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Analyse: Geographische und zeitliche Unterschiede in der Zustimmung zu Klimaschutzpolitik in Deutschland

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Zusammenfassung

Um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen, braucht Deutschland effektive Instrumente und Maßnahmen auf nationaler, bundesstaatlicher und kommunaler Ebene. Der Erfolg dieser Politik wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, eine breite gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung für diese Maßnahmen auf den entsprechenden Ebenen zu erreichen. Die Haltung der Bevölkerung wird jedoch in der Regel auf nationaler Ebene über Umfragen gemessen, die geographische Unterschiede dabei auf den subnationalen Ebenen außer Acht lassen.

Im Rahmen dieser Analyse schätzen wir die durchschnittliche Bevölkerungszustimmung zu 26 Klimaschutzmaßnahmen in den Sektoren Wärme, Transport und Energie auf Bundesland-, Landkreis- und kommunaler Ebene zwischen 2017 und 2021 mittels eines mehrstufigen Regressions- und Poststratifizierungsmodells. Die Schätzungen basieren auf zwei bundesweit repräsentativen Panel-Umfragen, dem Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer und dem Ariadne Wärme-& Wohnen-Panel.  

Durch die Analyse werden erhebliche regionale Unterschiede in der Zustimmung von Klimaschutzmaßnahmen in der deutschen Bevölkerung sichtbar. Die Befürwortung einzelner Klimaschutzmaßnahmen variiert teilweise um bis zu 60 Prozentpunkte zwischen den untersuchten geographischen Einheiten. In der Gesamtbetrachtung der räumlichen Disparitäten zeichnen sich bedeutsame Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung sowie West- und Ostdeutschland ab. Im zeitlichen Verlauf haben sich dabei die Einstellungen gegenüber einzelnen Maßnahmen, wie beispielsweise dem Ausbau von Wind- und Solarkraftanlagen, angenähert, während die öffentliche Meinung zu anderen energiepolitischen Instrumenten, wie dem Kohleausstieg, im Laufe der Jahre polarisieren.

Mittels einer zusätzlich durchgeführten räumlichen Panelanalyse können wir zudem zeigen, dass sich die Veränderungen von bestimmten Kontextfaktoren auf die Zustimmung von Klimaschutzmaßnahmen auf kommunaler Ebene auswirken. So finden wir einen positiven Zusammenhang zwischen der Befürwortung des Ausbaus von Wind- und Solarkraftanlagen und dem tatsächlichen Zubau an Solar- und Windkapazitäten in diesen Regionen. Ferner wird die Haltung gegenüber klimapolitischen Maßnahmen stark von räumlichen Diffusionseffekten, d.h. der Ausbreitung von Einstellungen im sozialen Umfeld, bestimmt, wie der Einfluss von Meinungsänderungen in einer Region auf deren Nachbarregionen veranschaulicht.

Die in diesem Bericht und auf dem interaktiven Online-Dashboard zur Verfügung gestellten Schätzungen der Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen, stellen eine wichtige Informationsgrundlage für politische Entscheidungsträger:innen dar, um den gesellschaftlichen Herausforderungen bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen effektiv zu begegnen.

Alle generierten Daten sind im Online-Dashboard „Lokale Klimaschutzeinstellungen in Deutschland“ unter https://hertie-school-ariadne.shinyapps.io/LocalAttitudesDashboard/ einsehbar.

1. Einleitung

Viele Klimaschutzmaßnahmen, wie der Ausbau von Windenergieanalagen, ein Verbot von Verbrennungsmotoren und der Kohleausstieg werden kontrovers in der Bevölkerung diskutiert. Dies führt häufig dazu, dass Politikerinnen und Politiker unbeliebte Maßnahmen nicht oder nur in abgeschwächter Form einführen (Levi et al., 2020). Obwohl viele dieser Maßnahmen räumliche oder lokale Dimensionen haben, werden Bevölkerungsansichten üblicherweise nur für die Gesamtbevölkerung betrachtet, während regionale Unterschiede häufig unbeachtet bleiben.  

Ein räumlich differenzierter Blick auf die Haltungen der Menschen zur Klimapolitik ist aus folgenden Gründen von zentraler Bedeutung: Erstens kann so analysiert werden, ob und wie stark Klimaschutzmaßnahmen die Bevölkerung in Deutschland polarisieren und potentiell zu Konflikten zwischen Regionen führen. Auch Maßnahmen, die von der Gesamtbevölkerung mehrheitlich befürwortet werden, können in manchen Gebieten auf teils starken Widerstand stoßen, was sich zum Beispiel durch Bürger:innenproteste gegen den Ausbau von Windenergieanlagen an Land äußert. Die Analyse von Meinungsunterschieden auf Kreis- und kommunaler Ebene kann dazu beitragen, lokale Proteste, die sich gegen Erneuerbare-Energien-Infrastruktur wie Windkraftanlagen, Freiflächensolaranalagen oder Übertragungsnetze richten, besser zu verstehen oder auch einen differenzierten Blick auf die Haltung der Menschen in Deutschland gegenüber Klimapolitik und deren Entwicklung zu erhalten.

Zweitens kann der räumliche Vergleich der Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen helfen zu verstehen, wie regionale und kreisspezifische Kontextfaktoren, etwa der Ausbau von Erzeugungskapazitäten oder Stromnetzen, die öffentliche Meinung in diesen Regionen verändert (Howe et al., 2019). Drittens können die Inhalte von Informations- und Kommunikationskampagnen auf diese Weise auf die jeweiligen Einstellungsprofile der Zielgruppen ortspezifisch angepasst werden.

