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Analyse: Deutschlands Klimaaußenpolitik: Kontext – Rückschau – Weiterentwicklung

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Kernaussagen

  • Mit dem Schlagwort Klimaaußenpolitik (KAP) bezeichnet die Bundesregierung ihre Bemühungen, internationale Klimapolitik in alle außenpolitischen Bereiche zu integrieren und damit ihre Klimadiplomatie kohärent und strategisch auszurichten. Das betrifft die interne Organisation, eine dedizierte Klimaaußenpolitikstrategie sowie inhaltliche Schwerpunkte, Initiativen und Partnerschaften in der diplomatischen Praxis. Die KAP begegnet damit unmittelbar bestehenden Defiziten aus der Vergangenheit sowie zunehmend schwierigen Bedingungen für Klimakooperation im internationalen Kontext.
  • Im Rahmen der KAP wurden Zuständigkeiten zwischen den Ministerien umverteilt und die interministerielle Zusammenarbeit zwischen vier Kernressorts (Auswärtiges, Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt) intensiviert. Die Federführung des Auswärtigen Amtes und der neue Posten der Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik haben es der Bundesregierung ermöglicht, intern wie international mit größerer Bestimmtheit aufzutreten und Umsetzungswillen zu signalisieren.
  • In der Praxis stößt der Anspruch der KAP dort an ihre Grenzen, wo klima- und andere außenpolitische Ziele miteinander im Konflikt stehen. So bestehen regierungsintern weiterhin teils gegenläufige politische Prioritäten; Ressorts außerhalb der vier Kernministerien treten mitunter als Vetospieler auf. Die Klimaaußenpolitikstrategie enthält keine Leitlinien zur Priorisierung von Zielen und Kapazitäten.
  • Über die Weiterentwicklung der KAP kann die strategische Ausrichtung der Klimaaußenpolitik künftig institutionell vorgeformt werden. Dabei bestehen Optionen zur Verbesserung der interministeriellen Koordination sowie der Verteilung der Kompetenzen unter den Ressorts. Die nötigen Abwägungen sind vor dem Hintergrund sowohl der Vorteile bei Koordinationseffizienz und Signalwirkung als auch des Aufwands für die interne Governance in und zwischen den Ministerien zu treffen.
  • Die Herausforderungen für Deutschland im internationalen Kontext – sowohl im Bereich der Klimakooperation als auch damit eng verbundener Politikfelder – erfordern es, über die interne Aufstellung hinaus im Rahmen der KAP Zielkonflikte politischer, inhaltlicher und finanzieller Art künftig noch systematischer anzugehen. Hierfür bedarf es neben der Balance aus Tiefe und Breite deutscher Aktivitäten in Initiativen, Partnerschaften und UNFCCC auch die effektive Einbeziehung der Europäischen Union und industriepolitische Flankierung. Für einzelne Ländergruppen lassen sich dazu spezifische Strategien entwickeln, um klare Prioritäten zu setzen und klimakompatible Abwägungen mit anderen Politikzielen zu erlauben.

1. Einleitung

Internationale Klimapolitik ist ein Querschnittsfeld. Sie fällt in den Zuständigkeitsbereich nicht nur eines, sondern mehrerer Ressorts innerhalb der Bundesregierung. Sowohl die Folgen des Klimawandels als auch Maßnahmen zu seiner Begrenzung berühren eine Vielzahl von Politikfeldern wie z.B. Außenwirtschaft, Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit oder Migration. Umgekehrt haben Entscheidungen in diesen Bereichen häufig mittelbare und unmittelbare Auswirkungen auf die globale Dekarbonisierung. Der Klimawandel betrifft alle Bereiche der Außenpolitik und alle Bereiche der Außenpolitik betreffen den Klimawandel – das war der Leitgedanke hinter der inhaltlichen Ausrichtung und organisatorischen Neuaufstellung von Deutschlands klimadiplomatischen Aktivitäten, wie sie effektiv ab dem Frühjahr 2022 vorgenommen wurden. Zusammengefasst wird dieses Unterfangen unter dem Schlagwort Klimaaußenpolitik1Der
Begriff Klimaaußenpolitik kommt seit den 2010er Jahren immer wieder auf (siehe
Kapitel 3). Seit dem Start des gleichnamigen Unterfangens der Bundesregierung
ab 2022 (ebd.) hat er teils arg unreflektiert Eingang in die Policy-Debatten in
Deutschland gefunden. Es handelt sich weder um einen Fachbegriff, noch stellt
er eine kohärente analytische Kategorie dar. Weder sachlich noch von der
Bundesregierung intendiert ist er synonym zu internationaler Klimakooperation
oder Klimadiplomatie zu verstehen, auch wenn er vielfach so verwendet wird. Dieses
Papier verwendet den Begriff Klimaaußenpolitik ausschließlich in Bezug auf das
Unterfangen der Bundesregierung
(nachstehend abgekürzt als KAP). Damit bezeichnet die Bundesregierung sowohl die Idee der Integration internationaler Klimapolitik in alle Bereiche der Außenpolitik als auch die organisatorischen und inhaltlichen Aspekte ihrer praktischen Umsetzung. Ein im Dezember 2023 veröffentlichtes Strategiedokument legt entsprechende Handlungsfelder und Prioritäten fest (Bundesregierung, 2023b).

Die Grundidee der Klimaaußenpolitik begegnet sowohl äußeren Herausforderungen für die internationale Klimakooperation, die sich seit Beginn der Umsetzung noch verstärkt haben, als auch einigen seit langem bestehenden Problemen in der regierungsinternen Organisation  von Deutschlands Engagement in diesem Politikfeld. Dieses wurde in der Vergangenheit oft als nur eingeschränkt koordiniert kritisiert. Statt einen kohärenten Ansatz unter den beteiligten Ressorts zu verfolgen, war Deutschlands Klimadiplomatie vormals oft fragmentiert und hat ad-hoc auf kurzfristige Entwicklungen und Handlungsmöglichkeiten reagiert (Flachsland et al., 2023; Sach & Hirsch, 2024). Im globalen Kontext sieht sich internationale Kooperation zur Dekarbonisierung zusätzlichen Hindernissen gegenüberstehen – etwa der durch den Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise, der Erosion von Vertrauen im UN-System und verstärkter Blockbildung. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschlands klimadiplomatische Aktivitäten angesichts dieser erschwerten Bedingungen im globalen Kontext in einen breiteren, strategischeren Ansatz einzubetten.

Mittels der Auswertung von Dokumenten, Hintergrundgesprächen, eines Stakeholder-Workshops sowie der bisher erschienenen Literatur (siehe Kasten) nimmt dieses Papier eine umfassende Einordnung der Klimaaußenpolitik vor, schwerpunktmäßig beginnend mit ihrer praktischen Umsetzung ab dem Frühjahr 2022. Ausgangspunkt ist der globale Kontext, der die Herausforderungen für die Klimaaußenpolitik diktiert (Kap. 2). Danach folgt die Aufarbeitung der organisatorischen und inhaltlichen Kernelemente der Klimaaußenpolitik (Kap. 3). Sodann diskutiert das Papier diese Kernelemente angesichts der äußeren Herausforderungen und der eigenen Ansprüche der Bundesregierung (Kap. 4) und gibt abschließend Empfehlungen für die Prioritäten bei der Weiterentwicklung über die laufende Legislaturperiode hinaus (Kap. 5).

Gegenstand und Datengrundlage

Diese Analyse blickt auf Deutschlands Herausforderungen und Bemühungen in der internationalen Klimapolitik während der aktuellen Legislaturperiode zurück. Der Fokus liegt dabei auf dem Zeitraum ab der effektiven Umsetzung des Projekts Klimaaußenpolitik der Bundesregierung ab dem Frühjahr 2022. Die Analyse greift dazu auf die bislang verfügbaren Veröffentlichungen zu dem Thema (graue und wissenschaftliche Literatur) und offizielle Dokumente der Bundesregierung und Regierungsparteien zurück sowie auf Hintergrundgespräche und einen Workshop mit ausgewählten Personen aus der Praxis der Klimaaußenpolitik.

Literatur: Angesichts der Aktualität des Themas ist bislang vornehmlich graue Literatur über Deutschlands Klimaaußenpolitik verfügbar. Diese umfasst bereits einige erste weitgefasste Abhandlungen und Einschätzungen (Kahlen et al., 2022; Süß, 2024). Insbesondere aus dem zivilgesellschaftlichen Umfeld werden auch Empfehlungen für die inhaltliche Weiterentwicklung und Schwerpunktsetzung gegeben (Künzel et al., 2023; Könneke & Menzel, 2023). Darüber hinaus gibt es einige Analysen und Kommentare zu einzelnen Aspekten, insbesondere der Klimaaußenpolitikstrategie (Flachsland et al., 2023; Goritz et al., 2024) sowie Deutschlands bi- und plurilateralen Partnerschaften (Dröge & Feist, 2022; Kumar et al., 2022; Feist, 2023; Piria & Martini, 2023; Sach & Hirsch, 2024).

Dokumente: Die wichtigsten offiziellen Dokumente sind Papiere der Bundesregierung und der beteiligten Parteien wie etwa die Klimaaußenpolitikstrategie (Bundesregierung, 2023b), Rede-Transkripte (z.B. Auswärtiges Amt, 2024b), die Wahlprogramme der Regierungsparteien (SPD, 2021; Bündnis 90/Die Grünen, 2021b; FDP, 2021) und der Koalitionsvertrag (SPD et al., 2021). Darüber hinaus sind Erklärungen in bestimmten internationalen Foren mit deutscher Beteiligung relevant, wie etwa der G7 (z.B. G7, 2022a) oder der International Partners Group der Energiewendepartnerschaften (Just Energy Transition Partnerships, JETPs, z.B. IPG, 2023).

Hintergrundgespräche: Untermauert wurde die Analyse mit anonymisierten Hintergrundgesprächen mit Mitarbeitern/-innen aus den relevanten Bundesministerien und Beobachtern/-innen aus Forschung und Zivilgesellschaft.

Workshop: Im September 2024 wurde ein Workshop der Experten/-innen aus dem Ariadne-Projekt zusammen mit Stakeholdern aus dem Deutschen Bundestag und den einschlägigen Bundesministerien abgehalten. Dort wurden unter Chatham House Rule die ersten Ergebnisse dieses Papiers vorgestellt und diskutiert. Rückmeldungen und ausgewählte Anregungen aus dem Workshop wurden in die Analyse aufgenommen.

Seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode Ende 2021 sind die Bedingungen für effektive Klimadiplomatie nicht günstiger geworden. Bestehende Problemlagen haben sich verschärft, neue Konfliktpunkte sind in Erscheinung getreten. Das betrifft zum einen breitere Trends in der internationalen Politik, insbesondere mit Blick auf Sicherheit und Blockbildung im internationalen System (Abschnitt 2.1). Damit eng verbunden bestehen veränderte Bedingungen für die Dekarbonisierung angesichts der Querverbindungen mit Energieversorgungssicherheit, Lieferketten und gegebenen oder potenziellen Handelskonflikten (Abschnitt 2.2). Die aktuelle Agenda in der internationalen Klimakooperation im engeren Sinne schließlich ist geprägt von Vertrauensfragen in den UNFCCC-Prozess und der Frage nach der Effektivität neuer bi- und plurilateraler Partnerschaften (Abschnitt 2.3).

2.1. Sicherheit und Konkurrenz im internationalen System

Die Entwicklungen seit Russlands Invasion der Ukraine im Februar 2022 haben verdeutlicht, dass nach dem vermeintlichen unipolaren Moment, der auf den Zusammenbruch der Sowjetunion folgte (Krauthammer, 2002; Layne, 2006), und der Hoffnung auf Entspannung der internationalen Beziehungen nunmehr drohende und tatsächliche Konfrontation zwischen den größten Akteuren wieder in den Vordergrund gerückt sind. Dabei sind Ansätze einer Blockbildung zwischen den USA, der EU und anderen G7-Staaten gegenüber China, Russland und dem Iran zu beobachten. Insbesondere in den USA unter der Regierung Biden ist diese Konkurrenz in eine Wahrnehmung eingebettet, nach der Demokratien und Autokratien in einem Systemwettbewerb gegeneinanderstellt sind (Rudolf, 2022; The White House, 2022a). Gleichzeitig wird das internationale System zunehmend als multipolar und fluide beschrieben (Acharya et al., 2023; Scholz, 2022). Die Bedeutung von Ländern des sogenannten Globalen Südens (Haug et al., 2021), die westlichen Ländern im Zuge Russlands Invasion zu großen Teilen die Unterstützung verweigerten, ist auch vor dem Hintergrund der USA-China-Rivalität gewachsen. Dazu belasten multiple Krisen staatliche Systeme, mit potenziell negativen Auswirkungen auf internationale Stabilität (Homer-Dixon et al., 2024; Tooze, 2022).

Die Wechselbeziehung von Sicherheits- und internationaler Klimapolitik ist keineswegs neu (Barnett, 2003; Oels, 2012; McDonald, 2013; Dalby, 2014; Selby & Hoffmann, 2014; Dellmuth et al., 2018; Lederer, 2022). Aber sie ist unmittelbarer und in politischen Debatten sichtbarer geworden (Falkner, 2023; Skalamera, 2023). Durch die Rückwirkungen zwischen der globalen Energiewende und ihren Verflechtungen mit äußerer Sicherheit und ökonomischem Wohlstand werden klimapolitische Dynamiken zunehmend selbst Treiber von machtpolitischen Verschiebungen im internationalen System (Bosch & Vinke, 2022). Ins Gewicht fallen dabei insbesondere die USA und China. Zwar dominiert die Beziehung zwischen den beiden Großmächten die multilateralen Klimaverhandlungen derzeit noch nicht (Hansen & Könneke, 2024). Die Auseinandersetzungen verlagern sich aber vermehrt auch in klimarelevante Bereiche. Präsident Bidens weitgehende Weiterführung der China-Politik seines Vorgängers zeigt, dass die Beziehung trotz Entspannungsmomenten mittelfristig antagonistisch bleibt (Maull et al., 2023). Damit verringert sich auch das Potenzial bilateraler Klimakooperation zwischen diesen beiden Staaten als stabilisierendes Element.

Auch in der Rolle des Globalen Südens und Mittelmächten im internationalen System sind Veränderungen zu beobachten. Einzelne Staaten wie Brasilien, Indien oder Indonesien entziehen sich bewusst einer Blockbildung und fordern Reformen der als durch den Globalen Norden dominiert empfundenen internationalen Ordnung. Brasilien, das nach seiner G20-Prädentschaft 2024 im Folgejahr die COP 30 ausrichtet, legt dabei den Fokus auf die Neuausrichtung der multilateralen Finanzinstitutionen (Könneke, 2024). Die Reaktionen des globalen Nordens auf Krisen, insbesondere die Verschuldungskrise in Folge der Corona-Pandemie, wird in weiten Teilen des Globalen Südens als Ausdruck von normativen Doppelstandards gesehen. Insgesamt verstärken diese Trends die in der Klimapolitik ohnehin inhärenten Verteilungsfragen. Die Dichotomie zwischen Industrie- beziehungsweise Entwicklungs- und Schwellenländern bleibt für die internationale Klimapolitik weiterhin prägend (Feist & Geden, 2023a).

2.2. Energie, Wirtschaft und Handel

Fossile Energie wird, gemessen an den Zielmarken des Pariser Übereinkommens, weiterhin in viel zu großem Umfang genutzt und neue Vorkommen werden erschlossen (Paris Agreement, 2015; UNEP, 2023c). Allerdings macht die globale Energiewende auch sichtbare Fortschritte. Im Jahr 2024 sollen Investitionen in erneuerbare Energien und grüne Technologien mit zwei Billionen USD doppelt so hoch wie Investitionen in fossile Energieträger ausfallen (IEA, 2024). Für die deutsche Energieversorgung waren zu Beginn des Projektes Klimaaußenpolitik die russische Invasion der Ukraine und die damit verbundene Loslösung von russischem Gas und Öl prägend.

Zwar wurde so Energieunabhängigkeit als zusätzlicher Nutzen erneuerbarer Energien herausgestellt und trug dazu bei, dass Energieversorgungssicherheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Autokratien auf der einen und klimapolitische Ziele auf der anderen Seite nun mitunter als kongruent wahrgenommen werden (Bundesregierung, 2022; Dolphin et al., 2024). Andererseits stellen sich die Energiewende und geoökonomische Verschiebungen wechselseitig vor Herausforderungen (Kuzemko et al., 2024). Es existieren weiterhin Zielkonflikte, die unmittelbar Deutschlands internationale Klimapolitik und die Reputation und wahrgenommene Legitimität der deutschen Klimadiplomatie betreffen. Nachdem Deutschland als Reaktion auf die Energiekrise nach Russlands Angriff auf die Ukraine den Fahrplan der Stilllegung einzelner Kohlekraftwerke im Rahmen des Kohleausstiegs anpasste, hat dies – ungeachtet der Beteuerungen der Bundesregierung, dass das beschlossene Ausstiegsdatum und die Gesamtemissionsreduktion unverändert blieben – der Glaubwürdigkeit insbesondere bei Partnern im Globalen Süden geschadet. Es hatte sich bei einigen der Eindruck ergeben, Deutschland poche international auf Ambition bei der Dekarbonisierung, gebe die eigenen Zusagen unter wirtschaftlichem Druck aber wieder auf (Feist & Geden, 2023b). Auch die Vereinbarung zwischen Ägypten, Deutschland und den USA am Rande der COP 27, die die Energietransformation im ägyptischen Stromsektor durch den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen sollte (Arab Republic of Egypt et al., 2022), hat gezeigt, dass Energieversorgung und Dekarbonisierung trotz potenzieller Synergien in der Praxis häufig gegenläufige Wirkrichtungen entfalten. So wurde die Vereinbarung explizit damit begründet, dass die somit freigewordene Gasproduktion den Markt beruhigen soll (The White House, 2022b). Derlei Maßnahmen, die zur kurzfristigen Marktstabilisierung die Nutzung fossiler Energieträger befördern, bergen das Risiko, ungewollt die Zukunftsfähigkeit fossiler Infrastrukturen zu signalisieren. Maßnahmen zur Dekarbonisierung wirken andersherum auch auf energie-, wirtschafts- und handelspolitische Fragen zurück. Der CO2-Grenzausgleichmechanismus der Europäischen Union, dessen Einführung von lautstarkem Widerspruch von Handelspartnern begleitet wurde, hat das erneut verdeutlicht (Dokk Smith et al., 2023; Feist et al., 2024; Jakob, 2023; Szulecki et al., 2022). Im Zuge der Dekarbonisierung gewinnen des Weiteren für die Energiewende notwendige Technologien und Rohstoffe an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung (Boer et al., 2024; Findeisen, 2023; Kiemel et al., 2021; Seck et al., 2022). Mit Blick auf die im vorigen Abschnitt angesprochenen Konflikte werden potenzielle Abhängigkeiten von anderen Ländern beim Import dieser Rohstoffe und Vorprodukte zunehmend kritisch bewertet. In Deutschland verdeutlichte der Wegfall von vermeintlich billigem russischem Gas diese Gefahr. Dennoch verläuft die Grenze zwischen hoher Importquote und Abhängigkeit fließend, bestimmt durch mögliche Substitution und Rückgriff auf Lagerbestände im Ernstfall. Inwieweit die Minderung von Abhängigkeiten durch Diversifizierung oder die Produktionsverlagerung in freundlich gesinnte Länder möglich und wünschenswert ist, muss je nach Technologie und Lieferkette abgewogen werden (Lipke et al., 2024). Es besteht ein potenzielles Spannungsverhältnis zwischen dem Aufbau resilienter Lieferketten und einer möglichst günstigen Dekarbonisierung. Neben dem Grad der Abhängigkeit sind weitere Faktoren bei der Entscheidungsfindung die Kosten der Diversifizierung und die Gefahr, dass die jeweilige Abhängigkeit als politisches Druckmittel genutzt wird.

2.3. Internationale Klimakooperationen

Die Umsetzung des Übereinkommens von Paris bildet nach wie vor den Dreh- und Angelpunkt der internationalen Klimakooperation, inklusive neuer national festgelegter Beiträge (NDCs) bis 2025. Auch wenn fast 90 Prozent der globalen Emissionen mittlerweile durch ein Netto-Null-Ziel abgedeckt sind (New Climate Institute & Climate Analytics, 2023), existieren weiterhin große Lücken in der Umsetzung, sowohl bei Emissionsreduktion als auch Anpassung (UNEP, 2023b, 2023a). Letzteres wird von Entwicklungsländern kritisiert, und hat in Kombination mit zähen Fortschritten bei der finanziellen Unterstützung zu einem Vertrauensverlust im multilateralen UNFCCC-Prozess geführt (Feist & Geden, 2023b). Auch unter dem Eindruck dieses mangelnden Fortschritts wurde zu der Zeit, in die auch der Start der Klimaaußenpolitik fällt, wieder mehr Augenmerk auf plurilaterale Kooperationsformate außerhalb des multilateralen UNFCCC-Prozesses gelegt, wie z.B. die JETPs oder den G7-Klimaclub (Falkner et al., 2022; Feist, 2023, siehe auch Abschnitte 3.2.3 und 5.6). Auch die Bemühungen um eine Reform der internationalen Finanzarchitektur, die von großer Bedeutung für die Finanzierung der Energiewende in Staaten des Globalen Südens ist, sind nicht in den UNFCCC-Prozess integriert. Nichtsdestoweniger haben sich die Verhandlungen unter der Klimarahmenkonvention mitunter als bemerkenswert resilient gegenüber den oben beschriebenen Entwicklungen auf globaler Ebene gezeigt. Gerade weil die einzelnen Verhandlungsstränge an technischen Details hängen und sich über Jahre hinziehen, wirken sich aktuelle Ereignisse in der internationalen Politik oft nur mittelbar darauf aus. Die erste Globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake, GST), die alle fünf Jahre das kollektive Ambitions- und Implementierungsniveau zur Erreichung der Pariser Ziele überprüft (Peeters, 2021; Rajamani et al., 2022), enthielt als Abschlussdokument der COP 28 erstmals in der Geschichte der internationalen Klimaverhandlungen die Vereinbarung, in Energiesystemen vom Gebrauch von fossilen Brennstoffen abzurücken („Transitioning away from fossil fuels in energy systems“, UNFCCC, 2023a). Zusammen mit dem Durchbruch bei den Verhandlungen zu Schäden und Verlusten auf der COP 27 und 28 wurde deutlich, dass Kooperation jenseits der historisch dominanten Dichotomie von Entwicklungs- versus Industrieländern grundsätzlich möglich ist (Goddard et al., 2024; Könneke & Adolphsen, 2024). Die konfrontativen Vorverhandlungen zum neuen Finanzierungsziel (New Collective Quantified Goal on Climate Finance, NCQG), das auf der COP 29 in Baku beschlossen werden soll, lassen die neuen Koalitionen allerdings wieder brüchig erscheinen.

3. Rückschau I: Kernelemente der Klimaaußenpolitik

Vor dem Hintergrund des oben beschriebenen internationalen Kontextes sollte das Projekt Klimaaußenpolitik nicht weniger leisten, als strategische Handlungsfähigkeit herzustellen (Bundesregierung, 2023b). Dieses Kapitel enthält eine deskriptive Analyse der Kernelemente, die dieses Projekt ausmachen. Auch wenn die Bundesregierung Klimaaußenpolitik als die breit angelegte Integration internationaler Klimapolitik in alle relevanten Belange verstanden wissen will, lassen sich in der Umsetzungspraxis im Wesentlichen zwei Dimensionen unterscheiden. So hat sich Deutschlands Klimadiplomatie (1) wie erwähnt in der internen Organisation umgestellt und (2) neue inhaltliche Prioritäten und Zielvorstellungenverfolgt, deren Umsetzung neue Erfordernisse im strategischen Vorgehen mit sich bringt.

Die aktuelle Prägung des Begriff Klimaaußenpolitik geht zwar auf die derzeitige Bundesregierung zurück, der Begriff und die dahinterstehende Idee sind jedoch älter. Der Begriff Klimaaußenpolitik taucht erstmals bereits beinahe zu Beginn dessen auf, was man als internationale Klimapolitik bezeichnen kann (Brauch, 1996). Entsprechend gab es schon mehrfach Ansätze und Ideen dazu, wie die klimadiplomatischen Bemühungen Deutschlands konzeptioniert und effektiver gestaltet werden können (Tänzler & Carius, 2012; Mabey et al., 2013). Ab Mitte der 2010er Jahre wurde unter dem Schlagwort Energie- oder Energiewende-Außenpolitik diskutiert, wie die deutsche Energiewende durch einen ressortübergreifenden Ansatz durch internationales Engagement flankiert werden kann (Messner & Morgan, 2013; Messner, 2015). Der Begriff Klimaaußenpolitik wurde dann ab 2021 verstärkt in Anfragen und Anträgen der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen verwendet (Bündnis 90/Die Grünen, 2014, 2021a, 2021c), vereinzelt und weniger prominent auch von der SPD-Fraktion (SPD, 2011). Hier wie auch in Studien zivilgesellschaftlicher Organisationen (Auswärtiges Amt, 2019; Li, 2016) wird Klimaaußenpolitik allerdings meist noch unspezifisch oder synonym zu Klimadiplomatie verwendet.

Die institutionelle Integration umweltpolitischer Themen als Bestandteil deutscher Außenpolitik nahm in der Praxis erste Anfänge bereits unter Außenminister Fischer ab dem Jahr 2000 (Buchmann, 2022). Aus der Zeit unmittelbar vor der laufenden Legislaturperiode sticht ein Bericht zur Klima-Außenpolitik hervor (Auswärtiges Amt, 2019). Dieser entstand auf Initiative des Auswärtigen Amtes, andere Ressorts wurden vorab konsultiert. Er befasst sich mit den anstehenden Herausforderungen in einzelnen Politikfeldern; die interne Organisation von Deutschlands Klimadiplomatie kommt hier noch nicht vor (ebd.). Eine Kleine Anfrage der Grünen zitiert den Bericht und verbindet die Idee der Klimaaußenpolitik mit der Forderung, Deutschlands außenpolitische Ressourcen strategischer für die Umsetzung des Pariser Übereinkommens einzusetzen (Bündnis 90/Die Grünen, 2021c). Die Bundesregierung übernimmt den Begriff in ihrer Antwort und hebt vor allem die sicherheitspolitische Relevanz des Klimawandels hervor (Bundesregierung, 2021).

Klimaaußenpolitik im aktuellen Sinne einer Kombination innerer Organisation von Klimadiplomatie und neuer Schwerpunktsetzung nach außen ist durch die aktuelle Bundesregierung initiiert worden. Nachdem das Wahlprogramm 2021 der Grünen den Begriff explizit beinhaltete (Bündnis 90/Die Grünen, 2021b) und sich der Kanzlerkandidat der SPD im Wahlkampf als Kanzler für Klimaschutz tituliert hatte (FAZ, 2021), fand die Klimaaußenpolitik schließlich Eingang in den Koalitionsvertrag (SPD et al., 2021). Dort war darüber hinaus ein eigenes Klimakabinett vorgesehen, das Deutschlands Klimadiplomatie „kohärenter und stärker“ machen sollte, letztlich aber nicht eingeführt wurde.

Der zeitliche Beginn des Projektes Klimaaußenpolitik in seiner Umsetzung lässt sich auf das Frühjahr 2022 datieren. Formell überträgt zwar schon der Organisationserlass vom 8. Dezember 2021 die Zuständigkeit für Klimaschutz vom BMUV an das BMWK und die Zuständigkeit für internationale Klimapolitik vom BMUV an das AA (Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 8. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5176), 2021). Praktisch vollzogen wurde der Wechsel ins AA allerdings erst im Februar 2022 mit der neu strukturierten Abteilung 4 für Klimaaußenpolitik und Geoökonomie. Ende Februar wurde zudem die Ernennung von Jennifer Morgan zur Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik verkündet. Ihr Stellvertreter ist gleichzeitig Beauftragter für Klimaaußenpolitik, womit sich der Begriff Klimaaußenpolitik institutionell innerhalb der Bundesregierung manifestiert hat (Auswärtiges Amt, 2024a). Im Rahmen des Berlin Energy Transition Dialogue fand die Klimaaußenpolitik erstmals prominente Erwähnung in einer Rede der neuen Außenministerin (Auswärtiges Amt, 2022a). In den Zeitraum unmittelbar im Anschluss fallen auch mehrere wichtige internationale Termine, bei denen sich Deutschland mit seiner neuen Klimaaußenpolitik dann in der diplomatischen Praxis konkret hervorgetan hat. Hervorzuheben sind der 13. Petersberger Dialog im Juli 2022 (Auswärtiges Amt, 2022c), die Reise der Außenministerin nach Palau im gleichen Monat, auf der die Unterstützung Deutschlands beim Thema Schäden und Verluste (Loss & Damage) betont wurde (Deutsche Welle, 2022; Auswärtiges Amt, 2022b), sowie die COP 27 im November in Scharm-El-Scheich, wo schließlich der Beschluss zur Etablierung eines eigenen Fonds für Schäden und Verluste gefasst wurde (Feist & Geden, 2023a; Åberg, 2023; Stuart-Watt, 2022).

3.1. Organisation

Die interne Struktur für Deutschlands Klimadiplomatie ist von zentraler Bedeutung für die Prioritäten und Kapazitäten der auswärtigen Bemühungen (vgl. für die EU Delreux & Earsom, 2023; Feist et al., 2024). Die organisationellen Elemente der Klimaaußenpolitik innerhalb der Bundesregierung umfassen vor allem (1) die Umverteilung von Kompetenzen zwischen den Ressorts und (2) intensivierte und zum Teil formalisierte Koordination zwischen den Ressorts.

3.3.1. Kompetenzen

Dass internationale Klimapolitik quer zu den Ressortzuständigkeiten steht, die Rahmenkompetenz in der Vergangenheit beim Auswärtigen Amt lag, die Sachkompetenz jedoch beim Bundesumweltministerium, stellte schon Brauch (1996) in den frühen Tagen der UN-Klimarahmenkonvention fest. Obschon Klimapolitik als heute anerkanntes Querschnittsthemenfeld nahezu alle Ressorts berührt, waren in der jüngeren Vergangenheit vor allem das Bundesumweltministerium (BMU2In der aktuellen Legislaturperiode 2021–2025 nennt sich das Ministerium BMUV.) und das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) unmittelbar für Deutschlands Klimadiplomatie relevant. Die Energiepartnerschaften des Wirtschaftsministeriums (BMWi) standen davon eher losgelöst da (Quitzow et al., 2019). Die Unterabteilung IK (Internationales) im BMU war federführend für die internationalen Verhandlungen im Kontext der UN-Klimarahmenkonvention (BMU, 2018, 2020). Das BMZ war hingegen zuständig für die Umsetzung konkreter Klimaschutzprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Mit den Verschiebungen der Kompetenzzuschnitte unter den Ressorts im Rahmen der KAP sind nunmehr vier Ministerien unmittelbar an Deutschlands Klimadiplomatie beteiligt. Neben dem Auswärtigen Amt (AA) und dem BMZ sind dies das Bundeswirtschafts- und -klimaministerium (BMWK) und das BMUV. Diese vier Ministerien zusammen wurden anfangs informell Kleeblatt genannt, eine Bezeichnung, die wir im Folgenden übernehmen, die inzwischen allerdings regierungsseitig nicht mehr gebraucht wird, um andere Ministerien nicht auszuschließen. Innerhalb der Regierung sollen in einem Whole-of-Government-Ansatz (Hunt, 2005; Henstra, 2022; Aoki et al., 2024) die häufig durch ressorteigene Interessen geprägten Ziele, Prioritäten und Aktivitäten besser koordiniert werden. Diese Idee der Zusammenarbeit über Ressortgrenzen hinweg wird seitens der Regierung auch als Team Deutschland bezeichnet, analog zum Team Europe der Europäischen Union (EEAS, 2022).

Das Auswärtige Amt ist nun statt des BMUs für die internationalen Verhandlungen zuständig und stellt mit Staatssekretärin Morgan auch personell den Fokuspunkt für die internationale Klimapolitik und das Projekt Klimaaußenpolitik. Die Umsetzung von Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern obliegt weiterhin dem BMZ. Dieses verantwortet damit etwa 78 Prozent der deutschen internationalen Klimafinanzierung (BMWK & BMZ, 2024) und ist federführend beim Thema Schäden und Verluste, inklusive der Verhandlungen zum neuen Fonds, der bei der COP 27 in Scharm El-Scheich beschlossen wurde. Das BMWK ist vornehmlich in den Bereichen Energiepartnerschaften mit Industrie- und Schwellenländern sowie Rohstoff- und Wasserstoffpartnerschaften aktiv. Das BMUV hat durch die Umstellung im Rahmen der Klimaaußenpolitik an Bedeutung für Deutschlands klimadiplomatische Aktivitäten verloren. Es ist aber international weiterhin bei Biodiversität, sogenannten naturbasierten Lösungen und teilweise internationaler Anpassungspolitik tätig.

Im Zuge der Re-Organisation der klimapolitischen Kompetenzen innerhalb der Bundesregierung gab es die größten personellen Verschiebungen zwischen den Ressorts vom BMU zum BMWK, dem neuen Wirtschaftsministerium mit Klimafokus. Im unmittelbaren Zusammenhang zur Klimaaußenpolitik stand der Wechsel von Teilen der damaligen BMU-Abteilung IK (Internationales, Europa, Klimaschutz) in die neue Unterabteilung KC (Internationaler Klimaschutz, internationale Energiewende) des BMWK. Andere Teile der Abteilung IK (16,5 Planstellen) wechselten hingegen, einhergehend mit der Zuständigkeit für die UNFCCC-Verhandlungen, ins Auswärtige Amt unter Staatssekretärin Morgan in die Abteilung 4 Klimaaußenpolitik und Geoökonomie (Auswärtiges Amt, 2024a; BMU, 2018; BMUV, 2024; Bundesrechnungshof, 2022). Die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI), auf die ein Großteil der nicht über das BMZ laufenden deutschen Klimafinanzierung entfällt, untersteht nicht mehr der Verantwortung des BMU, sondern wurde um das BMWK – verantwortlich für die Gesamtkoordinierung – sowie das AA erweitert. Nicht Teil der Kernministerien der KAP sind das Bundesfinanzministerium und das Kanzleramt, deren Zuständigkeiten jedoch das Feld der Klimaaußenpolitik immer wieder berühren – z.B. im Rahmen einzelner G7- und G20-Initiativen, wie etwa dem sogenannten Klimaclub, und bei der internationalen Klimafinanzierung.

3.3.2. Koordination

Trotz der Umstellungen und intensivierter interministeriellen Koordination sind die einzelnen Ressorts weiterhin für ihren jeweiligen Arbeitsbereich federführend verantwortlich, wie in der Klimaaußenpolitikstrategie hervorgehoben wird (Bundesregierung, 2023b). Die vier Ministerien des sogenannten Kleeblatts – AA, BMZ, BMWK und BMUV – bilden den Kern der Klimaaußenpolitik. Idealerweise ergänzen sie sich dabei gegenseitig und vermeiden eine Doppelung von Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten. Es gibt regelmäßige Koordinationsrunden auf verschiedenen Ebenen, die durch Arbeitsgemeinschaften für bestimmte Themenbereiche oder Länder ergänzt werden. Auch vorbereitende und strategische Abstimmungen finden statt, z.B. im Hinblick auf internationale Klimakonferenzen. Insgesamt wurden diese Bemühungen im Vergleich zur vorangegangenen Legislatur intensiviert, bleiben aber meist informell und ohne öffentliche Dokumente über die Koordinationsstrukturen und -gremien. Formell ungeregelt ist auch die Beziehung des Kleeblattes zu Kanzleramt und Bundesfinanzministerium.

Hervorzuheben ist die regelmäßige Klimaaußenpolitik-Runde aller beteiligten Ministerien auf Ebene der Staatssekretäre/-innen (StS), die mit der Klimaaußenpolitikstrategie etabliert wurde. Die StS-Runde trifft sich planmäßig halbjährlich oder bei Bedarf ad-hoc. Sie ist bei ressortübergreifenden Themen in der strategischen Planung auf Führungsebene das am stärksten formalisierte Forum der internen Organisation der Klimaaußenpolitik. Nicht umgesetzt wurde das im Koalitionsvertrag angedachte Klimakabinett.

In ausgewählten Partnerländern sollen die neu geschaffenen Klimaschwerpunktvertretungen, zu denen 57 deutschen Botschaften ernannt wurden, die klimaaußenpolitischen Aktivitäten Deutschlands koordinieren (Auswärtiges Amt, 2023a; Bundesregierung, 2023b). Vorbild ist hierbei Großbritannien, insbesondere was dessen international führende personale Ausstattung und Netzwerke betrifft. Die Stellenallokation im deutschen Fall variiert von einer Teilstelle bis hin zu einer Vollzeitstelle plus Lokalkraft in den jeweiligen Vertretungen. Die Schwerpunktvertretungen berichten zweimal jährlich und werden durch die Zentrale über klimapolitische Entwicklungen informiert. Zwar ist das Ausmaß an pro-aktivem Engagement einzelner Vertretungen zu einem großen Teil von dem oder der jeweiligen Botschafter/-in abhängig, dennoch sind die Vertretungen deutlich stärker in klimadiplomatische Aktivitäten eingebunden als in der vorherigen Legislaturperiode.

3.2. Formate und Inhalte

Deutschland hat im Rahmen der Klimaaußenpolitik zusätzlich zu den organisatorischen Elementen auch mehrere inhaltliche Schwerpunkte gesetzt – insbesondere in Bezug auf globale Emissionsminderung und den neuen Fonds für Schäden und Verluste. Diese Schwerpunkte spiegeln sich wider in der Entwicklung der Klimaaußenpolitikstrategie der Bundesregierung (Abschnitt 3.2.1) und sind eingebettet in Deutschlands Aktivitäten innerhalb der multilateralen Prozesse unter der UN-Klimarahmenkonvention (Abschnitt 3.2.2) sowie zunehmend in neue bi- und plurilaterale Kooperationsformate (Abschnitt 3.2.3).

3.2.1. Strategie

Die Klimaaußenpolitikstrategie (Bundesregierung, 2023b) bildete für die Bundesregierung ein Kernstück in der anfänglichen Außendarstellung des Unterfangens Klimaaußenpolitik. De facto erfüllt sie aber weniger eine nach außen gerichtete und gestaltende als vor allem eine regierungsintern koordinierende Funktion und spielt insgesamt nicht die Rolle, die ihr ursprünglich zugeschrieben wurde (siehe Diskussion in 4.2). Die Strategie wird im Koalitionsvertrag nicht erwähnt, die Bundesregierung einigte sich auf ihre Erarbeitung aber im Rahmen der Nationalen Sicherheitsstrategie (Bundesregierung, 2023c).

An der Ausarbeitung unter Federführung des Auswärtigen Amtes waren fast alle Bundesministerien beteiligt. Die Entwicklung wurde begleitet von Dialogen mit ausgewählten Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft (siehe z.B. DGAP, 2023). Die ursprünglich zum Abschluss dieses Dialogprozesses angesetzte Verabschiedung der Strategie verzögerte sich aufgrund von anfänglich unterschätzten (teils auch breiteren [klima-]politischen) Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesregierung.  Veröffentlicht wurde die KAP-Strategie schließlich im Dezember 2023 während der COP 28 durch die Minister/-innen des Kleeblatts und Kanzler Scholz in Berlin (Auswärtiges Amt, 2023b). International ist die Strategie bislang eher wenig rezipiert worden, wenn das AA auch mit seinen Pendants einigen Partnerländern über die Strategie im Austausch steht – insbesondere mit Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und den USA. Andere Ressorts nutzen die Strategie intern, bewerben sie aber nicht aktiv gegenüber Partnerländern. 

Inhaltlichordnet die KAP-Strategie bestehende deutsche Aktivitäten in Handlungsfelder und Prioritäten ein. Die Handlungsfelder entsprechen übergreifenden Zielen und decken neben klassischen klimapolitischen Bereichen auch Industrie-, Handels- und Entwicklungspolitik sowie internationale Sicherheit ab. Insgesamt soll Klimaschutz in allen relevanten internationalen Foren verankert werden und gegenüber einzelnen Ländern als Impuls für die gesamte Bandbreite der bilateralen Beziehung dienen. Klimapolitik wird ausdrücklich als Chance für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland und als Voraussetzung für internationale Stabilität beschrieben. Ein nicht unwesentlicher Adressat der Strategie ist damit auch die deutsche Öffentlichkeit (siehe auch Abschnitt 4.2).

Damit die Klimaaußenpolitik mit anderen außenpolitischen Bereichen im Einklang steht, enthält die Strategie Querbezüge zur Sicherheits- und Chinastrategie. Die einige Monate zuvor veröffentlichte Nationale Sicherheitsstrategie (Bundesregierung, 2023c) definiert Nachhaltigkeit als eine der drei Säulen deutscher Sicherheit und weist dem Geflecht aus Klima und Sicherheit eine prominente Rolle zu. Die dort wurde die wissenschaftliche Untersuchung zu Klimasicherheitsrisiken unter Einbeziehung des Verteidigungsministeriums angekündigt. Anders als – mit Einschränkungen – die Chinastrategie der Bundesregierung (Bundesregierung, 2023a; McElwee & Mazzocco, 2023) enthielt die Klimaaußenpolitik allerdings in Inhalt und Duktus kaum etwas Neues gegenüber bereits existierenden Leitlinien.

3.2.2. Verhandlungen

Die multilateralen Verhandlungen unter der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) sind nach wie vor eindeutiger Schwerpunkt der klimadiplomatischen Aktivitäten Deutschlands. Die Bundesregierung hat hier in mehreren Bereichen eine im Vergleich zu den vergangenen Jahren proaktive und prominente Rolle bei einer Reihe von zentralen Punkten auf der internationalen Agenda eingenommen.

Hervorstechend waren die Bemühungen um den Themenkomplex Schäden und Verluste (Loss and Damage). Auf der COP 27 in Scharm El-Scheich startete Deutschland, in Kooperation mit der G7 und der Gruppe besonders vulnerabler Staaten (V20), den Globalen Schutzschirm. Dieser soll vulnerable Länder bei kurzfristigen Klimaschäden unterstützen (GIZ, o. J.). Trotz der Beteiligung der V20 entstand jedoch seitens vieler Entwicklungs- und Schwellenländer der Eindruck, die Initiative versuche, als Versicherungslösung den anstehenden Verhandlungen zu Schäden und Verlusten die Dynamik zu nehmen (Feist & Geden, 2023a). Die letztlichen Verhandlungen zum neuen Fonds bei der COP 27, die Deutschlands Sondergesandte Morgan zusammen mit der chilenischen Umweltministerin Maisa Rojas leitete, wurden im Globalen Süden zustimmender wahrgenommen. Beim anschließend eingerichteten Übergangskomitee für den Fonds hatte Deutschland einen der zehn Sitze für Industrieländer inne (von insgesamt 24), den es sich mit Irland teilte (UNFCCC, 2023b). Die deutsche Delegation im Übergangskomitee wurde, trotz der grundsätzlichen Federführung von Verhandlungen durch das AA, vom BMZ geleitet. Dass die Empfehlungen des Komitees zur Funktionsweise des Fonds bei der Eröffnungssitzung der COP 28 ohne Änderungen angenommen wurden, lag auch an deutscher diplomatischer Vorbereitung des BMZ und der Finanzierung von jeweils 100 Mio. USD, die Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zusagten. Beide Staaten hatten, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen, ein Interesse daran, den Start des Fonds reibungslos zu gestalten und damit den Weg für die schwierigeren Verhandlungen zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern (Fossil Fuel Phase-Out) zu ebnen.

Im Vorlauf zur COP 28 in Dubai setzte Deutschland während des Petersberger Dialogs 2023 das globale Zubau- und Effizienzziel auf die multilaterale Agenda (Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien und Verdoppelung der jährlichen Verbesserungsrate der Energieeffizienz bis 2030). Das Ziel sollte einen COP-Beschluss zum Ausstieg aus fossilen Energien – dessen Chance in die Vereinbarung aufgenommen zu werden unter anderem wegen des Widerstandes ölexportierter Länder eingeschränkt war – entweder ergänzen oder notfalls als Rückfalloption dienen. Zusammen mit der EU und den VAE wurde erreicht, dass die Ziele zunächst in internationalen Foren wie der G20 und schließlich in die globale Bestandsaufnahme eingingen, die das Abschlussdokument der COP 28 in Dubai darstellt.

Deutschland hat sich darüber hinaus im multilateralen Prozess bemüht, progressive Allianzen zu schmieden, die den Interessen fossiler Staaten gegenübertreten. Die oben genannten Initiativen können, auch angesichts der schwierigen weltpolitischen Lage, als Versuch gesehen werden, Vertrauen von Entwicklungs- und Schwellenländern zu gewinnen und sie zur Übernahme der ambitionierten Positionen solcher Allianzen in internationalen Klimaverhandlungen zu bewegen. Auf der COP 28 trug Deutschland so zu einer zwar temporären, aber in Umfang und Tiefe noch nicht dagewesenen Nord-Süd-Koalition bei (Könneke & Adolphsen, 2024). So konnten Länder, deren Positionen durch fossile Interessen geprägt sind, erfolgreich isoliert werden. Gleichzeitig hat sich Deutschland den Positionen der High Ambition Coalition, die den Kern solcher Bemühungen ausmacht, selbst nicht immer angeschlossen (High Ambition Coalition, 2023). Außerdem sind die Allianzen bislang problemspezifisch und nicht dauerhaft gewesen, wie etwa die Auseinandersetzungen bei den Vorverhandlungen zum NCQG gezeigt haben.

3.2.3. Partnerschaften

Neben der multilateralen Arena bestanden die klimadiplomatischen Aktivitäten Deutschlands wesentlich in der Etablierung neuer Formate für bi- und plurilaterale Partnerschaften. Damit griff die Bundesregierung einen breiteren Trend in der internationalen Klimakooperation auf, der zunächst im Anschluss an die COP 15 in Kopenhagen und wiederum ab der COP 26 in Glasgow zu beobachten war (Feist, 2023). Zwei politisch besonders relevante Beispiele für plurilaterale Initiativen mit prominenter Beteiligung Deutschlands sind der G7-Klimaclub und die Partnerschaften für gerechte Energiewende (Just Energy Transition Partnerships, JETPs).

Klimaclub

Der G7-Klimaclub (inzwischen nennt er sich nur Klimaclub) entsprang in seiner ursprünglich angedachten Form einer Initiative des damaligen Bundesfinanzministers Scholz in der vorausgegangenen Legislaturperiode (BMF, 2021; BMF et al., 2021). Dabei war der Klimaclub als Club im engeren Sinne geplant, basierend auf einem gemeinsamen CO2-Preis in Verbindung mit Ausgleichszahlungen auf Importe aus Ländern, die nicht Teil des Clubs sind (BMF et al., 2021; Nordhaus, 2015). Trotz Bedenken innerhalb der Bundesregierung, insbesondere vom Auswärtigen Amt, und schwacher Erfolgsaussichten innerhalb der G7 im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft (Dröge & Feist, 2022; Feist, 2023; Kumar et al., 2022) wurde die Initiative politisch vom Bundeskanzleramt forciert. Substanziell musste sie dabei im Laufe des Prozesses innerhalb der G7 zu einem „forum for discussion“ (G7, 2022b) abgeschwächt werden, um tragfähig zu sein. Der Club ist nun also kein Klimaclub im engeren Sinne. Da Deutschland und dem für G7-Verhandlungen federführenden Kanzleramt unklar war, ob die folgende G7-Präsidentschaft Japan Interesse an der Fortführung hatte, wurde auf der COP 27 eilig eine Rahmenvereinbarung vor Ende der deutschen Präsidentschaft getroffen (G7, 2022b). Der Club wurde ein Jahr später auf der COP 28 offiziell gegründet (G7, 2023a). Dabei bemühte sich Deutschland um die Teilnahme möglichst vieler Länder (zum Start: 36; Stand Oktober 2024: 42), noch bevor die wichtigsten inhaltlichen und operationellen Details ausgehandelt waren. Obwohl sich daran die Ambition der Initiative zeigt, wurde gleichzeitig der wesentliche Vorteil plurilateraler Kooperation verspielt – nämlich die zunächst deutlich geringere Anzahl an Verhandlungsparteien (mit ähnlichen Präferenzen), wodurch Einigungen gegenüber multilateralen Formaten erleichtert werden können (Feist, 2023; G7, 2023a). Die heutige Fokussierung des Klimaclubs auf Dekarbonisierung in der Industrie, insbesondere auf Zement- und Stahlproduktion, die sich herausgebildet hat, hat angesichts der Wirtschaftskraft der G7 grundsätzlich durchaus Potenzial, Strahlkraft auf weitere Länder auszuüben. Allerdings hat dieses Arrangement angesichts des wenig zielgerichteten Prozesses deutlich mehr politisches Kapitel erfordert als nötig gewesen wäre.

Just Energy Transition Partnerships

Die Partnerschaften für eine gerechte Energiewende sollen durch abgestimmte und konzentrierte Unterstützung mehrerer Geberländer ausgewählten Partnerländern dabei helfen, durch öffentliche Gelder und Hebelung privaten Kapitals ihren Energiesektor in einer sozial gerechten Weise zu dekarbonisieren. Grundsätzlich versprechen die JETPs damit, dort in Klimaschutz zu investieren, wo es besonders effektiv und effizient ist. Allerdings krankte das Vorhaben in der Praxis daran, dass die Erwartungen von Geber- und Empfängerländern nicht ausreichend im Vorherein abgestimmt waren, wie insbesondere die erste JETP mit Südafrika zeigt (Cele & Prinsloo, 2022; Sguazzin et al., 2022). Darüber hinaus war die Auswahl der Partnerländer politisch motiviert. Auch wenn so explizit nicht kommuniziert, können die JETPs – parallel zum Global Gateway der Europäischen Union – auch als Versuch der G7 gesehen werden, ein Gegengewicht zu Investitionen in den Ländern des Globalen Südens zu bilden, die China aus geostrategischen Gründen seit längerem anstellt (Simpson et al., 2023).

Innerhalb des Kleeblatts ist grundsätzlich das BMZ für die Betreuung der JETPs zuständig, bei Südafrika und Vietnam wird die Verantwortung mit dem BMWK geteilt. Das AA engagiert sich vor allem in der diplomatischen Vorlaufphase (Piria & Martini, 2023). Nach der ersten JETP mit Südafrika trieb Deutschland während seiner G7-Präsidentschaft 2022 den Abschluss weiterer Partnerschaften aktiv voran, insbesondere mit Indonesien und Indien. Die Gespräche mit Indien haben jedoch nicht zur Etablierung einer weiteren Partnerschaft geführt. Zusammen mit Frankreich initiierte Deutschland zudem 2023 die jüngste JETP mit Senegal. Hier war das gemeinsame Engagement im frankophonen Teil Afrikas und das Potenzial Senegals als künftiger Lieferant von flüssigem Erdgas mutmaßlich Teil der Entscheidung (Daouda Diene & Scurfield, 2023). Die Entscheidung für ein Land mit geringen Emissionen im Energiesektor war kontrovers, auch angesichts der vorangegangenen Ankündigung des Bundeskanzlers, Senegal bei der Förderung von Erdgas zu unterstützen (Abdoulaye Sy, 2024).

Bilaterale Partnerschaften

Neben den angesprochenen plurilateralen Initiativen hat Deutschland eine hohe Zahl bilateraler Partnerschaftsformate mit Klimabezug etabliert. Seit 2021 wurden circa 20 neue Partnerschaften abgeschlossen, fast eine Verdopplung des vorherigen Standes (BMWK, 2023a; BMZ, 2024; Piria & Martini, 2023). Dazu gehören die Energie- und Klimapartnerschaften sowie die Wasserstoffpartnerschaften des BMWK (BMWK, 2023a); die Klima- und Entwicklungspartnerschaften des BMZ – kürzlich ergänzt durch eine neue Transformationspartnerschaft mit Brasilien – sowie gemischte Formate mit geteilter Verantwortlichkeit (Piria & Martini, 2023). Zusammen mit IKI-Projekten ergab sich dabei ein eher unkoordiniertes Gesamtbild bei den bilateralen Aktivitäten, was auch auf Partnerseite teils für Verwirrung sorgte (ebd.). Die Bundesregierung ist sich dieses Problems bewusst und hat in der KAP-Strategie angekündigt, bis Ende 2024 eine politische Überprüfung der bilateralen Partnerschaften durchzuführen Zu den zentralen Herausforderungen dabei gehört es, die richtige Priorisierung vorzunehmen und Komplementarität mit dem multilateralen UNFCCC-Prozess sicherzustellen (siehe auch Abschnitte 4.2 und 5.4).

4. Rückschau II: Erfolge und Fehlstellen

Die Klimaaußenpolitik zielt darauf ab, die Koordination innerhalb der Regierung zu verbessern und neue inhaltliche Impulse zu setzen. Das ist in weiten Teilen gelungen – wenn auch mit einigen Einschränkungen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Idee hinter Klimaaußenpolitik von deutlichem Problembewusstsein bezüglich der Probleme in der Vergangenheit zeugt. Wie eingangs angesprochen, war der Status Quo Ante von nur eingeschränkt kohärentem und strategischem Ad-Hoc-Policymaking und Fragmentierung innerhalb der Bundesregierung gekennzeichnet. Genau diese Probleme geht die Klimaaußenpolitik mit ihren Kernelementen unmittelbar an – wie der Klimaaußenpolitikstrategie und der Koordinierung im Whole-of-Government-Ansatz. Allerdings bestehen in der Praxis weiterhin Defizite bei der interministeriellen Zusammenarbeit, die sich auch in Zielkonflikten zwischen Initiativen widerspiegeln. Auch in der KAP-Strategie ist noch nicht zu erkennen, wie die KAP angesichts begrenzter Ressourcen und Kapazitäten sowie mangelnder Priorisierung bei Zielen und Mitteln als tatsächlich strategischer Ansatz transformative Wirkung nach außen entfalten kann.

4.1. Interministerielle Zusammenarbeit

Interministerielle Zusammenarbeit ist einer der zentralen Aspekte der organisatorischen Komponente im Projekt Klimaaußenpolitik (siehe Abschnitt 3.1.1). Deutschlands Aktivitäten in der internationalen Klimapolitik sollen dadurch besser koordiniert werden; potenziell inkohärentes Vorgehen, das hauptsächlich die Prioritäten und Logiken einzelner Ressorts bedient, ohne ins Gesamtgefüge zu passen, soll vermieden werden.

Obschon das Kleeblatt aus AA, BMWK, BMZ und BMUV insgesamt einen eher informellen Charakter hat, wird die Zusammenarbeit von Beteiligten als im Großen und Ganzen agil – also kooperativ und rasch anpassungsfähig – beschrieben. Hervorgehoben wird allerdings, dass die Zusammenarbeit nicht ausschließlich vom institutionellen Gefüge abhängt, sondern innerhalb dieses Rahmens (und durch ihn beeinflusst) genauso auch von der Motivation der individuellen Beteiligten. Viele arbeiteten bereits beim BMU miteinander zusammen. Persönlichkeiten auf Führungsebene spielen für die Praxis der interministeriellen Zusammenarbeit erfahrungsgemäß ebenfalls eine gewichtige Rolle – im positiven wie im negativen Sinne. Gerade unterhalb der Führungsebene wird die Zusammenarbeit von einigen Beteiligten in der Praxis mitunter auch als von fehlendem Vertrauen geprägt beschrieben. Informationen würden oft nicht (proaktiv) geteilt und internationale Aktivitäten anderer Ressorts teilweise als Konkurrenz wahrgenommen.

Das Kleeblatt auf vier Kernministerien zu konzentrieren hatte sowohl praktische Gründe, die sich aus den Zuständigkeiten ergeben, als auch die politische Motivation, dass nicht zu viele Koalitionsparteien unmittelbar beteiligt sein würden. Letztlich traten bei vielen wichtigen Entscheidungen aber dennoch zwei weitere Ministerien als Vetospieler auf: das Bundesfinanzministerium und das Bundeskanzleramt. Dass Differenzen zwischen dem Kleeblatt und diesen Akteuren zu Problemen führen können, hat sich etwa bei der Abstimmung der Klimaaußenpolitikstrategie oder der Forcierung des Klimaclubs durch das Kanzleramt während der G7-Präsidentschaft gezeigt (siehe Abschnitt 3.2.3). Der informelle Charakter des Kleeblatts gereicht vor diesem Hintergrund mitunter auch zum Vorteil. Schließlich erleichtert das den vier Kernministerien, die Abstimmung untereinander ohne BMF und BKAmt abzuhalten.

4.2. Klimaaußenpolitikstrategie

Grundsätzlich kann eine klimadiplomatische Strategie ein Spektrum der relativen Priorisierung von Klimapolitik bedienen. Entscheidendes Merkmal ist dabei, zu welchem Grad eine Strategie bereit ist, klimapolitische Ziele anderen Prioritäten (Wettbewerbsfähigkeit, Außenpolitik) vorzuziehen oder ob Klimapolitik als Mittel zum Zweck untergeordnet wird. Bleibt diese politische Frage ungeklärt, ergeben sich Schwerpunkte wie in der deutschen KAP bisher dezentral aus den Logiken der Ministerien und implementierenden Behörden (Flachsland et al., 2023).

Die in der Klimaaußenpolitikstrategie (Bundesregierung, 2023b) beschriebenen Handlungsfelder (siehe Abschnitt 3.2.1) sind ein notwendiger Schritt in diese Richtung, nehmen jedoch angesichts der Vielzahl genannter Prioritäten letztlich kaum eine Schwerpunktsetzung vor. Auch aus den neun Prinzipien, die die KAP leiten sollen, lässt sich eine solche Priorisierung nicht entnehmen. Vielmehr entsteht der Eindruck eines Ansatzes, der alle klimapolitischen Teilziele vereinbaren soll, auf deren Kompatibilität untereinander aber wenig eingeht. Trade-Offs werden kaum erwähnt, die Strategie stellt positive Effekte von internationaler Klimapolitik für Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund.

Auch in Bezug auf andere außenpolitische Bereiche lässt sich in der KAP-Strategie kein systematischer Ansatz zum Umgang mit Zielkonflikten erkennen. Grundsätzlich befördert die KAP-Strategie den wahrgenommenen Stellenwert internationaler Klimapolitik in Deutschland und etabliert sie damit als außenpolitische Priorität. Dadurch wird aber keine Entscheidung über die strategische Gesamtausrichtung der KAP als Teil deutscher Außenpolitik getroffen, sondern eher der Versuch unternommen, den Rang der KAP innerhalb der bestehenden dezentralen Logik zu erhöhen. Letztlich ist sowohl die Minimierung von Trade-Offs als auch die größtmögliche Nutzung von Synergien zwischen politischen Zielen und Handlungsfeldern nur durch systematische Priorisierung anhand politischer Leitlinien und deren Umsetzung in allen relevanten Teilprojektbereichen der KAP möglich.

Vor dem Hintergrund dieser Defizite und des langwierigen Einigungsprozesses über das Strategiedokument kann dessen auffällig großes Augenmerk auf die Rechtfertigung der internationalen Klimaschutzbemühungen Deutschlands als nationales Interesse durch die innenpolitische Dimension von Klimaaußenpolitik erklärt werden. Obschon vordergründig ein Dokument über Außenpolitik und Diplomatie, schreibt sie zuallererst das Ergebnis eines internen Aushandlungsprozesses fest.Auch über das Kleeblatt hinaus sind damit grundlegende Prioritäten innerhalb der Bundesregierung vereinbart. Der Spielraum der Strategie für Veränderungen war hier von Beginn an begrenzt, wurden wesentliche Grundzüge der KAP wie die Kompetenzverteilung (siehe Abschnitt 3.1) doch bereits vorher festgelegt. Zweitens erläutert und rechtfertigt die Strategie damit auch gegenüber der deutschen Öffentlichkeit, welche Ziele Deutschland in der internationalen Klimapolitik verfolgt und mit welcher Motivation.

4.3. Formate und Inhalte

Unkoordinierte Aktivitäten einzelner Ministerien, wie sie in der Vergangenheit vorkamen, stellen nicht nur ein Effizienzproblem dar. Zwischen Ressorts bestehen oft unterschiedliche politische Prioritäten, die der Parteizugehörigkeit des Ministers oder der Ministerin, aber auch einem grundsätzlich unterschiedlichen Problemverständnis in den verschiedenen Ressorts geschuldet sind. Hinzu kommen unterschiedliche außenpolitische Interessen, die, wie eingangs erläutert, klimapolitischen Erwägungen entgegenlaufen können. Wichtig ist, dass diese Zielkonflikte innerhalb der KAP minimiert und außerhalb systematisch anerkannt und navigiert werden (Flachsland et al., 2023).

Im Rahmen der Klimaaußenpolitik spielen sich inhaltliche Zielkonflikte nicht nur auf der Policy-Ebene zwischen Ministerien ab, sondern involvieren (partei-)politische Erwägungen, insbesondere, wenn sich das Kanzleramt in den Prozess einbringt. Emblematisch war die Zusage des Bundeskanzlers,Senegal bei der Förderung von Erdgas zu unterstützen, um in der Folge des russischen Angriffskrieges LNG-Lieferanten zu diversifizieren. Das schien einerseits dem Zweck der G7-Erklärung zum Ende der Finanzierung fossiler Projekte im Ausland zu widersprechen, die aber Ausnahmen vorsieht (G7, 2022a, 2023b). Andererseits existiert mit Blick auf die unmittelbaren Auswirkungen auf die Emissionen ein Spannungsverhältnis zur deutschen Unterstützung für das JETP mit Senegal, das Senegals erneuerbaren Energiesektor fördert, Erdgas als sogenannte Brückentechnologie aber anerkennt. Es kam vor diesem Hintergrund zu Meinungsunterschieden innerhalb der Regierungskoalition, die ungelöste Fragen der Priorisierung von Energiesicherheits-, Entwicklungs- und Klimazielen widerspiegelt (IPG, 2023; Lehmann & Schaible, 2023).

4.4. Kapazität und Zugkraft

Neben inhaltlichen Zielkonflikten sind auch kapazitive Zielkonflikte eine Herausforderung für die Klimaaußenpolitik. Das betrifft sowohl personelle und zeitliche Kapazitäten in den Ministerien, die finanziellen Kapazitäten, die für die internationale Klimafinanzierung zur Verfügung gestellt werden, sowie das Verhältnis dieser Finanzierung zu den weiteren Finanzierungsmitteln, die gegebenenfalls für eine Länderkooperation eingesetzt werden.

In ihren auswärtigen Aktivitäten hat die Klimadiplomatie Deutschlands von der erhöhten personellen Kapazität profitiert. Die Verschiebung ins AA dient international als deutliches Signal dafür, dass das Thema internationale Klimakooperation für Deutschland an Priorität gewonnen hat. Es erlaubt Deutschland ein selbstbewussteres Auftreten, sowohl auf internationalen Konferenzen als auch bilateral durch die neuen Klimaschwerpunktvertretungen. Hausintern scheint das Auswärtige Amt Klimaaußenpolitik als wichtigen multilateralen Themenbereich angenommen zu haben. Die Position der Sonderbeauftragten bringt zusätzliche Führungskapazität, die dauerhaft für die internationale Klimapolitik zur Verfügung steht – ein zentraler Vorteil gegenüber anderen Ressorts, in dem Staatssekretäre/-innen oft durch nationale Themen beansprucht werden. Bei Bedarf können deutsche Positionen durch die Außenministerin auf höchster Ebene mit Bestimmtheit vertreten werden, auch gegenüber eher antagonistisch auftretenden Ländern. So stand die Bundesregierung zu ihrem Prinzip der wertebasierten Außenpolitik und verhalf am Rande der COP 27 in Scharm El-Scheich trotz teils lautstarker Proteste seitens ägyptischer Vertreter Menschenrechtsorganisationen etwa durch Veranstaltungen am deutschen Pavillon zu einer Bühne.

Ressortübergreifende Arbeit erfordert zeit- und personalintensive Koordination, die gerade in der Anfangsphase Ressourcen band. Diese Ressourcen sind auch in einem gut ausgestatteten Land wie Deutschland nicht unbegrenzt. Begrenzte Personalressourcen sind in der Tat wiederholt als ein limitierender Faktor der Klimaaußenpolitik Deutschlands identifiziert worden (Kahlen et al., 2022; Feist, 2023). In der Praxis wird der für interministerielle Zusammenarbeit nötige Aufwand auch durch fehlende technische Möglichkeiten erschwert, etwa eine durch mehrere Ministerien leicht zugängliche digitale Plattform zum Austausch von Dokumenten und Sachständen.

Der Zuwachs an plurilateralen Initiativen, bilateralen Partnerschaften und Berichterstattungspflichten bindet zunehmend Personal. Zwar wird die Betreuung von einzelnen Formaten oft an externe Organisationen wie die bundeseigene Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und einige private Beratungsunternehmen ausgelagert. Doch auch deren Arbeit und Koordination erfordert Ressourcen. In der Praxis operieren einzelne GIZ-Vorhaben mit flexiblerer Personalplanung als direkte Unterstützung einzelner Ministerialreferate. Das konkrete Level an Engagement der 57 Klimaschwerpunktvertretungen ist ebenfalls von der personellen Ausstattung abhängig. Auch bei der Auswahl von Partnerländern müssen Prioritäten gesetzt werden, um die Überbeanspruchung des verfügbaren Personals zu vermeiden. Die KAP-Strategie nennt hierfür drei Kriterien: Minderungspotenzial und Bereitstellung von Klimafinanzierung; Klimagerechtigkeit; und deutsches strategisches Interesse an den bilateralen Beziehungen insgesamt (Bundesregierung, 2023b). Bereits operationalisiert ist eine solche Priorisierung im Ansatz etwa in der Internationalen Klimaschutzinitiative mit 14 Schwerpunktländern (IKI, o. J.) oder in der Auswahl der Klimaschwerpunktbotschaften.

4.5. Finanzierung

In Bezug auf die Mittel für die internationale Klimafinanzierung hat Deutschland in der Vergangenheit – auch in Bezug zu seinen kumulativen historischen Emission und zur Wirtschaftsleistung – im Vergleich zu anderen Ländern relativ viel beigesteuert (Colenbrander et al., 2022). Das deutet darauf hin, dass die Bundesregierung dem Thema einen vergleichsweise hohen Stellenwert beimisst. Auch die für 2025 angestrebte Gesamtfinanzierung von 6 Mrd. EUR wurde bereits 2022 erreicht (BMWK, 2023b). Im Zuge der Haushaltkürzungen in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, 2023) kam es auch bei den Mitteln für internationale Klimapolitik zu Einsparungen, insbesondere bei den Mitteln des BMZ (Kowalzig, 2024). 2023 wurde die Marke mit 5,7 Mrd. EUR leicht unterschritten (BMWK & BMZ, 2024). Auf dem Petersberger Klimadialog 2024 kündigte Außenministerin Baerbock an, dass der Zielwert von 6 Mrd. EUR im Jahr 2025 erneut erreicht werden soll (Auswärtiges Amt, 2024b).  Angesichts weiterer geplanter Kürzungen für Entwicklungszusammenarbeit im Haushalt 2025 ist aber unklar, ob der Zielwert gehalten wird (Wettengel, 2024).

Unter den Ministerien sind die Mittel für internationale Klimafinanzierung entsprechend der Zuständigkeiten deutlich zugunsten des BMZ verteilt: 2023 entfielen 78 Prozent auf dessen Budget, der Großteil der restlichen Mittel auf die Internationale Klimaschutzinitiative (2023: 1,2 Mrd. EUR; BMWK & BMZW, 2024). Die IKI-Mittel werden zwischen BMWK (47 Prozent), BMUV (38 Prozent) und AA (15 Prozent) aufgeteilt (Bundesrechnungshof, 2023). Trotz dieses ungleichen Arrangements, bei dem politische Verantwortung und Budgethoheit getrennt verortet sind, ist es in diesen Zusammenhang bisher zu keinen größeren Konflikten gekommen. Der gegenwärtige Spardruck könnte die prekäre Balance aber künftig in Frage stellen.

4.6. Zusammenschau

In der Innensicht sind durch das Projekt Klimaaußenpolitik nennenswerte Verbesserungen gegenüber dem Status Quo Ante erreicht worden; die neugeordneten Zuständigkeiten haben zu Koordinationsgewinnen geführt. Weiter ungelöst bleiben grundsätzliche Differenzen zwischen einzelnen Ressorts – sowohl hinsichtlich klimadiplomatischer Einzelfragen als auch ihrer strategischen Einbettung in Deutschlands breitere Außenpolitik – die in der Praxis nur schwer gänzlich abzustellen sind. Weitere empirische Arbeit ist erforderlich, um die Details der einzelnen Konfliktpunkte in der internen Governance besser einzuschätzen. Eine ausführliche Ariadne-Studie dazu ist in Planung.

Im Blick nach außen haben es die Klimaaußenpolitik und damit Verhandlungsleitung durch das Auswärtige Amt Deutschland ermöglicht, mit größerer Bestimmtheit aufzutreten und Umsetzungswillen zu signalisieren. Inhaltlich stechen die Erfolge der Klimaaußenpolitik insbesondere in denjenigen Bereichen der UNFCCC-Verhandlungen hervor, auf denen aufgrund der gegebenen Agenda im Zeitraum seit Frühjahr 2022 der Fokus lag. Hervorzuheben sind die Einigung zu einem neuen Fonds für Schäden und Verluste auf der COP 27 in Scharm El-Scheich und das Energiepaket mit dem Ziel einer Abkehr von fossilen Energieträgern und dem Zubau von erneuerbaren Energien, die in der Globalen Bestandsaufnahme auf der COP 28 in Dubai vereinbart wurden. Deutschland hat hier eine proaktive und konstruktive Rolle gespielt. Die von Deutschland angestrebte und vorangetriebene Kooperation außerhalb der Klimarahmenkonvention in bi- und plurilateralen Formaten weist hingegen eine gemischte Bilanz auf – entgegen dem Anspruch der Klimaaußenpolitik. Zu einem nicht unerheblichen Anteil ist dies auf strukturelle Schwierigkeiten und das Handeln anderer Akteure zurückzuführen. Dennoch ist Deutschland die Potenziale solcher Kooperation nicht immer in dem Maße strategisch angegangen, wie es der eigene Anspruch und die höhere Effektivität der Kooperation erfordert hätten.

5. Weiterentwicklung: Prioritäten und Optionen

Die Klimaaußenpolitik hat die interne Governance von Deutschlands Klimadiplomatie neu aufstellen und inhaltliche Prioritäten festsetzen können. Die gewonnenen Verbesserungen sollten trotz bleibender Fehlstellen nicht aufgegeben werden. In welchen Aspekten kann die Klimaaußenpolitik also weiterentwickelt werden, um dauerhaft eine zunehmend effektive Klimadiplomatie zu ermöglichen? Im Folgenden werden vier zentrale Handlungsfelder identifiziert, die in der nächsten Legislaturperiode erhöhte Aufmerksamkeit in der Ausgestaltung Deutschlands internationaler Klimapolitik verdienen. Dabei ist das Ziel, eine Diskussion über die Weiterentwicklung der internationalen Klimapolitik Deutschlands in der nächsten Legislaturperiode anzuregen. Gleichzeitig wird auf die Schwierigkeiten einer systematischen institutionellen Ex-Ante-Analyse hingewiesen, die kaum alle relevanten Effekte zu erfassen und zu analysieren vermag.

5.1. Ressortzuschnitt und interministerielle Zusammenarbeit

Die Weiterentwicklung der Kompetenzaufteilung zwischen den Ressorts bietet Chancen in zweierlei Hinsicht. Mit Blick auf die interne Governance (siehe Abschnitt 3.1) lassen sich bestehende Fehlstellen etwa in der interministeriellen Zusammenarbeit (siehe Abschnitt 4.1) und damit verbunden bei der Kohärenz und Effektivität in der praktischen Ausgestaltung (siehe Abschnitt 4.4) schließen. Mit Blick auf die Inhalte der Klimaaußenpolitik (siehe Abschnitt 3.2) können darüber hinaus durch die gezielte Gestaltung des Ressortzuschnitts Schwerpunkte für die künftige Ausgestaltung gesetzt werden. So lassen sich inhaltliche Zielkonflikte minimieren (siehe Abschnitt 4.3) und die strategische Ausrichtung der Klimaaußenpolitik institutionell vorformen (siehe auch Flachsland et al., 2023). Die Optionen betreffen dabei den Ausbau der Koordinationsstrukturen sowie die Konzentration von Kompetenzen. Im Folgenden werden vier grundsätzliche Optionen mit Blick auf die nächste Legislaturperiode vorgestellt, mitsamt verschiedenen Varianten dieser Optionen.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Verschiebung von Kompetenzen und damit Personal zwischen den Ressorts nicht ohne Kosten in Form von vorübergehenden Effizienzverlusten zu bewerkstelligen ist. Auch wenn er organisatorisch vergleichsweise schnell abgeschlossen war und die Bedeutung des Themas für das Auswärtige Amt als Ganzes inzwischen ins Bewusstsein gerückt ist, war etwa der Übergang des Verhandlungsteams vom Bundesumweltministerium ins AA nicht völlig reibungslos – nicht zuletzt auch in Anbetracht der Tatsache, dass dabei die althergebrachten Karrierewege im Auswärtigen Amt umgangen wurden. Die Integration der neuen Mitarbeiter hat nach Aussagen von Beteiligten etwa ein Jahr gedauert. Der Wechsel von Personal aus dem BMU in die neue Abteilung KC im BMWK stieß hingegen eher auf logistische Schwierigkeiten (wie etwa anfangs nicht ausreichende IT-Ausstattung). Bei einer erneuten Umstrukturierung der Zuständigkeiten zwischen den Ressorts im Zuge der Weiterentwicklung der Klimaaußenpolitik, gleich welcher Art, wären ähnliche Reibungsverluste in Kauf zu nehmen.

Im Folgenden nehmen wir zwei grundlegend verschiedene Formate institutioneller Reformoptionen in den Blick. Erstens institutionelle Formate zur Koordination von Klimadiplomatie über mehrere Ministerien hinweg (Option 1). Zweitens alternative Optionen für die Aufteilung von für die Klimadiplomatie Deutschlands relevanter Kompetenzen über verschiedene Bundesministerien (Optionen 2 bis 4).

4.1.1. Option 1: Reform der Koordinationsformate

Die Weiterentwicklung der interministeriellen Kooperation bietet die Chance, bestehende Fehlstellen bezüglich der interministeriellen Koordination und politischer Zielkonflikte anzugehen. Dabei sind in der Hauptsache zwei Varianten denkbar, die hier anhand ihrer wichtigsten institutionellen Eigenschaften umrissen werden: Die Einführung eines Klimakabinetts, und eine weitere Stärkung und Formalisierung der StS-Runde.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sah bereits die Einführung eines Klimakabinetts vor, um Deutschlands klimadiplomatische Bemühungen „kohärenter und stärker“ zu machen (SPD et al., 2021). Auch wenn die Idee weder im Vertrag weiter spezifiziert noch in der Praxis umgesetzt wurde, ließe sie sich für die Weiterentwicklung der KAP verfolgen. Die Ablösung der Staatssekretärsrunde (siehe Abschnitt 3.1.2) durch ein vollwertiges Klimaaußenpolitikkabinett unter Leitung des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin könnte eine Stärkung der KAP darstellen (Sach & Hirsch, 2024). Dieses Modell würde die Signalwirkung von Klima als prioritärem Politikfeld nach innen wie außen verstärken. Es wäre mit einer Reihe von Ressortzuschnitten vereinbar, da es sich auf die Koordination zwischen den wie auch immer verteilten Zuständigkeiten konzentriert.

Zu bedenken ist allerdings, dass die höhere politische Entscheidungsebene nicht zwangsläufig zu Koordinationsgewinnen führt und mit hohem politischem Aufwand verbunden sein kann. Da ein solches KAP-Kabinett in der Praxis ohnehin von einer Staatssekretärsrunde vorbereitet werden würde, könnte alternativ auch die bestehende StS-Runde gestärkt werden. Hilfreich wäre dabei ein klareres Mandat, das auf einem Beschluss des Bundeskabinetts beruht, insbesondere für strategische Fragen. Dazu könnte etwa die Frage deutscher Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung gehören.

Ganz gleich welcher Ressortzuschnitt für die Organisation der deutschen Klimapolitik gewählt wird (siehe folgende Unterabschnitte), interministerielle Koordination und entsprechende Formate werden in jedem Fall erforderlich sein. Insofern sind die beiden hier diskutierten Optionen orthogonal und damit weithin unabhängig von der Ressortaufteilung einführbar. Eine stärker dezentrale Aufteilung der Kompetenzen wird allerdings den Bedarf an interministerieller Koordination, und damit entsprechender institutioneller Formate, im Vergleich zu einer stärkeren Zentralisierung in wenigen Ministerien noch erhöhen.

5.1.2. Option 2: Beibehaltung Status Quo oder Rückabwicklung

Grundsätzlich bestehen die Optionen, den organisatorischen Status Quo der Klimaaußenpolitik fortzuführen oder gar zum Status Quo Ante von vor 2022 zurückkehren. Bei der ersten Variante einer Fortführung des aktuellen Zuschnitts bliebe das Projekt Klimaaußenpolitik in jetziger Form erhalten – inklusive der oben dargelegten Fehlstellen. Die relative Effektivität in der internen Governance der Klimaaußenpolitik im Vergleich zur jetzigen Legislaturperiode hinge wesentlich von konkreten Personalentscheidungen ab (insbesondere Sonderbeauftragte, Staatssekretäre und Referatsleiter). Dem Engagement und Kompetenzschwerpunkt einzelner Personen an zentralen Stellen kommen nach Einschätzung von Beobachtern und Beobachterinnen sowie Praktikern und Praktikerinnen entscheidende Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung zu. Dazu wären nach wie vor Reformen der Koordinationsformate denkbar (Option 1).

Bei der zweiten Variante – der Rückabwicklung – würden die Ressortzuständigkeiten so wiederhergestellt, wie sie vor Beginn der Klimaaußenpolitik angelegt waren; die formellen wie informellen institutionellen Neuerungen (Verlagerung klimapolitischer Kompetenzen in das AA, Kleeblatt, Staatssekretärsrunde, KAP-Strategie) würden entfallen. Die Einbettung der Klimadiplomatie in die breitere außenpolitische Strategie Deutschlands würde damit erschwert, da das Bundesumweltministerium prä-KAP deutlich weniger in die Breite der Außenpolitik Deutschlands eingebunden war und beispielsweise Aktivitäten, bei denen es auf die Auslandsvertretungen angewiesen wäre, mit dem Auswärtigen Amt abstimmen müsste. Das Auswärtige Amt würde zudem mit der Klimakooperation die Zuständigkeit für einen Kernbereich internationaler Politik einbüßen, in dem es sich, trotz anfänglicher Schwierigkeiten, inzwischen deutlich profiliert hat. In Bezug auf die Sicht von außen ist ferner zu bedenken, dass die Zuständigkeit für Klimaaußenpolitik im Auswärtigen Amt Partnerländern signalisiert, dass internationale Klimakooperation für Deutschland hohe Priorität besitzt. Die Außenministerin und ihre Sondergesandte können in den multilateralen Verhandlungen bestimmter auftreten als ihre Pendants aus dem Umweltministerium und werden entsprechend wahrgenommen. Insgesamt ist vor diesem Hintergrund von der Rückabwicklung der Klimaaußenpolitik abzuraten.

5.1.3. Option 3: Inkrementelle Stärkung des AA

Eine Möglichkeit zur inkrementellen Weiterentwicklung des derzeitigen Ressortzuschnitts besteht in einer weiteren zusätzlichen Stärkung der Kompetenzen des AA, um zusätzliche Handlungsfähigkeit in den internationalen Klimaverhandlungen zu erlangen. Dafür könnten außenwirtschaftliche Kompetenzen in der Klimapolitik und darüber hinaus vom BMWK in das AA verlagert werden.

Spezifisch könnte die Unterabteilung Internationaler Klimaschutz und Energiewende (KC) sowie potenziell die Abteilung Außenwirtschaftspolitik (V) des BMWK ins Auswärtige Amt übergehen. Die Koordination mit den Auslandsvertretungen vor Ort würde damit im Idealfall erleichtert, insbesondere bei der Umsetzung bilateraler Partnerschaften und anderer Initiativen. Breiter gefasst könnte die gesamte Zuständigkeit für Wirtschaftsdiplomatie im AA zusammengezogen werden. Deutschlands Aktivitäten in der internationalen Klimakooperation müssten damit weiterhin zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium sowie mit dem Finanzministerium und dem Kanzleramt abgestimmt werden. In dieser Variante blieben bilaterale Klima- und Entwicklungspartnerschaften weiterhin im Kompetenzbereich des BMZ.

Im Kontext der weiteren Umsetzung des Pariser Übereinkommens könnte die mit dieser Option institutionell vollzogene strikte Trennung zwischen internationaler und nationaler Klimapolitik allerdings auch Nachteile mit sich bringen. Bei Energiefragen suchen ausländische Partner häufig den direkten Austausch mit dem zuständigen Ministerium, also dem BMWK. Aus der Sicht Deutschlands könnte die strategische Ausrichtung internationaler Aktivitäten an den Bedürfnissen der nationalen Klima- und Energiepolitik erschwert werden, etwa bei industriepolitischen Fragen.

4.1.4. Option 4: Zusammenführung in einem Haus

Neben den Reformoptionen, die auf der bestehenden Organisationslogik der Klimaaußenpolitik aufbauen, wäre auch die grundlegendere Re-Organisation und Konzentration in einem übergeordneten Ministerium denkbar. Dabei gibt es wiederum verschiedene Varianten: eine umfassende Stärkung des AA durch einen vollständigen Transfer der Kompetenzen des BMZ (und der GIZ), die Konzentration der Zuständigkeiten im BMZ, sowie die Schaffung eines Klima-Superministeriums, etwa durch eine zusätzliche Erweiterung der Kompetenzen des BMWK.

Die Herausforderung beider Optionen, die eine deutlich stärkere Fokussierung der klimadiplomatischen Kompetenzen in einem Ministerium umfassen, bestehen zum einen im zu Beginn aufwändigen Übergangsprozess einer solchen umfassenden Re-Organisation. Zum anderen hat die Erfahrung der Ausweitung der Kompetenzen des BMWK in der aktuellen Legislaturperiode gezeigt, dass die knappen Zeitressourcen der Führungsebene einen Flaschenhals darstellen, der die Effektivität der Arbeit im Ministerium erschweren kann. Beides ist jedoch kein zwingendes Gegenargument, wenn die teils zeitlich begrenzten Kosten durch entsprechende (z.B. mittel- und langfristige) Vorteile aufgewogen werden. Allerdings sind auch die politischen Kosten und Hindernisse eines derart tiefgreifenden Umbaus der etablierten Ressortzuschnitte in Deutschland nicht zu unterschätzen, wenn es auch zumindest vorrübergehende Beispiele aus der Vergangenheit gibt (etwa das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, 2002–2005; Grotz, 2003; Leisner, 2002).

Je nach Ausgestaltung würden bei einer Konsolidierung auch einige Vorteile der interministeriellen Koordination verloren gehen. Durch die Beteiligung verschiedener Ministerien (Mainstreaming) werden Aspekte internationaler Klimapolitik in den weiteren Regierungsapparat getragen, anstatt isoliert als Zuständigkeit eines einzelnen Ministeriums betrachtet zu werden.

Variante 4A: Integration von BMZ ins Auswärtige Amt

Die Rolle des BMZ wird immer wieder kontrovers diskutiert (zuletzt prominent FDP, 2024). Befürworter einer Fusion von Auswärtigem Amt und BMZ versprechen sich davon, die Entwicklungszusammenarbeit effizienter zu gestalten und besser in andere außenpolitische Felder zu integrieren. Großbritannien gilt als Vorbild für dieses Modell. Mit Blick auf die Klimaaußenpolitik würde eine solche Fusion klimadiplomatische Kompetenzen mit dem Großteil der Klimafinanzierung, von der der mit Abstand größte Teil im BMZ verwaltet wird (Kowalzig, 2023), zusammenbringen. Die GIZ könnte weiterhin die Implementierung von Vorhaben vor Ort durchführen. Fürsprecher in den Ministerien hoffen auf eine strategischere Nutzung der Klimafinanzierung, insbesondere in Hinblick auf die UNFCCC-Verhandlungen. Gerade die Umsetzung plurilateraler Initiativen, inklusive des Klimaclubs und der JETPs, könnte so stärker von der politischen Führung durch die Sonderbeauftragte profitieren und direkter in andere außenpolitische Prozesse eingebunden werden. Daneben könnten die Klima- und Außenhandelskompetenzen des BMWK, wie unter Option 3 (Abschnitt 5.1.3) skizziert, in das AA übernommen werden, um in allen außenpolitischen Feldern durch integrierte Organisationsstrukturen die strategische Handlungsfähigkeit zu stärken.

In jedem Fall müsste – wie bei jeder stärkeren Konzentration von Kompetenzen im Auswärtigen Amt – geklärt werden, welche Laufbahnoptionen die zu übernehmenden Beamten haben können. In den herkömmlichen AA-Laufbahnen haben wechselnde Beamte sonst eher schlechte Aussichten hinsichtlich ihrer zukünftigen Beförderungsoptionen. Daher sollte der neu eingeführte nicht-technische Verwaltungsdienst für Personal im Bereich Klimaaußenpolitik ausgeweitet werden. Doch selbst im Falle eines reibungslosen Übergangs des Personals wäre nicht damit zu rechnen, dass sich die institutionelle Erfahrung des BMZ unmittelbar überträgt. Der Arbeitsmodus des BMZ, d.h. die Durchführung von Entwicklungszusammenarbeit mit Partnern auf lokaler Ebene, entspricht nicht der des Auswärtigen Amtes. Zudem würde die durch die Kompetenzumverteilung wahrgenommene Abwertung der Entwicklungszusammenarbeit für Deutschland voraussichtlich einen Vertrauensschaden gegenüber Ländern des Globalen Südens bedeuten. Grundsätzlich müssten solche negativen Auswirkungen auf die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit den erwarteten Vorteilen abgewogen werden.

Variante 4B: Das BMZ als Klima- und Entwicklungsministerium

Als Gegenmodell wäre es denkbar, die internationalen Klimakompetenzen vollständig an das BMZ zu übertragen. Das würde sowohl die UNFCCC-Verhandlungen als auch EU-Koordinierungen und Klima- und Energiepartnerschaften beinhalten. Das Auswärtige Amt wäre hier noch über die Vertretungen involviert. International ist eine solche Konstellation selten und findet sich allenfalls in Dänemark, wo die jeweiligen Kompetenzen aber durch einen Minister zusammengefasst sind, dem Abteilungen in zwei Ministerien unterstellt sind. Die Klimaaußenpolitik wäre damit (wie im Status Quo Ante) von den außenpolitischen Ressourcen des AA getrennt und müssten über entsprechende interministeriale Koordination eingebracht werden. Die internationalen Aktivitäten des BMZ beschränken sich zudem auf Länder, die zum Empfang von Entwicklungshilfe berechtigt sind, was die klimapolitische Zusammenarbeit mit wichtigen Emittenten und deutschen Partnern erheblich erschweren würde. Insgesamt scheint dieses Modell der Entwicklung der letzten Jahre, in der internationale Klimapolitik immer stärker mit anderen Themen der Außenpolitik verknüpft wird, zuwiderzulaufen.

Variante 4C: Klima-Superministerium

Die dritte Variante besteht im Aufbau eines Klima-Superministeriums, das alle nationalen und internationalen Kompetenzen im Bereich Klimapolitik bündelt. Das gilt insbesondere für die bisher im AA angesiedelten Kompetenzen, konsequenterweise aber auch für die klimarelevanten Kompetenzen des BMZ. So könnte eine genaue Abstimmung nationaler und internationaler Klimaaktivitäten sichergestellt werden. Die Neugründung eines Ministeriums würde prohibitiv hohe politische Hürden mit sich bringen. Naheliegend erscheint daher die Übertragung von klimapolitisch relevanten Kompetenzen des AA und BMZ an das BMWK. Die Vielzahl an zu bearbeitenden Themengebieten würde zu hohem internem Aufwand in der Leitungsebene führen. Würde ein solches Superministerium auf Basis des BMWK organisiert, wäre es zudem von der breiteren deutschen Außenpolitik abgetrennt. Es müsste dennoch weiter mit Außenvertretungen und relevanten GIZ-Büros vor Ort koordiniert werden. Das Beispiel des australischen Department of Climate Change, Energy, the Environment and Water hat gezeigt, dass die Koordination mit den beschnittenen Ministerien schwierig sein kann, wenn sie nach wie vor konsultiert werden müssen. Es wäre somit deutlich schwieriger, Klimathemen, wie von der KAP-Strategie vorgesehen, als zentralen Bestandteil einzelner bilateraler Beziehungen zu etablieren. Insgesamt ist fraglich, ob ein Superministerium mit einer langfristigen politischen Aufwertung einhergehen oder zur Isolation des neuen Ressorts im interministeriellen Gefüge führen würde.

 RisikenChancen
 Aufwand ÜbergangAufwand FederführungAufwand KoordinationEffizienz & KohärenzPrioritätssignal
Rückab-wicklungGering –
mittel
MittelMittelGeringGering
Status QuoGeringGeringHochMittelMittel
Stärkung AAMittel –
hoch
MittelMittelHochHoch
Zusammenführ.Sehr hochHochGering –
mittel
HochHoch
Tabelle 1: Stilisierte Bewertung der Optionen zur Weiterentwicklung des Ressortzuschnitts für Deutschlands internationale Klimapolitik

5.2. Länderstrategien

Nach außen bringen die zunehmende Verflechtung von Klima- und Energiepolitik mit Sicherheits- und Handelsfragen und der Fokus auf neue Kooperationsformate in der internationalen Klimapolitik die Herausforderung mit sich, die Herangehensweise an spezifische Länder anzupassen und damit möglichst effektiv ausgestalten zu können. Länderstrategien sind hier ein vielversprechender Ansatz (Feist, 2023; Flachsland et al., 2023; Abschnitt 3.2.3). Ihre Entwicklung und Umsetzung setzen allerdings die entsprechenden personellen Ressourcen, analytischen Kapazitäten sowie institutionellen Strukturen voraus (siehe Abschnitt 5.1). Jeder einzelne Länderprozess erfordert ein ausreichend tiefes Verständnis der polit-ökonomischen Strukturen und Akteure der jeweiligen Partnerländer, eine sorgfältige Planung und Monitoring der Umsetzung, sowie eine fortlaufende adäquate Anpassung der entsprechenden Programme. Hierfür ist die Einbeziehung entsprechender analytischer Kapazitäten aus (derzeit) verschiedenen Ministerien wie dem AA und BMZ, der GIZ, aber auch aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, sowie eine enge Koordination mit der EU, G7 und anderen internationalen Partnern nötig, um möglichst große Synergien herzustellen und potenzielle Konflikte von Initiativen und Programmen zu vermeiden. Pilotprojekte zum Experimentieren mit entsprechenden Strukturen und Formaten könnten Lernprozesse in diesem Bereich beschleunigen. Die Transformationspartnerschaft mit Brasilien kann dazu als Testfall dienen (Könneke, 2024).

Auch wenn idealerweise für jedes Partnerland eine eigene Strategie entwickelt werden sollte, lassen sich verschiedene Grundtypen herausarbeiten, die gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen. Eine hilfreiche Grundlage für länder-(gruppen-)spezifische Strategien könnte eine weiterentwickelte KAP-Strategie sein. Ein Abschnitt der KAP-Strategie weist bereits in diese Richtung, momentan lässt die Strategie aber noch keine systematische Priorisierung zwischen Klima- und anderen Politikzielen zu (siehe Abschnitt 4.2). Ein klareres Verständnis der klimapolitischen Interessen Deutschlands und ihres Verhältnisses zu anderen außenpolitischen Zielen kann dabei helfen, einerseits bestimmte Partnerländer für klimapolitische Zusammenarbeit zu priorisieren und andererseits die schwierigen Abwägungen zu anderen Zielen wie Menschenrechten, Sicherheit und Handel durchzuführen. So kann die Zusammenarbeit je nach Land spezifisch, aber politisch möglichst kohärent gestaltet werden.

Beim Umgang mit den politisch mächtigsten Akteuren wie den USA, China und Indien stehen häufig geopolitische Abwägungen im Vordergrund. Kooperation mit diesen Ländern kann vor allem innerhalb dieses Rahmens umgesetzt werden. Ratsam wäre es daher, die Beeinträchtigungen der Blockbildung für die internationale Klimapolitik zu minimieren (siehe auch Abschnitt 2.1). Alternativ können konkrete Bemühungen zur Abminderung des Klimawandels auf andere Länder mit mittlerem politischem und wirtschaftlichem Gewicht (und Emissionen) priorisiert werden.

5.2.1. Rohstoffexporteure

Länder, die stark auf die Förderung und den Export von fossilen Rohstoffen angewiesen sind, stellt die Abkehr von Kohle, Öl und Gas vor substanzielle wirtschaftliche Herausforderungen. Auch wenn extraktive Industrien oft Innovationen und den Aufbau anderer Wirtschaftszweige eher behindern als fördern, könnten sinkende Einnahmen aus der Förderung von Öl, Erdgas und Kohle zu politischer Instabilität und möglicherweise sogar bewaffneten Konflikten führen (Jakob et al., 2023). Hier können strategische Partnerschaften dazu beitragen, langfristige Wege zum Aufbau alternativer Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle aufzuzeigen. Hierzu zählt die Herstellung von grünem Wasserstoff aus erneuerbarer Energie und dessen Nutzung zur Herstellung von Ressourcen wie grünem Stahl oder Dünger.

Länder wie Saudi-Arabien, die über ausreichend Kapital, ein stabiles Investitionsklima, gute Ressourcen für erneuerbaren Energien sowie Erfahrungen im Umgang mit Gasen verfügen, könnten in diesen Bereichen vielversprechende Alternativen offenstehen. Für Länder, die über reichhaltige Vorräte an kritischen Rohstoffen zur Energiewende verfügen, wie beispielsweise Kobalt, Nickel, oder Zink, könnten diese ebenfalls den Ausstieg aus den fossilen Rohstoffen erleichtern. Länder mit diesen Vorkommen, die nicht stark von fossilen Rohstoffen abhängen, könnten sogar als Gewinner hervorgehen, wie beispielsweise Chile. Wünschenswert ist es zudem, dass die Förderung dieser Rohstoffe in Einklang mit Menschenrechten und Umweltschutzzielen vor Ort vonstattengeht. Bestehende Rohstoff- und Energiepartnerschaften könnten dazu beitragen, diese Herausforderungen anzugehen Auch der plurilaterale Ansatz von JETPs sowie der eines Klimaclubs zur Dekarbonisierung energieintensiver Industriezweige könnten helfen, den Ausstieg aus den fossilen Energien in diesen Ländern zu beschleunigen.

5.2.2. Kohlenstoffsenkenreiche Länder

Länder mit starker Abholzung brauchen Möglichkeiten und Anreize zum Waldschutz. Hier sind insbesondere Brasilien, Indonesien und die Demokratische Republik Kongo zu nennen, die zusammen etwa 50 Prozent der globalen Regenwaldfläche aufweisen (Greenfield, 2022). Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kann hier wichtige Funktionen beim Aufbau von Systemen zur Überwachung von Waldgebieten durch Satelliten und von notwendigen administrative Strukturen, beispielsweise zur Registrierung von Landrechten, übernehmen. Eine Möglichkeit, die notwendigen Mittel für Results-Based Payments für vermiedene Entwaldung zur Verfügung zu stellen, besteht in plurilateralen Partnerschaften mit anderen Geberländern. So unterstützt beispielsweise Deutschland zusammen mit Norwegen und Großbritannien im Rahmen der International Climate and Forest Initiative die Regierung Kolumbiens dabei, die Abholzung im Amazonas zu stoppen. Ein ähnlicher Ansatz könnte, möglicherweise in einer unterschiedlichen Konstellation von Geberländern, auch für andere Regenwaldgebiete herangezogen werden.

5.2.3. Vulnerable Länder

Für Länder, die besonders anfällig für den Klimawandel sind, sind naturgemäß insbesondere die Themen Anpassung sowie Schäden und Verluste von herausragender Bedeutung. Hierunter fällt ein breites Spektrum an Ländern die entweder besonders exponiert gegenüber Klimaveränderungen sind oder nicht über die finanziellen, institutionellen und technischen Voraussetzungen verfügen, um sich erfolgreich an den Klimawandel anzupassen (oder beides). Kleine Inselstaaten und Länder in Subsahara-Afrika und Südasien sind hierfür prägnante Beispiele. Aber auch für zahlreiche Länder in anderen Teilen Asiens sowie in Lateinamerika stellen die Folgen des Klimawandels eine Herausforderung dar, die sie ohne Unterstützung der internationalen Gemeinschaft nur schwerlich meistern können. Deutschlands Klimaaußenpolitik kann hier im Zusammenspiel mit Entwicklungszusammenarbeit durch technische Unterstützung dazu beitragen, die Kapazität zur Anpassung passend für den jeweiligen Kontext des Partnerlandes zu stärken. Finanzielle Unterstützung des Fonds für Schäden und Verluste sollte auch dazu genutzt werden, andere Geberländer zu motivieren, ihre Beiträge zu erhöhen. Ebenfalls ist es zentral, zukünftige Klimaveränderungen in allen Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit zu berücksichtigen und Infrastrukturen resilient zu gestalten (Climate Mainstreaming).

5.2.4. Europäische Union

Als Kontext der eingangs beschriebenen globalen Herausforderungen kommt der Europäischen Union eine zentrale Rolle zu (Abels & Bieling, 2024), die auch für Deutschlands Klimadiplomatie unmittelbar relevant ist. Allerdings sind angesichts globaler politischer Spannungen und der aktuellen innenpolitischen Prioritäten in vielen Mitgliedsstaaten die Vorzeichen für ambitionierte EU-Klimadiplomatie schwieriger als zuletzt. Der Green Deal hat mit dem Europäischen Klimagesetz (Europäische Union, 2021) Form angenommen; in der jetzigen Phase geht es darum, seine Umsetzung sicherzustellen. Die zweite Amtszeit von Kommissionspräsidentin von der Leyen (von der Leyen, 2024) wird den Fokus darauf legen müssen; es gibt angesichts der aktuellen Umstände keine realistische Chance auf eine ähnliche Dynamik im Bereich Klimapolitik wie zu Beginn ihrer ersten Amtszeit.

Das signalisierte Interesse europäischer Partner (wie etwa Frankreichs oder der Niederlande) an Deutschlands Klimaaußenpolitik kann dazu genutzt werden, um die Klimadiplomatie der EU kohärenter zu gestalten. Bis heute ist diese häufig durch Silostrukturen geprägt und nur eingeschränkt koordiniert (Feist et al., 2024), nahezu anlog zu den oben angesprochenen Problemen bei Deutschlands Klimadiplomatie in der Vergangenheit. Dabei geht es bei der internen Governance auch um die relevanten Finanzierungsinstrumente, die der EU zur Verfügung stehen. Bestehende Formate für die Koordination zwischen Mitgliedsstaaten, wie etwa die Group of Friends for an ambitious EU climate diplomacy oder das Grüne Weimarer Dreieck, können ausgebaut werden. Die erstmals im März 2024 durchgeführte 5+1-Diplomatie europäischer Klimabeauftragter (Europäische Kommission, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Dänemark) mit dem chinesischen Klimabeauftragten Liu Zhenmin kann darüber hinaus ein Weg sein, den klimapolitischen Austausch mit dem ‚Partner, Competitor, and Rival‘ China zu stärken. Sie könnte zu einem regelmäßigen Format ausgebaut werden, und internationale Klimakonferenzen durch gemeinsame Erklärungen – ähnlich Sunnyland-Statement zwischen den USA und China – vorbereiten.

5.2.5. USA und China

Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA werden die Bedingungen für Deutschlands Klimadiplomatie mitbestimmen. Bestimmte Bereiche der internationalen Klimapolitik sind jedoch nicht unmittelbar betroffen. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch geoökonomisch angezeigt; der Inflation Reduction Act hat durch Steuervergünstigungen wirtschaftliche Anreize gesetzt, die politisch nur schwer zurückzunehmen sind (Thielges, 2024); die Berichts- und Ambitionsprozesse des Pariser Übereinkommens laufen auch ohne Teilnahme der USA weiter, zumal der völkerrechtlich wirksame Austritt einige Zeit dauert. Dagegen hätte der Austritt der USA aus der UN-Klimarahmenkonvention langfristige Folgen. Juristisch ist unklar, ob hierfür die Zustimmung des Senats notwendig ist. Ein Widereintritt wäre auf Grund der nötigen Zweidrittelmehrheit im Senat aber unwahrscheinlich.

