Große Uninformiertheit und Unsicherheit beim Thema Heizen in den eigenen Wohnzimmern: In vielen Haushalten Deutschlands waren die Erwartungen an den Winter 2022 beim Thema Heizen von Informationsdefiziten und Gegensätzlichkeit geprägt, zeigt die Analyse der zweiten Erhebung des großen Wärme- und Wohnen-Panels. Vom Sanierungsstand über Hemmnisse bei der energetischen Modernisierung bis hin zur Einschätzung von Politikmaßnahmen, wie dem Einbauverbot neuer fossiler Heizungen, zielt die neue Erhebungsreihe darauf ab, die Datenbasis im Gebäudesektor zu verbessern. Mehr als 15.000 Haushalte werden dazu im vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekt Ariadne jährlich befragt.
„Beim Thema Heizen herrschen große Informationsdefizite, sowohl bei den technischen Details als auch hinsichtlich der Kosten. So hatte ein Großteil der Teilnehmenden des Wärme- & Wohnen-Panels unmittelbar vor Beginn des Winters 2022/2023 keine verlässlichen Informationen über ihre künftigen Energiepreise. Auch die Energiesparkampagne der Bundesregierung unter dem Titel 80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel blieb den allermeisten unbekannt“, erklärt Manuel Frondel vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. „Will die Politik solche Kampagnen bekannter machen, müsste sie dafür aktiver in den Medien werben.“
Was die Erhebungswelle zu Beginn der Heizperiode 2022 gezeigt hat:
- Energiesparen war nur für ein Drittel der Befragten ein zentrales Thema, trotz der im Jahr 2022 drohenden explodierenden Energiepreise: Die Bereitschaft zum Sparen von Heizenergie war zwar größer als noch bei der ersten Befragungswelle im Jahr 2021. Gefragt danach, welche Maßnahmen die Teilnehmenden gegen steigende Energiepreise ergreifen wollen, gaben jedoch lediglich 28 Prozent an, ihren Heizenergieverbrauch im Winter 2022/2023 stark oder sehr stark zu reduzieren zu wollen.
- Gleichzeitig wären für einen hohen Anteil an Befragten höhere Energiekosten finanziell nur schwer tragbar: So sollten die Teilnehmenden in einem hypothetischen Experiment annehmen, dass ihre Heizkosten um 10 Prozent, 50 Prozent, 100 Prozent, 200 Prozent oder 300 Prozent steigen würden. Befragt nach der finanziellen Tragbarkeit gaben mehr als 20 Prozent an, dass bereits ein Kostenaufschlag von lediglich 10 Prozent schwer, sehr schwer oder unmöglich für sie zu tragen wäre. Im extremen Fall von 300 Prozent Mehrkosten erhöht sich der Anteil auf 70 Prozent der Befragten.
- Individuelle Energiekosteninformationen waren rar: Ein möglicher Grund dafür, dass nur eine Minderheit der Teilnehmenden ihren Heizenergieverbrauch senken wollte, kann in der häufig fehlenden Heizkosteninformation liegen. So gaben rund 44 Prozent der Eigentümerinnen und Eigentümer sowie etwa 62 Prozent der Mietenden an, keine verlässlichen Informationen über ihre künftigen Heizkosten zu haben.
- Energiespar-Kampagne der Bundesregierung blieb weitgehend unbekannt: Um einer möglichen Gasmangellage im Winter 2022/2023 zu begegnen, entwickelte die Bundesregierung eine Informationskampagne unter dem Titel 80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel. Doch nur 21 Prozent der Teilnehmenden gaben an, die eigens zur Abwendung einer Gasmangellage initiierte Kampagne wahrgenommen zu haben. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass die Medien dieser Kampagne vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben.
- Große Bekanntheit der nie umgesetzten „Gasumlage“: Eine überwältigende Mehrheit von etwa 88 Prozent der Befragten hatte dagegen von der Gasumlage gehört. Diese war für Herbst 2022 geplant, wurde letztlich aber nie eingeführt.
- Die Hälfte der Befragten für Erneuerbare Energien beim Heizbetrieb, aber nur ein Drittel für ein Gaskessel-Verbot: Ein Einbauverbot für neue Gaskessel wurde im Herbst 2022 lediglich von rund 28 Prozent der Befragten begrüßt. Gleichzeitig befürworteten jedoch mehr als die Hälfte der Befragten eine Verpflichtung zu einem Anteil von 65 Prozent Erneuerbare Energien beim Betrieb neu eingebauter Heizungen – wohl ohne sich dabei bewusst zu sein, dass eine solche Regelung ein Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen impliziert.
- Steigende Baupreise und unsichere Energiepreise sind die größten Hemmnisse bei der energetischen Modernisierung: 70 Prozent der Eigentümer gaben steigende Preise im Bauhauptgewerbe als größten Hinderungsgrund für energetische Modernisierungen an. Dahinter folgte als zweitwichtigstes Hindernis die Unsicherheit über die Preisentwicklung verschiedener Energieträger.
„Die Ergebnisse des Panels zeigen einen gewissen Widerspruch zwischen geäußerter Mehrbelastung bei steigenden Preisen und der Reaktion darauf: Die angegebene eher schwer tragbare Kostenbelastung steht im Missverhältnis zum eher geringen Energiesparvorhaben“, ordnet Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ein. „In der Vorausschau auf den Energiekrise-Winter scheinen sich zwar viele Sorgen aufgetan zu haben. Einen tiefgreifenden Wandel beim eigenen Verhalten in Sachen Energiesparen oder Sanieren scheint es jedoch nicht gegeben zu haben. Das mag an der Unsicherheit über die tatsächlichen Kosten gelegen haben – oder dass man sich darauf verlassen hat, dass die Politik schon reagieren wird, wenn es zu hart kommt.“
Das Ariadne Wärme- & Wohnen-Panel 2022
Manuel Frondel, Andreas Gerster, Philipp Hiemann, Kathrin Kaestner, Michael Pahle, Antonia Schwarz, Puja Singhal, Stephan Sommer (2023): So ging Deutschland in den Energiekrise-Winter 2022: Ergebnisse des Wärme- und Wohnen-Panels. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam.
Das Ariadne Wärme- & Wohnen-Panel kurz erklärt
Die Ergebnisse des Wärme- & Wohnen-Panels setzen die 2021 gestartete Ariadne-Befragungsreihe zum Aufbau einer neuartigen Datengrundlage zur Heiz- und Energieinfrastruktur in Deutschland fort. Über die kommenden Jahre soll so eine fundierte Datengrundlage zur Wohn- und Heizsituation von Deutschlands Haushalten entstehen. So können künftig die Wirksamkeit von Maßnahmen im Gebäudesektor besser ausgerichtet und konkrete Reaktionen auf Maßnahmen besser verstanden werden. Die zweite Erhebungswelle für das Jahr 2022 wurde zu Beginn der Heizperiode zwischen Ende September und Anfang November durchgeführt. Rund 15.000 Haushalte wurden befragt, davon hatten etwa 80 Prozent bereits an der ersten Befragung teilgenommen. 66,6 Prozent der befragten Haushalte wohnten im Eigentum, zur Miete wohnten 33,4 Prozent.
Weiterführende Informationen
Report: So wird geheizt: Ergebnisse des Wärme- und Wohnen-Panels 2021
Methoden-Hintergrund: Das Wärme- & Wohnen-Panel zur Analyse des Wärmesektors.
Institute der beteiligten AutorInnen:
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung