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Zusammenfassung

Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, muss der Stromsektor fundamental verändert werden. Insbesondere die Erneuerbaren Energien (EE) müssen massiv ausgebaut werden. Dabei stellt sich auch die Frage, an welchen Standorten neue Anlagen errichtet werden. Fand der Zubau historisch eher in den Regionen mit guten natürlichen Ressourcen an Wind und Sonne, hohen Volllaststunden und damit niedrigen Kosten pro erzeugter Stromeinheit statt, kann in Zukunft eine Standortsteuerung notwendig werden, um Kosten und Nutzen des EE-Ausbaus gleichmäßiger über das Bundesgebiet zu verteilen, die Stromnetze zu entlasten und die Potentiale in allen Regionen zu heben.

Im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne wurden Szenarien entwickelt, anhand derer Bürgerinnen und Bürger die Vor- und Nachteile verschiedener regionaler Verteilungen der Standorte aus Akzeptanzgesichtspunkten diskutierten. Dabei wurde erkennbar, dass mögliche regionale Verteilungen, die aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger eher wünschenswert wären, deutlich vom Status Quo abweichen.

In der vorliegenden Analyse geben wir daher einen Überblick über die Regulierungs- und Politikinstrumente, mit denen eine ex ante bestimmte regionale Verteilung erreicht werden kann, die nicht allein einer ökonomischen Optimierung folgt. Zur Bestimmung der Verteilung können übergeordnete Anforderungen, beispielsweise an eine ausgewogene Flächenverteilung, eine Rolle spielen, aber auch gesellschaftliche Indikatoren, wie eine als gerecht empfundene Lasten- und Nutzenteilung. Wir analysieren Vor- und Nachteile der verschiedenen Instrumente und geben Hinweise zu ihrer juristischen Umsetzbarkeit. Außerdem quantifizieren wir anhand eines stilisierten Beispiels, wie preisbasierte Steuerungselemente ausgestaltet werden müssten, um zu einer regionalen Verteilung der Windanlagen in Deutschland zu führen, die in dem „Fokus PV“-Szenario des Ariadne-Reports zur Klimaneutralität 20451https://ariadneprojekt.de/media/2021/10/Ariadne_Szenarienreport_Oktober2021_Kapitel5_ErneuerbareEnergien.pdf modelliert wurde.

Die Analyse zeigt auf, dass eine Vielzahl von Instrumenten die regionale Verteilung so beeinflussen können, dass sie zu einer gleichmäßigeren und mitunter als gerechter empfundenen Verteilung des Zubaus an Erneuerbaren Energien führt.

Das Aufzeigen der verschiedenen Instrumentenoptionen zur regionalen Steuerung ist relevant für die künftige Gestaltung der Energiewende, da die bisherige regionale Steuerung vor allem innerhalb der Erneuerbaren-Förderung stattfindet, die in Zukunft jedoch zunehmend an Bedeutung verlieren dürfte und zudem nicht alle Technologien berücksichtigt. Die transparente Darstellung der Vor- und Nachteile hilft außerdem beim Abwägen im Falle von – bei der Auswahl von Standorten häufig auftretenden – Interessenskonflikten.

1. Einführung

Der Ausbau von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien (EE-Anlagen) ist das Kernelement der Energiewende. Gesetzlich festgelegte Ausbauziele gehen von 376 Terawattstunden Strom aus Erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2029 aus (§ 4a Nr. 9 EEG 2021), der tatsächliche Ausbaubedarf dürfte aber noch viel höher liegen (BMWK 2022) und demnächst wohl auch gesetzlich nachgezogen werden. Es ist daher von einem hohen Flächenbedarf für neue Wind- und Solaranlagen auszugehen. Wie viel Fläche in Deutschland tatsächlich für den EE-Ausbau zur Verfügung steht, lässt sich anhand verschiedener Kriterien abschätzen. Den Ausgangspunkt für die räumlichen Verfügbarkeiten für EE-Anlagen bieten Geodaten, die Auskunft über Windbedingungen und Sonneneinstrahlung sowie über die grundsätzliche Eignung einer Fläche für den Ausbau bieten. Denn Gebiete mit schlechten natürlichen Ressourcen oder auch jene, die bereits bebaut sind, oder sich aus anderen Gründen nicht eignen, können bereits von vornherein ausgeschlossen werden. Neben diese physischen Voraussetzungen treten rechtliche Hemmnisse, insbesondere durch Konflikte mit natur- und artenschutzrechtlichen Belangen oder auch mit anderen vorrangigen Raumnutzungen.

Besonders raumgreifend und dementsprechend konfliktträchtig sind Windenergieanlagen an Land; gleichwohl ist ein starker Ausbau der Windenergie für das Erreichen der Klimaziele unabdingbar. Da sich zum Beispiel die Genehmigungspraxis zuständiger Behörden und Gerichte regional unterscheidet, ist die Abschätzung der für den EE-Ausbau verfügbaren Flächen mit Unsicherheiten verbunden. Allerdings gilt es als wahrscheinlich, dass die Flächen, die für den Ausbau der Windenergie verfügbar sind, den Bedarf deutlich übersteigen. Die Berechnungen der Flächenpotenziale für Windenergieanlagen an Land variieren zwischen 13,8% (Umweltbundesamt 2013) und 43% (IEE 2021) der Bundesfläche, je nachdem welche Ausschlusskriterien herangezogen werden. Im Vergleich dazu wird der Anteil der Bundesfläche, die zur Erreichung der Klimaneutralität mit Windenergieanlagen an Land erschlossen werden muss, mit 2% beziffert. Zu diesem Ergebnis kommen wissenschaftliche Studien, welche auch in die politische Zielsetzung im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (2021) eingeflossen sind. Solaranlagen verursachen ebenfalls Flächenkonflikte, diese sind jedoch bislang noch deutlich geringer ausgeprägt und zudem heterogener, da neben Freiflächenanlagen auch Aufdachanlagen Teil der Ausbaustrategie sind.

Da die grundsätzlichen Flächenverfügbarkeiten den tatsächlichen Flächenbedarf übersteigen, ist eine regionale Steuerung der Standortwahl von Stromerzeugungsanlagen möglich. In den folgenden Abschnitten stellen wir die Ausbauszenarien des Kopernikus-Projekts Ariadne vor und zeigen auf, dass eine regionale Steuerung aufgrund von geographischen Gegebenheiten, aus Gründen der Verteilungsgerechtigkeit und zur Begrenzung der Kosten des Netzausbaus sinnvoll sein kann.

1.1. Ausbauszenarien

Im Rahmen von Ariadne wurde die für den EE-Ausbau benötigte Fläche quantifiziert und in zwei Szenarien über die Fläche der Bundesrepublik verteilt. Ein Szenario hatte einen höheren Anteil an Windenergie an Land („Pro Wind“) und ein Szenario einen höheren Anteil an Photovoltaik-(PV)-Anlagen („Fokus PV“). Die so entstandenen Szenarien wurden auf der im November 2021 durchgeführten Bürgerkonferenz2https://ariadneprojekt.de/news/buergerkonferenzen-zur-strom-und-verkehrswende-gesellschaft-und-wissenschaft-diskutieren-in-wuerzburg-und-kassel/ vorgestellt, sodass Bürgerinnen und Bürger die Vor- und Nachteile verschiedener Ausbaukriterien vergleichen können. So soll eine Verteilung zwischen Technologien und Regionen gefunden werden, in die auch Präferenzen der Bevölkerung Eingang finden.  

Mit allen Szenarien wird die Zielvorgabe erreicht, die EE-Erzeugung bis 2045 auf etwa 1000 TWh pro Jahr gegenüber dem heutigen Niveau fast zu vervierfachen. Anders als bei rein ökonomischen Modellierungen fließen aber in die Ermittlung der regionalen Verteilung schwer zu monetarisierende Kriterien ein. Um die regionale Verteilung zu ermitteln, wurde ein Platzierungsalgorithmus entwickelt, der im ersten Schritt bestimmte Flächentypen ausschließt und im zweiten Schritt die Eignung der verbliebenen Flächen bewertet. Die Bewertung beruht auf qualitativen und quantitativen Kriterien, sodass für jede Fläche in Deutschland eine Eignungskennzahl ermittelt wird. Die Eignungskennzahl bestimmt dann die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Fläche ausgebaut wird.

Die ermittelte zukünftige Verteilung unterscheidet sich stark von der gegenwärtigen. Für die folgende Analyse konzentrieren wir uns auf das Szenario „Fokus PV“, das größtenteils mit den im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung festgehaltenen Zielen übereinstimmt. Im Laufe des Projektes kann es unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bürgerkonferenzen weiterentwickelt werden.  In diesem Szenario werden Wald- und Natura-2000-Flächen3Die Natura-2000-Flächen umfassen Fauna-Flora-Habitat-Gebiete und Vogelschutzgebiete. Sie stellen ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten dar (BMU 2022). kategorisch ausgeschlossen und die unbeschränkten Flächen seltener genutzt. Die Tabelle 1 vergleicht die regionale Verteilung zwischen dem Status Quo im Jahr 2020 und dem „Fokus PV“-Szenario für die Jahre 2030 und 2045. Während die windstarken Bundesländer im Norden aktuell überproportional mit Windanlagen bestückt sind, findet der Zubau in den Zukunftsszenarien verstärkt im Süden, Osten und in der Mitte Deutschlands statt (vgl. Abbildung 1). Dies führt zu einer vom Status Quo abweichenden Verteilung der Anlagen über das Bundesgebiet. Während im Status Quo beispielweise in Bayern plus Baden-Württemberg nur 8% der bundesweiten Windleistung installiert ist, entfällt im Jahr 2045 insgesamt 20% auf diese Länder.

