Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2022

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Was die Menschen in Deutschland bewegt – Ergebnisse einer Panelstudie zu den Themen Energie und Verkehr.

Für das Gelingen der Energie- und Verkehrswende ist es entscheidend, die sozialen Ziele der Nachhaltigkeit wie Gerechtigkeit, Beteiligung und Sozialverträglichkeit zu berücksichtigen. Soziale Nachhaltigkeit ist als positives Leitbild zur Gestaltung der Transformationsprozesse zu verstehen. Es zielt darauf ab, die Energie- und Verkehrswende an den Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen der Bürgerinnen und Bürger zu orientieren sowie sozialverträgliche und faire Lösungen bei deren Umsetzung zu finden.

Im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne werden mithilfe des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers der Energie- und Verkehrswende die gesellschaftlichen Dimensionen dieser Transformationsprozesse untersucht. Auf Basis einer jährlich stattfindenden bevölkerungsrepräsentativen Onlinepanelbefragung von über 6.500 Personen werden Einstellungen, Anliegen und Bewertungen der deutschen Bevölkerung zur Ausgestaltung und Umsetzung der Energie- und Verkehrswende erhoben. Durch die jährlich wiederkehrende Erhebung wird ein Monitoring bestehender und neu aufkommender Herausforderungen, Probleme und Handlungsbedarfe in unterschiedlichen Lebensbereichen der Bürgerinnen und Bürger ermöglicht. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, politische Entscheidungsprozesse und Prioritätensetzung bei der Auswahl der Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen.

Das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer ist in Ariadne in einen umfassenden Dialogprozess mit der Zivilgesellschaft eingebunden. Die von Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der Ariadne-Bürgerdeliberation geäußerten Ansichten, Werte und Erfahrungen bezüglich energie- und verkehrspolitischer Fragen sind in die Entwicklung des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers eingeflossen. Die Ergebnisse aus der Panelbefragung werden in einem nächsten Schritt in die Arbeiten zur Ausgestaltung von Politikoptionen zur Stromund Verkehrswende in Ariadne aufgenommen.

Der Befragung liegt ein neu entwickelter Ansatz zur Messung der subjektiven Bewertung sozialer Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Energie und Verkehr zugrunde. Das Konzept umfasst fünf verschiedene Dimensionen mit jeweils vier Indikatoren, die im Folgenden knapp beschrieben werden.

Dimension Gesellschaftliche Akzeptanz: Für das Gelingen der Energie- und Verkehrswende ist die gesellschaftliche Verankerung durch soziale Akzeptanz entscheidend. Allgemeine Einstellungen zur Energie- und Verkehrspolitik ist einer der vier Indikatoren dieser Dimension. Im weiteren Indikator sozio-politische Akzeptanz wird unter anderem der Grad der Zustimmung zu politischen Zielen und konkreten Maßnahmen auf Bundesebene erfasst. Einstellungen zu lokalen Infrastrukturmaßnahmen bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern vor Ort sind Inhalt des Indikators der lokalen Akzeptanz. Ebenfalls ist bei dieser Dimension von Interesse, inwieweit die Bevölkerung die Transformationsprozesse mit ihrem Handeln mittragen und ob und in welchen Bereichen die Menschen Konsum- und Verhaltensweisen geändert haben oder sich dies vorstellen können (Indikator Verhaltensakzeptanz).

Dimension Beteiligung: Politische Mitsprache und Beteiligungsmöglichkeiten bieten den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen und Bewertungen im Hinblick auf die Umsetzung und Ausgestaltung der Energie- und Verkehrswende einzubringen. Ein Indikator dieser Dimension ist die aktive und gewünschte Beteiligung und erfasst den Bedarf an Partizipationsmöglichkeiten. Die Wahrnehmung und Bewertung lokaler Beteiligungsprozesse sowie die Bewertung der allgemeinen Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten sind zwei weitere Indikatoren. Unter dem Indikator der politischen Selbstwirksamkeit wird untersucht, ob die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, selbst Einfluss auf den politischen Prozess ausüben zu können.

Dimension Soziale Kohäsion: Die Umstellung auf eine dezentrale Energieerzeugung und auf neue nachhaltige Mobilitätskonzepte erfordert einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt und stellt gleichzeitig eine große Herausforderung für ebendiesen dar. Vertrauen in die zentralen Akteure sowie sozialer Zusammenhalt und Konflikte im Kontext der Energie- und Verkehrswende in den Kommunen sind hierbei wesentliche Indikatoren, um den sozialen Zusammenhalt zu bewerten. In der Gesellschaft vorherrschende Normen und Werte stellen einen weiteren Indikator der Dimension soziale Kohäsion dar. Im Hinblick auf das soziale Gefüge werden zudem die Ortsverbundenheit und soziale Identität der Bürgerinnen und Bürger untersucht.

Dimension Lebensqualität: Durch die Energie- und Verkehrswende soll die Lebensqualität der Bevölkerung verbessert werden. Zur Untersuchung dieser Dimension werden die Indikatoren erwartete Umwelt- und wahrgenommene Gesundheitsauswirkungen des bestehenden und zukünftigen Verkehrs- und Energiesystems sowie die Bewertung der Umweltqualität erhoben. Die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung ist ein weiterer Indikator der Dimension Lebensqualität.

Dimension Sozio-ökonomische Sicherheit: Die durch die Transformationsprozesse anfallenden (ökonomischen) Kosten und veränderten wirtschaftlichen Strukturen können zur Folge haben, dass die sozioökonomischen Bedürfnisse der Bevölkerung derzeitig oder zukünftig nicht hinreichend gedeckt werden. Zentrale Indikatoren für diese Dimension sind unter anderem die Wahrnehmung der Befragten zu ihrer aktuellen wirtschaftlichen Situation und zukünftig erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsplatzsicherheit sowie die finanzielle Belastung durch Energie- und Mobilitätskosten. Unter dem Indikator Fairness wird darüber hinaus erfasst, inwieweit die Verteilung von Kosten und Nutzen energie- und verkehrspolitischer Maßnahmen in der Bevölkerung als fair und gerecht wahrgenommen wird. Schließlich ist von Interesse, in welchem Ausmaß die Menschen in Deutschland Zugang zu klimafreundlicher Energie und Mobilität haben (Ressourcenzugang).

Vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Entwicklungen und des Regierungswechsels im Jahr 2021 beginnt die vorliegende Broschüre mit den Einschätzungen und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf die Energie- und Verkehrspolitik der deutschen Regierung. Anschließend werden ausgewählte Ergebnisse des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers getrennt für die Energie- und Verkehrswende vorgestellt. Dabei werden auch zeitliche Entwicklungen dargestellt, soweit entsprechende Daten vorliegen. Die Struktur der Kapitel orientiert sich an den zuvor dargestellten Dimensionen. Weitere Informationen und Unterlagen zum Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende sind auf der Projektwebsite zu finden. Zudem können auf dieser Website die gesamten Ergebnisse der Befragung über eine speziell für diese Studie entwickelte Datenvisualisierungsapplikation eingesehen und interaktiv erkundet werden. Diese Applikation enthält neben den neuesten Ergebnissen auch die Befunde aus der letzten Erhebung in Jahr 2021 und ermöglicht neben der Betrachtung einzelner Variablen im Zeitverlauf auch die Analyse von Zusammenhängen mit soziodemografischen und allgemeinen Einstellungen der befragten Personen.

Autorinnen & Autoren

Dr. Ingo Wolf

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)

Jean-Henri Huttarsch

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)

Dr. Anne-Kathrin Fischer

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)

Benita Ebersbach

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)