Eine zielgruppenspezifische Gestaltung erhöht die Wirksamkeit derartiger Interventionsmaßnahmen, indem sie durch die Verwendung der jeweiligen Sprachsemantiken und psychographischen Merkmalen der Zielgruppen die notwendige Aufmerksamkeit auf Inhalte und Argumente erhöht(Zhang et al., 2018). Die Kenntnisse über lokale Einstellungsmerkmale gegenüber Klimaschutzmaßnahmen aus dieser Studie können helfen, effektive Botschaften ortsspezifisch zu konzipieren, Dialoge regionalspezifisch zu gestalten und für Kommunikations- und Dialogoffensiven geeignete Regionen auszuwählen.

2. Methode (Kurzfassung)

In diesem Beitrag schätzen wir auf Basis von umfangreichen empirischen Daten die öffentliche Meinung zu insgesamt 26 Klimaschutzmaßnahmen aus dem Energie-, Transport- und Gebäudesektor in allen 16 Bundesländern, in allen 402 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten (NUTS3-level) sowie in Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern (NUTS4-level) und Stadtbezirken in Berlin, Hamburg und München. Für unsere Analyse nutzen wir individuelle Umfragedaten aus zwei bundesweit repräsentativen Panelstudien, die zwischen 2017 und 2021 durchgeführt wurden, sowie hoch aufgelöste Kontextinformationen und mehrdimensionale Zensusdaten für die Gewichtung in allen regionalen Einheiten. Bei den Umfragedaten handelt es sich um das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende (SNB) (Renn et al., 2020; Wolf et al., 2021), das seit 2021 im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne erhoben wird, sowie die erste Erhebung des Ariadne Wärme- & Wohnen-Panels (WWP)(Frondel et al., 2022).

Wir nutzen eine moderne Mehrebenenregression mit Poststratifizierungsmethode (MrP) in Kombination mit Methoden des maschinellen Lernens, um die Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen auf subnationaler Ebene zu ermitteln(Broniecki et al., 2022) (weitere Informationen siehe Anhang). Das MrP-Verfahren unterteilt die Bevölkerung in eine Vielzahl von soziodemografischen Idealtypen und schätzt die Durchschnittsmeinung für jeden Idealtyp in den jeweiligen geographischen Einheiten auf Basis der Umfragedaten und hoch aufgelöster Kontextinformationen. Anschließend werden diese geschätzten Meinungen für jeden dieser Idealtypen mit den prozentualen Anteilen der einzelnen Typen in der Bevölkerung der jeweiligen räumlichen Einheiten (Bundesland-, Landkreis- und Gemeindeebene) auf Basis von Zensusinformationen gewichtet. Als Ergebnis erhalten wir für die unterschiedlichen Verwaltungsebenen repräsentative Schätzwerte für die Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen. Wir knüpfen somit an früheren Arbeiten des Yale Programs for Climate Change Communication an, die MrP zur Schätzung lokaler Klimaschutzansichten in Nordamerika verwendet haben (Bergquist & Warshaw, 2019; Mildenberger et al., 2016).

Zusätzlich schätzen wir explizit die jährliche Variation in der Zustimmung der Maßnahmen für jene Zeitpunkte, in denen uns über mehrere Jahre individuelle Umfragedaten vorliegen. Die Berechnung erfolgt auf Basis eines räumlichen Panelregressionsmodells(Baltagi et al., 2007; Kapoor et al., 2007), das sowohl die serielle Korrelation über die Zeit für jede räumliche Einheit als auch die räumliche Abhängigkeit zwischen diesen Einheiten für jeden Zeitpunkt berücksichtigt (für weitere Details siehe Methodenanhang). Auf diese Weise können wir untersuchen, wie sich die geografischen Einstellungsmuster über den fünfjährigen Erhebungszeitraum verändert haben.

3. Ergebnisse

In diesem Abschnitt betrachten wir zunächst die Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen über alle Politikfelder hinweg. Im Anschluss stellen wir die Ergebnisse zu einzelnen Maßnahmen im Strom-, Mobilitäts- und Gebäudesektor dar. Dabei fokussieren wir uns auf die räumlichen Unterschiede der Zustimmungswerte (Abb. 1), wenden uns jedoch auch der Frage zu, wie sich die Zustimmung insgesamt und in den einzelnen Landkreisen über die Zeit entwickelt (Abb. 2). Dabei interessiert uns vor allem, bei welchen Maßnahmen es über die Zeit zu einer Konvergenz der Zustimmungswerte kommt und welche Maßnahmen polarisieren, also die Zustimmungswerte divergieren (Abb. 3).

Darüber hinaus stellen wir die Ergebnisse einer Regression dar, welche die temporale Differenz in den Zustimmungsraten anhand von räumlichen Merkmalen identifiziert. Aus Platzgründen konzentrieren wir uns auf die wesentlichen Klimaschutzmaßnahmen und jene mit den markantasten Entwicklungen. Für die Ergebnisse zu den weiteren Klimaschutzmaßnahmen verweisen wir die Lesenden daher auf das virtuelle Online-Dashboard. Während wir uns hier auf die Unterschiede auf Kreisebene beschränken, werden auf der interaktiven Website die Ergebnisse georeferenziert auf Bundesland- und Kommunenebene abgebildet (sofern ausreichend Daten in den Erhebungen vorliegen, was zumeist für große Städte der Fall ist).

3.1. Geographische Verteilung der Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen – sektorübergreifend

Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die ermittelte Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen sowohl zwischen Politikfeldern als auch zwischen räumlichen Einheiten stark unterscheidet (Überblick und Erläuterung der Maßnahmen siehe Tabelle A2). Im Einklang mit früheren Studien (Levi et al., 2021) beobachten wir sowohl in den aggregierten Individualdaten der verwendeten Umfragen als auch im Vergleich der hier geschätzten Einstellungen ein hohes Maß an Zustimmung für Anreiz-Maßnahmen, welche beispielsweise emissionsarme Technologien staatlich subventionieren oder ausbauen (z.B. der Ausbau und die Förderung von Fahrradinfrastruktur und ÖPNV). Maßnahmen, welche die Nutzung fossiler Brennstoffe einschränken, wie beispielsweise die Bepreisung von klimaschädlichem CO2, das Verbot von fossilen Heizungssystemen oder von Autos mit Verbrennungsmotoren, erfahren in vielen Regionen nur geringe Zustimmung (siehe Abb. 1).

Bei der Zustimmung zu Klimaschutzmaßnahmen beobachten wir zwei größere Trends in der räumlichen Variation. Erstens, in urbanen Kreisen und kreisfreien Städten ist die Zustimmung zu Maßnahmen höher als in ländlichen Kreisen. So beobachten wir die größte Zustimmung über alle Politikbereiche hinweg in Berlin, Hamburg und Freiburg im Breisgau (Abb. 1a-f). Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Studien, die zeigen, dass Menschen in urbanen Regionen eher von der Existenz des menschengemachten Klimawandels überzeugt sind, sich mehr Sorgen über ihn machen und folglich auch in höhere Maß Gegenmaßnahmen befürworten (Mildenberger et al., 2016; Levi, 2020; Lee et al., 2015; Howe et al., 2015)

Zweitens stellen wir auf regionaler Ebene fest, dass bei Personen in Ostdeutschland die Befürwortung des Ausstiegs aus der Kohleverstromung, die Einführung einer Gebäudeklimaabgabe (Erläuterung siehe Tabelle A2) sowie die Bereitschaft für den Klimaschutz, höhere Kosten für fossile Brennstoffe zu tragen niedriger ausfällt, als in den westdeutschen Bundesländern. Der Grund für diese Differenzen wurde noch nicht ausführlich erforscht. Erste Studien deuten jedoch an, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten, das niedrigere Lohnniveau und die vergleichsweise rasche Abwicklung der Braunkohleindustrie in den ostdeutschen Ländern zur Ablehnung ambitionierter Klimapolitik bzw. konkreter Maßnahmen beitragen könnte, und dass die Unterdrückung der Berichterstattung von Umweltproblem in der DDR noch Spätfolgen auf Klimawandelbesorgnis ausübt (Götze et al., 2019; Walther & Isemann, 2019; Kountouris, 2021).

Zunächst betrachten wir den im Jahr 2021 eingeführten CO2-Preis im Wärme- und Mobilitätssektor als sektorübergreifende Maßnahme, welcher einer der Eckpfeiler der derzeitigen deutschen Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels ist (siehe Abb. 1f). Im Bundesdurchschnitt sind im Jahr 2019 gemäß der Modellrechnung rund 49 % der Befragten bereit, höhere Kosten für Benzin und Heizöl bzw. Erdgas in Form der CO2-Bepreisung zu tragen.

Es ergeben sich jedoch deutliche Unterschied zwischen urbanen und ländlichen Gebieten sowie zwischen Ost- und Westdeutschland. So sind beispielsweise 59 % der Menschen in Städten mit mehr als 250 000 Einwohnern bereit, höhere Preise für fossile Energieträger zu zahlen, um das Klima zu schützen, verglichen mit nur 50 % der Einwohner ländlicher Gegenden. Außerdem sind beispielsweise rund 54 % der Menschen, die in westdeutschen Kreisen und kreisfreien Städten leben, bereit höhere Preise für den Klimaschutz zu zahlen, während es in ostdeutschen Kreisen nur 39 % sind. Die Bereitschaft ist in sächsischen Kreisen mit 30 % am niedrigsten (Görlitz, Bautzen, Sächsische Schweiz). In der Stadt München ist die Bereitschaft höhere Kosten zu tragen mit 72 % am höchsten. Damit liegt die bayrische Landeshauptstadt deutlich über den Werten der Metropolen Berlin (62 %) und Hamburg
(66 %) sowie anderer Großstädte wie Stuttgart und Köln (beide 66 %). Auch bei dieser Frage zeigt sich das Einstellungsmuster der höheren Zustimmung in Städten verglichen zu ländlichen Flächenkreisen. Dies gilt auch für die ostdeutschen Bundesländer. So liegen Leipzig (56 %) und Dresden (45 %) deutlich über ihren Nachbarkreisen, aber trotzdem noch deutlich unter vergleichbaren westdeutschen Städten. 

Abbildung 1: Räumliche Variationen der Einstellungen gegenüber Klimaschutzmaßnahmen. Geschätzter Anteil der Bevölkerung, die a) den Ausbau und Förderung der Fahrradinfrastruktur (2021), b) eine CO2-basierte Gebäudesteuer für Hauseigentümer (2021), c) den Ausstieg aus der Kohleverstromung (2019), d) den schrittweisen Ausstieg aus gasbefeuerten Heizkesseln (2021), e) ein Verbot von Autos mit Verbrennungsmotor ab 2030 (2021) und f) die Bereitschaft für den Klimaschutz höherer Preise für fossile Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas zu zahlen (2019) zumindest teilweise befürworten. Quelle: Eigene Darstellung

3.2. Geographische Verteilung der Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen im Stromsektor

Im Stromsektor betrachten wir vor allem die Zustimmung zum Kohleausstieg, zum Ausbau von Übertragungsnetzen und zum Ausbau von verschiedenen erneuerbaren Erzeugungstechnologien, wie Windenergie- und Freiflächensolaranlagen (Überblick und Erläuterung der Maßnahmen siehe Tabelle A2). Neben deutlichen Unterschieden in der Befürwortung der Klimaschutzmaßnahmen zwischen ländlichen Flächenkreisen und kreisfreien Städten, liegen die Zustimmungswerte in den ostdeutschen Kreisen insbesondere beim Ausstieg aus der Kohleförderung unter dem Niveau von westdeutschen Kreisen. Jedoch auch in bayrischen Stadt- und Landkreisen ist der Anteil der Befürworter:innen für den Ausbau von Windenergie an Land und Freiflächensolaranlagen niedriger als in den übrigen westdeutschen Regionen (Abb. 1c). Bei allen betrachteten Politikmaßnahmen im Stromsektor zeigt sich, dass die Kreise mit den niedrigsten Werten mehrheitlich in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt liegen.

Im zeitlichen Verlauf zeigen sich sowohl im gesamtdeutschen Durchschnitt (2017: 82 %; 2018: 80 %; 2019: 82 %) als auch bei der Mehrheit der Kreise und kreisfreien Städte nur geringfüge Veränderungen im Hinblick auf die Zustimmung zum generellen Ausbau von Erneuerbaren Energien zwischen 2017 und 2019 (siehe Online-Dashboard). Dies gilt sowohl für Teilregionen mit einem unterdurchschnittlichen als auch überdurchschnittlichem Zustimmungsniveau. So lagen in den untersuchten drei Jahren die Zustimmungswerte im Spree-Neiße-Kreis durchgehend am niedrigsten (2017: 68 %, 2018: 68 %, 2019: 62 %), während die kreisfreien Städte Münster und München die höchsten Werte verzeichneten (2017: 89 %, 2018: 89 % und 88 %, 2019: 91 % und 92 %). Schließlich ist in einigen Kommunen mit bereits unterdurchschnittlichen Zustimmungswerten zum Ausbau der Erneuerbaren Energien ein Zustimmungsrückgang zu beobachten. So ist beispielsweise im Kreis Oberspreewald-Lausitz die Zustimmung von 71 % im Jahr 2017 auf 67 % in 2019 gesunken, in Bautzen von 70 % zu 65 % und in Elbe Elster von 73 % auf 68 %.

Ein differenzierteres Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Einstellungen gegenüber dem Ausbau einzelner erneuerbarer Erzeugungstechnologien. Zum Ausbau von Solaranlagen auf Freiflächen ist bundesweit eine steigende Befürwortung von 2018 bis 2021 zu beobachten (2018: 59 %; 2019: 64 %; 2021: 75 %) (Abb. 2b). So liegen die Zustimmungswerte in den Landkreisen und kreisfreien Städten im Jahr 2018 in einem Intervall zwischen 46 % und 64 %, in 2021 zwischen 67 % und 82 % (noch deutlicher ist der Zuwachs bei Solaranlagen auf Hausdächern, siehe Online-Dashboard). Über die Zeit ist die Zustimmung zur Errichtung von Solaranlagen auf Freiflächen also stark angestiegen, im Bundesdurchschnitt um 16 Prozentpunkte. Dabei ergeben sich jedoch große Unterschiede zwischen den Kreisen, wobei der Zuwachs an Zustimmung bis zu 30 Prozentpunkten betragen kann (Abb. 3b).

Ähnlich sind die Ergebnisse bei der Frage nach dem Ausbau von Windkraft an Land (Abb. 2b). Im Bundesdurchschnitt ist die Zustimmung zu dieser Maßnahme zwischen 2017 und 2021 von 43 % auf 75 %, also um 32 Prozentpunkte, deutlich gestiegen. Dabei ist die Zustimmung in allen Kreisen gestiegen (von 35-52 % in 2017 auf 70-84 % in 2021). Am Ende der Zeitreihe ist die Zustimmung in den großen Städten am höchsten. So beziffert sich die Zustimmung in Berlin, Hamburg und Köln auf über 80 %.  Allerdings sind bei dieser Maßnahme bemerkenswerte Dynamiken im zeitlichen Verlauf in einzelnen Teilregionen Deutschlands zu beobachten. Während 2017 noch ein klarer Unterschied in den Landkreisen in Ost- und Westdeutschland sichtbar ist, gleichen sich die Zustimmungsraten im Folgejahr an. Die Zustimmung in den ostdeutschen Städten und Kreisen steigt also stärker als in den westdeutschen Städten und Kreisen, sodass die Zustimmungswerte bundesweit konvergieren (Abb. 3b). Die 63 Kreise mit den niedrigsten Zustimmungswerten liegen 2017 noch in Ostdeutschland. Im Jahr 2018 liegen acht der zehn Landkreise mit der niedrigsten Zustimmung zum Ausbau von Windkraft in Bayern; unter den 20 Kreisen mit der niedrigsten Zustimmung liegen nur fünf im Osten.  Ein Faktor, der diese starke Zunahme in diesen und den angrenzenden Kreisen erklären könnte, ist ein Beteiligungsinstrument, durch das in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg Erträge von Windkraftanlagen mit Kommunen geteilt werden müssen.

Beim Kohleausstieg ist die durchschnittliche bundesweite Zustimmung zwischen 2017 und 2019 nur leicht von 63 % auf 64 % gestiegen (Abb. 2). Dabei ist die Befürwortung des Kohleausstiegs in Metropolen und Großstädten höher als in kleineren Städten und Kreisen (Abb. 1c). So lag die höchste Zustimmung 2017 mit 77 % in der Stadt München und in 2019 mit 82 % in Hamburg, während die niedrigsten Zustimmungswerte von 2017 bis 2019 im Spree-Neiße-Kreis (2019: 22 %) zu beobachten sind (Abb. 2c). Allerdings hat sich die Haltung zum Kohleausstieg teilweise polarisiert (Abb. 3a, d). So stieg beispielsweise in Berlin die Befürwortung des Kohleaussteigs zwischen 2017 und 2019 von 71 % auf 81 % um fast 10 Prozentpunkte, während im gleichem Zeitraum im Spree-Neiße-Kreis, einem ländlichen Landkreis in Ostdeutschland mit einer relativ großen energieintensiven (Braunkohle-)Industrie und einer rechtspopulistischen Mehrheit (mit 26,5 % ist die AfD die stärkste Fraktion im Kreistag), von 40 % auf 22 % und damit um 18 Prozentpunkte ein bemerkenswerter Zustimmungsrückgang zu verzeichnen ist.

Auch in den anderen Kreisen der Lausitz und den angrenzenden (Flächen-)Kreisen ohne direkten Braunkohleabbau im Bundesland Sachsen, zeichnet sich ein ähnliches Bild ab (Abb. 3d). Im Kreis Görlitz sank die Zustimmung deutlich von 43 % auf 31 % und im Kreis Oberspreewald-Lausitz von 47 % auf 33 %. Im Steinkohlerevier an der Ruhr verringert sich die Zustimmung erst von 57 % in 2017 auf 42 % in 2018, steigt dann aber wieder auf 55 % in 2019. Auch in Bottrop, ebenfalls ehemaliges Steinkohlerevier, steigt die Zustimmung, zum Beispiel von 58 % in 2017 auf 63 % in 2019. Insgesamt beobachten wir beim Kohleausstieg einen ausgeprägten Divergenzprozess: Während die Zustimmung in Regionen mit hohen Zustimmungsraten weiter steigt, reduziert sich die Zustimmung in einigen Regionen mit geringen Zustimmungsraten weiter.

Abbildung 2: Zeitliche Entwicklung der Befürwortung von ausgewählten Klimaschutzmaßnahmen auf Stadt- und Landkreisebene. Geschätzter Anteil der Bevölkerung, die a) den Ausbau von Windenergieanlagen an Land, b) den Ausbau von Freiflächensolaranalagen, c) den Ausstieg aus der Kohleverbrennung und d) einen Neuzulassungsstopp für Verbrenner-Pkw ab 2030 zumindest teilweise befürworten. Quelle: Eigene Darstellung

3.3. Geographische Verteilung der Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen im Transportsektor

Auch bei Maßnahmen im Transportsektor zeigt sich ein klares Gefälle zwischen Stadt und Land sowie Ost und West (Überblick und Erläuterung der Maßnahmen siehe Tabelle A2). Ein deutliches Bild zeigt sich bei der Frage nach einem Verbot von Neuzulassungen von Pkw mit Benzin oder Dieselmotoren ab 2030, dessen Zustimmung zwischen 2018 und 2021 erhoben wurde. Diese Maßnahme ist eine der unbeliebtesten Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland, deren Zustimmung in diesem Zeitraum auf niedrigem Niveau von 27 % auf 30 % nur leicht gestiegen ist (Abb. 1e). Bei der räumlich differenzierten Betrachtung der Bewertungen des Neuzulassungsverbots für Verbrenner zeigt sich ein sehr deutliches Stadt-Land-Gefälle. Die mit Abstand höchsten Zustimmungswerte beobachten wir in allen drei Erhebungswellen in Berlin (2021: 56 %), gefolgt von Hamburg (2021: 45 %) und Köln (2021: 44 %). In vielen größeren ost- und westdeutschen Städten (> 200.000 Einwohner) liegt die Zustimmungsrate durchschnittlich bei 30 % und darüber. Außerhalb der Metropolen und größeren Städte zeigt sich bei den Flächenkreisen ein leichtes Ost-West-Gefälle. Die 85 Kreise mit der niedrigsten Zustimmungswerten sind vor allem in Ostdeutschland zu finden. Allerdings beobachten wir eine ähnliche Situation auch in einigen süddeutschen Landkreisen, wie z.B. Cham, Passau und Straubing-Bogen, die mit jeweils 18 % in 2021 die niedrigsten Zustimmungswerte aufweisen.

Über die Zeit betrachtet, ergeben sich bei der Haltung der Menschen gegenüber dieser Maßnahme nur geringfügige Änderungen (Abb. 2d). Im gesamten Zeitraum bewegen sich die Zustimmungswerte über alle Kreise hinweg zwischen 16 % (Sächsische Schweiz) und 58 % (Berlin). Abb. 3e zeigt einerseits, dass in den meisten räumlichen Einheiten die Zustimmung leicht zunimmt. Es gibt jedoch keinen Stadt- und Landkreis, in der die Zustimmung um mehr als 10 Prozentpunkte steigt. Zwar gibt es einzelne Kreise, insbesondere in Bayern, in denen die Zustimmung sinkt, diese Entwicklungen sind jedoch nur marginal (im Durchschnitt 0,8 Prozentpunkte).