Bundesländer Status Quo








Ariadne Fokus PV-Szenario












(31. Dez. 2021)20302045
MW%MW%MW%
Baden-Württemberg1.5733%6.6238%11.3799%
Bayern2.5595%7.7259%14.75211%
Berlin120%120%00%
Brandenburg7.47814%9.66012%17.13413%
Bremen1980%880%00%
Hamburg1280%930%410%
Hessen2.2954%4.2065%6.3775%
Mecklenburg-Vorpommern3.5566%7.0018%13.45310%
Niedersachsen11.43021%13.84917%20.77616%
Nordrhein-Westfalen6.17411%4.1455%2.5492%
Rheinland-Pfalz3.7577%6.0007%5.7754%
Saarland5051%4371%490%
Sachsen1.2722%5.9727%11.2869%
Sachsen-Anhalt5.28110%5.5177%11.1679%
Schleswig-Holstein7.06413%6.4308%5.0914%
Thüringen1.6573%5.0006%10.2098%
Summe54.939100%82.758100%130.028100%
Tabelle 1: Regionale Verteilung der installierten Leistung von Windenergieanlagen nach Bundesländern. Kumulierte Leistung bis einschließlich 2020 (Quelle: BWE basierende auf Erhebungen des Deutschen Windenergie Instituts (DEWI) und der Deutschen WindGuard GmbH); Installierte Leistung aus Windenergieanlagen im Jahr 2045 gemäß Ariadne „Fokus PV“-Szenario


Abbildung 1: Leistungsdichte des Windenergiezubaus je Bundesland in MW/km². Eigene Darstellung; Quellenangaben siehe Tabelle 1.

1.2. Warum ist regionale Steuerung sinnvoll?

In der Vergangenheit erfolgte der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Wesentlichen ressourcen- und kostengetrieben. Aufgrund der Geografie Deutschlands sind Ressourcen der erneuerbaren Energien innerhalb Deutschlands insgesamt sehr ungleich verteilt sind. Gute Standorte für die Windenergie an Land mit hohen Windgeschwindigkeiten befinden sich vor allem im Norden der Republik. Gute Standorte für große Solaranlagen liegen dahingegen eher im Süden und Osten. Insbesondere sind die östlichen Bundesländer aufgrund der geringeren Bodenpreise und der niedrigeren Bevölkerungsdichte für Investoren interessant.

Neben den Kosten, die von den Investoren eingepreist werden, gibt es auch systemische Kosten, die die regionale Verteilung beeinflussen sollten. Dies ist jedoch bisher nicht der Fall. Dazu gehören insbesondere Kosten zum Neubau oder der Ertüchtigung des Übertragungs- und Verteilnetzes. Eine starke räumliche Konzentration von Erzeugungsanlagen resultiert in einem deutlich erhöhten Bedarf an Netzausbau, um den erzeugten Strom zu den Verbrauchenden zu transportieren, und in erhöhten Kosten für das Netzengpassmanagement. Diese Netzkosten werden über Netzentgelte von der Allgemeinheit der Letztverbraucherinnen und -verbraucher getragen. Eine regionale Steuerung der Erzeugungsanlagen könnte diese Kosten senken. Außerdem sind bei sehr hohen EE-Ausbauleistungen die Ertüchtigungsmaßnahmen in den bestehenden Netztrassen (4-Leiter- statt 2-Leitersysteme) sowie die geplanten Netzausbaumaßnahmen eventuell nicht mehr ausreichend, weshalb zusätzliche Trassen notwendig wären, welche deutlich schwerer umsetzbar sind, da bisher nicht betroffene Anwohner neu vom Trassenbau überzeugt werden müssen (Schulte u. a. 2012). Aus netztechnischer Sicht erscheint eine Verlagerung des EE-Ausbaus in jene Regionen sinnvoll, in denen im Rahmen der Energiewende Erzeugungskapazitäten wegfallen (insbesondere Steinkohle, Braunkohle, Atomstrom). Dabei sind vor allem Braunkohleregionen interessant, da durch die Schließung von Tagebauen große verfügbare Flächen bereitstehen.4Der Bau von Windkraftanlagen in oder auf alten Tagebauten ist mit Blick auf die Gewährleistung der Standsicherheit von WEA vergleichsweise teuer. Diese Problematik ist bei Solaranlagen weniger stark ausgeprägt. Atom- und Steinkohlekraftwerke befinden sich hingegen tendenziell in bevölkerungsstarken Regionen, in denen das Potential für Erneuerbare Energien geringer ist (IFOK u. a. 2018). Auch muss bei der Standortentscheidung berücksichtigt werden, wie weit die Anlagen von Verbrauchszentren entfernt sind. Durch Netzverluste gehen in Deutschland etwa 4,5% (Homann und Mundt 2021) der jährlich erzeugten Strommenge verloren, davon etwa ein Drittel im Übertragungsnetz. Innerhalb von Regionen kann die Verlagerung von EE-Erzeugung dann Sinn ergeben, wenn dadurch die Kosten für die Ertüchtigung des Verteilnetzes reduziert werden können. So sind Erneuerbare Energien in einigen Regionen Hauptgrund für den Ausbau des Verteilnetzes (Consentec 2017). Selbst wenn langfristig der Netzausbau kosteneffizienter sein sollte, so hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass dieser mitunter stark verzögert stattfindet. Deswegen kann es sinnvoll sein, dass der Zubau mittelfristig verlagert wird, um die Netze zu entlasten, bis der Netzausbau erfolgt ist.  

Schließlich rücken auch Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit immer mehr in den Fokus der Debatte zum EE-Zubau und würden somit einen Grund für die regionale Steuerung des Anlagenzubaus bieten. Denn mit dem Fortschreiten des Ausbaus Erneuerbarer-Energien-Anlagen wird auch Ablehnung in der (lokalen) Bevölkerung stärker wahrnehmbar, welcher durch Proteste und Klagen gegen einzelne Vorhaben Ausdruck verliehen wird. Gegenstand dieser Widerstände war und ist vor allem der Zubau von Windenergieanlagen an Land, zuletzt aber auch immer stärker der Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen. Eine mehrheitlich als begründet und gerecht empfundene regionale Aufteilung des Ausbaus kann die Akzeptanz fördern, sofern sie auf gemeinsamen Aushandlungsprozessen beruht (Weidinger 2022). Zudem führt der EE-Ausbau zu regionaler Wertschöpfung, etwa im Wege der Beteiligung der Standortkommunen nach § 6 EEG 2021, aber auch durch die weitere Einbeziehung lokaler Akteure in die Finanzierung, Errichtung, den Betrieb und die Wartung der Anlagen. Zukünftig soll die finanzielle Beteiligung vor Ort noch weiter gestärkt werden. Im Einzelnen soll die Beteiligung von Standort- und Nachbarkommunen an der Wertschöpfung für Freiflächen-Photovoltaik- und Windkraftanlagen an Land auf Bestandsanlagen ausgedehnt und für Neuanlagen verpflichtend gemacht werden (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP 2021). Durch eine ausgeglichene regionale Steuerung wird die Wertschöpfung über alle Landesteile verteilt, wodurch die Akzeptanz für die Energiewende im Allgemeinen erhöht werden kann. Auch wenn mittel- bis langfristig ohnehin ein Großteil der Standorte erschlossen werden muss, kann eine aktive Steuerung die dynamische Effizienz erhöhen: Planungs- und Genehmigungsbehörden erlangen und erhalten kontinuierlich Fach- und Praxiswissen, lokale Wertschöpfungsketten werden aufgebaut und gepflegt und die Auslastung der (teils sehr lokal verankerten) Unternehmen verbessert sich.

2. Welche Möglichkeiten der regionalen Steuerung gibt es?

Wir haben in dem Kapital aufgezeigt, dass sich die Verteilung des Zubaus in der Vergangenheit im Wesentlichen nach den natürlichen Ressourcen gerichtet hat. Die so entstandene Verteilung weicht stark von dem in den Szenarien aufgezeigten Zubau ab, welcher auch qualitative Kriterien berücksichtigt. Gleichzeitig existieren – wie diese Analyse zeigt – eine Reihe von Maßnahmen, die die räumliche Verteilung beeinflussen können. Es stellt sich also die Frage, welche Maßnahmen existieren und welche Wirkung diese auf die räumliche Verteilung haben würden. Anders gefragt: Welche Möglichkeiten der regionalen Steuerung können einen ex ante vorgegebenen Zubau erreichen? Dies ist Gegenstand der folgenden Kapitel.

Für politische Entscheidungstragende stellt sich die Frage, mit welchen Politikinstrumenten eine ex ante bestimmte regionale Verteilung erreicht werden kann. Bevor wir im nachfolgenden Kapitel mögliche künftige Politikoptionen aufzeigen und evaluieren, geben wir in diesem Kapitel einen Überblick über bestehende Instrumente der regionalen Steuerung.

Bei der regionalen Steuerung unterscheiden wir zwischen der Beeinflussung des Standorts neu zu errichtender Anlagen („Investitionsentscheidung“) und der Einsatzentscheidung, das heißt welche bestehenden Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt Strom produzieren. Bei Erneuerbaren Energien ist der Einfluss auf Investitionsentscheidungen am relevantesten, da der Einsatz von Anlagen primär vom Wetter abhängt. Anlagenbetreibende können in der Regel die Produktion nur durch Abregelung senken, nicht aber erhöhen. Für andere Anlagen, wie zum Beispiel auf Wasserstoff umrüstbare Gaskraftwerke oder Stromspeicher, spielt jedoch neben der Standortwahl auch die Einsatzentscheidung eine wichtige Rolle.

2.1. Steuerungsinstrumente im Status Quo

Für auf dem Strommarkt handelnde Akteure ist irrelevant, wo in Deutschland der gehandelte Strom produziert und verbraucht wird. Die Preise am Strommarkt sind für alle Standorte gleich und reflektieren daher keine lokalen Wertunterschiede. Jenseits der regionalen Anreize, die aus dem Strommarkt entstehen könnten, gibt es jedoch eine Reihe weiterer administrativer und regulatorischer Instrumente, die einen Einfluss auf Standortentscheidungen haben.

Allen voran schaffen administrative Flächenplanungen regelmäßig die Grundlagen für eine Flächensteuerung des EE-Ausbaus. Für Windenergieanlagen an Land spielen dabei vor allem die Ausweisung von Konzentrationszonen im Sinne raumordnerischer Zielfestsetzungen und Festlegungen in der kommunalen Flächennutzungsplanung eine zentrale Rolle, da deren positive Ausweisungen unter gewissen Voraussetzungen den Zubau auf den übrigen Flächen im jeweiligen Planungsgebiet sperren können (sog. Planvorbehaltsregelung, § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB). Für Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen sind indes die kommunalen Bebauungspläne sehr bedeutsam, da zum einen aufgrund der Nicht-Privilegierung dieser Anlagentechnologie die bauplanerischen Voraussetzungen hohe Hürden aufstellen (§ 35 Abs. 2 BauGB) und zum anderen solche Pläne regelmäßig für die EEG-Förderung vorausgesetzt werden (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2021).

Neben diesen planerischen Instrumenten kennt auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits Instrumente der Standortsteuerung (Tiedemann u. a. 2020). So wurde mit dem EEG 2021 die sogenannte Südregion eingeführt (§ 3 Nr. 43c EEG 2021). Diese soll einerseits das Übertragungsnetz ob des verzögerten Netzausbaus entlasten und anderseits dem Wunsch der Bundesländer im Süden nachkommen, verlässlich ein bestimmtes Volumen in ihren Bundesländern bezuschlagt zu bekommen. Der geografische Zuschnitt ist in Abbildung 2 dargestellt und umfasst Landkreise (und kreisfreie Städte) in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland (vgl. Anlage 5 des EEG 2021).

Abbildung 2: Netzausbaugebiet des EEG 2017 (links, olivgrün) und Südregion des EEG 2021 (rechts, beige).
Eigene Darstellung auf Basis des EEG

Im Ausschreibungsverfahren für die Förderung von Windenergieanlagen an Land werden die Gebote für Projekte in der Südregion mindestens zu einem quotierten Umfang bezuschlagt: 2022 und 2023 werden jeweils die ersten 15% des jeweiligen Volumens eines Gebotstermins an Projekte aus der Südregion vergeben, ab dem Jahr 2024 sind es dann 20% (§ 36d EEG 2021). Auch bei Biomasseanlagen wird so verfahren, dort sogar mit einer Quote von 50%, wenn die Gebotsmenge nicht unter der ausgeschriebenen Menge des Gebotstermins liegt (§ 39d Abs. 2 EEG 2021); anderenfalls liegt sie auch hier bei 20% (§ 39d Abs. 3 EEG 2021). Hervorzuheben ist hier allerdings, dass die Europäische Kommission die „Südquote“ beihilferechtlich bisher noch nicht genehmigt hat und sie deshalb noch nicht angewendet werden kann (zur Genehmigungspflichtigkeit § 105 EEG 2021). Mit einer Entscheidung der Kommission zur „Südquote“ anhand der neuen Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL) ist im Laufe des Jahres 2022 zu rechnen. Kriterien für die Zulässigkeit von regional differenzierten Förderregelungen finden sich dort etwa in Fn. 60 zu Rn. 96 lit. e) KUEBLL, die auf eine Entschärfung von Problemen im Zusammenhang mit der Netzstabilität abstellen.

Vorläufer der „Südquote“ war das sog. Netzausbaugebiet im Norden Deutschlands, das mit dem EEG 2017 eingeführt worden war (§ 36c EEG 2017). Es umfasste ursprünglich Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, die beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie die nördlichen Landkreise Niedersachsens (§ 10 Erneuerbare-Energien-Ausführungsverordnung (EEAV)). Hier ging es um eine Obergrenze der Zuschläge für Windenergieanlagen an Land in einem Gebiet, „in dem die Übertragungsnetze besonders stark überlastet sind“ (§ 36c Abs. 1 EEG 2017). Wegen der starken Unterzeichnung der Ausschreibungstermine, unter anderem infolge des fehlenden Flächenangebots, spielte das Netzausbaugebiet während der Laufzeit des EEG 2017 faktisch allerdings kaum eine Rolle und wurde mit der Einführung des EEG 2021 abgeschafft.

Ein Instrument, das nicht primär auf die Netzengpässe zwischen Nord- und Süddeutschland zielt, sondern vor allem die Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Standortgüte bei der Windenergie an Land sicherstellen will, ist das Referenzertragsmodell (vgl. Anlage 2 zu § 36h EEG 2021). Es ist, in unterschiedlicher Ausgestaltung, fester Bestandteil der Fördersystematik seit dem EEG 2000. Zunächst mit einer Anfangs- und Grundvergütung zweistufig aufgebaut, wurde es mit dem EEG 2017 auf ein einstufiges Verfahren umgestellt (§ 36 h Abs. 2 EEG 2017). Geblieben ist bis heute der Ansatz, als Maßstab für die Standortgüte von einem idealen 100%-Standort auszugehen, der dann hinsichtlich der Höhe der Förderung über eine Kurve von Korrekturfaktoren (aktuell: 1,35 bis 0,79) an Standorte zwischen 60% und 150% angepasst wird (§36h EEG 2021). Das Referenzertragsmodell schafft damit die Voraussetzung, dass Windenergieprojekte auch jenseits der guten Standorte in Norddeutschland wirtschaftlich entwickelt werden können. So zeigen Studien, dass es eine Auswirkung auf die Nord-Süd-Verlagerung des Neubaus hat.

2.2. Probleme der bestehenden Steuerungsinstrumente

Weder die Flächenplanung noch die dargestellten Instrumente des EEG sind jedoch geeignet, eine regionale Verteilung des EE-Zubaus effektiv nach Maßgabe der beschriebenen Kriterien (siehe Abschnitt 3.1) zu steuern.

Bei den planerischen Ausweisungen von Flächen werden grundsätzlich auch natürliche Ressourcen berücksichtigt (Windhöffigkeit, Sonnenstrahlung)5So können nach Maßgabe des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Flächen für die Windenergienutzung nur dann planerisch ausgeschlossen werden, wenn die gegenüberstehenden positiven Planfestsetzungen für den Ausbau von Windenergieanlagen sich auch tatsächlich auf Flächen beziehen, auf denen die entsprechenden geographischen Gegebenheiten bestehen (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg 2022).. Aspekte der Netzkosten werden demgegenüber jedoch nicht berücksichtigt. Und auch die Einbeziehung von Akzeptanzgesichtspunkten verfolgt bislang noch keinem stringenten Ansatz. Zwar erfolgt die Flächenplanung durch demokratisch legitimierte Akteure. Dies allein führt aber nicht zwingend dazu, dass die planerischen Entscheidungen – unter Berücksichtigung übergeordneter Ausbauziele – an den lokalen Bedürfnissen ausgerichtet sind. Dies zeigt sich etwa dadurch, dass die Widerstände gegen den Anlagenzubau oftmals von überregional agierenden Gruppen angeleitet werden (Schweizer-Ries, Rau, und Zoellner 2010; Hildebrand und Renn 2019) und die lokalen Akzeptanzwerte demgegenüber grundsätzlich positiv ausfallen (FA Wind 2019). Auch die bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten der lokalen Bürgerinnen und Bürger in den Entscheidungsverfahren werden nicht in einem Maße genutzt, das ein konsentiertes Meinungsbild zum Anlagenzubau erlauben würde; vielmehr sind es bislang auch hier häufig nur wenige lokale Akteure, die Einwände vorbringen.

Daneben besteht die Möglichkeit, dass Erneuerbare Energien im nächsten Jahrzehnt wirtschaftlich auch ohne Förderung betrieben werden könnten; das EEG 2021 verpflichtet die Bundesregierung in diesem Fall zu prüfen, ob und wie die Förderung zurückgefahren und auf einen marktgetriebenen Ausbau umgestiegen werden kann (§ 99 Abs. 2 S. 2 und 3 EEG 2021). Damit würde auch der Einfluss sinken, den die Ausgestaltung der Förderung haben kann: Je mehr Anlagen in Zukunft ohne staatliche Förderung errichtet werden, desto begrenzter sind die Möglichkeiten für eine EEG-basierte regionale Steuerung. Neben nicht geförderten EE-Anlagen erreicht eine Steuerung im Rahmen der EE-Förderung viele weitere Akteure nicht: Thermische Kraftwerke, Speicher und Verbrauchsanlagen wie Elektrolyseure haben keine Anreize zur systemdienlichen Standortwahl, obwohl diese möglicherweise ohne größere Einschränkungen zu einem Standortwechsel zu bewegen wären. Ohne Steuerungsinstrumente wird dieses Potential nicht ausgeschöpft. Die im Folgenden vorgestellten Instrumente funktionieren auch außerhalb der EE-Förderung und könnten dazu beitragen, dass dieses Potenzial nutzbar gemacht wird.

3. Methodik

Wir vergleichen verschiedene Instrumente zur regionalen Steuerung von Stromerzeugungsanlagen. Die dazu verwendeten qualitativen Kriterien werden im folgenden Abschnitt eingeführt (Abschnitt 3.1.). Für die preisbasierten Steuerungsinstrumente schätzen wir darüber hinaus ab, wie sie ausgestaltet werden müssten, um eine ex ante vorgegebene Verteilung von Anlagen zu erreichen (Abschnitt 3.2.). Letzteres hilft, die regionalen Steuerungsinstrumente zu veranschaulichen und eine Größenordnung der Stärke der Preisinstrumente zu ermitteln.

3.1. Qualitative Kriterien des Instrumentenvergleichs

Politikoptionen zur regionalen Steuerung von Stromerzeugungsanlagen unterscheiden sich mitunter stark voneinander. Die folgenden fünf Kriterien erachten wir als besonders relevant für den Vergleich von Optionen.

1. Marktbasierte versus regulatorisch festgelegte Instrumente

Einige der im folgenden vorgestellten Instrumente der regionalen Steuerung ergeben sich aus dem Strommarkt selbst, wohingegen andere regulatorisch festgelegt sind. Marktbasierte Instrumente haben den Vorteil, dass sie nicht regulatorisch bestimmt werden müssen, was bei nicht universell verfügbarer Datengrundlage oder bei einer Informationsasymmetrie zwischen Erzeugern und dem Regulator hilfreich ist. Andererseits können marktbasierte Instrumente Fehlanreize verursachen, wenn Marktakteure Anreize für strategisches Verhalten haben oder nicht alle Kosten internalisiert werden können (siehe nachfolgender Punkt).

2. Welche Ziele können mit den Instrumenten verfolgt werden?

Die Ziele, die mit den Instrumenten erreicht werden können, sind unterschiedlich. Nicht alle sind gleichermaßen geeignet, um unterschiedliche Kriterien der geographischen Steuerung zu berücksichtigen. Während marktbasierte Instrumente beispielsweise die Netzkosten gut berücksichtigen können, sind sie ungeeignet um nichtmonetäre Kriterien wie zum Beispiel Akzeptanz abzubilden.

3. Einfluss auf den Kraftwerkseinsatz

Regionale Steuerungsinstrumentekönnen den Einsatz (engl. Dispatch) von Erzeugungsanlagen beeinflussen. Diesist insbesondere dann der Fall, wenn sie zu zusätzlichen Kosten oder Erlösen pro erzeugter MWh Strom abgerechnet werden. Eine solche Beeinflussung der Erzeugung ist im Rahmen der geographischen Steuerung des Ausbaus nebensächlich, kann jedoch den Strommarkt verzerren und somit zu Ineffizienzen führen.

4. Auswirkungen auf bestehende Anlagen

Einige der Steuerungsinstrumente betreffen nur neue Anlagen, während andere auch auf bestehende Anlagen wirken. Da bestehende Anlagen keinen Einfluss mehr auf ihren Standort haben, erscheint eine Gleichbehandlung aller Anlagen nicht sinnvoll. Eine Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen für bestehende Anlagen kann zudem das Vertrauen der Investoren erschüttern und somit zukünftige Investitionen erschweren. Andererseits kann eine Diskriminierung neuer Anlagen ebenfalls Investitionen ausbremsen, wenn neueren Anlagen zusätzliche Kosten auf Grund ihres Standorts aufgebürdet werden.

5. Abschöpfung von Renditen

Je nach Ausgestaltung kann eine regionale Steuerung Renditen abschöpfen, die aus einer vorteilhaften Lage der Erzeugungsanlage resultieren. Allerdings trifft dies nicht auf alle der im Folgenden diskutierten Instrumente zu.

3.2. Parametrisierung der preisbasierten Instrumente

In diesem Abschnitt stellen wir die Methodik vor, um abzuschätzen, wie stark eine preisbasierte regionale Steuerung ausfallen muss, damit eine zusätzliche Erzeugungsanlage an einem anderen Standort errichtet wird. Daraus ergibt sich für eine vorgegebene Anlagenverteilung die Parametrisierung der preisbasierten Steuerungsinstrumente. Wir stellen die Methodik anhand eines einfachen Zahlenbeispiels vor. Dieses Beispiel werden wir im Vergleich der Instrumente (Abschnitt 4) wieder aufgreifen, um daran ihre wesentlichen Eigenschaften und Unterschiede zu diskutieren. Im weiteren Verlauf des Kopernikus-Projekts Ariadne werden wir die Methodik anwenden, um die preisbasierten Instrumente zu bestimmen, die zur Erreichung der in Kapitel 1 beschriebenen Verteilung von Windenergieanlagen an Land notwendig sind.

Die Standortwahl richtet sich historisch im Wesentlich nach den betriebswirtschaftlichen Kosten. Aus den individuellen Standortentscheidungen entstand so die aggregierte regionale Verteilung. Teilweise wurden Steuerungsinstrumente eingeführt, um zumindest Netz- und Systemintegrationskosten zu berücksichtigen. Werden allerdings qualitative Kriterien bzw. Werte von Bürgerinnen und Bürgern mit einbezogen, so kann die regionale Verteilung durchaus abweichen. Dies hat sich im Ariadne-Projekt im Rahmen der Bürgerkonferenzen gezeigt und wird im methodischen Vorgehen berücksichtigt (zur Visualisierung siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Darstellung des methodischen Vorgehens im Rahmen dieser Analyse (rot) im Vergleich zum klassischen Vorgehen (blau). Eigene Darstellung.

Die Kernidee preisbasierter regionaler Steuerungsinstrumente ist, das ökonomische Gleichgewicht einer politisch oder ökonomisch wünschenswerten Verteilung anzupassen. Dazu werden die Wertunterschiede von Anlagen in verschiedenen Regionen entsprechend ausgeglichen. Zur einfachen Veranschaulichung beschränken wir uns zunächst auf eine Technologie (Wind) und zwei Regionen (Nord- und Süddeutschland). Dieser Ansatz ist jedoch äquivalent auf andere Technologien und Regionen übertragbar. Tabelle 2 stellt Annahmen zu den Erlösen der Windkraftanlagen in den beiden Regionen dar.6Die Beispielwerte basieren auf den Werten von Kapitel 5 des Berichtes „Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045“ und sind in Tabelle 2 dargestellt (Luderer, Kost, und Sörgel 2021). Die Volllaststunden der Windkraftanlagen unterschieden sich zwischen den beiden Standorten. Da die Windbedingungen in Norddeutschland im Durchschnitt besser sind, kann bei gleicher installierter Kapazität dort eine Stromerzeugung von ca. 1000 zusätzlichen Volllaststunden pro Jahr erfolgen. Auch bei den Investitionen nehmen wir leicht unterschiedliche Werte an. Dies reflektiert die Tatsache, dass Anlagen in Norddeutschland kostengünstigere Starkwindeinzelanlagen (kleinerer Rotor bezogen auf die elektrische Leistung) sind und größere Windparks typischerweise auf großen und ebenen Freiflächen angelegt werden. Die Kosten in Süddeutschland sind höher, da teurere Schwachwindeinzelanlagen auch auf hügeligen und bewaldeten Flächen gebaut werden und die Parks kleinteiliger sind. So sind die Anlagen im Süden tendenziell höher gebaut, sodass auch bei geringeren Windgeschwindigkeiten Strom erzeugt werden kann.

Unter Annahme eines inflationsbereinigten Zinssatzes und einer prognostizierten Lebensdauer von 25 Jahren lassen sich die annualisierten Investitionen errechnen. Diese variieren stark mit den Kapitalkosten, die mit 7% für Investitionen ohne Förderung und hohen Erlösrisiken sehr hoch und insbesondere unter guten Einspeisevergütungen und der daraus resultierenden verringerten Unsicherheit auch deutlich niedriger liegen können. Die durchschnittlichen Stromgestehungskosten (LCOE – engl. Levelized costs of electricity) resultieren aus den getroffenen Annahmen. Durch die besseren Potentiale und die geringeren Investitionskosten liegen die durchschnittlichen Kosten der Anlagen in Norddeutschland im Zahlenbeispiel deutlich unter denen in Süddeutschland. Wann eine Anlage wirtschaftlich ist, hängt neben den Kosten auch von den erwarteten Erlösen ab. Diese werden vom durchschnittlichen Strompreisniveau und den Marktwertfaktoren der Erzeugungstechnologien bestimmt. Letztere beschreiben, ob eine Anlage im Erwartungswert Preise oberhalb oder unterhalb des durchschnittlichen Strompreises erzielt. Im Allgemeinen liegt der Marktwert von Wind unter dem durchschnittlichen Strompreis. Wir nehmen hier für dieses Zahlenbeispiel einen Marktwertfaktor von 85% für beide Regionen an. Je nach Ausbaupfad sind aber auch höhere oder deutlich geringere Marktwertfaktoren denkbar. Als Faustregel gilt: je größer der Anteil an Windanlagen in einer Region, desto geringer der Marktwert der einzelnen Anlagen.

NordenSüden
Volllaststunden (in h)33502350Annahme
Investitionen (€/kW)15001700Annahme
Annualisierte Investitionen (€/kW pro Jahr)129146Berechnung7Basierend auf den angenommenen Investitionskosten und Volllaststunden. Weiterhin Annahme eines Zinssatzes von 7% und eine Anlagenlebensdauer von 25 Jahren.
LCOE (€/MWh)3862Berechnung
Marktwert (€/MWh)4545Annahme8Engelhorn und Müsgens (2018) zeigen, dass die Marktwerte von Anlagen in Norddeutschland nur wenig über denen von süddeutschen Anlagen liegen. Anlagen in Mitteldeutschland erzielen hingegen im Mittel deutlich geringere Erlöse. Ein Marktwert von 45 €/MWh entspricht beispielsweise einem Baseload-Preis von 53 €/MWh und einem Marktwertfaktor von Wind von 0.85.
Erlöse (€/MWh)7-17Berechnung
Tabelle 2: Zahlenbeispiel zweier typischer Windanlagen in Nord- und Süddeutschland

Im Vergleich der mittleren Marktwerte und Stromgestehungskosten lässt sich leicht erkennen, dass im Zahlenbeispiel die Anlagen in Norddeutschland Erlöse von 7 € pro MWh erzielen und somit profitabel sind, wohingegen die Anlagen in Süddeutschland Verluste von 17 € pro MWh erwirtschaften. Profitoptimierende Akteure würden daher keine Anlagen in Süddeutschland errichten. Im Norden hingegen würden weitere Windkraftanlagen errichtet werden, bis der Marktwert der Anlagen über den gesamten Abschreibungszeitraum den Stromgestehungskosten entspricht oder keine weiteren Standorte zur Verfügung stehen. Die Verteilung der Windanlagen im Zahlenbeispiel konzentriert sich daher sehr stark im Norden, wenn nicht mit geeigneten Instrumenten gegengesteuert wird. Dies ist auch in der Realität zu erwarten.

In vielerlei Hinsicht ist das Beispiel vereinfacht. Insbesondere Rückkopplungseffekte von Standortentscheidungen auf den Strommarkt und die resultierenden Strompreise werden nicht berücksichtigt. Diese Vereinfachung ist jedoch ein Effekt 2. oder 3. Ordnung, der kurzfristig kaum einen Einfluss hat, aber langfristig die Stärke der Instrumente beeinflusst. Außerdem ist wichtig zu betonen, dass die errechneten Werte jeweils nur die Verschiebung der nächsten erreichten Windanlage bewirken.

4. Analyse von Politikoptionen

Das folgende Kapitel analysiert die von uns für relevant erachteten Optionen regionaler Steuerungsinstrumente in Deutschland. Dazu unterscheiden wir zwischen drei Gruppen von Instrumenten: 1) Mengensteuerung, 2) Strommarktdesign und 3) netzentgeltbasierte Instrumente. Allgemein gilt, dass alle Instrumente frei miteinander kombinierbar sind und einander nicht ausschließen.

4.1. Regionale Steuerung durch Mengensteuerung

Die erste hier analysierte Gruppe der regionalen Steuerung ist die Mengensteuerung. Der Zubau neuer Erzeugungsanlagen wird insbesondere durch zwei Faktoren beeinflusst: Zum einen die Ausweisung verfügbarer Flächen und zum anderen die Schaffung wirtschaftlicher Anreize für den Ausbau. Für Erneuerbare Energien bestehen bereits jetzt Instrumente für beide Faktoren: die Flächenplanung im Rahmen der örtlichen und überörtlichen Raumplanung und die Festlegung von Ausschreibungsmengen in der Erneuerbaren-Förderung. Mit einer regionalen Mengensteuerung ist es grundsätzlich möglich, Netzkosten zu minimieren – beispielsweise mit der Ausweisung von Ausbauflächen in Regionen, in die aufgrund von Netzengpässen nur begrenzt Strom geliefert werden kann. Der Kraftwerkseinsatz wird durch diese Gruppe von Instrumenten jedoch nicht beeinflusst.

4.1.1. Flächenplanung als Ausgangspunkt

Die Flächenplanung bietet formal den Ausgangspunkt des EE-Zubaus, denn zumeist bestehen für Flächen, auf denen der EE-Zubau technisch in Betracht kommt, bereits planerische Ausweisungen, die die weiteren Investitionsentscheidungen zu einem gewissen Grad vorbestimmen. Unbeplante Flächen, die für die Nutzung durch Windenergie grundsätzlich in Frage kommen, sind eher selten. Das führt dazu, dass die planerische Ausweisung marktbasierter Steuerungsinstrumente in der Regel vorgelagert sein dürfte, da die Planungen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erst festlegen. Dabei bestehen jedoch auch interreferenzielle Bezüge, da Vorhabentragende, angereizt durch marktbasierte Steuerungsinstrumente, selbst Einfluss nehmen auf die jeweiligen administrativen Planungsentscheidungen.

Die Flächenplanung ist grundsätzlich gut geeignet, nichtmonetäre Kriterien wie lokale Präferenzen und Akzeptanz der Bevölkerung abzubilden. Um diese nichtmonetären Kriterien auch tatsächlich in die Praxis der Flächenplanung einfließen zu lassen, sollten die Möglichkeiten zur Beteiligung der Öffentlichkeit an den Planungsverfahren an das vielfach bestehende und wissenschaftlich untersuchte Beteiligungsparadoxon angepasst werden. Dieses Paradoxon beschreibt, dass mit dem Fortlaufen des Planungsprozesses auch das Interesse der Öffentlichkeit an einer Beteiligung zunimmt, gleichwohl die entsprechenden Möglichkeiten einer wirksamen Beteiligung im Verlauf der Planungs- und Zulassungsprozesse abnehmen. Dazu sollten frühzeitige Beteiligungsmöglichkeiten gestärkt und der Öffentlichkeit insbesondere auch klar und verständlich vermittelt werden. Zum einen kann dies durch die konkrete und einfach nachvollziehbare Darstellung möglicher Planauswirkungen erfolgen, zum anderen sollten auch die formellen und informellen Foren zur Beteiligung effektiv geschaffen und beworben werden. Das Angebot auch digitaler Beteiligungsmöglichkeiten – wie sie schon im pandemiebedingt erlassenen Plansicherstellungsgesetz genannt sind – sowie die intensive Einbindung von unabhängigen zentralen Beratungsstellen und Bürgervertrauenspersonen, die auch als Verfahrensmanager die Beteiligungsprozesse koordinieren können, sind hierbei hilfreiche Maßnahmen.

Schließlich kann darüber hinaus die Akzeptanz grundsätzlich auch dadurch gefördert werden, dass die Flächenausbauziele unter effektiver Beteiligung der Öffentlichkeit (Burgi und Durner 2011; Appel 2012) in einem bedarfsplanerischen Akt für die nachfolgenden Planungsebenen verbindlich festgelegt werden. Dies schafft nicht nur Planungssicherheit für die staatlichen Akteure und die Projektierer, sondern vermittelt Lösungsstrategien zwischen den Interessen der verschiedenen beteiligten Akteure und nimmt neben der Notwendigkeit des Ausbaus auch insbesondere die Perspektiven der lokal von den Anlagen betroffenen Bürgerinnen und Bürger in den Blick. (Agora Energiewende 2020; Weidinger 2022). Eine solche Bedarfsplanung kann indes auch den Ausgangspunkt dafür bieten, Aspekte des Netzausbaus stärker in der Planung der EE-Erzeugungsanlagen zu berücksichtigen. Hierzu böte es sich an, die Bedarfsfestlegung in Bezug auf die Stromerzeugung mit jener der Stromnetze (§§ 12a ff. EnWG) abzustimmen (zu einem Vorschlag einer solchen Verknüpfung siehe Georg (2014)).

4.1.2. Mengensteuerung in der Förderung Erneuerbarer Energien

Die bisherige mengenbasierte Steuerung des Ausbaus von EE-Anlagen durch spezielle Quoten in den Auktionen wie beispielsweise einem regionalen Mindestanteil des bezuschlagten Fördervolumens (z.B. die deutsche „Südquote“) oder einer Obergrenze (wie z.B. im inzwischen ausgelaufenen Netzausbaugebiet) wurde bereits erläutert.

Ähnliche Quoten könnten ausgebaut werden, um dadurch zielgerecht Anlagen in Regionen zu fördern, die nicht oder noch nicht wettbewerbsfähig wären. Denn gerade wenn langfristig viele Flächen gebraucht werden, kann es sinnvoll sein, weniger attraktive Regionen bereits heute konkurrenzfähig zu machen, sodass hier eine langfristige Projektentwicklung stattfindet, also eine dynamische Effizienz erreicht wird. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass eine Kleinteiligkeit zwar die Genauigkeit der Steuerung erhöht, allerdings einen hohen Grad an Planung durch eine zentrale Instanz erfordert und – so zumindest Ausschreibungen als wettbewerbliches Instrument zur Bestimmung der Förderhöhe beibehalten werden sollen – das Risiko von Unterzeichnung erhöht.

Auch wenn die Mengensteuerung kein preisbasiertes Instrument ist, ergeben sich aus ihr finanzielle Anreize. Für das in Abschnitt 3.2. vorgestellte Zahlenbeispiel führt eine Mengensteuerung zu folgenden Effekten: Wenn die Ausbaumengen von Windkraft im Norden und im Süden vorgeschrieben werden, führt dies zu erhöhten Profiten von Anlagen in Norddeutschland, wenn Renditen nicht abgeschöpft werden. Die Anlagen in Süddeutschland würden hingegen nur mit einer zusätzlichen Förderung errichtet werden. Bei gleicher Förderung entsprechen die Profite im oben genannten Beispiel im Norden 24 € pro MWh. Diese ergeben sich aus der Summe der Förderung von +17 € pro MWh, die gezahlt werden muss, um Anlagen im Süden wirtschaftlich zu machen, und den ursprünglichen Profiten von +7 € pro MWh. Daher kann eine höhere Förderung im Süden auch als Mechanismus verstanden werden, um hohe Renditen im Norden abzuschöpfen. Wie sich die Höhe der benötigten Süd-Förderung mittelfristig verhält, lässt sich ohne ein Strommarktmodell nicht beantworten. Eine höhere Förderung ist dann nötig, wenn die regionalen Marktwerte der Winderzeugung in Süddeutschland durch den generellen Ausbau weiter absinken, was im Fall einer hohen Korrelation der Windprofile zu erwarten ist.

4.2. Strommarktdesign

Die Großhandelsstrompreise in Deutschland sind im aktuellen Marktdesign für alle Standorte gleich und reflektieren daher keine lokalen Wertunterschiede. Mehrere andere Länder nutzen regional differenzierte Großhandelspreise, die die Netzkosten bei der Berechnung des Strompreises reflektieren. Im Gegensatz zu den anderen diskutierten Instrumenten wird die regionale Steuerungswirkung durch regional differenzierte Strompreise nicht regulatorisch/administrativ festgelegt. Allerdings kann das Strommarktdesign nur monetäre Faktoren wie Netz- und Erzeugungskosten berücksichtigen, jedoch keine weiteren nichtökonomischen Aspekte der regionalen Steuerung, insbesondere nicht die Akzeptanz.

Wir diskutieren im Folgenden zwei Varianten, die eine Alternative zum aktuellen Marktdesign darstellen: Knotenpreise und eine Gebotszonenteilung. Diese Optionen zur Steuerung der regionalen Verteilung von Erzeugungsanlagen gehören zur Gruppe der marktbasierten Instrumente. Mit diesen Instrumenten lassen sich insbesondere Netzkosten gut internalisieren.

4.2.1. Knotenpreise

Knotenpreise reflektieren die lokalen Grenzkosten des Stromverbrauchs an jedem Netzknoten. Sie werden deshalb auch häufig nodale Preise genannt. Sie geben den Grenznutzen der Einspeisung einer zusätzlichen MWh für das Gesamtsystem an. Somit werden auftretende Netzengpässe bereits bei der Preisbildung im Strommarkt berücksichtigt. Ohne Netzengpass nähern sich die Preise unterschiedlicher Knotenpunkte an. Sobald ein Engpass auftritt, stellen sich unterschiedliche Preisniveaus ein. In einem vermaschten Übertragungsnetz entstehen diese nicht nur, wenn die direkte Leitung zwischen zwei Netzknoten überlastet ist, sondern auch, wenn der Stromfluss zwischen den beiden Knoten die maximale Belastbarkeit auf irgendeiner Übertragungsleitung überschreitet. Auf der Seite des Engpasses, an dem günstigere Erzeugungskapazitäten bereitstehen, stellt sich ein niedrigerer Preis ein als auf der Seite mit teureren Kraftwerken. Knotenscharfe Strompreise führen durch die räumliche Granularität des Strommarktes zu räumlichen Preissignalen für den Einsatz von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen.

Schweppe et al. (1988) führten das Konzept der Knotenpreise 1988 ein. Seitdem sind sie in vielen nicht-europäischen Stromsystemen, insbesondere in den USA und Lateinamerika, implementiert worden. Knotenpreise wurden ausgiebig in der Fachliteratur diskutiert, so finden sich beispielsweise knapp 50.000 Artikel unter dem Stichwort Locational marginal pricing bei Google Scholar. Von den in dieser Analyse vorgestellten Instrumenten sind Knotenpreise das einzige, das zu ökonomisch optimalen Einsatzentscheidungen von Erzeugungsanlagen führt. Da bei der Verwendung von Knotenpreisen Netzengpässe bereits im Strommarkt abgebildet werden, ist keine nachgelagerte Netzbewirtschaftung wie Redispatch notwendig, was insgesamt zu einer Reduktion der Betriebskosten führen soll.

Über den Strompreis können Knotenpreise auch Investitionsentscheidungen beeinflussen. Allerdings ist der Einfluss von Knotenpreisen auf die regionale Steuerung von Investitionsentscheidungen weitaus geringer als weithin angenommen. Einerseits sind zukünftige Knotenpreise in der Regel schwer zu prognostizieren, da zukünftige Erzeugungs- und Übertragungsnetzinvestitionen einen starken Einfluss auf das Niveau regionaler Preise haben. Diese Unsicherheit erschwert Investitionsentscheidungen, die allein auf Basis hoher regionaler Strompreise getroffen werden. Dies wird unter anderem durch Brown et al. (2020) am Beispiel von Texas verdeutlicht. Die Autoren zeigen, dass neben den Preisunterschieden eine Vielzahl weiterer Faktoren die Standortwahl von neuen Erzeugungsanlagen beeinflussen.

In Europa wird häufig argumentiert, dass nodale Strompreise zu einer Reihe von techno-ökonomischen Herausforderungen führen. Häufig genannt werden der Missbrauch von Marktmacht mit der Folge überhöhter Preise, fehlende Liquidität an den einzelnen Knoten, zusätzliche Hürden für die Marktintegration von Flexibilitätsoptionen, eine zu große Komplexität in den Berechnungsalgorithmen und Umverteilungseffekte. Eicke und Schittekatte (2022) zeigen, dass Länder, in denen Knotenpreise bereits eingeführt wurden, befriedigende regulatorische Lösungen für diese Herausforderungen gefunden haben. Dass nodale Märkte in naher Zukunft in Europa eingeführt werden, ist jedoch trotzdem unwahrscheinlich, da dafür die institutionellen Rahmenbedingungen grundlegend geändert werden müssten. Dies scheitert vor allem am Widerstand der betroffenen Akteure.

Für diese Analyse ist es wichtig hervorzuheben, dass eine Änderung des Strommarktdesigns allein nicht zu einer politisch vorgegebenen Verteilung von Anlagen führen wird. Die sich ergebende Verteilung ist optimal hinsichtlich aller internalisierter Kosten (also hier auch den Kosten des Netzausbaus). Nichtmonetäre Aspekte finden jedoch keinerlei Berücksichtigung bei der Verteilung. Um eine politisch gewünschte Verteilung zu erzielen, müssten Knotenpreise mit einer zusätzlichen Steuerungsform verbunden werden.

Schließlich wäre die Einführung nodaler Strompreise auch rechtlich nicht trivial – und nur in enger Abstimmung mit den europäischen Nachbarländern möglich. Denn die Umstellung auf nodale Preise würde die Aufgabe der einheitlichen deutschen Strompreiszone bedeuten (§ 3a StromNZV). Zur Umsetzung müsste auf EU-Ebene das hierfür in der Strombinnenmarkt-Verordnung vorgesehene Verfahren mit den dortigen Fristen und Beteiligungen durchlaufen werden (Kahles und Pause 2019), auf nationaler Ebene in Deutschland wären Anpassungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) erforderlich.

4.2.2. Gebotszonenteilung

Eine vereinfachte Version von nodalen Preisen ist die Unterteilung der deutschen Gebotszone in zwei oder mehr Preiszonen. Eine solche Gebotszonenteilung innerhalb eines Landes wurde beispielsweise in einigen skandinavischen Ländern (Dänemark, Schweden, Norwegen) und Italien eingeführt. Ähnlich wie bei nodalen Preisen führt eine Gebotszonenteilung zur Berücksichtigung von intra-zonalen Netzengpässen und Übertragungsverlusten. Strukturelle Netzengpässe, wie sie in Deutschland gehäuft von Nord nach Süd auftreten, könnten durch eine Teilung der einheitlichen Preiszone in eine nördliche und eine südliche Zone adressiert werden. Erwartungsgemäß würde dies zu durchschnittlich höheren Preisen in Süddeutschland und niedrigen Preisen in Norddeutschland führen, woraus ein lokaler Anreiz für Erzeugungsinvestitionen im Süden und zusätzlichen Verbrauchen im Norden entstünde. Auch die Erlöse bestehender Anlagen wären davon betroffen.

Die Aufteilung Deutschlands in mehrere Preiszonen wird seit etwa zehn Jahren wissenschaftlich diskutiert (Felling und Weber 2018; Trepper, Bucksteeg, und Weber 2015; Egerer, Weibezahn, und Hermann 2016; Breuer, Seeger, und Moser 2013; Löschel u. a. 2013). Allerdings ist die Gebotszonenteilung politisch stark umstritten. Ein 2019 von der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) gestarteter Prozess, der die Vorteile alternativer europäischer Gebotszonenzuschnitte untersuchen sollte, wurde durch fehlende Einigkeit über die untersuchten Szenarien, Annahmen und Bewertungskriterien stark erschwert. Weder auf Ebene der Übertragungsnetzbetreiber noch auf Ebene der nationalen Regulierungsbehörden konnte eine über den Minimalkonsens hinausgehende Einigung erzielt werden (European University Institute. 2020). Eine innerdeutsche Gebotszonenteilung wird insbesondere von Deutschlands Nachbarstaaten gefordert, die sich dadurch eine Verringerung von Lastflüssen durch ihre jeweiligen Netze erhoffen, die durch inner-deutsche Stromtransaktionen entstehen. 

Die Teilung der deutschen Gebotszone ist auch aus energiewirtschaftlicher Perspektive herausfordernd. Einerseits kann ein unter jetzigem Kraftwerkspark und Netzkapazitäten optimaler Zuschnitt wegen zukünftiger Netzinvestitionen und dem Einfluss auf Investitionsentscheidungen bereits in wenigen Jahren überholt sein (Fraunholz, Keles, und Fichtner 2020). Andererseits führt ein regelmäßiger Neuzuschnitt der Gebotszonen zu Unsicherheit zukünftiger Preisniveaus und kann Investitionsentscheidungen daher stark hemmen (Deilen u. a. 2019). Ambrosius et al. (2020) zeigen, dass auch der Prozess der Teilung mit starken Unsicherheiten behaftet ist, die ebenfalls Investitionsentscheidungen beeinflussen und empfehlen daher eine frühzeitige und transparente Kommunikation des Prozesses. 

Wie bei nodalen Strompreisen besteht auch bei einer Gebotszonenteilung keine Möglichkeit, ohne weitere Instrumente eine vorgegebene Verteilung von Erzeugungsanlagen zu erzielen. Aus juristischer Sicht gilt das oben zu Knotenpreisen gesagte erst recht für eine genuine Gebotszonenteilung, denn letztlich entsprechen nodale Preise einer Stromgebotszonenteilung, nur eben in eine Vielzahl an Gebotszonen.

4.3. Netzentgeltbasierte Steuerungsinstrumente

Ein vom Regulator festgelegtes Netzentgelt kann ein regionales Preissignal an Erzeuger und Verbraucher übermitteln. Dabei können alle eingangs erwähnten Kriterien für eine regionale Steuerung berücksichtigt werden. Netzentgeltbasierte Instrumente fallen in die Kategorie der regulatorischen Instrumente. Neben Netzentgelten sind auch andere Formen der regulatorischen Preissteuerung möglich, wie zum Beispiel durch Kapazitätsmechanismen oder in der Förderung Erneuerbarer Energien. Wir erachten diese beiden Optionen jedoch als weniger relevant für Deutschland, da beide (in der jetzigen Implementierung) nur einen kleinen Teil der Erzeugungsanlagen betreffen und keinen Einfluss auf Verbrauchende haben. Die im Folgenden angeführten Argumente sind jedoch auch für diese gültig.

4.3.1. Regional differenzierte Netznutzungsentgelte

In Deutschland werden die Netzentgelte derzeit auf die Stromverbraucher umgelegt. Außerdem werden die Netzentgelte für das Übertragungsnetz in Deutschland an allen Standorten vereinheitlicht, sodass diese ab 2023 überall gleich sein werden (BMWI 2018). Ein alternativer Ansatz ist die Differenzierung der Netznutzungsentgelte, sodass von ihnen regional unterschiedliche Anreize ausgehen. Durch eine Aufteilung der Kosten zwischen Stromverbrauchern und -erzeugern ist die Steuerungswirkung mit diesem Instrument sogar für beide Gruppen möglich. Tragen Erzeuger einen Teil der Kosten, wird auch von einer g-Komponente gesprochen. Dies ist in der Mehrheit der europäischen Nachbarländer der Fall (ENTSO-E 2019). Schweden, Norwegen, das Vereinigte Königreich und Australien sind Beispiele für Systeme mit regional differenzierten Netzentgelten, die zwischen Erzeugern und Verbrauchern aufgeteilt sind. 

Netznutzungsentgelte werden von allen Anlagen erbracht, was sie von Netzanschlussentgelten unterscheidet, die wir im nachfolgenden Abschnitt diskutieren und die nur neue Anlagen betreffen. In diesem Abschnitt gehen wir insbesondere auf Netznutzungsentgelte ein, die pro eingespeiste Energie (z.B. pro MWh) erhoben werden. Von diesen geht ein Einfluss auf Einsatzentscheidungen von Stromerzeugern und -verbrauchern aus, da sie die Grenzkosten der Marktakteure beeinflussen. So können sie zum Beispiel die Merit-Order der Abregelung Erneuerbarer Energien steuern und damit im langfristigen Mittel den Bedarf an Redispatch-Maßnahmen senken. Um netzdienlich zu sein, müssten Netznutzungsentgelte jedoch tagesaktuell den prognostizierten Stromflüssen im Übertragungssystem angepasst werden. Solche schwer zu antizipierenden Netznutzungsentgelte werden allerdings nur einen sehr geringen Einfluss auf Investitionsentscheidungen haben. Außerdem sind solch regulatorisch festgelegte Preissignale marktbasierten Preissignalen wie Knotenpreisen oder einer Gebotszonenteilung unterlegen. Zeitlich konstante Netznutzungsentgelte hingegen spiegeln im Gegensatz zu lokalen Strompreisen nicht die aktuelle Netzsituation wider. Insofern sehen wir keine überzeugenden Argumente, warum Preissignale über energiebasierte Netznutzungsentgelte übermittelt werden sollten.

Für die Quantifizierung der Instrumente im Zahlenbeispiel diskutieren wir den Effekt auf die Standortentscheidungen von Erzeugungskapazitäten. In der Praxis werden energiebasierte Netznutzungsentgelte allerdings eher auf die Beeinflussung der Einsatzreihenfolge abzielen. Um durch regionalisierte Netznutzungsentgelte Standortentscheidungen zu beeinflussen, müssen diese regionale Erlösunterschiede ausgleichen. Im Beispiel bedeutet dies, dass die Entgelte im Norden zu Mehrkosten von 24 €/MWh gegenüber dem Süden führen. Für die regionale Steuerung sind dabei nur die relativen Preisunterschiede der Entgelte zwischen den Regionen von Bedeutung. Die absolute Höhe der Entgelte kann frei gewählt werden. So ist die Kombination der Entgelte 24 €/MWh im Norden und 0 €/MWh im Süden genauso gut möglich wie die Kombination von 12 €/MWh im Norden und -12 €/MWh im Süden. Ein negatives Entgelt entspricht dabei einer Vergütung für die Einspeisung. In einem integrierten Strommarkt wie in Europa empfiehlt es sich, den Einfluss solcher Netzentgelte auf die Erzeugungskosten gering zu halten, da dies den Wettbewerb mit Anlagen im Ausland verzerrt. Aus diesem Grund sind negative Netzentgelte in manchen Regionen sinnvoll. So würden Windanlagen ohne zusätzliche EE-Förderung im gewählten Beispiel im Norden bei sinkenden Strompreisen bereits früher abgeregelt werden, wenn Anlagen im Süden noch weiter betrieben werden. Dies ist in der Regel wünschenswert, da Netzengpässe häufig von Nord nach Süd auftreten. Allerdings kann ein solches Instrument – im Gegensatz zu strompreisbasierten Instrumenten – nicht garantieren, dass dieses Verhalten beim umgekehrten Netzengpass nicht zu einer Verstärkung führt.

4.3.2. Tiefe Netzanschlussentgelte

Tiefe Netzanschlussentgelte sind einmalige Zahlungen für den Netzanschluss neuer Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen. Im Gegensatz zu flachen Netzanschlussentgelten, die nur die Kosten des direkten Anschlusses zum öffentlichen Netz umlegen, reflektieren tiefe Entgelte auch die Kosten des Netzausbaus, der durch den neuen Anschluss, aber nicht in unmittelbarer Nähe zum Erzeuger oder Verbraucher entsteht. Durch geringere Entgelte an Orten, die das Übertragungsnetz wenig belasten, entsteht ein regional differenzierter Preisanreiz für Investitionen.  Einige europäische Nachbarländer nutzen bereits tiefe Netzanschlussentgelte, so zum Beispiel die baltischen Staaten, Schweden und Kroatien (ENTSO-E 2019).

Im Gegensatz zu den anderen diskutierten Instrumenten betreffen tiefe Netzanschlussentgelte nur neue Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen und haben daher keinen Einfluss auf bestehende Anlagen. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung. Diese kann jedoch ökonomisch dadurch gerechtfertigt sein, dass nur Neuanlagen einen Einfluss auf ihren Standort haben und regionale Steuerungsinstrumente, mit Ausnahme von Kraftwerksstilllegungen, keinen Einfluss auf den Standort bestehender Anlagen haben können. Kapazitätsbasierte Zahlungen können alternativ als dauerhafte Leistungspreise ausgestaltet werden, die dann auch bestehende Anlagen betreffen und somit auch für das Repowering von Windanlagen relevant sind. Da zusätzliche Erzeugung oder Verbrauch an einigen Punkten im System das Übertragungsnetz entlastet, können regional auch negative Netzanschlussentgelte in Betracht gezogen werden. 

Eine besondere Herausforderung von tiefen Netzentgelten ist deren Berechnung, die Annahmen über die Aufteilung der Kosten erfordert. Neue Übertragungstrassen werden in der Regel wegen ihrer hohen Anfangsinvestitionen, aber geringer Grenzkosten, deutlich über dem unmittelbaren Bedarf ausgelegt. Bei Unsicherheit über zukünftige Netznutzungen können diese schlecht in der Kostenteilung berücksichtigt werden, was Erstinvestitionen in manchen Regionen unattraktiv machen kann. Dies kann eine verzögernde Wirkung auf Investitionen haben (Swider u. a. 2008)

WerdenNetzanschlussentgelte nach Maßgabe der installierten Leistung oder der vertraglich zugesicherten Netzkapazität berechnet, wie es in der Praxis häufig der Fall ist, betrifft dieses Instrument Anlagen mit stark schwankenden Erzeugungs- bzw. Verbrauchsprofilen stärker als solche, die ein kontinuierliches Profil aufweisen. Es empfiehlt sich daher, die Netzanschlussentgelte je nach Technologie unterschiedlich zu gestalten, um die reale, zusätzliche Netzbelastung der jeweiligen Akteure zu reflektieren. Allerdings muss hier eine Abwägung zwischen Transparenz, Einfachheit und Kostenverursachung erfolgen. Denn Transparenz über die unterschiedlichen Netzentgelte ist entscheidend, damit Investoren diese bei der Auswahl potenzieller Standorte berücksichtigen können. Beispiele für transparent umgesetzte Netzanschlussentgelte und einer transparenten Übersicht der aktuell verfügbaren Netzkapazitäten sind Northern Power Gridim Vereinigten Königreich und PGE9https://www.pge.com/en_US/for-our-business-partners/distribution-resource-planning/distribution-resource-planning-data-portal.page in den USA. 

Ein Nachteil von Netzanschlussentgelten ist, dass sie zu einer Erhöhung der volkswirtschaftlichen Kosten des Energiesystems führen können: Für private Investitionen erhöhen sich die Investitionskosten. Gegenüber Netzbetreibern haben sie deutlich höhere Kapitalkosten. Dadurch steigen die Gesamtaufwendungen für die Netzfinanzierung.

Wie die meisten anderen regulatorischen Instrumente sind auch tiefe Netzanschlussentgelte aufgrund der zu treffenden Annahmen schwer zu berechnen und daher anfällig für den Einfluss von Interessensvertretungen. Insbesondere besteht eine Gefahr der unverhältnismäßigen Diskriminierung bestimmter Technologien oder Standorte, weshalb ein solches Instrument bislang in Deutschland bewusst nicht implementiert wurde. 

Kapazitätsbasierte Steuerungsinstrumente wie tiefe Netzanschlussentgelte beeinflussen die Rentabilität der Anlagen. Damit private Investoren die nächste Windanlage in Süddeutschland und nicht in Norddeutschland errichten, muss das Netzentgelt für Windenergie im Süden niedriger ausfallen als im Norden. Im Zahlenbeispiel muss das Instrument, wie bei den Netznutzungsentgelten, die Differenz der Erlöse von 24 €/MWh ausgleichen. Die Stärke des Instruments hängt von der Anzahl der Volllaststunden ab, die sich zwischen den Regionen unterscheidet. Diese Erlösdifferenz könnte beispielsweise erzielt werden, wenn die Netzanschlussentgelte für Windanlagen im Norden 80,4 €/kW und im Süden 0 €/kW betragen oder im Süden ein Bonus von 56,4 €/kW beim Netzanschluss gezahlt wird, wenn die Kosten im Norden 0 €/kW sind. Auch ein kostenneutrales Instrument wäre denkbar, wenn die zusätzlichen Entgelte im Norden den Boni im Süden entsprechen. Im Gegensatz zu energiebasierten Instrumenten haben diese keinen Einfluss auf Entscheidungen zum Kraftwerkseinsatz und zur Abregelung.

Aus juristischer Sicht würde die Einführung tiefer Netzanschlussentgelte für Erzeugungsanlagen unter anderem verfassungsrechtliche Fragen zu Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlungsrundsatz) aufwerfen, etwa mit Blick auf eine regionale Differenzierung in der Entgelthöhe oder aufgrund des sogenannten “first mover disadvantage”, sofern die Netzanschlussentgelte nur vom ersten Erzeuger zu tragen sind, also nicht in angemessenem Maße auf alle Anlagen, die den jeweiligen Netzausbaubedarf auslösen, verteilt werden. Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass für die Einspeisung nach § 15 Abs. 1 S. 3 StromNEV bisher gar keine Netzentgelte zu entrichten sind und selbst bei Erzeugungsanlagen jenseits 100 MW installierter Leistung nach § 8 Abs. 3 KraftNAV keine Beteiligung an den Kosten zur Verstärkung des Netzes vorgesehen ist.

5. Zusammenfassung und Politikempfehlungen

Die zentrale Säule der Energiewende ist der Ausbau von EE-Anlagen. Die ambitionierten Ausbauziele erfordern vor allem einen erheblichen Zubau von Photovoltaik- und Windenergieanlagen. Gerade wegen ihrer Dezentralität nehmen EE-Anlagen dabei in besonderem Maße Flächen in Anspruch und sind auf eine Netzanbindung angewiesen, die dieser Dezentralität entspricht. Aufgrund begrenzter Flächenverfügbarkeiten rücken die Anlagen damit immer näher an die Bürgerinnen und Bürger heran. Fehlende effektive Beteiligungsprozesse in den Planungs- und Umsetzungsverfahren führen somit häufig zu Akzeptanzdefiziten. Zudem führt der Ausbau von EE-Anlagen vielfach zu Netzausbaubedarfen, deren Kosten ganz überwiegend volkswirtschaftlich getragen werden. Beides macht eine regionale Steuerung erforderlich, um den EE-Zubau bestmöglich zu orchestrieren.

Die planerische Ausweisung ist dabei der Ausgangspunkt – und in der Praxis vielfach der Grund begrenzter Flächenverfügbarkeiten. Wie der Beitrag gezeigt hat, kommen schon auf dieser Ebene Politikoptionen in Betracht, um den EE-Ausbau insbesondere akzeptanzfreundlicher, aber auch netzkosteneffizienter zu regeln. Darauf aufbauend treten aber vor allem weitere Regulierungsinstrumente auf den Plan. Der Beitrag stellte dazu verschiedene Steuerungsinstrumente dar, die mengenbasiert, strompreisbasiert oder auch netzentgeltbasiert zur regionalen Steuerung des EE-Ausbaus eingesetzt werden könnten.

Diese können dabei eine zentrale Rolle einnehmen, denn findet der Zubau nur kostenbasiert statt und werden keine Instrumente zur Internalisierung von Netz-, System- oder wesentlich schweren zu monetarisierenden Aspekten wie der Akzeptanz gefunden, so wird sich die Erzeugung in einigen Regionen stark konzentrieren. Eine derartige Konzentration würde von den im Ariadne-Szenarienreport zur Klimaneutralität 2045 diskutierten Verteilungen abweichen und somit die gesellschaftliche Tragfähigkeit der Energiewende verringern. Außerdem ist zu erwarten, dass eine starke Konzentration mit erhöhten Netzkosten einhergeht und zu signifikanten Mitnahmeeffekten führt, da Anlagen an besonders guten Standorten unverhältnismäßig hohe Renditen erzielen und eine Konkurrenz aufgrund von Flächenknappheit nicht möglich ist.

In dieser Ariadne-Analyse haben wir Optionen diskutiert, um die Stromerzeugungstechnologien auch dann an gewünschte Standorte zu verlagern, wenn die Förderung Erneuerbarer Energien an Bedeutung für die Investitionsentscheidung verliert. Wir empfehlen eine regionale Steuerung des Zubaus, insbesondere von Erneuerbaren Energien, die sich daran ausrichtet, bestmöglich die lokale Akzeptanz der Anlagen zu berücksichtigen und Netzkosten zu vermeiden. Dazu sollten auf Ebene der Flächenplanung frühe und vor allem effektive Beteiligungsmöglichkeiten gestärkt und Netzkostenaspekte auf Ebene einer Bedarfsplanung für Neuanlagen berücksichtigt werden. Flankierend sollten regionale Steuerungseffekte über netzentgeltbasierte Instrumente erzielt werden. Konkret haben die tiefen Netzanschlussentgelte dabei den großen Vorteil, dass sie den Einsatz von Erzeugungsanlagen nicht nachteilig beeinflussen. Beide empfohlenen Klassen von Instrumenten lassen sich kalibrieren, sodass eine erwünschte Verteilung erreicht werden kann und übertriebene Mitnahmeeffekte aufgrund von Flächenknappheit verringert werden können.

Die Einführung von strompreisbasierten Instrumenten, also eine Teilung der Gebotszone oder die Einführung nodaler Preise, sehen wir als unabhängig von der Entscheidung für oder gegen eines der anderen Instrumente. Strompreisbasierte Instrumente beeinflussen vor allem die Einsatzentscheidungen und können helfen, Netzkosten zu verringern. Ihr Einfluss auf Investitionsentscheidungen ist dagegen gering und sie berücksichtigen dabei nur Aspekte, die sich auch monetarisieren lassen. Um andere gesellschaftliche Werte bei Investitionsentscheidungen abzubilden, ist ein solches Instrument daher wenig hilfreich.

In dieser Analyse haben wir auch dargestellt, wie preisbasierte Instrumente parametrisiert werden können, um auch andere gesellschaftliche relevante Werte abzubilden. In folgender Forschung werden wir das hier skizzierte Vorgehen mit Hilfe eines Strommarktmodells auf die Ariadne-Szenarien anwenden und somit aussagekräftige Zahlenwerte für die Ausgestaltung der Instrumente erlangen. Außerdem sind die Auswirkungen der Instrumente auf die Verbraucherinnen und Verbraucher von Elektrizität in dieser Analyse kaum betrachtet worden. Dies wird Gegenstand der weiteren Forschung in Ariadne sein.


Die Autorinnen und Autoren der vorliegenden Ariadne-Analyse gedenken Klara Reder, die einen wertvollen Anteil an der vorliegenden Analyse hatte. Wir werdendich und dein Engagement für die Energiewende nie vergessen!

Die vorliegende Ariadne-Analyse wurde von den oben genannten Autorinnen und Autoren des Ariadne-Konsortiums ausgearbeitet. Sie spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung des gesamten Ariadne-Konsortiums oder des Fördermittelgebers wider. Die Inhalte der Ariadne-Publikationen werden im Projekt unabhängig vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erstellt.

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Autorinnen & Autoren

Anselm Eicke

Hertie School

Silvana Tiedemann

Hertie School

Stefanie Mieth

Hertie School

Norman Gerhardt

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik

Lukas Jansen

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik

Dr. Klara Reder

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik

Dr. Carsten Pape

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik

Roman Weidinger

Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Dr. Hartmut Kahl

Stiftung Umweltenergierecht