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Zur Handlungsfähigkeit des Staates in der Klima- und Energiepolitik: Koordination verbessern statt Verfassung ändern

Mit Blick auf den Zwischenbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ analysieren Forschende des vom Bundesministerium für Forschung, Technik und Raumfahrt geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne die Ursachen begrenzter staatlicher Handlungsfähigkeit in der Klima- und Energiepolitik. Ihr Befund: Nicht eine unklare Aufgabenverteilung behindert eine effektive Klima- und Energiepolitik, sondern mangelhafte Koordination zwischen den Bundesministerien sowie zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Im Ariadne-Kurzdossier identifizieren die Forschenden zwei zentrale Schwächen der aktuellen deutschen Klimapolitik: der parteipolitisch geprägte Ressortpartikularismus innerhalb der Bundesregierung sowie die unzureichende Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Anstelle das Klimakabinett mit eigener Geschäftsstelle neu aufzulegen oder einen zusätzlichen Klima- und Energiecheck für Gesetzentwürfe einzuführen – wie von der Initiative vorgeschlagen – empfehlen die Autorinnen und Autoren konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Koordination.

„Gerade bei komplexen Themen wie der Energiewende zeigt sich: Ministerien arbeiten oft nebeneinander her, und auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen fehlt es an klarer Abstimmung“, sagt Christian Flachsland von der Hertie School, einer der Autoren des Ariadne-Kurzdossiers. Ursachen dafür sehen die Forschenden unter anderem in parteipolitischer Konkurrenz, unklaren Aufgabenteilungen im föderalen System sowie mangelnder Ressourcen auf kommunaler Ebene. Die Folge: Entscheidungen dauern zu lange oder werden nur halbherzig umgesetzt.

Im föderalen Kontext plädieren die Forschenden für eine frühzeitige, strategische Abstimmung klima- und energiepolitischer Maßnahmen. Beispiele wie das Windenergieflächenbedarfsgesetz zeigen, dass durch effektive informelle Vorabstimmung zwischen Bund und Ländern, also durch vertikale Koordination, Gesetze erfolgreich umgesetzt werden. „Denn fast alle Länder werden ihre Zwischenziele teils vor oder mindestens bis Ende 2027 für die Ausweisung der erforderlichen Flächen für Windenergieanlagen erreichen“, so Autorin Sabine Schlacke von der Universität Greifswald.

Für die Bundesebene schlagen die Forschenden positive Koordinationsformate vor, in denen Ministerien bereits auf Arbeitsebene mit Mandat der Leitung gemeinsam Strategien erarbeiten. Eine Neuauflage des Klimakabinetts sollte also nicht auf eine Geschäftsstelle, sondern auf ressortübergreifende Verantwortung setzen. So kann beispielsweise eine interministerielle Arbeitsgruppe ressortübergreifende Strategien ermöglichen. „Damit soll erreicht werden, dass politische Verständigung frühzeitig, im Modus des gemeinsamen Nachdenkens, stattfindet – und so die übliche Blockade durch Ressortgrenzen und kurzfristige Abwägungskalküle überwunden werden kann“, erklärt Michèle Knodt, Ariadne-Forscherin von der Technischen Universität Darmstadt. Das Ariadne-Kurzdossier macht deutlich: Es braucht zudem noch keine Verfassungsänderung für eine von der Initiative vorgeschlagene institutionelle Reform, sondern zunächst politischen Willen zur strukturierten Zusammenarbeit. Wenn die Koordination zwischen den Ministerien und auch die Abstimmung zwischen Bund und Ländern und Kommunen verbessert werden, kann der Staat bereits seine Steuerungsfähigkeit zwecks Erreichung der Klimaziele verbessern.

Ariadne-Kurzdossier

Sabine Schlacke, Michèle Knodt, Christian Flachsland, Thorsten Müller, Francesco Findeisen, Jörg Kemmerzell, Jana Maruschke, Christoph Plate, Julia Sulerz, Eva-Maria Thierjung (2025): Die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates in der Klima- und Energiepolitik. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam.
DOI: 10.48485/pik.2025.014

Institute der beteiligten Autorinnen und Autoren: Universität Greifswald, Technische Universität Darmstadt, Hertie School, Stiftung Umweltenergierecht