Zwar ist damit zu rechnen, dass sowohl demokratische als republikanische Administrationen sich gegenüber China weiter antagonistisch verhalten werden. Internationale Klimakooperation, insbesondere zu Treibhausgasen außer CO2, könnte unter einer Harris-Administration, wie schon unter Biden, aber eine wichtige Ausnahme bilden und den UNFCCC-Prozess stabilisieren. Im Falle einer zweiten Präsidentschaft Trumps erscheint es fraglich, ob China ähnlich wie während seiner ersten Amtszeit versuchen wird, das klimapolitische Vakuum zu füllen. Es besteht die Gefahr, dass geopolitischer Wettbewerb zunehmend auch in der internationalen Klimapolitik ausgetragen wird. Innerhalb der UNFCCC würde ein Ausstieg der USA die Balance zwischen Koalitionen in Richtung der G77 verschieben. Deutschland sollte sich auf diese Möglichkeit vorbereiten, indem der Austausch auch im für viele Entwicklungsländer kritischen Bereich Anpassung gefestigt wird. Das lässt die verstärkte Einbindung des BMUV (insofern es weiterhin für Anpassung zuständig ist) in internationale Klimaverhandlungen empfehlenswert erscheinen.

5.3. Industriepolitik und Außenwirtschaft

Vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten Wechselwirkungen zwischen der globalen Energiewende und ökonomischem Wohlstand (siehe Abschnitt 2.2) ist klimaorientierte Industriepolitik – d.h., gezielte Interventionen mit dem Ziel, Investitionen in eine dekarbonisierte, klimafreundliche Industrie zu fördern – in den vergangenen Jahren zu einem festen Bestandteil der klimapolitischen Strategie geworden. Das gilt auf nationaler Ebene (mit Instrumenten wie Klimaschutzverträgen) wie auch auf EU-Ebene mit dem Net-Zero Industry Act, und ohnehin in den USA (dort vor allem getrieben durch den Inflation Reduction Act) und in China, das seit Mitte der 2000er Jahre eine gezielte Industriepolitik betreibt, unter anderem mit Fokus auf Batterien und Elektromobilität (García-Herrero & Schindowski, 2024). Partnerschaften und Instrumente in diesem Bereich sind dabei nicht mehr allein als Klimapolitik zu verstehen, sondern angesichts der eingangs beschriebenen globalen Herausforderungen gleichzeitig auch aus industrie- und handelspolitischer Sicht angezeigt.

Für die internationale klimapolitische Kooperation stellt Industriepolitik allerdings zunächst auch eine Herausforderung dar, entspringt Industriepolitik doch grundsätzlich einer antagonistischen Logik: Ihr Ziel besteht darin, Zukunftsmärkte für inländische Anbieter zu sichern und Technologieführerschaft für heimische Hersteller zu erlangen beziehungsweise zu behaupten. Zudem fällt der Aufstieg (beziehungsweise die Renaissance) der Industriepolitik in eine Zeit, in der der liberalisierte Handel zunehmend unter Druck gerät, nicht zuletzt durch den Aufbau von Handelshemmnissen. Das Bewusstsein um das Risiko von Weaponised Interdependence und den Wert einer resilienten, diversifizierten Handelsstruktur ist deutlich gestiegen (Farrell & Newman, 2019; Falkner, 2023). Dies gilt nicht nur, aber auch, für Klimaschutztechnologien. Vor diesem Hintergrund dient Industriepolitik und der Aufbau von Produktionskapazitäten und Know-How nicht nur der Technologieführerschaft, sondern auch dem sogenannten Reshoring (sowie Nearshoring und Friendshoring; Maihold, 2022) mit dem Ziel, resilienter zu werden, Abhängigkeiten von einzelnen Herstellern zu verringern und so Erpressungspotenzial zu minimieren.

Gleichzeitig gilt aber auch weiterhin, dass Deutschland und Europa von der regelbasierten Ordnung und offenem internationalen Handel so sehr profitieren wie nur wenige andere Länder und Regionen. Die EU sollte daher den Anspruch haben zu demonstrieren, dass klimapolitische Ambition, Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Transformation zu einer dekarbonisierten Industrie auch in einer offenen Volkswirtschaft möglich sind. Sie sollte zeigen, wie sich entsprechende industrie- und klimapolitische Interventionen mit dem WTO-Rechtsrahmen vereinbaren lassen. Im Einzelnen sind entsprechende Handlungsoptionen:

Wettbewerb annehmen

Die strategische Industriepolitik in China und den USA haben den Wettbewerb um Technologieführerschaft für Schlüsseltechnologien spürbar verschärft, insbesondere für Windkraft, Photovoltaik, Batterien und Elektromobilität. Gleichzeitig macht die Förderung diese Technologien breiter verfügbar, tendenziell auch für europäische Verbraucher günstiger, und führt sie global schneller zur Parität mit herkömmlichen, fossil-basierten Technologien und Wertschöpfungsketten. Europäische Hersteller (und Regulierer) sollten daher vor allem den Wettbewerb um diese Technologien annehmen und die Technologien beziehungsweise (Teile von) Wertschöpfungsketten identifizieren, bei denen sie dauerhaft wettbewerbsfähig sein können.

Nicht-protektionistische Industriepolitik

Die EU könnte eine Förderkulisse etablieren, die heimische Hersteller stärkt, ohne dabei ausländische Hersteller zu diskriminieren. Dazu würde etwa Zurückhaltung hinsichtlich Local Content Requirements gehören, also verpflichtende Anteile innereuropäischer Produktion, z.B. bei der Vergabe von Subventionen. Die temporären Zölle der EU gegen chinesische EV-Hersteller weisen in diese Richtung, da sie als temporäre, unternehmensspezifische Ausgleichszölle ausgestaltet sind und sich am tatsächlichen chinesischen Subventionsniveau festmachen (Dadush & McCaffrey, 2024). Auch zukünftige Initiativen – etwa grüne Leitmärkte für klimafreundlich hergestellte Produkte (gegebenenfalls in Kombination mit öffentlicher Beschaffung) – können für Anbieter aus Drittstaaten offengehalten werden, sofern diese die einschlägigen Berichts- und Nachweispflichten erfüllen.

Kooperative Umsetzung des CBAM

Mit dem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) hat die Europäische Union – zunächst bis 2026 beginnend mit einer Berichtsphase – ein CO2-Grenzausgleichsystem eingeführt. Diese Importabgabe auf bestimmte Waren, auf die der europäische Emissionshandel ausgeweitet wurde (z.B. Stahl), soll verhindern, dass der Klimaschutz der EU umgangen wird und die europäische Wirtschaft unangemessene Wettbewerbsnachteile gegenüber weniger ambitionierten Ländern erleidet (Feist et al., 2024). Nach Auffassung der EU gilt der CBAM – zumindest bis zum Beweis des Gegenteils – als Beispiel für einen WTO-konformen Schutzmechanismus. Gleichzeitig gilt es, den CBAM kooperationsfähig halten. So sieht Art. 9 der CBAM-Direktive grundsätzlich vor, dass im Herkunftsland gezahlte CO2-Preise angerechnet werden können und die CBAM-Verpflichtung mindern. Hier wird es darum gehen, die konkreten Regeln nachvollziehbar auszugestalten und transparent und im Austausch mit Handelspartnern anzuwenden, um Frustrationen vorzubeugen und WTO-Konformität zu sichern. Eine vieldiskutierte Option in den Gesprächen um CBAM besteht darin, einen Teil der Einnahmen aus dem CBAM in die internationale Klimafinanzierung fließen zu lassen. Hierbei ist allerdings ebenfalls diplomatisches Fingerspitzengefühl gefragt, um nicht alte Streitigkeiten über die Konditionalität für Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung (Ballesteros et al., 2010; Weikmans, 2023) wieder aufflammen zu lassen.

5.4. Partnerschaften und Evaluierung

Eine externe Gesamtevaluation des Projektes Klimaaußenpolitik, wie bereits von anderen empfohlen (Kahlen et al., 2022), ist bislang nicht vorgesehen, die Evaluation einzelner Elemente der KAP dagegen schon. Bis Ende 2024 sollen gemäß der Klimaaußenpolitikstrategie Deutschlands Klimapartnerschaften ausgewertet werden (Bundesregierung, 2023b). Trotz eines Reviews durch zivilgesellschaftliche Organisationen und Wirtschaftsverbände handelt sich dabei allerdings um eine politische Bestandsaufnahme mithilfe der Klimaschwerpunktvertretungen, nicht um eine systematische Evaluation durch externe Expertise. Dabei wird sowohl auf Regierungsseite als auch in der Forschung und Zivilgesellschaft dringender Bedarf gesehen, einen besseren Überblick über die Bedingungen für und Effektivität von Klimapartnerschaften zu erhalten (Piria & Martini, 2023; Sach & Hirsch, 2024; Umweltbundesamt, 2023).

War es zu Beginn der Legislatur noch vorgesehen, die verschiedenen Partnerschaftsmodelle der Ressorts zu vereinheitlichen, sind die beteiligten Akteure hiervon wieder abgerückt. Entscheidend wird es für die Zukunft sein, die Balance zwischen Tiefe und Breite von Partnerschaften und Initiativen zu behalten. Im Hinblick auf geopolitische Spannungen und den UNFCCC-Prozess sollten sie dazu beitragen, breite Allianzen mit Ländern des globalen Südens aufzubauen und Vertrauen zu stärken. Dazu sollten Absprachen von Beginn an im Detail geklärt und auf zeitige Erfüllung geachtet werden, um nicht wie in der Vergangenheit Vertrauen in die Attraktivität künftiger Kooperationsoptionen zu verspielen. Bei den Anfängen des G7-Klimaclubs und rückblickend auch bei der Energiewendepartnerschaft (JETP) mit Südafrika sind hier Probleme deutlich geworden (Dröge & Feist, 2022; Bauer & Feist, 2022). Gleichzeitig müssen Ressourcen für ausgewählte Formate konzentriert werden. Die neue Transformationspartnerschaft mit Brasilien (Könneke, 2024) kann hier als Test- und Lernfall genutzt werden.

Bei der Priorisierung von Partnerschaften gilt es außerdem, nicht nur die eigenen internen Kapazitäten zu berücksichtigen (siehe Abschnitt 4.4), sondern auch die Voraussetzungen und Erfolgsaussichten der politischen Prozesse zu ihrer Etablierung. Effektive Kommunikation mit Partnern, realistische Erwartungshaltung, Antizipation der politischen Streitpunkte und Nutzung des jeweiligen institutionellen Kontextes sind dafür entscheidend (Feist, 2023). Die Bundesregierung sollte sich Lehren aus der Vergangenheit nicht verschließen, sondern bei der Evaluierung nicht nur Policies und die Wahl der Partnerländer, sondern insbesondere auch die dahinterstehenden politischen Prozesse in den Blick nehmen.

6. Fazit

Ungeachtet weiterhin bestehender Fehlstellen ist mit der Klimaaußenpolitik gegenüber der Vergangenheit einiges gewonnen worden, was die Effektivität der internen Governance und die strategische Gesamtausrichtung betrifft. Das Projekt Klimaaußenpolitik hat grundsätzliche Probleme in der internen Organisation von Deutschlands Klimadiplomatie angegangen und setzt darüber hinaus Impulse, Klimapolitik in alle außenpolitischen Bereiche zu integrieren. Angesichts der internationalen Trends und Herausforderungen wird der Bedarf an einer kohärenteren und strategisch ausgerichteten Klimadiplomatie in absehbarer Zukunft weiter steigen. Die Klimaaußenpolitik ist vor diesem Hintergrund nicht nur eine Reaktion auf die Herausforderungen für die internationale Klimakooperation, sondern zielt gleichzeitig auch darauf ab, Deutschland in Bezug auf eng verbundene Politikbereiche wie Industrie und Außenhandel besser aufzustellen.

Die Rückschau zeigt, dass in der internen Governance Verbesserungen bei der Zusammenarbeit zwischen den Ministerien erreicht wurden – trotz der gestiegenen Anzahl an Akteuren und der aufwändigen Umstrukturierung. Diese Fortschritte hängen jedoch zu einem nicht geringen Teil von informellen Koordinationsmechanismen und einzelnen Persönlichkeiten ab. Im Blick nach außen konnte Deutschland mit dem Wechsel der Zuständigkeit für internationale Klimapolitik in das Auswärtige Amt und der Schaffung des Postens der Sonderbeauftragten für internationale Klimapolitik Akzente im Bereich Minderung und bei Schäden und Verlusten setzen. Auch die Einbindung der Auslandsvertretungen wurde intensiviert. Die Bilanz des deutschen Engagements in anderen bi- und plurilateralen Formaten fällt gemischt aus.3Die Details einzelner Aspekte der internen Governance und des globalen Kontextes der Klimaaußenpolitik werden Gegenstand weiterer Ariadne-Studie sein. In der Praxis stößt die Klimaaußenpolitik oft dort an ihre Grenzen, wo klima- und außenpolitische Ziele in Konflikt stehen. So gibt es regierungsintern weiterhin teils gegenläufige politische Prioritäten; Ressorts außerhalb der vier Kernministerien treten mitunter als Vetospieler auf. Die Klimaaußenpolitikstrategie enthält keine Leitlinien zur Priorisierung von Zielen und Kapazitäten.

Auch mit der KAP-Strategie bleibt es weiterhin eine Herausforderung, Zielkonflikte politischer, inhaltlicher und finanzieller Art systematisch zu navigieren (Flachsland et al., 2023). Konsens über ein solches Vorgehen mag in der Praxis ein Idealzustand bleiben, eine deutliche Annäherung ist aber dennoch möglich. Viele der oben besprochenen Fehlstellen und Empfehlungen – interministerielle Koordination, länderspezifische Ansätze, Priorisierung von Partnerschaften und Initiativen, Evaluierung – weisen auf die Notwendigkeit einer effektiven Klimaaußenpolitik Deutschlands auch in der Zukunft hin.

Abkürzungen

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Autorinnen & Autoren

Ole Adolphsen

Stiftung Wissenschaft und Politik

Dr. Marian Feist

Hertie School

Dr. Oliver Geden

Stiftung Wissenschaft und Politik

Benjamin Görlach

Ecologic Institut

Dr. Michael Jakob

Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change