Zusätzlich wurden im Transportsektor in den Jahren 2019 und 2021 die Zustimmung zu Zugangsbeschränkungen für Diesel- und Benzinautos zu Teilen von Innenstädten erhoben (siehe Online-Dashboard). Auch diese Maßnahme wird von der Mehrheit der Befragten nicht befürwortet; nur rund ein Viertel (28 %) in 2019 und etwas mehr als ein Drittel (37 %) in 2021 stimmten im bundesweiten Durchschnitt der Einführung dieser Maßnahme zu. Dabei ergeben sich interessante regionale Unterschiede. So ist die Zustimmung in einigen Großstädten relativ groß. Im Jahr 2019 lag diese in München und Berlin mit 49 % bzw. 46 % im Vergleich zu den restlichen Regionen deutlich höher; der nächstgrößte Zustimmungswert beträgt 39 % in Hamburg. Auch hier ist die Zustimmung in den meisten ostdeutschen und ländlichen Gebieten deutlich schwächer ausgeprägt sowie mit 18 % in den Landkreisen Bautzen und Sächsische-Schweiz-Osterzgebirge am niedrigsten. Über den zweijährigen Zeitraum ist die Zustimmung zu dieser Maßnahme in nahezu allen Stadt- und Landkreisen gestiegen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Zustimmung in ganz Deutschland insbesondere in den ländlichen Gebieten deutlich stärker angestiegen ist als in den städtischen Regionen. Gleichzeitig sind die Zuwächse in den ostdeutschen Städten größer als in den westdeutschen urbanen Räumen. Der Abstand zwischen den geschätzten Maximal- und Minimalwerten bei der Zustimmung sinkt somit, sodass die Zustimmung zu dieser Maßnahme über alle räumlichen Einheiten hinweg konvergiert.

Eine weitere, von der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung befürwortete verkehrspolitische Maßnahme ist der Ausbau des Radverkehrs (2019: 72 %; 2021: 74 %) (Abb. 1a). Vor dem Hintergrund des höheren Fahrradverkehrsanteils in urbanen Räumen im Vergleich zu ländlichen Gebieten (vgl. Nobis, 2019) sind die unterdurchschnittlichen Zustimmungswerte für den Ausbau der Radinfrastruktur in (Groß-)Städten überraschend. Während in vielen Landkreisen die Zustimmung in 2021 bei über 80 % liegt, beziffert sie sich in den Städten Hamburg auf 65 % und in Berlin auf 61 %. Grund hierfür könnte die stärkere Flächenkonkurrenz mit anderen Verkehrsmitteln sein, was insbesondere in Ballungszentren bei erhöhtem Platzbedarf für den Radverkehr zu Lasten des Pkw-Verkehrs gehen würde. Die Befürwortung ist im Zeitverlauf in nahezu allen Städten und Gemeinden relativ konstant geblieben. So bewegte sich die Zustimmung im Jahr 2019 zwischen 56 % (Hamburg) und 79 % (Oberspreewald-Lausitz) und im Jahr 2021 zwischen 53 % (Bonn) und 81 % (Krefeld) (siehe Online-Dashboard).

Schließlich haben wir im Transportsektor zwei Maßnahmen zum Thema Elektromobilität untersucht: Erstens die allgemeine Befürwortung des Ausbaus von Elektromobilität und zweitens die Haltung gegenüber Subventionen für den Kauf von E-Autos (siehe Online-Dashboard). Für den Ausbau von Elektromobilität liegen aus den Erhebungen Daten für die Jahre 2018 und 2019 vor. Die Befürwortung dieser Maßnahme fällt in beiden Erhebungswellen sehr unterschiedlich aus: Während sich in 2018 die Mehrheit (56 %) dafür ausspricht, befürworten im folgenden Jahr nur noch etwas mehr als ein Drittel (37 %) der deutschen Bevölkerung den Ausbau.

Bei der räumlich differenzierten Schätzung der Zustimmungswerte in den Stadt- und Landkreisen stechen im Jahr 2018 einige große Städte mit besonders hohen Werten heraus, wie Berlin (68 %), München, Münster, Köln (jeweils 64 %) und die Region Hannover (61 %). Im Jahr 2019 wird ein Nordwest­-Südost-Gefälle sichtbar, das in 2018 noch nicht erkennbar ist. Außerdem fällt die Zustimmung generell, auch in den Teilregionen mit den höchsten Anteilen an befürwortenden Personen deutlich ab. In Berlin beispielsweise verringert sich die Zustimmung von 68 % auf 45 %. Verhältnismäßig hoch ist die Zustimmung im Jahr 2019 auch im Bundesland Nordrhein-Westfalen: Dort liegt die Zustimmung zwischen 37 % in Remscheid bis 43 % in Köln. Der niedrigste Wert in 2019 zeigt sich mit 29 % in dem Bundesland Sachsen im Landkreis Sächsische-Schweiz-Osterzgebirge. Auf dem Zustimmungsniveau von 30 % finden sich aber auch bayrische (Freyung-Grafenau, Garmisch-Partenkirchen, Starnberg) und brandenburgische Kreise (Spree-Neiße).

Während im bundesweiten Durchschnitt weniger als die Hälfte (44 %) der in Deutschland lebenden Bevölkerung in 2021 (2019: 37 %) Subventionen für den Kauf von E-Autos befürworten, zeigt sich bei den hier geschätzten Bewertungen in den einzelnen Bundesländern bzw. Stadt- und Landkreisen ein fließendes Nordwest-Südost-Gefälle (siehe Online-Dashboard). Wie auch bei der generellen Frage nach dem Ausbau von Elektromobilität, zeigen sich die höchsten Werte in Niedersachen und NRW (jeweils 48 %) und am niedrigsten in Sachsen und Thüringen (39 %). Auf Landkreisebene ist Zustimmung im Emsland mit 54 % am höchsten und am niedrigsten in der Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge (34 %).

Abbildung 3: Relative Veränderungen der Befürwortung von ausgewählten Klimaschutzmaßnahmen auf Stadt- und Landkreisebene. Differenz der politischen Unterstützung zwischen erstem und letztem Jahr der Erhebung, aufgeschlüsselt pro Landkreis, Jahr (a) und räumlich disaggregiert (b-e). Quelle: Eigene Darstellung

3.4. Geographische Verteilung der Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen im Wärmesektor

Im Wärmesektor betrachten wir die Befürwortung einer Reihe von Fördermaßnahmen, Abgaben und Vorgaben, beispielsweise eine Gebäudeklimaabgabe (Überblick und Erläuterung der Maßnahmen siehe Tabelle A2) sowie ein Einbauverbot von Öl- und Gasthermen (weitere Maßnahmen siehe Online-Dashboard).

Einem Einbauverbot von Gaskesseln stimmen deutschlandweit rund 34 % der Befragten zu, wobei sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle zeigt (Abb. 1d). Während Berlin (52 %), Hamburg (48 %) und München (47 %) die höchsten Zustimmungswerte aufweisen und weitere größere Städte, wie Köln (45 %) und Heidelberg (43 %) folgen, befinden sich am Ende der Skala sechs ländliche Kreise aus Thüringen (Bereich 24 % in Greiz bis 26 % in Sömmerda). Ein eindeutiges Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland ist jedoch nicht erkennbar. So finden sich unter den Stadt- und Landkreisen mit niedrigen Zustimmungswerten z.B. auch Kreise aus Rheinland-Pfalz (etwa Kusel, Kaiserslautern und die Südwestpfalz, jeweils 27 %).

Bei der Gebäudeklimaabgabe, die von Eigentümer:innen nach Menge der Treibhausgasemissionen entrichtet werden müsste, zeigt sich ein differenzierteres Bild. Während sich bundesweit rund 33 % der Befragten dafür aussprechen, wird bei räumlich differenzierter Betrachtung sowohl ein Stadt-Land-Gefälle, aber auch ein Ost-West-Gefälle sichtbar, (Abb. 1b). Der niedrigste Wert zeigt sich in der Sächsischen Schweiz mit 20 %, der höchste mit 46 % in Heidelberg und Freiburg.

Die Zustimmungsraten zum Einbauverbot von Ölkesseln liegen im bundesweit bei 65 % und unterscheiden sich vor allem zwischen dem Nordwesten und dem Rest der Republik. Besonders hoch ist dabei die Zustimmung in Städten im Norden und Westen (Köln 78 %, Oldenburg 75 %, Kiel 75 %, Lübeck 73 %); die niedrigste Zustimmung zeigt sich in Sachsen-Anhalt und Sachsen (Meißen und die Sächsische Schweiz bei 53 %). Für die Verpflichtung zur Nutzung von Erneuerbaren Energien (2021: 67 %) und hoher Energie-Effizienzstandards bei Neubauten (2021: 69 %) gibt es in allen Kreisen hohe Zustimmung. Für die Pflicht zur Nutzung Erneuerbarer Energien sind die Werte mit 57 % im Kreis Görlitz und für die Energiestandards mit 59 % in Meißen bundesweit am niedrigsten. Für die Pflicht zur Nutzung Erneuerbarer Energien gibt es die höchste Zustimmung in kreisfreien Städten in Baden-Württemberg (Freiburg, Heidelberg je 75 % und Stuttgart 74 %).  

3.5. Einflussfaktoren der Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen

Nachdem wir die öffentliche Meinung in den verschiedenen Kreisen verglichen haben, untersuchen wir mögliche Gründe, welche die Entwicklung von Klimaschutzansichten beeinflussen könnten. Wir finden dabei heraus, dass die Zustimmung für den Ausbau von Windenergieanlagen in einem positiven Zusammenhang mit dem tatsächlichen Ausbau von Windenergieanlagen steht. Unsere Analyse kann jedoch nicht erklären, ob ein Zubau von Windenergieanalagen sich positiv auf Zustimmung zum Ausbau dieser konkreten Anlagen auswirkt oder ob der Zubau die allgemeine Zustimmung zur Windkraft steigert. Ebenso beobachten wir einen positiven Zusammenhang zwischen der Zustimmung gegenüber dem Ausbau von Freiflächensolaranlagen und dem realen Zubau von sowohl Windenergie und Freiflächensolaranlagen. Die Entwicklung von Kohlekraftwerkskapazitäten hat hingegen keinen Einfluss auf die Befürwortung des Kohleausstiegs.

Weiterhin beobachten wir starke räumliche Diffusionsprozesse zwischen benachbarten Landkreisen. Das bedeutet, dass sich die öffentliche Meinung in einem Landkreis auf die Meinung in anderen Landkreisen auswirkt. Landkreise und kreisfreie Städte sind keine abgeschlossenen Einheiten. Im Gegenteil: Pendelbewegungen, Freundschaften und Familien nehmen keine Rücksicht auf Verwaltungsgrenzen. Deswegen überrascht es nicht, dass sich Ansichten über Landkreisgrenzen hinweg verbreiten. Unsere Analyse zeigt, dass die positive Veränderung der Zustimmung zu einer Maßnahme in einem Nachbarkreis, z.B. der Ausbau von Windkraft, mit einer positiven Veränderung der Zustimmung in den benachbarten Landkreisen zusammenhängt. Dieser Einfluss wird konsistent über alle benachbarten Landkreise sichtbar. Positive räumliche Diffusion ist somit einer der größten, signifikantesten und konsistentesten Prädiktoren für die Zustimmung zu emissionsarmen Technologien auf Kreisebene.

4. Zusammenfassung und Fazit

In dieser Analyse haben wir die Unterstützung für eine Reihe von Klimaschutzmaßnahmen auf Kreisebene in Deutschland auf Basis von zwei großen (Ariadne-)Erhebungen für die Periode von 2017 bis 2021 geschätzt und diskutiert. Dabei finden wir, dass der Einführung oder Intensivierung von Subventionen und Infrastruktur eher zugestimmt wird als Verboten und Steuererhöhungen. Allerdings unterscheidet sich das Niveau der Zustimmungswerte und deren zeitliche Entwicklung stark zwischen verschiedenen Regionen. Bei manchen Maßnahmen, etwa dem Kohleausstieg, unterscheidet sich die Zustimmung über die Kreise hinweg um fast 60 Prozentpunkte zwischen deutschen Landkreisen. Dabei ist die Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen oft höher in urbanen als in ländlichen Gegenden. Auch beobachten wir, dass die Unterstützung vieler Maßnahmen in den neuen Bundesländern geringer als in den alten Bundesländern ist. Die Ergebnisse für alle Maßnahmen und Regionen stellen wir in einem interaktiven Online-Dashboard zur Verfügung.

Die im Zeitverlauf zunehmend befürwortende Haltung der deutschen Bevölkerung gegenüber den meisten, der in dieser Studie untersuchten Klimaschutzmaßnahmen kann von der Politik als Ermutigung für mehr Klimaschutz angesehen werden. So wird die Umsetzung von Klimapolitik einfacher, da mit weniger Widerstand aus der Bevölkerung zu rechnen ist. Jedoch ist die Zustimmung keinesfalls gleichmäßig gestiegen. Wir beobachten bei einigen Klimaschutzmaßnahmen, etwa dem Ausbau von Windkraftanlagen an Land und Solaranlagen auf Freiflächen, einen Konvergenzprozess der Einstellungen in der Bevölkerung. In Regionen, in denen die Zustimmung zum Ausbau dieser Erzeugungstechnologien zu Beginn der Beobachtungsperioden relativ gering war, ist die Zustimmung besonders stark gewachsen. Hingegen ist der Anstieg in Regionen mit bereits hoher Zustimmung zwangsläufig weniger intensiv verlaufen. Da der besonders große Anstieg vor allem in ostdeutschen Regionen zu verzeichnen ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Einführung eines neuen Beteiligungsinstrumentes in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, durch welches Erträge von Windkraftanlagen mit Kommunen geteilt werden müssen, dazu beigetragen hat.

Hingegen beobachten wir bei der Zustimmung zum Kohleausstieg einen ausgeprägten Divergenzprozess: Während die Zustimmung in Regionen mit hohen Zustimmungsraten weiter steigt, reduziert sich die Zustimmung in einigen Regionen mit geringen Zustimmungsraten. Aus Politperspektive ist dies eine beunruhigende Entwicklung, da bei zunehmender Polarisierung der Widerstand gegen diese Klimaschutzmaßnahme auf lokaler Ebene zunehmen könnte. Die Politik kann jedoch versuchen mit gezielten Informations- und Kommunikationskampagnen über die Vorhaben zu informieren sowie durch gut strukturierte und motivierende Formen der Bürger:innenbeteiligung vor Ort die Unterstützung und Legitimität politischer Maßnahmen zu stärken.

Während die Zustimmung zu Maßnahmen im Stromsektor im Durchschnitt relativ hoch ist, sind die Zustimmungswerte für Maßnahmen im Transportsektor oft eher gering. So liegt die Zustimmung zu einem Verbot von Verbrennerfahrzeugen im bundesweiten Durchschnitt bei 26 %, die Zustimmung zu einem Zufahrtsverbot von Pkw in Innenstädte bei 36 %. Vor dem Hintergrund, dass alle Sektoren einen signifikanten Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele 2045 leisten müssen, kann hier also mit großem Widerstand in der Bevölkerung gerechnet werden, sollte es zu diesen recht einschneidenden Maßnahmen kommen. Während im Zeitverlauf die Zustimmung zum Verbrennerverbot auf einem konstanten Niveau verblieben ist, ist die Streuung bei den Zugangsbeschränkungen etwas zurückgegangen. Es deutet sich also auch hier an, dass die Zustimmungswerte konvergieren.

Darüber hinaus haben wir in einer Regressionsanalyse untersucht, welche Faktoren die Entwicklung von Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen auf Kreisebene beeinflussen. Wir können dabei feststellen, dass die Zustimmung für den Ausbau von Windenergieanalagen und Freiflächensolaranlagen positiv mit dem realen Ausbau von Windkraft- und Freiflächensolaranalagen korreliert. Außerdem finden wir starke regionale Diffusionsprozesse, in denen die Entwicklung der öffentlichen Meinung in einem Landkreis die zukünftige Entwicklung in benachbarten Landkreisen stark beeinflusst. Interventionen, welche die Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen erhöhen sollen (z.B. Öffentlichkeitskampagnen oder Bürger:innenbeteiligungen), könnten somit die größte Wirkung in stark vernetzten Regionen entfalten, wo sie nicht nur direkte Veränderungen in dieser Region, sondern auch indirekte Veränderungen in benachbarten Regionen herbeiführen können. Dies unterstreicht die Wichtigkeit von regionalen Informations- und Kommunikationskampagnen sowie weiterer Mitsprache- und Teilhabemöglichkeiten der Bürger:innen bei der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen.  

Anhang

Materialien und Methoden

Datenquellen und Vorverarbeitung

Schätzung lokaler Zustimmung

Räumliche Panel-Analyse

Übersicht Klimaschutzmaßnahmen

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Autorinnen & Autoren

Dr. Sebastian Levi

Hertie School

Dr. Ingo Wolf

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)

Dr. Stephan Sommer

RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung