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Analyse: Die Schlüsselrolle von Flexibilität im Stromsystem 2030 – Nutzenanalyse und kritische Flex-Technologien

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Kernaussagen

Mit steigendem Anteil fluktuierender Erneuerbarer Energien im Stromsystem steigt auch der Bedarf an steuerbaren Kapazitäten, die Stromangebot und -nachfrage ausgleichen können, so genannte Flexibilitätstechnologien. In dieser Analyse wird der Nutzen von zehn verschiedenen Technologien, die Flexibilität bereitstellen können, für das deutsche Stromsystem im Jahr 2030 ermittelt.

Die Nutzenanalyse macht deutlich, dass die Verschiebung von großen Energiemengen über einen längeren Zeitraum (saisonaler Ausgleich) den höchsten spezifischen Nutzen erreicht. Eine Schlüsseltechnologie für das Jahr 2030 sind daher Langzeitspeicher mit großen Speichervolumen, zum Beispiel in Form von Wasserstoff-Kavernenspeichern. Das Fehlen einer hierfür geeigneten Technologie würde zu hohen Effizienzverlusten führen. Die zweite Schlüsseltechnologie ist die steuerbare Leistung von Power-to-Heat1Umwandlung von elektrischer Energie in Wärme in Wärmenetzen der allgemeinen Versorgung, die für den täglichen Ausgleich zwischen Nachfrage und erneuerbarer Erzeugung eingesetzt wird. Hier können allerdings auch andere nachfrageseitige Flexibilitäten eine ähnliche Funktion für das Stromsystem übernehmen.

Die Analyse zeigt auch, dass die Erschließung der hier betrachteten Flexibilitätstechnologien, zum Beispiel durch den Abbau von regulatorischen Hemmnissen, bis zum Jahr 2030 für das Stromsystem von hoher Relevanz ist. Auch über die angenommenen Potentialgrenzen hinaus bieten insbesondere nachfrageseitige Flexibilitätstechnologien noch einen positiven Nutzen. Eine technologieoffene, marktbasierte Lösung zur Einbindung dieser Flexibilitäten könnte die unterschiedlichen Charakteristika, Nutzenniveaus sowie sich ändernde Rahmenbedingungen effizient berücksichtigen.

1. Einleitung

Um die Versorgungssicherheit im Stromsystem gewährleisten zu können, muss das Stromangebot jederzeit der Stromnachfrage entsprechen. In der Vergangenheit konnte mit fossilen steuerbaren Kraftwerken ein Großteil der Stromerzeugung an den Verlauf der Stromnachfrage angepasst werden. Mit steigendem Anteil erneuerbarer Energien ist das Stromangebot aufgrund der Witterungsabhängigkeit zunehmend nicht mehr steuerbar und unterliegt starken täglichen sowie saisonalen Schwankungen. Damit Stromangebot und –nachfrage trotzdem ausgeglichen werden können, bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Das Stromangebot kann an die Nachfrage angepasst werden oder andersherum, die Nachfrage an das Angebot. Ersteres kann durch steuerbare Erzeugungseinheiten (auch als „Backup“-Kraftwerke bezeichnet) oder durch steuerbare Speicher erfolgen, die zu Zeiten hoher Stromnachfrage und niedriger Einspeisung variabler erneuerbarer Energien Strom bereitstellen. Letzteres hingegen kann durch die Flexibilisierung von Nachfrage erreicht werden oder durch Einspeicherung in steuerbare Speicher zu Zeiten niedriger Stromnachfrage.

Mit steigendem Anteil fluktuierender Erneuerbarer Energien im Stromsystem steigt auch der Bedarf an Technologien, die eine dieser beiden Aufgaben erfüllen können. Steuerbare Erzeugungseinheiten, Speichertechnologien sowie Nachfrageflexibilisierung stellen damit neben dem Ausbau der erneuerbaren Erzeugung und dem Netzausbau einen kritischen Baustein für die erfolgreiche Transformation des Stromsektors dar (zum Beispiel European Commission 2015; Consentec et al. 2023; Luderer et al. 2021).

In dieser Analyse liegt der Fokus auf steuerbaren Speichertechnologien sowie
Flexibilisierungsmöglichkeiten auf der Nachfrageseite (auch Demand Side Management). Für eine bessere Lesbarkeit werden diese beiden Gruppen im Folgenden auch unter dem Begriff „Flex-Technologien“ zusammengefasst. Steuerbare Erzeugungseinheiten werden im Weiteren nur vergleichend herangezogen, um den Nutzen der Flex-Technologien besser einordnen zu können. Eine detaillierte Betrachtung erfolgt nicht, da die (in dieser Hinsicht im Jahr 2030 voraussichtlich relevantesten) Technologien einer erdgasbefeuerten offenen Gasturbine oder GuD-Anlage zum einen reife Technologien sind, bei denen die Marktverfügbarkeit keine große Hürde mehr darstellt. Zum anderen ist diese Art der Flexibilitätsbereitstellung aber auch emissionsbehaftet und damit für die langfristige Transformation des Stromsystems weniger relevant.

Die Bereitstellung von Flexibilität durch Speicher und Demand Side Management (DSM) hingegen können verschiedene Technologien übernehmen: Für die Speicherung stehen zum Beispiel Wasserspeicher in Form von Pumpspeicherkraftwerken zu Verfügung sowie Batterie- und Wasserstoffspeicher als Technologien, die derzeit noch nicht in großem Maßstab im Einsatz sind. Auf der Seite der Nachfrageverschiebung kann unter anderem das „klassische“ DSM in der Industrie, bei dem Produktions- oder Querschnittsprozesse verschoben werden, in Haushalten oder dem GHD-Sektor, die Flexibilisierung von Ladevorgängen von Elektroautos, des Betriebs von Wärmepumpen oder anderen Power-to-Heat Anwendungen zum Einsatz kommen.

Während zum Beispiel Wasserspeicher schon lange im Einsatz sind, sind die anderen Technologien vergleichsweise neu, beziehungsweise derzeit noch nicht in großem Umfang im Einsatz. Das gilt insbesondere für dezentrale Technologien, die in Haushalten
oder dem GHD-Sektor zum Einsatz kommen. Diese Technologien haben die Möglichkeit, durch die Verschiebung ihres Strombedarfs Flexibilität für das Stromsystem bereitzustellen, was derzeit aber noch nicht in großem Umfang erfolgt. Eine umfangreiche Diskussion zu den Barrieren für solche Technologien ihre Flexibilität bereitzustellen, erfolgt zum Beispiel in Møller Sneum 2021. Sie kommen zu dem Schluss, dass die größte Barriere darin besteht, dass kein Signal beziehungsweise Anreiz bei Nutzern ankommt, ihr Verhalten beziehungsweise die Betriebsweise der Technologie im Sinne des Gesamtsystems anzupassen.

Während also auf der einen Seite feststeht, dass ein steigender Bedarf an Flexibilität im Stromsystem besteht (vgl. auch Kondziella und Bruckner 2016), ist noch nicht klar, welche Technologie(n) am besten geeignet sind, um diese Aufgaben in einem System mit hohen und sehr hohen Anteilen Erneuerbarer Energien zu übernehmen. Dies ist unter anderem davon abhängig, welche Anforderungen an Flexibilität in mehreren Dimensionen gestellt werden: In Bezug auf die Ein- beziehungsweise Ausspeicherleistung, hinsichtlich der speicher- beziehungsweise verschiebbaren Energiemenge oder der Speicherzeit. Die Analyse trägt zur Beantwortung dieser Frage bei, indem der (monetäre) Nutzen der verschiedenen Flexibilitätstechnologien für das Stromsystem mit einem zeitlich hochaufgelösten europäischen Strommarktmodell ermittelt wird. Dabei stehen zwei Leitfragen im Vordergrund:

  1. Welche Speicher- und Flexibilitätstechnologien sind Schlüsseltechnologien mit besonders hohem Nutzen für das deutsche Stromsystem im Jahr 2030?
  2. Falls die Entwicklung dieser Technologien nicht in dem Umfang erfolgt wie benötigt, gibt es Technologien, die diese Aufgabe dann relativ einfach (also kostengünstig) übernehmen können?

Hier werden die Technologien, die als steuerbare Kapazitäten eingesetzt werden können, zunächst ausschließlich im Hinblick auf die Aufgabe der Erhaltung der Leistungsbilanz in den Strommärkten, das heißt innerhalb der 1/4h-Abrechnungsintervalle definiert. Dies ist nur eine der Leistungsbilanzen, die für ein versorgungssicheres System im Gleichgewicht gehalten werden muss. Unterhalb des 1/4h-Zeitintervalls wird der Ausgleich durch Systemdienstleistungen verschiedener Qualitäten sichergestellt, die auch regelbare, teilweise als Systemdienstleistung, Kapazitäten erfordern. Je nach Anforderung an das Systemdienstleistungsprodukt kann eine steuerbare Kapazität auch diese höherwertigen Leistungen erbringen, die aber im Rahmen dieses Papiers nicht betrachtet werden.

2. Flex-Technologien und ihr Nutzen für das Stromsystem

Steuerbare Technologien können für den Stromsektor nach Flexibilisierung der Angebotsseite, Speichertechnologien (die sowohl auf Angebots- als auch Nachfrageseite steuerbare Kapazität zur Verfügung stellen können) und Flexibilisierung der Nachfrageseite eingeteilt werden. In Tabelle 1 sind nach dieser Kategorisierung diejenigen steuerbaren Technologien aufgelistet, die dem Stromsektor bis zum Jahr 2030 über den heutigen Bestandskraftwerkspark hinaus zur Verfügung stehen könnten, also diejenigen Technologien, die im Modell als Neuinvestitionen zugelassen sind.

Tabelle 1: In dieser Analyse betrachtete Flex-Technologien

Wir verwenden im Folgenden den Begriff „Flex-Technologien“, um Speicher und nachfrageseitige Flexibilität zusammenzufassen. Die einzelnen Technologien, die in Tabelle 1 in den rechten beiden Spalten aufgelistet sind, entsprechen dabei einer Auswahl aller derzeit bekannten, technisch verfügbaren Flexibilitätsoptionen. Ausführlich werden mögliche Flexibilitätstechnologien für den Stromsektor zum Beispiel in Hadi et al. 2022 oder Lund et al. 2015 diskutiert. Die Auswahl berücksichtigt, welche Technologien bis zum Jahr 2030 eine relevante Rolle für den Stromsektor einnehmen könnten. Auf die technischen und ökonomischen Annahmen, die Charakteristika und die modellseitige Abbildung dieser Technologien wird in Abschnitt 2 eingegangen.

Für die hier vorliegende Analyse wird der Nutzen der genannten Flex-Optionen für das deutsche Stromsystem im Jahr 2030 untersucht. Als Kenngröße für diesen „Nutzen“ dienen die Kosteneinsparungen, die bei Verfügbarkeit einer ausgewählten Flex-Technologie entstehen gegenüber dem Fall, dass diese Technologie dem System nicht zur Verfügung steht. Die auf Basis eines linearen Optimierungsmodells ermittelten Kostendifferenzen werden für Investitionskosten, fixe Kosten und Betriebskosten ermittelt.

Wenn zum Beispiel eine Flex-Option zur Verfügung steht, um zu Zeiten einer sehr hohen Last Strom bereitzustellen, kann das die Investition in ein Spitzenlastkraftwerk (zum Beispiel Gasturbinenkraftwerk) überflüssig machen. Vereinfacht ausgedrückt besteht die Kosteneinsparung dann in dem Delta zwischen den Vollkosten (annualisierte Investitionskosten + fixe Kosten + variable Kosten) der Flex-Option und denen des Spitzenlastkraftwerks.

3. Vorgehen, Methodik und Annahmen

3.1 Modellierung der steuerbaren Flex-Technologien

Die Analyse in dieser Arbeit wird mit dem europäischen Strommarktmodell E2M2 durchgeführt. Das lineare Optimierungsmodell ermittelt unter gegebenen technischen und ökonomischen Annahmen einen kostenoptimalen Erzeugungspark zur Deckung der Stromnachfrage. Betrieb und Neubau von Anlagen werden dabei zeitgleich optimiert, unter Berücksichtigung von anlagen- und blockscharfen thermischen Kraftwerken, erneuerbaren Erzeugungsanlagen und Flexibilitätsoptionen, wie Speichertechnologien oder Lastmanagement.

Dabei wird ein zweistufiges Verfahren angewendet: In einem ersten Schritt werden 22 europäische Länder in zwei-stündlicher Auflösung2Rechnungen mit E2M2 können mit bis zu stündlicher Auflösung gerechnet werden. Aufgrund der hohen Rechenzeit bei Abbildung des europäischen Stromsystems mit 22 Ländern (inkl. Strom-, Wärme- und Wasserstoff-Nachfrage) und einer detaillierten KWK-Modellierung wurde hier eine 2-stündliche Auflösung gewählt. Ein Vergleich zwischen stündlicher und zwei-stündlicher Auflösung ergab für den Einsatz der Flex-Technologien keine signifikanten Unterschiede. gerechnet, um den Stromaustausch von Deutschland mit seinen Nachbarländern zu erhalten. In einem zweiten Schritt werden detaillierte Analysen der Flexibilitätsoptionen im deutschen Stromsystem durchgeführt, für die der Stromaustausch aus der vorherigen Rechnung angenommen wird. Neben einer Stromnachfrage wird dem Modell auch eine Wärme- und eine Wasserstoffnachfrage vorgegeben, die gedeckt werden muss.

Im Optimierungsmodell E2M2 gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Abbildung von Flex-Technologien:

  1. Sie können als Speicher abgebildet werden, die über eine Ein- beziehungsweise Ausspeicherleistung, eine Speicherkapazität, einen Wirkungsgrad, eine Verfügbarkeit sowie fixe und variable Kosten definiert sind.
  2. Sie können als Nachfrageflexibilität abgebildet werden, was der Abbildung eines Speichers sehr ähnlich ist, allerdings mit ein paar wenigen Anpassungen: Nachfrageflexibilität wird üblicherweise durch die gesteuerte Verschiebung von Last erreicht. Sie setzt sich somit aus einer Lastreduktion zu gewissen Zeiten und einer Lasterhöhung zu anderen Zeiten zusammen, wobei die vom dahinterliegenden Prozess benötigte Energie in Summe gleichbleibt. Damit entspricht die gesteuerte Erhöhung der Nachfrage eines Prozesses dem Einspeichern, das mit einer Erhöhung des Füllstands des Speichers verbunden ist, die gesteuerte Reduktion der Stromnachfrage einem Ausspeichern. Da es bei Nachfrageflexibilitäten vorkommen kann, dass im Zeitverlauf zuerst die Last verschoben wird und danach die Lastverschiebung nachgeholt wird, muss der Füllstand des mit der Modellierung verbundenen Speichers negativ werden können. Die Möglichkeiten zur Erhöhung und zur Absenkung der Nachfrage können dabei mit unterschiedlichen, stündlichen Profilen belegt beziehungsweise begrenzt werden.  Die so abgebildeten Technologien sind außerdem durch eine maximale Verschiebedauer sowie einen Kompensationszeitpunkt charakterisiert, zu dem zum Beispiel eine Nachfragereduktion wieder ausgeglichen sein muss. Eine detaillierte Beschreibung dieser Modellierung in E2M2 findet sich in Steurer 2017.

In der Optimierung wird aus allen verfügbaren Flex-Technologien die kostenoptimale Technologie oder Technologie-Kombination ausgewählt. Dabei stehen die meisten der Flex-Optionen im Jahr 2030 nicht unbeschränkt zur Verfügung, da davon ausgegangen wird, dass vor allem noch regulatorische Hemmnisse bestehen, die eine Verfügbarkeit dieser Technologien für den Strommarkt einschränken.

Da die angenommenen Profile für die Absenkung und Erhöhung der Nachfrage sowie andere Kenngrößen der Flexibilitäten hoch relevant für deren Nutzen und Einsatz sind, wird im Folgenden die Abbildung der unterschiedlichen Flex-Technologien detailliert erläutert.

Wasserstoffspeicher

Im Modell wird eine jährliche Wasserstoffnachfrage berücksichtigt, die durch den Einsatz von Elektrolyseuren gedeckt wird. Außerdem stehen dem Stromsystem als Flex-Option auch Wasserstoffspeicher zur Verfügung. Diese können auf zwei Weisen genutzt werden: Einerseits, um erzeugten Wasserstoff einzuspeichern und diesen zu einem späteren Zeitpunkt wieder zur Stromerzeugung zu nutzen. Für diesen Einsatz werden ein Elektrolyseur, ein Speicher (hier in Form von Tanks oder Kavernen) und eine Technologie zur Rückverstromung benötigt. Andererseits kann der eingespeicherte Wasserstoff aber auch stofflich verwendet werden um die modellendogene Wasserstoffnachfrage direkt zu decken.

Die Dauer der Speicherung ist in beiden Fällen nicht beschränkt, wodurch eine Verschiebung von Angebot und Nachfrage über längere Zeiträume wie Wochen oder Monate möglich ist. Auch der Zubau der Wasserstoffspeicherkapazität ist nicht beschränkt. Die Lade- sowie Entladeleistung haben keine Einschränkungen in der Verfügbarkeit. Ein relevanter Nachteil dieser Technologie für den Einsatz als steuerbare Kapazitäten im Strommarkt sind hohe Umwandlungsverluste sowie hohe Fixkosten, zum Beispiel für Elektrolyseure und die Erschließung von Kavernenspeichern.

Flexibles Laden von Elektrofahrzeugen

Sind Elektrofahrzeuge für Ladevorgänge ans Netz angeschlossen, so könnte bei entsprechender technischer Ausstattung der Ladevorgang gesteuert werden, das heißt Leistungsnachfrage kann innerhalb gewisser Grenzen versschoben und somit Flexibilität bereitgestellt werden. Die maximal verschiebbare Ladeleistung wird durch die Anzahl der zum jeweiligen Zeitpunkt angeschlossenen Fahrzeuge beeinflusst, welche einen Peak gegen 18 Uhr aufweist, wenn die meisten Fahrzeuge zum Laden angeschlossen werden. Diese Lastspitze weist außerdem ein saisonales Profil mit einem Maximum in der kältesten Woche auf, weil der Verbrauch der Elektrofahrzeuge bei sinkender Außentemperatur steigt.

Die Flexibilität für das Stromsystem ergibt sich daraus, dass das Laden nicht sofort nach Anschluss des Fahrzeugs erfolgen muss, sondern zeitlich verschoben werden kann. Daher ist das Lastreduktionspotential um circa 18 Uhr hoch, die meisten Fahrzeuge bleiben bis zum nächsten Morgen an der Ladestation angeschlossen. Als Zeitpunkt, zu dem die Batterien vollständig geladen sein müssen, also der Ladevorgang spätestens abgeschlossen sein muss, wird 6 Uhr morgens angenommen. Damit wird angenommen, dass die Beeinträchtigung für die Nutzer der Fahrzeuge vernachlässigbar ist.

Das Lastreduktionspotential nimmt entsprechend zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens ab. Eine Lasterhöhung ist nur dann möglich, wenn vorher auch eine Lastreduktion stattgefunden hat. Das Profil hat daher einen anderen Verlauf, erreicht aber ebenfalls null um 6 Uhr morgens, wenn keine weiteren Verschiebungen mehr möglich sind. Die Profile zur Lasterhöhung und Lastreduzierung, die sich aus dieser Modellierung ergeben, sind für eine exemplarische Woche und für ein ganzes Jahr in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Profile zur Lasterhöhung und -reduzierung durch flexibles Laden von Elektrofahrzeugen

Eine Rückspeisung aus der Batterie des Fahrzeugs in das Netz (Vehicle-to-Grid) wird nicht berücksichtigt, da hier noch unklar ist, ob eine solche Technologie Relevanz entfalten wird. Als weitere Beschränkung wird angenommen, dass nur 50% aller Ladevorgänge, die im Jahr 2030 anfallen, auch ein flexibles Laden zulassen (vgl. Consentec et al. 2023).

DSM in industriellen Prozessen

Diese Technologiefamilie repräsentiert die steuerbare Flexibilität, die mit stromintensiven Prozessen in der Industrie verbunden ist. Es handelt sich um Produktionsprozesse, die für einen kurzen Zeitraum unterbrochen werden können. Die Erschließung einzelner Prozesse ist mit geringen spezifischen Fixkosten verbunden, allerdings sind durch die hohen Kosten des Produktionsausfalls die variablen Kosten sehr hoch. Annahmen zu Kosten und Potentialen dieser Technologie basieren größtenteils auf Steurer 2017. Das Lastreduktionspotential wird hier über das Jahr als konstant angenommen, unterliegt also keinen täglichen, wöchentlichen oder saisonalen Schwankungen. Die Unterbrechung der Produktionsprozesse kann höchstens für zwei Stunden erfolgen. Für das Nachholen der Produktion (also die Lasterhöhung) ist kein Zeitpunkt festgelegt, allerdings muss sie vor der nächsten Lastreduktion erfolgen. Diese Art der Modellierung stellt sicher, dass die Produktionsmenge in Summe über das Jahr konstant bleibt.

DSM bei Querschnittstechnologien

Unter dieser Technologiefamilie wird die Flexibilität sogenannter Querschnittstechnologien aus verschiedenen Sektoren zusammengefasst. Darunter fallen zum Beispiel Klimaanlagen oder Lüftungsanlagen, deren Stromverbrauch in eingeschränktem Maße verschiebbar ist, indem die bestehende thermische Trägheit in Gebäuden genutzt beziehungsweise der Komfort eingeschränkt werden. Die Abbildung im Modell erfolgt ähnlich der Prozess-DSM, allerdings mit anderen Parametern: Die Verfügbarkeit unterliegt stärkeren Schwankungen und es besteht eine maximale Verschiebedauer von zwei Stunden. Abweichend zur DSM industrieller Prozesse ist die Erschließung dieser kleinteiligen Flexibilitäten mit hohen Fixkosten verbunden. Die variablen Kosten sind geringer, da es zu keinem Produktionsausfall kommt.

Elektro-Wärmepumpen in Einzelgebäuden

Unter diesem Typus wird die Steuerbarkeit des Betriebs von elektrischen Wärmepumpen modelliert. Dem Wärmebedarf (Raumwärme und Warmwasser) der Gebäude folgend unterliegt der Lastgang einer starken saisonalen Schwankung. Bei geringem Wärmebedarf im Sommer ist das Lasterhöhungspotenzial hoch und das Lastreduktionspotenzial gering. Umgekehrt verhält es sich im Winter. Eine Verschiebung des Strombezugs muss an jedem Tag bis 9 Uhr morgens nachgeholt sein, damit Verschiebungen über einen längeren Zeitraum ausgeschlossen werden.

Power-to-Heat für Wärmenetze der allgemeinen Versorgung

Dieser Typus repräsentiert die Flexibilität von Power-to-Heat-Anlagen, die als Wärmerzeuger in Fernwärmenetzen der allgemeinen Versorgung dienen. Großwärmepumpen übernehmen hier die Aufgaben konventioneller KWK-Anlagen. Das Stromnachfrageprofil enthält, wie bei den Wärmepumpen in Einzelgebäuden, eine starke saisonale Komponente und entsprechend auch die zugehörigen Lasterhöhungs- und ‑reduktionspotentiale.

Wie bei den Wärmepumpen in Einzelgebäuden muss eine Lastverschiebung spätestens bis 9 Uhr morgens nachgeholt werden, damit Verschiebungen über einen längeren Zeitraum ausgeschlossen werden. Es wird angenommen, dass zur Verschiebung der Nachfrage Wärmespeicher zur Verfügung stehen.

Power-to-Heat in der Industrie

Die Flexibilität, die Power-to-Heat-Prozesse in der Industrie bereitstellen können, ist analog zu der in der öffentlichen Versorgung durch ein stark saisonales Profil gekennzeichnet. Allerdings werden hier deutlich höhere Volllaststunden der Großwärmepumpen angenommen, wodurch das Lasterhöhungspotential geringer ist, das Lastreduktionspotential aber größer.

Der Nachholzeitpunkt ist wie bei den anderen Power-to-Heat Technologien um 9 Uhr morgens angenommen.

Solare Heimspeichersysteme

Solare Heimspeichersysteme werden von Privatpersonen gekauft, um unabhängiger vom Energieversorger zu werden und um die Stromkosten des Haushalts zu verringern. Sie nehmen aktuell nicht am Strommarkt teil, es wird aber angenommen, dass ein kleiner Teil dieser Systeme im Jahr 2030 für den Strommarkt erschlossen ist. Der Betrieb der Speichersysteme erfolgt entsprechend dem heute gesetzten Regulierungsrahmen zunächst eigenbedarfsoptimiert. Das bedeutet, die Ladung des Speichers erfolgt in den Vormittags- und Mittagsstunden und das Entladen kann bis in die Nacht dauern. Dieses der Eigennutzungslogik geschuldete Einsatzschema der solaren Heimspeicher wird nicht verändert, allerdings weist der Speicher zu gewissen Zeitpunkten noch ungenutztes Speicherpotential auf, das ohne Störung der Eigennutzungslogik genutzt werden könnte. Diese nicht genutzte Speicherkapazität kann als Flexibilität im Stromsystem genutzt werden. Zu Zeitpunkten, in denen die gesamte Speicherkapazität zur Eigenverbrauchsoptimierung bereits genutzt wird, sinkt die für das Stromsystem nutzbare Flexibilität auf den Wert Null.

Im Modell werden die solaren Heimspeicher wie klassische Batteriespeicher abgebildet, allerdings unter Berücksichtigung der zeitlich variablen nutzbaren Speicherkapazität. Es wird außerdem davon ausgegangen, dass zunächst nicht alle Speicher dem Stromsystem als Flexibilität zur Verfügung stehen, sondern diese erst im Zeitverlauf eingebunden werden.

Klassische Stromspeichertechnologien

Stationäre Batteriespeicher und Pumpspeicher sind im Modell als „klassische“ Speicher abgebildet, können modellendogen zugebaut werden und stehen dann dem Stromsystem uneingeschränkt als Flexibilität zur Verfügung. Sie haben keine saisonalen oder täglichen Einschränkungen in Bezug auf die Lasterhöhung und –reduktion. Der Zubau für Pumpspeicher ist aufgrund des in Mitteleuropa begrenzten Potentials beschränkt, derjenige für Großbatterien jedoch nicht. Für beide Technologien ist kein Nachholzeitpunkt festgelegt. Die Kapazität der Speicher stellt allerdings eine wichtige Restriktion dar.

3.2 Methodik zur Bestimmung des Nutzens der Flex-Technologien

Ziel dieser Analyse ist es, den Nutzen dieser verschiedenen Flex-Optionen für den Stromsektor zu bestimmen, um daraus abzuleiten, welche dieser Technologien für das Jahr 2030 Schlüsseltechnologien aus Systemperspektive darstellen. Dafür wird die Versorgungssituation im Jahr 2030 im linearen Strommarktmodell E2M2 modelliert. Die Annahmen entsprechen dem Ariadne-Szenario „Energiesouveränität“, dessen Storyline und Rahmenannahmen in Luderer et al. 2022 näher beschrieben sind. Das Szenario wurde ergänzt um die Annahme, dass die durch die Ampelkoalition festgelegten Ausbauziele für Erneuerbare Energien im Jahr 2030 erreicht werden. Dem Optimierungsmodell steht also ein für das Jahr 2030 erwarteter Bestandskraftwerkspark sowie eine entsprechende Erzeugungskapazität aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung. Das Modell wählt nun die oben beschriebenen Flex-Technologien so aus, dass die Deckung der Nachfrage zu möglichst geringen Systemkosten erfolgt.

Aus dieser Modellkonfiguration lässt sich der Nutzen pro zugebautem MW jeder Technologie ablesen. Der Nutzen für das System besteht dabei in der Systemkosteneinsparung, die sich durch die jeweils betrachtete Technologie ergibt, wenn dem System ein zusätzliches MW dieser Technologie zur Verfügung stehen würde (gegenüber dem Fall, dass dieses MW dieser Technologie dem System NICHT zur Verfügung steht). Oder anders formuliert: Der Nutzen spiegelt die Einsparung an Investitionskosten, fixen und variablen Kosten zur Deckung der Stromnachfrage wieder, die durch die Verfügbarkeit eines zusätzlichen MWs der betrachteten Flexibilitätstechnologie erreicht werden kann.

Grundsätzlich sinkt der Nutzen pro zusätzlichem MW einer Technologie mit der Höhe der installierten Leistung dieser Technologie ab, da jedes weitere MW eine geringere Einsatzdauer hat als das vorherige. Auch die installierte Leistung aller anderen steuerbaren Kapazitäten hat einen Einfluss auf den Nutzen einer bestimmten Flex-Technologie.

Dieser Zusammenhang lässt sich folgendermaßen erklären: Kleine Differenzen zwischen Stromangebot und Nachfrage treten vergleichsweise häufig auf. Diejenige Leistung einer Flex-Option, die eingesetzt wird, um diese Schwankungen auszugleichen, ist entsprechend häufig im Einsatz und bringt dem System einen hohen Nutzen. Die größte Differenz zwischen ungesteuertem Stromangebot und Nachfrage (zum Beispiel innerhalb eines Jahres) tritt jedoch nur in einer einzigen Stunde auf. Das letzte MW steuerbare Leistung, das für diesen Ausgleich zum Einsatz kommt, ist entsprechend nur in einer Stunde im Einsatz. Kommt in beiden Fällen die gleiche Technologie mit denselben Kosten zum Einsatz, dann sind auch die anfallenden Fixkosten in beiden Fällen gleich, wodurch die selten genutzte Leistung dem System einen deutlich geringeren Kostenvorteil bringt, als der häufig eingesetzte Leistungsanteil, bei dem sich die Fixkosten auf eine viel höhere Anzahl von Stunden verteilen lassen. In der Energiewirtschaft wird diese Auslastung einer Technologie auch in Volllaststunden (VLS) angegeben.

Um diesen Zusammenhang erfassen zu können, wird für diese Analyse die Verfügbarkeit (in MW) jeder einzelnen Flex-Option schrittweise erhöht und für jeden dieser Schritte eine neue Modellrechnung durchgeführt. Aus jeder einzelnen Rechnung wird dann der Systemnutzen pro MW der jeweiligen Technologie ermittelt. Als Ergebnis erhält man „Nutzenkurven“, die die Systemkosteneinsparungen der Flex-Technologien abhängig von ihrer installierten Leistung angeben. Folgende Schritte für die Verfügbarkeit der Flex-Technologien werden angenommen (in MW): 100, 500, 1.000, 2.500, 5.000, 7.500, 10.000, 17.500, 25.000, 37.500, 50.000, 62.500, 75.000, 87.500, 100.000, 175.000, 250.000 und 375.000. Die obere Grenze entspricht dabei ungefähr der Summe der installierten Leistung fluktuierender Erneuerbarer Energien im System und es hat sich in Testrechnungen gezeigt, dass spätestens ab dieser installierten Leistung kein Nutzen der Flex-Technologien mehr vorhanden ist.

4. Ergebnisse

4.1 Einsatz und Charakteristika der Flex-Technologien

Zunächst wurde in einer Modellrechnung der optimale Technologiemix der steuerbaren Kapazitäten inkl. aller Flexibilitätsoptionen und deren Einsatz ermittelt. In diesem Abschnitt werden der Mix, die Einsatzmuster sowie die technischen und ökonomischen Charakteristika der Flex-Technologien diskutiert. Der Grenznutzen der einzelnen Technologieoptionen, der den Mehrwert dieser Optionen aufzeigt, ist Teil des Abschnitts 4.3 .

In der Szenariorechnung zur Bestimmung eines optimalen Portfolios an steuerbaren Kapazitäten ergibt sich der in Abbildung 2 dargestellte Technologie-Mix, der die Stromnachfrage gesichert decken kann.

Gegenüber dem Jahr 2023 steigt die installierte Leistung im System bis 2030 erheblich an. Dies ist vor allem auf die fluktuierende erneuerbare Erzeugung zurückzuführen, die für dieselbe Stromerzeugungsmenge eine deutlich höhere installierte Leistung benötigt als bei der Erzeugung derselben Strommenge durch konventionelle Kraftwerke.

Für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit, also der Deckung der Nachfrage zu jedem Zeitpunkt, werden aber in einem dann durch erneuerbare Erzeugung dominierten System noch steuerbare Kapazitäten benötigt. Diese steuerbaren Kapazitäten weisen mit 26 % prozentual einen geringeren Anteil der gesamt installierten Kapazität auf, absolut betrachtet müssen sie im Jahr 2030 jedoch eine mit ca. 133 GW deutlich höhere installierte Leistung aufweisen, als das heute (2023) mit 94 GW der Fall ist (BNetzA 2023), wenn das System weiterhin versorgungssicher sein soll.

Abbildung 2: Technologiemix zur Stromerzeugung für das Jahr 2030 (Zahlen in GW)

Eine Reduzierung der heutigen steuerbaren Leistung wäre damit trotz massivem Ausbau der Erneuerbaren nicht möglich, unter anderem auch weil gleichzeitig angenommen wird, dass aufgrund der Elektrifizierung im Wärme‑ und Verkehrssektor die Stromnachfrage gegenüber 2020 um circa 20 % steigt. Da der heutige Erzeugungspark jedoch in erheblichem Umfang Klimagase emittiert, ist dennoch zumindest ein Umbau der steuerbaren Leistung notwendig.

Den kostenminimalen Umbau in Richtung zukünftiger Klimaneutralität zeigt die Modellrechnung auf: In diesem kosteneffizienten Anlagenpark für 2030 sind nur noch 64 GW steuerbare Erzeugungskapazitäten (13 %) notwendig, wenn 69 GW (14 %) an Speicherkapazitäten und nachfrageseitigen Flexibilitätsoptionen, zur Verfügung stehen.

Da sowohl die Speicher als auch die nachfrageseitigen Flexibilitätsoptionen neu zugebaut werden müssen, ist davon auszugehen, dass der Zubau der meisten Technologieoptionen aufgrund von Kapazitätsengpässen oder auch Potentialen beschränkt ist. Das im Jahr 2030 angenommene mögliche Potential der einzelnen Technologien, das heißt bis zu welcher Leistung die jeweilige Technologie maximal ausgebaut werden kann, ist in Tabelle 1 dargestellt. Die Annahmen zu den Potentialen basieren auf mehreren Quellen (Consentec et al. 2023; Steurer 2017; 50 Hertz et al. 2020; enervis 2020) sowie eigenen Vorarbeiten und Berechnungen.

TechnologiePotential 2030 [MW]Inst. Leistung 2030 [MW]
DSM_QTDSM bei Querschnittstechnologien3.0963.096
DSM_IndPDSM in industriellen Prozessen2.9622.962
DSM_BEVFlexibles Laden von Elektrofahrzeugen34.98634.986
DSM_WPElektro-Wärmepumpen in Einzelgebäuden8.5558.555
P2H_AllgPower-to-Heat für Wärmenetze der allg. Versorgung3.8493.849
P2H_IndPower-to-Heat in der Industrie3.1873.187
SHSSolare Heimspeichersysteme1.8591.859
SBStationäre Batteriespeicherunbegrenzt
H2SWasserstoffspeicherunbegrenzt219
PSPumpspeicher679
Tabelle 2: Angenommenes Potential und Zubau der Flex-Technologien im Jahr 2030

Die letzte Spalte in Tabelle 1 zeigt, welche der Technologien in welchem Umfang in E2M2 für die Versorgungsaufgabe im Jahr 2030 installiert wird, wenn ein kostenminimales System erreicht werden soll. Es wird deutlich, dass bei fast allen Technologien das verfügbare Potential voll ausgenutzt wird, mit Ausnahme der stationären Batteriespeicher, der Wasserstoffspeicher und der Pumpspeicher, die aufgrund ihrer sehr hohen Kosten nicht oder nur teilweise zugebaut werden.

Dies lässt eine erste wichtige Schlussfolgerung zu: Für die Erreichung eines kosteneffizienten Stromerzeugungssystems ist es von hoher Relevanz, dass die verfügbaren Potentiale der nachfrageseitigen Flex-Technologien bis zum Jahr 2030 erschlossen werden. Anhand der Modellergebnisse ist zu erkennen, dass diese auch über die Potentialgrenze hinaus noch einen Nutzen für das System bieten würden. Dies bedeutet, dass eine Erhöhung des hier limitierten Potentials einen kostensenkenden Nutzen für das System haben würde.

Für ein vertieftes Verständnis des Nutzens der verschiedenen Technologieoptionen ist es hilfreich, sich den Dispatch (also den Einsatz) der Technologien über ein gesamtes Jahr anzuschauen. Abbildung 3 zeigt diesen Einsatz mithilfe des Speicherfüllstands (SOC = State of charge). Auf der horizontalen Achse der Grafiken sind die Tage des Jahres aufgezeigt, während auf der senkrechten Achse die Stunden eines Tages abgebildet sind. Helle Farben repräsentieren einen niedrigen Füllstand, dunkle Farben einen hohen Füllstand. Während des Einspeichervorgangs (Stromlast wird erhöht) verändert sich die Farbe des SOC also von hell nach dunkel, wenn die Stromlast abgesenkt wird, ändert sich die Farbe von dunkel nach hell. Man kann an diesen Grafiken sowohl die jahreszeitlichen als auch die untertägigen Schwankungen der Füllstände erkennen.

Abbildung 3: Einsatz der Flex-Technologien im Jahr 2030

Auffällig ist, dass viele Flex-Technologien ein tägliches Muster aufweisen, also eingesetzt werden, um über den Tag auftretende Ungleichgewichte zwischen Erzeugung und Nachfrage auszugleichen, zum Beispiel die Erzeugung aus PV tagsüber einzuspeichern und nachts wieder bereitzustellen. Ausnahmen stellen dabei Wasserstoffspeicher (H2S) und bestehende Pumpspeicher beziehungsweise Reservoirs dar: diese Technologien werden hauptsächlich eingesetzt, um Energiemengen über einen längeren Zeitraum zu verschieben, nämlich über Tage, Wochen oder auch Monate, was man an den senkrechten Linien in den entsprechenden Diagrammen erkennen kann. Aus Systemperspektive gibt es allerdings einen wichtigen Unterschied zwischen dem Einsatz dieser beiden Technologien: Während Pumpspeicher (mit oder ohne Reservoir) immer Strom einspeichern und beim Ausspeicher auch wieder Strom bereitstellen, kann der H2-Speicher beim Ausspeichern direkt zur Deckung der Wasserstoffnachfrage beitragen oder durch Rückverstromung ins Netz einspeisen. In dem hier betrachteten Szenario wird der H2-Speicher hauptsächlich genutzt, um Wasserstoff stofflich bereitzustellen, wodurch sich aus der Perspektive des Stromsystems hauptsächlich eine Verschiebung der Stromnachfrage ergibt, nicht aber des Stromangebots.

Das Einsatzmuster von DSM in industriellen Prozessen (DSM_IndP) zeigt ebenfalls senkrechte Linien, aber sonst einen über das restliche Jahr konstanten Füllstand. Dieses lässt den Schluss zu, dass DSM_IndP eingesetzt wird um eine extreme Restlastspitze abzudecken.

Darüber hinaus zeigen sich weitere Unterschiede: DSM bei Querschnittstechnologien (DSM_QT) und solare Heimspeichersysteme (SHS) werden das ganze Jahr über eingesetzt, um untertägige Schwankungen auszugleichen. Der SOC ist häufig morgens niedrig und nachmittags/abends sehr hoch, an manchen Tagen im Winter wird der „Speicher“ aber auch zweimal täglich gefüllt und wieder leergefahren. Bei den Technologien Elektro-Wärmepumpen (DSM_WP), Power-to-Heat für Wärmenetze der allg. Versorgung (P2H_Allg), Power-to-Heat in der Industrie (P2H_Ind) und flexibles Laden von Elektrofahrzeugen (DSM_BEV) ist ebenfalls ein tägliches Muster erkennbar, sie sind aber deutlich seltener im Einsatz und weisen aufgrund des Zusammenhangs mit der Wärmenachfrage eine deutliche Saisonalität in der Nutzung auf.

Eine Kennzahl, um diese Einsatzcharakteristika einfach quantitativ vergleichen zu können, ist die Berechnung der Anzahl der vollständigen Ladezyklen (vollständige Ladung + Entladung) pro Jahr. Dabei wird die Summe der SOC-Veränderungen über das Jahr durch die installierte Leistung der Technologie geteilt. Diese Kennzahl ist an die Berechnung der Volllaststunden von Erzeugungstechnologien angelehnt. Wie bereits in Abbildung 2 deutlich wird, weist dabei DSM_QT den größten Wert mit 334 vollständigen Ladezyklen pro Jahr auf. DSM_IndP durchläuft hingegen nur einen vollständigen Ladezyklus im Jahr, der Wasserstoffspeicher vier (Tabelle 3).

DSM in industriellen Prozessen1
Wasserstoffspeicher4
Flexibles Laden von Elektrofahrzeugen73
Elektro-Wärmepumpen in Einzelgebäuden104
Power-to-Heat für Wärmenetze der allg. Versorgung138
Solare Heimspeichersysteme190
Power-to-Heat in der Industrie204
Pumpspeicher (Bestand)223
DSM bei Querschnittstechnologien334
Tabelle 3: Vollständige Ladezyklen der Flex-Technologien im Jahr 2030

Der Einsatz von DSM_Ind zeigt, dass diese Technologie ausschließlich eingesetzt wird, um extreme Restlastspitzen abzudecken, im vorliegenden Fall sogar nur einmal im Jahr. Über einen längeren Zeitraum (Wochen beziehungsweise Jahreszeiten) werden Energiemengen mit dem Wasserstoffspeicher verschoben. Tägliche Zyklen sind dort nicht zu erkennen.

Die technischen und ökonomischen Charakteristika der Technologien bieten Hinweise darauf, warum welche Technologie nach welchem Muster eingesetzt wird. Tabelle 4 enthält dafür die wichtigsten Kennzahlen, wobei die Extremwerte pro Spalte für eine bessere Vergleichbarkeit jeweils orange beziehungsweise grün markiert sind.

Tabelle 4: Ausgewählte technische und ökonomische Charakteristika der Flex-Technologien (Extrema innerhalb der Spalten sind mit orange und grün gekennzeichnet)

Wie in den Einsatzmustern in Abbildung 3 erkennbar, übernimmt der H2-Kavernenspeicher die Aufgabe des Ausgleichs von Last und Erzeugung über Wochen beziehungsweise Jahreszeiten. Tabelle 4 macht deutlich, dass für diese Aufgabe nur die Technologien PS, SB, DSM_IndP und H2-Speicher infrage kommen, da nur diese Technologien eine mögliche Verschiebedauer von über einem Tag aufweisen. Zugebaut werden aber nur die H2-Speicher für diese Aufgabe. Dies ist durch die Kombination von niedrigen Fixkosten pro MWh (berechnet sich aus jährlichen Fixkosten und annuisierten Investitionskosten pro speicherbarer Energiemenge) und niedrigeren variablen Kosten als bei DSM in industriellen Prozessen zu erklären. In Bezug auf die Speicherung von großen Energiemengen über einen langen Zeitraum ist der H2-Speicher also den anderen Technologien überlegen, da der Pumpspeicher ebenso wie Batteriespeicher im Zubau wesentlich höhere Kosten pro Speichervolumen (Speicherbecken) aufweisen.

DSM_Ind wird hingegen zur Abdeckung von extremen Restlastspitzen eingesetzt, was sich ebenfalls anhand der Kostenstruktur erklären lässt: DSM_Ind weist sehr niedrige Fixkosten pro MW auf, aber sehr hohe variable Kosten. Damit ist die Vorhaltung der Leistung mit geringen Kosten verbunden, der Abruf der Leistung jedoch vergleichsweise teuer. Bei einem Einsatz zur Deckung von selten auftretenden Restlastspitzen erreicht die Technologie vergleichsweise geringe Vollaststunden, wodurch variable Kosten weniger ins Gewicht fallen, die Kosten zur Vorhaltung der Leistung dagegen dominieren.

Die Technologien, die für den Ausgleich der täglichen Schwankungen zugebaut werden, sind in ihren technischen und ökonomischen Eigenschaften vergleichsweise ähnlich und zeigen auch ähnliche Einsatzmuster. Die Technologien unterscheiden sich jedoch in dem Profil der täglichen und saisonalen Verfügbarkeit, was bei der Nutzenanalyse im folgenden Abschnitt relevant wird. Alle diese Technologien werden bis zu ihrer Potentialgrenze zugebaut.

Zusammenfassend verdeutlicht die vorangegangene Analyse drei wichtige Eigenschaften von Flex-Technologien im Stromsystem:

  1. Den Ausgleich von extremen Restlastspitzen (hohe Nachfrage trifft auf geringe erneuerbare Erzeugung) durch die Bereitstellung von Strom. Dies erfolgt vor allem durch die Verschiebung von stromintensiven Prozessen in der Industrie.
  2. Den Ausgleich von täglichen Schwankungen des Last- beziehungsweise EE-Erzeugungsprofils. Diese Aufgabe wird vor allem von den Technologien Elektro-Wärmepumpen, Power-to-Heat der allg. Versorgung, Power-to-Heat in der Industrie, flexibles Laden von Elektrofahrzeugen und solaren Heimspeichersystemen übernommen.
  3. Die Verschiebung von großen Energiemengen über einen längeren Zeitraum, um wöchentliche oder jahreszeitliche Schwankungen in Nachfrage und EE-Erzeugungsprofilen auszugleichen. Diese Aufgabe wird vor allem von Wasserstoff-Kavernenspeichern und existierenden großen Wasserspeichern übernommen.

4.2 Nutzen der Flex-Optionen und Schlüsseltechnologien

Ausgehend von dem im vorherigen Abschnitt beschriebenen optimalen Systemzustand wird nun das mögliche Zubaupotential einer einzelnen Technologie auf 100 MW beschränkt und dann durch schrittweise Erhöhung dieses Werts der Nutzen des Zubaus weiterer Kapazitäten bestimmt. Alle restlichen Annahmen sowie die Potentiale der übrigen Flex-Optionen bleiben konstant. Auf diese Art lassen sich Nutzenkurven für alle Technologien ermitteln, welche in Abbildung 3 dargestellt sind. Da es sich um Kosteneinsparungen handelt, ist der Nutzen hier durch negative Werten dargestellt.

Abbildung 4. Nutzenkurven der Flex-Technologien bei unterschiedlichen installierten Leistungen im Jahr 2030

Wie oben beschrieben wird deutlich, dass der Nutzen/die Kosteneinsparung jeder Technologie am Anfang (erste 100 MW Zubau) am größten ist, mit zunehmender installierter Leistung dann aber immer geringer wird und sich zuletzt (jedoch bei unterschiedlichen Leistungswerten) einem Nutzen von null annähert. Alle Technologien, die eingesetzt werden, außer H2-Speicher, haben außerdem einen Nutzen über ihre Potentialgrenze hinaus. Besonders hoch ist dieser bei Power-to-Heat in der allgemeinen Versorgung. Dort beträgt der Nutzen der ersten 100 MW ca. 37.000€/MW beziehungsweise 37€/kW und ist damit circa 150 mal so hoch, wie die jährlichen Fixkosten (inkl. annualisierten Investitionskosten) für diese Technologie. Für DSM Querschnittstechnologien ist der Nutzen geringer und liegt bei ca. dem zweieinhalbfachen der jährlichen Fixkosten.

Auffallend ist, dass sich der Verlauf der Nutzenkurve des H2-Speichers deutlich von denen der anderen unterscheidet: Während der Nutzen bei 100 MW installierter Leistung der anderen Technologien niedriger als 40.000€/MW liegt, ist derjenige der H2-Speichertechnologie mit ca. 160.000€/MW deutlich höher. Der Nutzen letzterer fällt jedoch vergleichsweise schnell ab und ist bei einer installierten Leistung von 500 MW schon nicht mehr vorhanden.

Wie in Abschnitt 4.1 beschrieben wird der H2-Speicher aufgrund seines großen Speichervolumens eingesetzt, um große Energiemengen über den jahreszeitlichen Verlauf zu verschieben. Diese Analyse lässt eine weitere wichtige Schlussfolgerung zu: Die Verfügbarkeit von Flex-Technologien mit einem sehr hohen Speichervolumen (auch als Langzeitspeicher bezeichnet) ist für das Stromsystem sehr wertvoll. Der Nutzen der ersten MW dieser Technologie ist um ein Vielfaches höher als der anderen Flex-Optionen.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei einer Nicht-Verfügbarkeit einer solchen Technologie sehr hohe Kosten entstehen würden, um diese Aufgabe eines Langzeitspeichers mit anderen Technologien zu erfüllen. Mit den in diesem Szenario getroffenen Annahmen reicht eine installierte H2-Leistung von 220 MW Kavernenspeichern aus, um diese Aufgabe zu erfüllen. Relevanter als die installierte Leistung ist in diesem Fall allerdings das Speichervolumen, das sich beim exogen vorgegebenem, angenommenem Energie-zu-Leistungs-Verhältnis von 882 GWh/GW auf ca. 195 GWh beläuft. Im Vergleich zu historisch installierten Speichervolumen der Pumpspeicher- und Reservoirkraftwerke in Deutschland in Höhe ca. 37 GWh (Heimerl und Kohler 2017) wäre das ein erheblicher Zubau.

Während die Verfügbarkeit von H2-Kavernenspeichern bis 220 MW beziehungsweise 195 GWh den größten Nutzen für das Stromsystem im Jahr 2030 hat, bringen bei höheren installierten Leistungen andere Technologien einen größeren Nutzen. Die Kurven der anderen Technologien, die eingesetzt werden, zeigen dabei einen vergleichsweise ähnlichen Verlauf: sie beginnen bei einem geringeren Nutzen als der H2-Kavernenspeicher, weisen aber auch bei hohen installierten Leistungen noch einen relevanten Nutzen für das System auf. Bei DSM_IndP sinkt der Nutzen erst ab 7,5 GW auf null, bei DSM_Com ab 25 GW und bei HSS ab 37,5 GW. Bei EV und den Power-to-Heat Technologien besteht sogar bei installierten Leistungen über 100 GW noch ein (geringer) Restnutzen.

Im Folgenden wird die Reihenfolge der Technologien in ihrem Nutzen für das Stromsystem noch detaillierter analysiert.

Im Bereich mittlerer installierter Leistungen bis 10 GW bringt die steuerbare Leistung aus den Power-to-Heat-Anwendungen (P2H_Ind, P2H_Allg und DSM_WP) den größten Nutzen für das System. Werden die Einsätze dieser Technologien näher betrachtet, wird deutlich, dass die Ein- und Ausspeicherung eher den Ganglinien zur Lastreduktion als denen zur –erhöhung folgt. Die Technologien scheinen im Jahr 2030 überwiegend für die Lastreduktion (Ausspeicherung) benötigt zu werden und die Ganglinie dafür stellt die relevante Begrenzung dar. Eine Technologie hat also dann einen besonders großen Nutzen, wenn die Ganglinie der Lastreduktion günstig verläuft. Beim Vergleich mit dem Verlauf der Restlastkurve wird deutlich, weshalb die Flexibilität aus den Power-to-Heat-Anwendungen einen größeren Nutzen als zum Beispiel DSM_BEV oder SHS aufweist: Power-to-Heat Ganglinien zur Lastreduktion haben saisonal einen ähnlichen Verlauf wie die Restlastkurve, sie sind vergleichsweise hoch in den Wintermonaten und eher niedrig in den Sommermonaten (vgl. Abschnitt 3.1). Es ist also günstig für das System, wenn das Lastreduktionspotential einer Technologie zur Saisonalität der Restlastkurve passt. Dieser Vorteil scheint allerdings bei sehr hohen installierten Leistungen abzunehmen.

DSM_IndP als einzige Technologie, die rein zur Abdeckung von Restlastspitzen eingesetzt wird, weist einen geringeren Nutzen als die anderen Flex-Technologien auf, der bei höheren installierten Leistungen auch relativ schnell auf null sinkt. Dies ist ein Hinweis darauf, dass diese Aufgabe zu vergleichsweise geringen Mehrkosten auch von anderen Technologien übernommen werden könnte. Hier könnte zum Beispiel auch ein konventionelles Gaskraftwerk als Spitzenlastkraftwerk eingesetzt werden, was allerdings mit Emissionen verbunden wäre.

Stationäre Batterien werden in der Modellanalyse nicht zugebaut; ihre Nutzenkurve in Abbildung 2 verläuft entsprechend bei null. Ebenso werden keine Erdgas-befeuerten Erzeugungsanlagen zugebaut, weder offene Gasturbinen noch GuD-Anlagen. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass niedrige bis mittlere installierte Leistungen aller hier betrachteten Flex-Technologien (außer stationären Batterien) dem Stromsystem im Jahr 2030 einen größeren Nutzen bringen als der Zubau weiterer konventioneller Gaskraftwerke.

Bei niedrigen installierten Leistungen pro Technologie zeigt sich zusammengefasst folgende Nutzenreihenfolge: Den bei weitem größten Nutzen bringt die Erfüllung der Funktion eines Langzeitspeichers. Über die vergleichsweise kleine Leistung für diese Langzeitspeicherung hinausgehende steuerbarer Leistungsbedarf dient hauptsächlich dem Ausgleich von täglichen Schwankungen in Erzeugung und Nachfrage. Die hierfür am besten einsetzbaren Technologien der nachfrageseitigen Flexibilisierung bringen dem System einen mittleren bis geringen Nutzen (je nachdem welche Technologie in welchem Umfang eingesetzt wird). Die Abdeckung selten auftretender Restlastspitzen hingegen ist in diesem System mit einem vergleichsweise geringen Nutzen verbunden. Flexibles Laden von Elektrofahrzeugen und Flexibilität durch Power-to-Heat-Anwendungen bringen dem System auch bei sehr hohen installierten Leistungen noch einen relevanten Nutzen.

In Bezug auf die Frage nach Schlüsseltechnologien für das Stromsystem im Jahr 2030 ergeben sich nach dieser Diskussion folgende Aussagen:

  1. Die zunächst wichtigste Aufgabe ist die Aufgabe eines Langzeitspeichers. Hier eignen sich H2-Kavernenspeicher (oder andere Technologien mit ähnlichen Charakteristika). Sie bringen mit Abstand den höchsten Mehrwert für das Stromsystem im Jahr 2030. Falls H2-Speicher oder andere Technologien mit vergleichbaren Eigenschaften nicht zur Verfügung stehen, ist mit hohen Effizienzverlusten zu rechnen, da andere Flex-Technologien diese Aufgabe nicht oder nur zu sehr hohen Kosten übernehmen können.
  2. Die Steuerung von Power-to-Heat in Wärmenetzen bringt den größten Mehrwert, um tägliche Erzeugungs- und Nachfrageschwankungen auszugleichen. Falls diese Flexibilität nicht in relevantem Umfang zur Verfügung steht, können allerdings auch Power-to-Heat in der Industrie, beziehungsweise die Flexibilisierung von Wärmepumpen in Einzelgebäuden und der Einsatz von DSM in Querschnittstechnologien eine ähnliche Funktion mit vergleichbarem Nutzen für das Stromsystem übernehmen. Die Erschließung von nachfrageseitiger Flexibilität als steuerbare Leistung scheint in den allermeisten Fällen kostengünstiger als der Zubau neue Speicherkapazitäten oder steuerbarer Erzeugung.

4.3 Sensitivitätsrechnung

Da die im vorherigen Kapitel diskutierten Ergebnisse abhängig sind von allen getroffenen technischen und ökonomischen Annahmen, wird in diesem Abschnitt eine Sensitivitätsrechnung ergänzt. Insbesondere die Annahme der Fixkosten beeinflusst den Nutzen der einzelnen Technologien, da unter anderem diese Kosten eingespart werden, wenn die Technologie vom Modell nicht eingesetzt wird. Daher wurde die im Folgenden beschriebene Sensitivitätsrechnung unter der extremen Annahme durchgeführt, dass gar keine Investitionskosten anfallen. Diese Annahme könnte zum Beispiel einer Situation entsprechen, in der der Zubau der betrachteten Technologien entweder durch Förderprogramme oder durch den Bedarf aus anderen Sektoren angereizt wird und die Flexibilität nur wegen zusätzlicher Erlösmöglichkeiten im Stromsektor angeboten wird. 

Abbildung 5. Nutzenkurven der Flex-Technologien in der Sensitivitätsrechnung ohne Investitionskosten

Der Verlauf der Nutzenkurven ist denen in Abbildung 3 ähnlich, wobei der Nutzen beziehungsweise die Kosteneinsparung aller Technologien bei einem niedrigeren Niveau beginnt. Dies ist der Fall, da bei Zubau einer Technologie nur noch fixe und variable Kosten eingespart werden und nicht mehr die Investitionskosten. Außerdem haben Technologien, für die vorher hohe Investitionskosten angenommen wurden, jetzt einen Vorteil. Dadurch werden zum Beispiel H2-Kavernenspeicher und Pumpspeicher stärker eingesetzt als in der Rechnung mit Investitionskosten. DSM in industriellen Prozessen wird wegen der vergleichsweise hohen variablen Kosten gar nicht mehr eingesetzt.

In Summe bleibt die Reihenfolge der Technologien aber ähnlich: Den mit Abstand größten Nutzen bei geringen installierten Leistungen bringen Technologien, die große Energiemengen über einen längeren Zeitraum verschieben können, also H2-Kavernenspeicher und Pumpspeicher. Einen mittleren Nutzen bringen nachfrageseitige Flexibilitäten, die tägliche Schwankungen in Erzeugung und Nachfrage ausgleichen können. Einen geringen (in diesem Fall gar keinen Nutzen) bringt die Reduktion von extremen Lastspitzen. Damit werden die oben getroffenen Kernaussagen durch die Sensitivitätsrechnung im Grundsatz unterstützt.

5. Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerungen

In dieser Analyse wurde der Nutzen verschiedener Flex-Technologien für den deutschen Stromsektor im Jahr 2030 untersucht. Folgende weitere Analysen könnten helfen, die Aussagekraft der Ergebnisse zu erhöhen: Zum einen sind die Ergebnisse stark abhängig von den Annahmen zu fixen und variablen Kosten, die für die Analyse getroffen wurden. Da die Technologien aber noch nicht in großem Maßstab erschlossen sind, sind diese mit großen Unsicherheiten verbunden. Die durchgeführte „Extremrechnung“ ohne Investitionskosten der Technologien unterstützt aber die Kernaussagen der Analyse. Weitere zentrale Einflussfaktoren sind das Profil und die Höhe der Stromnachfrage, der EE-Erzeugung und der Verfügbarkeit der steuerbaren, nachfrageseitigen Flexibilitätsoptionen. Hier könnten weitere Sensitivitäten mit veränderten Annahmen die Robustheit der Ergebnisse erhöhen.

Darüber hinaus wurden die Technologien hier nicht über ihre gesamte Lebensdauer betrachtet, sondern nur für ein Jahr (mit annualisierten Investitionskosten). Bei Berücksichtigung eines treibhausgas-neutralen Zielsystems im Jahr 2045 könnte sich der Nutzen der Technologien verschieben. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn Technologien mit geringem Nutzen im Jahr 2030 in einem THG-neutralen System einen sehr hohen Nutzen aufweisen..

Unabhängig von diesen möglichen Erweiterungen haben die vorangegangenen Analysen aber folgende zentrale Erkenntnisse zum Nutzen verschiedener Technologien als steuerbare Leistungen im Stromsystem ergeben:

  • Für ein kosteneffizientes Stromsystem ist es von hoher Relevanz, dass alle hier betrachteten Technologien bis zum Jahr 2030 mindestens in dem angenommenen Umfang erschlossen werden. Auch über die hier angenommenen Potentialgrenzen hinaus bieten insbesondere die nachfrageseitigen Flexibilitätsoptionen noch einen Nutzen für das System. Maßnahmen zur Erhöhung des Potentials für diese Technologien erscheinen daher sinnvoll.
  • Technologien mit steuerbaren Leistungen erfüllen folgende drei wichtige Aufgaben im Hinblick auf die Versorgungssicherheit im Stromsystem:
    • die Reduktionvon extremen Restlastspitzen,
    • den Ausgleich von täglichen Schwankungen von erneuerbarer Erzeugung und Nachfrage sowie
    • die Verschiebung von großen Energiemengen über einen längeren Zeitraum.
  • Die Verfügbarkeit von Langzeitspeichern ist für das Stromsystem in einem gewissen Umfang von größter Bedeutung. Der Nutzen der Leistung von Technologien für diese Aufgabe ist um ein Vielfaches höher als das von Technologien, die nur kurzfristigere Verschiebungen vornehmen können.
  • Niedrige bis mittlere installierte Leistungen aller hier betrachteten Technologien (mit Ausnahme stationärer Batterien) bringen dem Stromsystem im Jahr 2030 einen größeren Nutzen als ein steuerbares Gaskraftwerk.
  • Schlüsseltechnologie 1 für das Jahr 2030 sind Langzeitspeicher mit großen Speichervolumen, zum Beispiel in Form von H2-Kavernenspeichern. Das Fehlen einer hierfür geeigneten Technologie ist mit hohen zusätzlichen Kosten beziehungsweise Effizienzverlusten verbunden.
  • Schlüsseltechnologie 2 für das Jahr 2030 ist die steuerbare Leistung von Power-to-Heat in Wärmenetzen. Falls diese Flexibilität nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung steht, können allerdings auch steuerbare Power-to-Heat-Anwendungen in der Industrie, beziehungsweise steuerbare Wärmepumpen in Einzelgebäuden und der Einsatz von DSM in Querschnittstechnologien eine ähnliche Funktion mit vergleichbarem Nutzen für das Stromsystem übernehmen.

Die in dieser Analyse getroffenen Annahmen in Bezug auf die Verfügbarkeit von Technologien für steuerbare Leistungen im Jahr 2030 scheinen in Anbetracht der verbleibenden Zeit eher optimistisch. Es ist also möglich, dass dem Stromsektor sogar deutlich weniger als die hier angenommenen Potentiale zur Verfügung stehen, weil sie nicht schnell genug erschlossen werden können. Die Analyse hat jedoch gezeigt, dass dies mit erheblichen Mehrkosten beziehungsweise Effizienzverlusten verbunden wäre.

Es ist also von zentraler Bedeutung, die Verfügbarkeit dieser Potentiale für steuerbare Leistungen im Stromsystem in den kommenden Jahren zu erhöhen. Dafür sollte zum einen der Abbau von regulatorischen Hemmnissen, wie zum Beispiel eine Umgestaltung der Netzentgeltsystematik, die das Beladen von Heimspeichersystemen attraktiver macht, vorangetrieben werden. Zum anderen sollte sichergestellt werden, dass geeignete Anreize bei den Verbrauchern ankommen, um eine flexible Verhaltensweise anzuregen. Ein wichtiger Anreiz sind zeitlich fluktuierende Strompreise. Neben zeitlich variablen Tarifen ist daher vor allem wichtig, dass stark fluktuierende Strompreise (also ein positives Umfeld für Flexibilitäten) nicht als negativ wahrgenommen werden oder sogar durch Preisgrenzen verhindert werden. Vielmehr können Flexibilitäten einen Beitrag dazu liefern, diese Strompreisspitzen marktgetrieben abzuflachen. Zuletzt ist es wichtig, dass auch Kleinstflexibilitäten Zugang zum Markt erhalten, zum Beispiel durch Aggregation.

Darüber hinaus zeigt die Analyse, dass die Einsatzmuster und der Nutzen der verschiedenen Technologien sehr unterschiedlich ausfallen. Zudem sind die in der Analyse verwendeten Annahmen mit hohen Unsicherheiten behaftet. Eine technologieoffene marktbasierte Lösung mit einem möglichst effizienten Wettbewerb zwischen den verschiedenen Technologien würde es ermöglichen, diese Unterschiede ohne komplexe Regelungsmechanismen abzubilden. Zudem bietet ein marktbasierter Ansatz die Flexibilität, dass sich das System bei veränderten tatsächlichen Kostenentwicklungen zügig an die realen Gegebenheiten anpassen kann.

So würde marktgetrieben, unabhängig von unsicheren Analyseergebnissen, zuerst diejenige Technologie eingesetzt, die dem System den größten Nutzen bringt. Auch sich ändernde Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Fixkosten der Technologien oder das Profil und die Höhe der Stromnachfrage, würden so in dem sich einstellenden Marktpreis für Flexibilität beziehungsweise gesicherte (steuerbare) Leistung berücksichtigt werden.


Die vorliegende Ariadne-Analyse wurde von den oben genannten Autorinnen und Autoren des Ariadne-Konsortiums ausgearbeitet. Die Analyse spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung des gesamten Ariadne-Konsortiums oder des Fördermittelgebers wider.
Die Inhalte der Ariadne-Publikationen werden im Projekt unabhängig vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erstellt.

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Autorinnen & Autoren

Annika Gillich

Universität Stuttgart – Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung

Heike Brand

Universität Stuttgart – Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung

Dr. Tobias Schmid

Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V.

Prof. Dr. Kai Hufendiek

Universität Stuttgart - Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung