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Ariadne-Analyse Zusammenfassung: Wasserstoff im reformierten EU ETS – Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit und Emissionsreduktionen

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Inhaltsverzeichnis

Kernbotschaften

  • Die Wettbewerbslücke von Wasserstoff muss außerhalb des EU ETS adressiert werden, da die Bepreisung von Emissionen und die kostenlosen Zuteilungen für die Wasserstoffproduktion keine ausreichenden zusätzliche Einnahmen bieten, um die Kostendifferenz zwischen erneuerbarem/kohlenstoffarmem Wasserstoff einerseits und Erdgas andererseits signifikant zu verringern.

  • Um Kostenparität zu schaffen und den Umstieg von Erdgas auf erneuerbaren beziehungsweise kohlenstoffarmen Wasserstoff zu fördern, sind CO2-Preise im Bereich von 300-500 €/tCO2 erforderlich.

  • Die Umstellung von emissionsintensivem kohlenstoffarmem Wasserstoff aus Gas mit Carbon Capture and Storage (CCS) (blauer Wasserstoff) zu erneuerbarem Wasserstoff erfordert außergewöhnlich hohe CO2-Preise von 2500 €/tCO2, wenn nur die nachgelagerten Emissionen bepreist werden.

  • Die Ausweitung des EU ETS auf vorgelagerte Emissionen (wie z.B. Methan) würde die Klimaauswirkungen akkurater internalisieren und zu einem fairen Vergleich zwischen kohlenstoffarmem und erneuerbarem Wasserstoff führen.

  • Eine Ausgestaltung des Standards für kohlenstoffarmen Wasserstoff mit einer schrittweisen Senkung des Mindestschwellenwert der Emissionsintensität (28,2 gCO2eq/MJ) könnte Innovationen und Investitionen in Technologien mit höheren Emissionsreduktionen und geringeren Restemissionen fördern.

Zusammenfassung

Erneuerbarer Wasserstoff wird als wichtiges Element zur Dekarbonisierung von schwer zu elektrifizierenden Sektoren wie der Stahl- und Chemieindustrie oder der Luftfahrt angesehen. Allerdings ist die produzierte Menge an erneuerbarem Wasserstoff im Vergleich zu konventionellem, fossil basiertem Wasserstoff sehr gering. Dies ist vor allem auf die hohen Kosten der erneuerbaren Wasserstofferzeugung zurückzuführen. Bis sich die Verfügbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit von erneuerbarem Wasserstoff verbessert, wird in der EU die Verwendung von nicht-erneuerbarem kohlenstoffarmem (low-carbon) Wasserstoff als Übergangslösung diskutiert. Denn kohlenstoffarmer Wasserstoff wird wahrscheinlich günstiger als erneuerbarer Wasserstoff und gleichzeitig weniger emissionsintensiv als konventioneller fossiler Wasserstoff sein.

Die Entwicklung eines Wasserstoffmarktes muss jedoch durch einen regulatorischen Rahmen begleitet sein, der eine positive Wirkung auf die EU-Klimaziele garantiert. Dazu wurden auf EU-Ebene technologiespezifische Instrumente eingeführt, die vor allem durch ordnungsrechtliche Vorgaben gekennzeichnet sind (z.B. Sektorziele für erneuerbaren Wasserstoff in Industrie und Verkehr). Wasserstoff wird jedoch auch von dem zentralen marktbasierten Instrument zur Dekarbonisierung des Energie- und Industriesektors erfasst, dem EU-Emissionshandelssystem (EU ETS). Die jüngste Reform des EU ETS sieht die Einbeziehung aller Arten der Wasserstofferzeugung vor. Zuvor war nur konventioneller, durch Reformierung und partielle Oxidation erzeugter Wasserstoff auf fossiler Basis erfasst. Die EU-Kommission nennt als Grund für die Erweiterung des EU-ETS, dass die Regeln zur kostenlosen Zuteilung andernfalls zu einer Ungleichbehandlung von Industrieanlagen führen und als Barriere für die Nutzung von Dekarbonisierungstechnologien, wie erneuerbaren Wasserstoff, wirken könnten. Dementsprechend erhalten alle Anlagen mit einer Produktionskapazität von mehr als fünf Tonnen Wasserstoff pro Tag im Rahmen der EU ETS-Reform kostenlose Zuteilungen. Dies kann eine zusätzliche Einnahmequelle für Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem und kohlenstoffarmem Wasserstoff darstellen, da sie ihre Emissionen vollständig durch kostenlose Zuteilungen abdecken und zusätzlich einen Überschuss an Zertifikaten auf dem Markt handeln können. Dies wirft die Frage auf, wie sich die reformierten Regeln des EU ETS auf die Entwicklung des Wasserstoffhochlaufs auswirken. Ist die Reform in der Lage, eine stärkere Gleichbehandlung von Wasserstofferzeugungsmethoden im Rechtsrahmen zu erreichen? Welche Auswirkungen hat die Reform auf die Wettbewerbsfähigkeit von erneuerbarem Wasserstoff im Vergleich zu kohlenstoffarmem Wasserstoff und insbesondere blauem Wasserstoff? Und welche Auswirkungen hat sie auf die Verringerung der Emissionen?

Die Analyse zeigt, dass die Reform des EU ETS zwar die Kohärenz der CO2-Bepreisung zwischen unterschiedlichen Arten der Wasserstoffproduktion verbessert hat, aber nicht ausreicht, um den Hochlauf von erneuerbarem Wasserstoff zu unterstützen und eine signifikante langfristige Emissionsreduzierung zu erreichen. Jedoch sind die ordnungsrechtlichen Instrumente für kohlenstoffarmen Wasserstoff, insbesondere die Standards und die darauf beruhende Zertifizierung, ebenfalls unambitioniert und lassen erhebliche Restemissionen bei der Produktion zu. Diese Restemissionen werden nur zum Teil durch den EU ETS abgedeckt und die CO2-Preise reichen nicht aus, um den Wasserstoffmarkt nennenswert zu beeinflussen oder Anreize für Innovationen zu schaffen, die höhere Emissionsreduzierungen ermöglichen.

Um den Markthochlauf von erneuerbarem Wasserstoff wirksam zu unterstützen und höhere Emissionsreduktionen zu erreichen, sind zusätzliche politische Maßnahmen erforderlich. Neben den bereits bestehenden gezielten Förderprogrammen für erneuerbaren Wasserstoff sind eine Ausgestaltung des Standards für kohlenstoffarmen Wasserstoff durch eine schrittweise Senkung des Mindestschwellenwerts der Emissionsintensität (28,2 gCO2eq/MJ) und die Einbeziehung vorgelagerter Emissionen (einschließlich Methan) in das EU-Emissionshandelssystem wirksame Optionen, die einen Weg zur Klimaneutralität sicherstellen.

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Autorinnen & Autoren

Nils Bruch

Technische Universität Darmstadt

Dr. Falko Ueckerdt

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Prof. Dr. Michèle Knodt

Technische Universität Darmstadt