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz in den ersten 12 Monaten der neuen Legislaturperiode anstehende Prozess zur Überarbeitung des Klimaschutzprogramms.
  • Zur Stärkung der vertikalen Koordination der Klima- und Energiepolitik zwischen Bund, Ländern und Kommunen könnten koordinierende Gremien, zwecks frühzeitiger, strategischer Abstimmung geschaffen oder erweitert (z. B. Bund-Länder Arbeitskreise) werden. Zudem sollte das zentrale Problem der Ressourcenknappheit der Kommunen gelöst werden, beispielsweise zunächst durch eine gezielte Bereitstellung finanzieller und personeller Unterstützung für Städte und Gemeinden.
  • Erst wenn sich diese Ansätze als nicht realisierbar beziehungsweise effektiv erweisen, regen wir eine Diskussion über tiefgreifendere institutionelle Reformen durch eine Verfassungsänderung, zum Beispiel die Einführung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe „Klimaschutz und -anpassung“, an.

Einleitung

Die Frage nach der Handlungsfähigkeit des Staates gewinnt in der öffentlichen Debatte an Dringlichkeit. Der Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ (Jäkel, de Maizière, Steinbrück und Voßkuhle 2025) greift diese Debatte auf und formuliert Reformvorschläge, die unter anderem auch die Politikfelder Klima und Energie betreffen. Der nachfolgende Beitrag geht auf diesen begrüßenswerten Impuls ein, verfolgt aber einen anderen Weg: Statt mit institutionellen Vorschlägen zu beginnen, legen wir den Fokus zunächst auf die Problemdiagnose, um aus dieser adäquate Reformoptionen abzuleiten.

Im Zentrum steht die Frage, wo und warum staatliche Steuerungsfähigkeit in der Klima- und Energiepolitik derzeit an Grenzen stößt. Sie betrifft im Kern die Koordination staatlichen Handelns in der Planung und Entscheidung über klima- und energiepolitische Maßnahmen. Wir unterscheiden dabei zwei Dimensionen: die horizontale Koordination innerhalb der Bundesregierung und die vertikale Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Beide Dimensionen zu adressieren, ist für das Gelingen klima- und energiepolitischer Maßnahmen zentral, und beide weisen aktuell spezifische strukturelle Schwächen auf.

Zuerst fassen wir die Problemanalyse und Vorschläge der Initiative für einen handlungsfähigen Staat zusammen und bewerten deren Tragfähigkeit im Lichte der klima- und energiepolitischen Herausforderungen. Anschließend analysieren wir diese und identifizieren Hindernisse der aktuellen Koordination im deutschen Mehrebenensystem, die eine effektive Klima- und Energiepolitik im Sinne der Erreichung der Klimaziele erschweren. Wir zeigen auf, unter welchen institutionellen Bedingungen Handlungsfähigkeit in der Klima- und Energiepolitik konkret gestärkt werden kann.

1. Vorschläge des Zwischenberichts der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat”

Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat, ins Leben gerufen von Julia Jäkel, Thomas de Maizière, Peer Steinbrück und Andreas Voßkuhle (im Folgenden auch „die Initiative”), benennt in ihrem Zwischenbericht (Jäkel, de Maizière, Steinbrück und Voßkuhle 2025) umfassende strukturelle und institutionelle Reformbedarfe im deutschen Staatsaufbau. Dabei diagnostiziert die Initiative als Ausgangspunkt einen Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in die Leistungs- und Steuerungsfähigkeit des deutschen Staates. Diese Einschätzung bezieht sich sowohl auf grundlegende staatliche Funktionen und Aufgaben (wie Sicherheit, Verwaltung, Gesetzgebung) als auch auf spezifische Politikfelder, darunter die Klima- und Energiepolitik.

Allgemeine Problemdiagnose

Der Bericht sieht ein zentrales Problem in der übermäßigen Komplexität und Fragmentierung staatlicher Strukturen in Deutschland. Gesetzgebungsprozesse seien zu langwierig, wenig integrativ und nicht ausreichend vollzugsorientiert. Er bewertet die Koordination zwischen Bundesministerien (horizontale Koordination) sowie zwischen den staatlichen Ebenen von Bund und Ländern (vertikale Koordination) in vielerlei Hinsicht als unzureichend. Die Aufgabenzuweisung im föderalen System sei oft unklar, was Zuständigkeitskonflikte und ineffiziente Umsetzung begünstige.

Klima- und energiepolitische Problemdiagnose und Reformvorschläge

Im Bereich der Klima- und Energiepolitik diagnostiziert der Bericht die Abwesenheit einer kohärenten Gesamtstrategie. Es fehle an einem „roten Faden“, der sich durch alle staatlichen Ebenen und Ressorts ziehe. Maßnahmen wirkten fragmentiert, schlecht koordiniert und in ihrer Umsetzung wenig harmonisiert. Zudem mangele es aus Sicht der Wirtschaft an Verlässlichkeit in der Klima- und Energiepolitik. Vor diesem Hintergrund schlägt die Initiative zwei zentrale Maßnahmen vor:

  1. Institutionalisierung eines Klimakabinetts mit eigener Geschäftsstelle, um eine koordinierte strategische Steuerung auf Bundesebene zu ermöglichen.
  2. Einführung eines Klima-, Energie- und Sozialchecks bei Gesetzgebungsvorhaben, um deren Beitrag zu Nachhaltigkeit, Klimazielen und sozialer Ausgewogenheit systematisch zu prüfen.

Darüber hinaus werden grundsätzliche Reformvorschläge für den Föderalismus formuliert, die auch Auswirkungen auf die Klima- und Energiepolitik haben sollen:

  • klare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen,
  • Kopplung von Aufgaben- und Finanzverantwortung,
  • Begrenzung der Zahl und klare Strukturierung von Gemeinschaftsaufgaben (vgl. auch Kaufhold und Heitzer 2024).

Damit setzt die Initiative mit ihrer breiten Sicht auf die strukturelle Handlungsfähigkeit des Staates einen wichtigen Diskussions- und Reformimpuls. Ihre Vorschläge, insbesondere im Bereich Koordination staatlicher Aufgabenerledigung, berühren auch zentrale Herausforderungen der Klima- und Energiepolitik. Allerdings greifen die Lösungsvorschläge für die Klima- und Energiepolitik zu kurz: Die vorgeschlagenen institutionellen Anpassungen adressieren die oberflächlichen Symptome (durch neue Gremien oder Prüfverfahren), ohne die zugrundeliegenden Strukturprobleme zu identifizieren. Eine Verbesserung staatlicher Handlungsfähigkeit in der Klima- und Energiepolitik erfordert aber als Ausgangspunkt eine tiefere Analyse der politischen, strukturellen und organisatorischen Ursachen von Blockaden, die eine effektive staatliche Aufgabenerledigung behindern – sowohl im föderalen Zusammenspiel als auch in der Interaktion der Bundesressorts. Nur wenn ein solches umfassendes „Diagnoseverfahren“ erfolgreich durchgeführt wurde, können die identifizierten Hemmnisse wirksam adressiert und beseitigt, zumindest jedenfalls abgeschwächt werden.

2. Herausforderungen für die Handlungsfähigkeit des Staates in der Klima- und Energiepolitik

Im Folgenden identifizieren wir die aus unserer Sicht zentralen Herausforderungen für die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates in der Klima- und Energiepolitik. Unser Fokus liegt dabei auf der Planung und Entscheidung über klima- und energiepolitische Strategien und Maßnahmen im Mehrebenensystem. Sowohl die horizontale – wir fokussieren hier auf die Ebene des Bundes (wobei in den Ländern aber strukturell vergleichbare Herausforderungen horizontaler Koordination bestehen) – als auch die vertikale Koordinationsdimension sind für eine effektive Klima- und Energiepolitik und zügige Umsetzung essenziell. Beide sind von spezifischen strukturellen, politischen und organisatorischen Spannungen geprägt, wie unsere Analyse zeigt.

Horizontale Koordination: strukturelle Herausforderungen ressortübergreifender Steuerung

Die klima- und energiepolitische Handlungsfähigkeit des Bundes ist wesentlich von der Effektivität ressortübergreifender Koordination abhängig. Als transformative Querschnittsaufgabe berührt Klima- und Energiepolitik nahezu sämtliche Politikbereiche und erfordert eine integrierte Bearbeitung in der Strategieentwicklung, Gesetzgebung und im Vollzug. Angesichts wachsender Komplexität und sektoraler Interdependenzen in der Klima- und Energiepolitik gewinnt die horizontale Koordination innerhalb der Bundesregierung an Bedeutung. Sie stellt dabei nicht nur eine administrative Herausforderung dar, sondern erweist sich auch als genuin politisch-institutionelles Problem.

Zwei strukturelle Faktoren haben sich in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang als besonders hinderlich erwiesen, wie die mehrfache Verfehlung der Sektorziele im Verkehrs- und Gebäudebereich (Expertenrat für Klimafragen 2025) und die wiederholte Verurteilung der Bundesregierung zur Vorlage effektiver Sofort- und Klimaschutzprogramme durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg belegen (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.11.2023 – OVG 11 A 1/23, NVwZ 2024, 598 ff.; Schlacke 2024: 564 ff.). Als erster Faktor ist die parteipolitische Konkurrenz zu nennen, die sich nicht nur im Verhältnis von Regierung und Opposition, sondern auch innerhalb der in Deutschland üblichen Koalitionsregierungen manifestiert. Sie erschwert die Herausbildung stabiler gemeinsamer Zielvorstellungen, die Entwicklung von Handlungsstrategien und die Priorisierung von Maßnahmen. Der zweite Faktor ist das in Deutschland stark ausgeprägte Ressortprinzip, das die Bundesministerien als eigenständige politische Akteure mit weitreichender Entscheidungsautonomie positioniert. Dieses institutionelle Arrangement begünstigt einen partikularistischen – oder wie die Initiative betont, fragmentierten – Steuerungsmodus, der auf die Absicherung eigener Zuständigkeiten und Einflussbereiche ausgerichtet ist. Dies geht häufig auch zu Lasten übergeordneter kohärenter Strategieentwicklung und -umsetzung.

Die in der deutschen Praxis dominierende interministerielle Koordinationsform ist eine sogenannte negative Koordination (Scharpf 2000: 192 ff.). In diesem Verfahren entwirft das federführende Ressort eine Vorlage, die anschließend im Rahmen eines Abstimmungsverfahrens von den übrigen Ressorts geprüft und gegebenenfalls mit Einwänden versehen wird. Dieses Verfahren zielt primär auf Konfliktvermeidung und die Wahrung individueller Ressortinteressen, nicht auf die gemeinsame Entwicklung kohärenter und ambitionierter Politikkonzepte. Die Folge ist häufig eine Verständigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner oder gar eine Blockade. Für die Anforderungen transformativer Politikgestaltung, wie sie in der Klima- und Energiepolitik erforderlich ist, erweist sich dieses Koordinationsmuster zu häufig als unzureichend.

Der Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ adressiert diese Problematik, indem er die Institutionalisierung des Klimakabinetts sowie die Einrichtung einer eigenständigen Geschäftsstelle empfiehlt. Dieser Vorschlag erkennt das Koordinationsdefizit zwar zutreffend, verbleibt jedoch auf einer vordergründig organisatorischen Ebene. Tieferliegende strukturelle Ursachen – insbesondere die politischen und institutionellen Anreizstrukturen, die Ressortegoismen und parteipolitische Fragmentierungen begünstigen – werden nicht benannt. Insofern erfasst der Vorschlag der Initiative die Herausforderungen horizontaler Koordination im Kern nicht ausreichend und läuft daher Gefahr, in seiner Wirksamkeit begrenzt und hinter den Erfordernissen zurückzubleiben.

Bedingungen für eine verbesserte horizontale Koordination im Bund

Vor dem Hintergrund der diagnostizierten Dysfunktionalitäten negativer Koordination stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen eine effektive horizontale Abstimmung im Sinne positiver Koordination gelingen kann. Anders als bei der rein defensiven Interessenwahrung einzelner Ressorts erfordert positive Koordination eine frühzeitige, gemeinsame Problemdefinition sowie ein aktives Zusammenwirken der beteiligten Ministerien bei der Entwicklung kohärenter politischer Strategien. Ziel ist dabei nicht ein möglichst reibungsloser Abstimmungsprozess, sondern ein lernorientierter, auf Problemlösung ausgerichteter Modus der Zusammenarbeit. Während bei negativer Koordination die Entscheidungsgegenstände als gegeben gelten und regelmäßig nicht mehr verändert werden, fokussiert der Prozess positiver Koordination auf die Definition von Entscheidungsgegenständen (Scharpf 2000: 221). Dies setzt voraus, dass Verteilungskonflikte identifiziert und anerkannt werden. Gleichzeitig muss gewünscht und akzeptiert werden, dass nicht nur Gegenstände gemeinsam definiert, sondern auch Probleme erkannt und gemeinsam gelöst werden (Scharpf 2000: 225 ff.). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, wird es grundsätzlich schwierig sein, die Ausgangsproblematik effektiv zu adressieren.

Ein möglicher institutioneller Rahmen für solche Prozesse wäre die Entwicklung ressortübergreifender Strategieformate. Ein solches könnte etwa im Rahmen des Prozesses zur aktuell erforderlichen Fortschreibung des Klimaschutzprogramms gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz in den ersten 12 Monaten nach Beginn der Legislaturperiode eingerichtet werden. Dabei könnte ein interministerieller Steuerungskreis auf operativer Ebene angesiedelt werden, der explizit keine ministerielle Federführung vorsieht, sondern eine kollektive Verantwortung und „politische Prokura” erhält.1Zur Erhöhung der Planbarkeit und Verlässlichkeit könnten zudem Konsultationen und, soweit möglich, Verständigung über strategische klima- und energiepolitische Leitlinien zwischen Bundesregierung und (Teilen der) Opposition hilfreich sein. Dieser Aspekt geht allerdings über die hier diskutierte horizontale Koordination innerhalb der Bundesregierung hinaus.

Die zentrale Herausforderung der Überwindung der Hemmnisse – bedingt durch das Ressortprinzip und parteipolitische Konkurrenz – könnte in der Verknüpfung solcher positiven Koordinationsformate mit hierarchischen Steuerungsressourcen liegen. Positive Koordination funktioniert nicht isoliert auf der operativen Ebene, sondern bedarf der Rückbindung an höhere politische Hierarchieebenen, die über Autorität, Agenda-Setting-Macht und – in erster Linie – finanzielle Ressourcen verfügen. Nur wenn Mandat und Ergebnisse kooperativer Prozesse von den Hausleitungen (und den entsprechenden Parteiführungen) aller beteiligter Ministerien politisch unterstützt und aufgegriffen, in Entscheidungen übersetzt und gegenüber anderen Beteiligten verteidigt werden, entsteht die Möglichkeit von positiver Koordination. Eine konstruktive Neuauflage des Klimakabinetts würde also weniger von einer Geschäftsstelle profitieren als von einem starken politischen Mandat zur gemeinsamen Problem- und Lösungsdefinition, kombiniert mit kontinuierlichem Austausch und geteilter Verantwortung auf der Arbeitsebene sowie einem entsprechenden kulturellen Wandel in den politischen Abstimmungsprozeduren.

Diese Verbindung von deliberativer Arena und politisch-strategischer Führung scheint insbesondere in konfliktträchtigen Politikfeldern wie der Klima- und Energiepolitik unverzichtbar. Strategisch platzierte Verantwortung, klare politische Rückkopplung und ein ernst gemeinter Raum für interministerielle Verständigung – das sind zentrale Bedingungen, unter denen positive horizontale Koordination im deutschen Regierungssystem realisiert werden kann. Werden diese nicht erfüllt, bleibt sie ein wohlmeinendes, aber wirkungsloses Ideal. Dieser Befund macht deutlich, dass die Stärkung des Klimakabinetts nur gelingen kann, wenn sich die Art des Regierungshandelns ändert. Ob eine Geschäftsstelle eingerichtet wird, hat darauf aber wenig Einfluss.

Auch ein Klima-, Energie- und Sozialcheck von Gesetzesentwürfen würde an diesen grundsätzlichen Dynamiken voraussichtlich wenig ändern: Stattdessen wäre zu erwarten, dass dieser Prozess – wie es auch bei anderen Prüf- und Begründungspflichten zu beobachten ist – leicht als bloße Formalie im Gesetzgebungsprozess behandelt werden würde. Dies wäre nicht zuletzt angesichts des zeitlichen und finanziellen Zusatzaufwands, der durch Erstellung der entsprechenden Studien entstehen würde, zu erwarten, der zudem den Forderungen der Initiative nach einer Verschlankung und Beschleunigung von Gesetzgebungsverfahren eher entgegensteht.

Vertikale Koordination: Spannungen im Mehrebenensystem

Im Bereich der vertikalen Koordination – also der Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen – erkennt der Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ erhebliche Herausforderungen. Diese verstärken die bereits durch die unzureichende horizontale Koordination begünstigten Fragmentierungen staatlichen Handelns durch weitere Zersplitterung des Handelns über die regionalen Ebenen hinweg: Es fehle an einem kohärenten Gesamtkonzept, das sich strategisch und operativ durch alle staatlichen Ebenen ziehe. Stattdessen seien klimapolitische Maßnahmen häufig nicht hinreichend harmonisiert und in ihrer Umsetzung nur unzureichend aufeinander abgestimmt.

Zur Behebung dieser Defizite schlägt die Initiative im Kern einen neuen Zuschnitt staatlicher Kompetenzen und der Finanzierungsverantwortung vor: Aufgaben sollen klar einer Ebene zugewiesen, die Zahl der Gemeinschaftsaufgaben begrenzt und die finanzverfassungsrechtlichen Regeln entsprechend angepasst werden. Darüber hinaus sollen die Länder befugt werden, untereinander rechtsverbindliche Beschlüsse zu fassen. Ziel ist eine Entflechtung föderaler Zuständigkeiten und eine verbesserte Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Ebenen.

Diese Vorschläge schätzen die zentralen Grundprinzipien des deutschen Föderalismus allerdings nicht ausreichend wert. Gleichzeitig erfassen und adressieren sie die Tiefe der Problematik nicht in ausreichendem Maße. Erstens verkennen sie die grundsätzlichen institutionellen Strukturen des deutschen Föderalismus, der durch eine enge Verflechtung von Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzierung zwischen Bund und Ländern gekennzeichnet ist. Eine partielle Entflechtung würde daran wenig ändern. Die Gelingensbedingungen (siehe die früheren Bemühungen um eine Föderalismusreform) sowie Auswirkungen einer weitreichenden Reform des deutschen Staatsaufbaus scheinen so umfassend und komplex, dass mindestens eine sorgfältige, sie vorbereitende Analyse erforderlich wäre und viel Zeit in Anspruch nähme. Zweitens ist eine solche, grundlegende Entflechtung konzeptionell kaum mit den funktionalen Anforderungen komplexer Politikfelder wie der Klima- und Energiepolitik vereinbar (siehe nächster Abschnitt). Drittens ist der Hinweis auf eine „Begrenzung“ der Gemeinschaftsaufgaben aus eben genannten Gründen fragwürdig; vielmehr ist im Kontext klimapolitischer Herausforderungen eher von einer Notwendigkeit ihres Ausbaus denn ihrer Einschränkung auszugehen. Schließlich bleiben die Vorschläge einem hohen Abstraktionsgrad verhaftet und adressieren lediglich die staatlichen Strukturen, ohne die politisch-praktischen Voraussetzungen wirksamer vertikaler Koordination zu analysieren. Insbesondere divergierende Interessen, parteipolitische Differenzen sowie asymmetrische finanzielle und personelle Ressourcen zwischen den Ebenen bleiben unterbelichtet, obwohl in der Praxis gerade diese Umstände eine zentrale Rolle spielen.

Im Folgenden diskutieren wir zunächst die funktionalen Vorteile des deutschen föderalen Staatsaufbaus in der Klima- und Energiepolitik. Danach analysieren wir die mit dem Föderalismus unweigerlich verbundene vertikale Koordinationsproblematik mit Blick auf die strukturellen Ursachen von Spannungen im föderalen Mehrebenensystem und auf institutionelle Voraussetzungen einer gelingenden Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Potenziale des Föderalismus: Innovation, Legitimität, Differenzierung

Trotz der vielfach diskutierten Herausforderungen ist der deutsche Föderalismus keineswegs ausschließlich als Hemmnis für klima- und energiepolitische Handlungsfähigkeit zu begreifen. Im Gegenteil: Die institutionelle Mehrstufigkeit und Dezentralität bieten funktionale Potenziale, die im Kontext transformativer Politikgestaltung besonders relevant sind.

Erstens ermöglicht der Föderalismus politisch-administratives Experimentieren und Lernen. Länder und Kommunen können als Labore für innovative Politiken fungieren, deren Erfahrungen dann auf Bundesebene aufgegriffen werden können. So wurde etwa die Verankerung des Klimaschutzes im Bundesrecht mittels eines eigenen Kerngesetzes, dem Bundes-Klimaschutzgesetz, wesentlich durch Vorreiterinitiativen einzelner Länder vorbereitet: Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben die ersten (Landes-)Klimaschutzgesetze bereits 2013 erlassen, also sechs Jahre vor dem Klimaschutzgesetz des Bundes, das sich konzeptionell und strukturell weitgehend an denen der Länder orientiert (Sina 2018).

Zweitens trägt der Föderalismus zur politischen Legitimation und Akzeptanz staatlicher Maßnahmen bei. Die Repräsentation kommunaler Interessen, insbesondere auf regionaler Ebene (z.B. in der Raumplanung), schafft eine Nähe zu konkreten Betroffenheiten und erleichtert die gesellschaftliche Verankerung von Transformationsmaßnahmen (Eichenauer u.a. 2021). Gerade im Klimaschutz ist die Akzeptanz auf lokaler Ebene oft entscheidend für die Wirksamkeit politischer Maßnahmen – etwa bei Flächenbereitstellung, Wärmeplanung oder Infrastrukturausbau.

Drittens erlaubt das föderale System regionale Differenzierung und adaptive Umsetzung. Unterschiedliche strukturelle, ökonomische und geografische Ausgangslagen erfordern flexible Lösungen, die zentral nicht ohne weiteres verordnet werden können (Wurster und Köhler 2016). Ganz im Gegenteil verfügen dezentrale Einheiten mitunter über einen Wissens- und Informationsvorsprung, so dass zentralistische Lösungen spezifischen Transaktionskosten der Informationsbeschaffung unterliegen. Das föderale Arrangement kann hier helfen, ortsspezifische Bedingungen gewinnbringend zu berücksichtigen, etwa beim Ausbau Erneuerbarer Energien, zum Beispiel durch regional- oder bauleitplanerische Festsetzungen für Wind-, Photovoltaik- oder Biomasse-Anlagen.

Diese Potenziale entfalten sich allerdings nicht automatisch. Sie sind auf eine funktionierende Koordination, transparente Aufgabenteilung und hinreichende finanzielle sowie personelle Ressourcenausstattung angewiesen – Bedingungen, die in der gegenwärtigen Ministerial- und Behördenpraxis oft nur unzureichend gegeben sind. Andernfalls besteht die Gefahr von Reibungsverlusten und erheblichen zeitlichen Verzögerungen, die insbesondere im Hinblick auf das enge Zeitfenster bis zum Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 problematisch sind. Im nächsten Schritt analysieren wir deshalb die zentralen Koordinations- und Ressourcenprobleme, die die vertikale Handlungsfähigkeit im Klimabereich begrenzen.

Vertikale Koordination und Ressourcenausstattung: zentrale Herausforderungen

Trotz der beschriebenen Potenziale zeigt sich, dass die vertikale Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen in der Praxis häufig mit strukturellen Spannungen behaftet ist. Diese resultieren vor allem aus fehlender strategischer Abstimmung, unterschiedlichen politischen Prioritäten und asymmetrischen Ressourcenlagen über die Ebenen Bund, Länder und Kommunen hinweg.

Ein zentrales Problem besteht darin, dass es in vielen Bereichen kein gemeinsam getragenes strategisches Verständnis über Ziele, behördliche Zuständigkeiten und Umsetzungsoptionen gibt. Das betrifft etwa die kommunale Wärmeplanung, bei der der Bund zwar erreichen möchte, dass die Kommunen handeln, diese aber aufgrund des Aufgabenübertragungsverbotes nach Art. 84 Abs.1 S.7 GG nicht direkt verpflichten darf. Adressaten des Bundes-Wärmeplanungsgesetzes sind daher die Länder. Solange diese ihrerseits die Pflicht nicht auf die Städte und Gemeinden „heruntergebrochen” und dabei die bestehenden Auslegungsfragen beantwortet sowie bundesrechtlich eröffnete Gestaltungsräume ausgefüllt haben, bleibt unklar, wer konkret zur Vornahme welcher Handlung verpflichtet ist. Darüber hinaus können Länder unter Umständen versuchen, Spielräume dafür zu nutzen, um sich – entsprechend ihren eigenen politischen Wertungen – von der bundesrechtlichen Konzeption zu lösen oder sich sogar in Widerspruch zu dieser zu setzen. Gäbe es ein im Detail abgestimmtes strategisches Vorgehen von Bund und Ländern, wären die Gefahren einer verzögerten, inkohärenten und fragmentierten Umsetzung deutlich kleiner.

Hinzu kommt, dass bislang (Stand 06/25) nicht alle Bundesländer ihrer Pflicht nachgekommen sind, das Wärmeplanungsgesetz in eigenes Landesrecht zu überführen. Diese fehlende Umsetzung führt in vielen Kommunen zu Unsicherheit, denn erst mit dem Inkrafttreten landesrechtlicher Regelungen greifen die Konnexitätsmechanismen, die den Kommunen einen finanziellen Ausgleich für die ihnen übertragenen Aufgaben zusichern würden. Solange dies nicht geschieht, können viele Kommunen, insbesondere solche mit angespannter Haushaltslage, die Wärmeplanung nicht aus eigenen Mitteln beginnen. Zugleich sind die Fristen zur Fertigstellung der Wärmepläne bundesrechtlich festgelegt, sodass der zeitliche Druck auf die Kommunen steigt, obwohl die finanzielle und rechtliche Grundlage in einigen Ländern noch fehlt.

Das gesetzlich verankerte bundesweite 2%-Flächenziel (Flächenbeitragswert nach § 3 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG)) für den Windenergieausbau an Land liefert demgegenüber ein positives Gegenbeispiel: Eine langjährige strategische Vorabstimmung zwischen Bund und Ländern auf der Grundlage einer bundesweiten Windflächenpotenzialanalyse hat in diesem Fall Orientierung geboten und eine erfolgreiche, in diesem Fall geräuschlose gesetzliche Verankerung des Ziels erleichtert. Die informell erreichte und vertikal erfolgte Bund-Länder-Koordination kann zum derzeitigen Zeitpunkt als erfolgreich bewertet werden. Alle Länder haben fristgerecht die erforderlichen gesetzgeberischen oder planerischen Entscheidungen für die Ausweisung der für das Zwischenziel 2027 erforderlichen Flächen getroffen. Teilweise ist sogar eine im Vergleich zu den bundesrechtlichen Mindestanforderungen schnellere und umfangreichere Umsetzung der Ziele bis 2027 durch die Länder zu erkennen (vgl. Schlacke/Plate/Thierjung 2025: 443 f.). Insofern ist es durchaus sachgerecht, die Zwischenziele des Windenergieflächenbedarfsgesetzes politisch nicht in Frage zu stellen (CDU, CSU, SPD 2025, Z. 1033 f.). Die geplante Evaluierung der Flächenziele für 2032 steht diesem Befund nicht entgegen (ebenda).

Die Folgen mangelnder Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind Reibungsverluste, Verzögerungen und fehlende Steuerbarkeit. Diese entstehen nicht primär durch institutionelle oder gesetzliche Unklarheit – die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften sind regelmäßig klar und verständlich formuliert (etwa § 4 Wärmeplanungsgesetz) – sondern durch fehlende Koordinationsmechanismen, unzureichende Einbindung und Ressourcenknappheit bei Ländern und Kommunen. Koordination kann nicht allein auf informelle Formate, kurzfristige Abstimmungen oder nur auf gesetzliche Anordnungen setzen. Sie muss als strukturierte, institutionell getragene und strategisch rückgekoppelte Aufgabe im Mehrebenensystem verstanden und gestaltet werden. Gleichzeitig sollten die Koordinationsmechanismen jedoch nicht so beschaffen sein, dass einzelne Akteure Vetopositionen einnehmen können oder Entscheidungsabläufe deutlich verzögert werden.

Lösungsansätze: strategische Koordination statt formaler Entflechtung

Eine effektive vertikale Koordination in der Klima- und Energiepolitik erfordert keinen grundlegenden Neuzuschnitt der föderalen Kompetenzen, sondern vor allem eine verbesserte strategische Abstimmung, institutionell verankerte Koordinationsformate und gezielte Ressourcenausstattung.

Erstens sollten Koordinationsprozesse frühzeitiger und strukturierter angelegt werden – insbesondere in der Strategieentwicklung. Eine gemeinsame klimapolitische Perspektive zwischen Bund und Ländern entsteht nicht durch einseitige Vorgaben, sondern durch kooperative Aushandlung. Die nicht aufeinander aufbauenden und zwingend zu koordinierenden Planungsvorgaben des Bundes-Klimaschutzgesetzes (Klimaschutzprogramm 2030, Klimaschutzplan) und die verschiedenen, nicht mit den Bundesplänen abgestimmten und zudem nicht lückenlos bestehenden Planungsvorgaben der Landes-Klimaschutzgesetze stehen symptomatisch für eine unzureichende Abstimmung im Föderalismus.

Entsprechend bedarf es zweitens dauerhaft verankerter institutioneller Arenen, in denen Bund und Länder gemeinsam über Strategien, Gesetzesfolgen und Vollzugsfragen beraten – nicht ad hoc, sondern kontinuierlich. Zur Koordinierung der vielfach als defizitär angesehenen Abstimmung des Ausbaus Erneuerbarer Energien wurde der Kooperationsausschuss zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) (§ 97 EEG) eingesetzt. Dieser weist in die richtige Richtung, bleibt aber bislang in seinen Kompetenzen und damit Wirkungen begrenzt. Eine Aufwertung solcher Koordinationsforen, verbunden mit klaren Mitwirkungsrechten und Rückkopplung in die politische Steuerung, scheint zentrale Voraussetzung für wirksame vertikale Koordination zu sein. Eine abgestimmte Reform der Landes-Klimaschutzgesetze könnte zusätzliche Koordinationsforen und -verfahren schaffen.

Drittens ist eine systematische Berücksichtigung der Umsetzungs- und Vollzugsebene – insbesondere der kommunalen Handlungsträger – erforderlich. Die oft asymmetrische Ausstattung von Ländern und Kommunen mit Personal, Know-how und Finanzmitteln limitiert ihre Fähigkeit zur Mitwirkung. Eine gezielte finanzielle Unterstützung – etwa über neue Modelle vertikaler Anreizsetzung oder (ggf. punktuell zu erweiternde) Gemeinschaftsaufgaben – könnte hier Handlungsfähigkeit erhöhen, ohne die föderale Balance zu verschieben.

Ein weiterer Ansatz bestünde in der wirksamen Implementierung von Regelungen, die im Fall unzureichenden Gesetzesvollzugs automatisch materielle Regelungen, die ihrerseits zur Erreichung des bundesrechtlich verfolgten Ziels führen, aktivieren, auch wenn dadurch Nebenaspekte nicht verwirklicht werden können. Ein Beispiel für ein derartiges Vorgehen ist das Windenergieflächenbedarfsgesetz in Kombination mit den darauf abgestimmten Normen des Baugesetzbuches (BauGB). Der Bund hat mit diesen Vorschriften eine kohärente Strategie zur Bereitstellung von insgesamt mindestens 2 % der Bundesfläche bis 2032 für den Windenergieanlagenausbau normiert. Zunächst obliegt es den Ländern, selbst beziehungsweise durch Regionen oder Kommunen Flächen in dem bundesgesetzlich vorgegebenen Umfang planerisch auszuweisen. Die Länder und Planungsträger verfügen dabei über ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit bei der Aufteilung der Landesziele auf die einzelnen Räume des Landes und der Ausweisung der konkreten Flächen. Erfolgt diese jedoch nicht, nicht im ausreichenden Umfang oder nicht rechtzeitig, greift eine im Bundesrecht angelegte hierarchische Autoritätsstruktur, die den säumigen Planungsträgern die Möglichkeit zur räumlichen Steuerung des Windenergieausbaus entzieht und diesem den Außenbereich in Form der sogenannten Super-Privilegierung wirkungsvoll auch gegen andere planerische Entscheidungen hinweg eröffnet (§ 249 BauGB, dazu Schlacke/Plate/Thierjung 2025: 442 f.). So bleibt die föderale Eigenverantwortung der Länder und Planungsträger zunächst unangetastet und gleichzeitig wird deren Bereitschaft zur Umsetzung der bundesgesetzlichen Zielvorgaben im „Schatten der Hierarchie“ (Scharpf 2000: 323) erhöht.

Effektive vertikale Koordination bedeutet also nicht Zentralisierung, sondern die Schaffung institutioneller Bedingungen für kooperatives Handeln – durch strategische Einbindung, stabile Austauschformate und materielle Unterstützung. Zusätzlich können drohende Probleme im Vollzug oder sogar absehbare Umsetzungsdefizite durch materiellrechtliche Berücksichtigungs- und Gewichtungsnormen adressiert werden. Beispiele für solche Regelungen sind das Gebot zur Berücksichtigung von Zweck und Zielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes bei allen Planungen und Entscheidungen gemäß § 13 KSG oder die Erklärung des Ausbaus Erneuerbarer Energien zum Belang von überragendem öffentlichen Interesse nach § 2 EEG. Reichen diese Institutionen nicht aus, können bestimmte Mechanismen klima- und energiepolitische Handlungsfähigkeit gewährleisten. Beispielsweise solche, die im Falle von Vollzugsdefiziten dennoch ein Erreichen des bundesrechtlich verankerten Steuerungsanliegens durch automatisch eingreifende alternative materiell-rechtliche Mechanismen ermöglichen.

3. Fazit: Staatliche Handlungsfähigkeit im Föderalismus erfordert verbesserte Koordination

Der Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ (Jäkel, de Maizière, Steinbrück und Voßkuhle 2025) ist ein begrüßenswerter Impuls. Die bislang lediglich vorläufig benannten Defizite der Klima- und Energiepolitik und die zu ihrer Beseitigung benannten Reformoptionen (Klimakabinett mit Geschäftsstelle und Energie-, Klima- und Sozialcheck für Gesetzgebungsvorhaben) greifen allerdings zu kurz. Auch die weitergehenden staatsrechtlichen Vorschläge sind kaum zur Beseitigung von Mängeln in der Klima- und Energiepolitik geeignet.

Die hier vorgelegte Analyse zeigt: Die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates in der Klima- und Energiepolitik ist weniger eine Frage unklarer Zuständigkeiten als eine Frage der adäquaten Koordination im föderalen Mehrebenensystem. Sowohl horizontal – innerhalb der Bundesregierung – als auch vertikal – zwischen Bund, Ländern und Kommunen – bestehen erhebliche Spannungen, die sich strukturell aus institutionellen Eigenlogiken, parteipolitischem Wettbewerb und ungleichen Ressourcenlagen speisen. Diese Spannungen lassen sich nicht durch punktuelle Reformen oder formale Klarstellungen allein auflösen.

In der horizontalen Dimension auf Bundesebene zeigt sich, dass die dominierende Praxis negativer Koordination politische Blockaden und Verwässerungen begünstigt. Eine effektive klimapolitische Steuerung erfordert stattdessen Formen positiver Koordination, die nicht nur technisch-administrativ, sondern politisch-strategisch gedacht und gestützt sein müssen. Dazu bedarf es klarer Mandate, kollektiver Verantwortungsstrukturen und einer Verknüpfung zwischen operativer Ebene und politischer Führung.

In der vertikalen Dimension stehen weniger institutionelle Unklarheiten als vielmehr politische Divergenzen, eine fehlende gemeinsame Strategiebildung und asymmetrische Kapazitäten einer wirksamen Zusammenarbeit entgegen. Eine Entflechtung im Sinne starrer Kompetenzverlagerung greift hier zu kurz. Vielmehr braucht es kontinuierliche Koordinationsformate und eine angemessene Ressourcenbasis auf allen politischen Ebenen.

Erst wenn es nicht gelingt, ausreichend leistungsfähige Koordinationsmechanismen zu schaffen, um eine konsistente und zeitgerechte Klimaschutzsteuerung im Mehrebenensystem zu erreichen, sollten Neuordnungen der Gesetzgebungskompetenzen im Föderalismus (etwa Begrenzung der Abweichungsgesetzgebung im Bereich der Raumordnung), eine Reform des Aufgabenübertragungsverbots des Bundes gegenüber den Kommunen oder die Einführung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe „Klimaschutz und -anpassung” diskutiert werden.

Vorher sollten indes – ohne dass eine konfliktbehaftete Grundgesetzänderung angesteuert wird – die aufgezeigten Vorschläge für die Verbesserung horizontaler und vertikaler Koordination geprüft und umgesetzt werden.

Literaturangaben

Eichenauer, E., Wiesholzer, A., Damerau, U. (2021): Einstellungen zur Energiewende: Akzeptanz und räumliche Disparitäten, ESRa – Energiewende im Sozialen Raum, GCF – Global Climate Forum, Berlin

Expertenrat für Klimafragen (2025): Zweijahresgutachten 2024. Gutachten zu bisherigen Entwicklungen der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsgesamtmengen und Jahresemissionsmengen sowie Wirksamkeit von Maßnahmen (gemäß § 12 Abs. 4 Bundes-Klimaschutzgesetz). Online verfügbar unter: https://www.expertenrat-klima.de

Jäkel, J., de Maizière, T., Steinbrück, P., Voßkuhle, A. (2025): Initiative für einen handlungsfähigen Staat. Zwischenbericht. Abrufbar unter https://www.ghst.de/initiative-fuer-einen-handlungsfaehigen-staat
CDU, CSU, SPD (2025): Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode. Abrufbar unter https://www.koalitionsvertrag2025.de/

Kaufhold, A., Heitzer, S. (2024), Rechtsfragen der gemeinsamen Finanzierung von Maßnahmen der Klimaanpassung und des Naturschutzes durch Bund und Länder. Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), https://www.bmuv.de/download/rechtsfragen-der-gemeinsamen-finanzierung-von-massnahmen-der-klimaanpassung-und-des-naturschutzes-durch-bund-und-laender

Scharpf, F. (2000): Interaktionsformen: Akteurszentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske + Budrich.

Schlacke, S. (2024): Erfolgreiche Verbandsklagen für den Klimaschutz: Bundesregierung muss Sofortprogramme beschließen, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Heft 8, S. 564 ff.

Schlacke, S., Plate, C., Thierjung, E.-M. (2025): Beschleunigung des WEA-Ausbaus: Befund, Umsetzung, role model – eine Zwischenbilanz, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2025, Heft 7, S. 441 ff.

Sina, S. (2018): Klimaschutzgesetze der Bundesländer – Typen, Regelungsgehalt und Verhältnis zu einem Klimaschutzgesetz des Bundes, Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht (16)3, 314–324.

Wurster, S., Köhler, C. (2016): Die Energiepolitik der Bundesländer. Scheitert die Energiewende am deutschen Föderalismus? in: Hildebrandt, A., Wolf, F. (Hrsg.): Die Politik der Bundesländer. Zwischen Föderalismusreform und Schuldenbremse, Wiesbaden, 283–314.

Autorinnen & Autoren

Prof. Dr. Sabine Schlacke

Universität Greifswald

Prof. Dr. Michèle Knodt

Technische Universität Darmstadt

Prof. Dr. Thorsten Müller

Stiftung Umweltenergierecht

Dr. Francesco Findeisen

Hertie School

Dr. Jörg Kemmerzell

Technische Universität Darmstadt

Dr. Jana Maruschke

Stiftung Umweltenergierecht

Christoph Plate

Universität Greifswald

Julia Sulerz

Hertie School

Eva-Maria Thierjung

Universität Greifswald