Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien stark vorangetrieben und 2 Prozent der Landesfläche dafür genutzt werden muss. Dies birgt großes Konfliktpotential. Vor allem beim Bau von Windrädern kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen lokalen Entscheidungstragenden, Vorhabenträgern bzw. Projektentwicklungsunternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern, die den Bau von Anlagen verzögern. Das hat zur Folge, dass die Ausbaugeschwindigkeit von Windkraft-Anlagen spürbar abgenommen hat und das Erreichen der gesetzten Klimaziele gefährdet ist. Welche Ursachen haben diese Konflikte und welche Möglichkeiten können sich anbieten, um sie zu verhindern oder lösen, damit die Energiewende wieder an Fahrt gewinnen kann?
Ein Team aus Fachleuten der Technischen Universität Darmstadt und der Hochschule für Politik der Technischen Universität München haben sich in einem zweiteiligen Hintergrund mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt. Im ersten Teil legt das Autoren-Team anhand einer Literaturanalyse erstmals die bisherige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einzelnen Konflikten übereinander und arbeitet Ursachen und Themen heraus, die besonders häufig in lokalen Auseinandersetzungen zum Thema Erneuerbare Energien auftauchen und zeigt Zusammenhänge mit Entscheidungsstrukturen der Energiewende auf. Der zweite Teil zeigt anhand von vier Fallstudien zu Windenergievorhaben in Deutschland, wie lokale Akteure die Stromwende vor Ort mitgestalten und begleiten und welche Strategien bei der erfolgreichen Realisierung helfen können, aber auch welche strukturellen Schwierigkeiten dabei bestehen.
Trotz aller Unterschiede in den verschiedenen konkreten Situationen haben die Autorinnen und Autoren grundsätzliche Konfliktpunkte und mögliche Lösungsoptionen herauskristallisiert. So entstehen häufig dann Auseinandersetzungen um den Bau von Windkraftanlagen, wenn der gesellschaftliche Dialog nicht oder nicht ausreichend genutzt wird und die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, sich nicht am Planungsprozess beteiligen zu können. Umso mehr sie die Begrenzung ihres Handlungsspielraumes erleben, umso häufiger verlaufen Auseinandersetzungen entlang der Dimensionen von Kosten und Nutzen, wobei es in erster Linie um Umwelt- und Naturschutz, aber auch um finanzielle Aspekte sowie sehr individuelle Bedenken und Bedürfnisse geht. Wichtig für die lokalen Schlüsselakteure – hier in erster Linie Bürgermeisterinnen und Kommunalräte, aber auch Projektierer/Vorhabenträgerinnen – ist das Wissen, wie sie Kompromisse erreichen können, um die Umsetzung einer Windkraftanlage ohne den Widerstand der Bürgerinnen und Bürger vor Ort umsetzen zu können. Dies kann unter anderem erreicht werden, indem sich Entscheider intensiv mit den Vorbehalten von Bürgerinnen und Bürgern auseinandersetzen und darüber hinaus mit kommunalen Akteuren und der Bürgerschaft kreative, individuelle Lösungen erarbeiten. Darüber hinaus helfen bei der Bereitschaft zur Kompromissfindung die Berücksichtigung regionaler Verteilungsgerechtigkeit, die Nutzung verschiedener Technologien für Erneuerbare Energien und eine bundesweite Verpflichtung für Energie- und Klimakonzepte.
Ariadne-Hintergrund
Michèle Knodt, Patricia Stoll, Jörg Kemmerzell, Sybille Reitz, Lauren Goshen, Dörte Ohlhorst, Arwen Colell (2022): Konflikte und Akteure –
Gesellschaftliche Herausforderungen bei der
Umsetzung der Stromwende. Ariadne-Hintergrund.