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Motivieren mit starker Hand: Handlungsoptionen für eine zielführende Reform der europäischen Klima- und Energie-Governance

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Europäische Kommission eine Aktualisierung des „Fit for 55“–Pakets vorgelegt: Der „REPowerEU“-Plan bezweckt neben Klimaschutz vor allem Energiesicherheit und Wirtschaftlichkeit. Unter anderem schlägt die Kommission eine Steigerung der Ambitionen beim Ausbau Erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz vor. Die Governance-Verordnung, also der legislative Rahmen für das Erreichen der europäischen Klima- und Energieziele, soll jedoch unverändert bleiben. Statt auf durchsetzbare Verpflichtungen, errichtet die EU die europäische Energie- und Klimaunion weiterhin vor allem auf Basis von Empfehlungen der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten, denen nur „gebührend Rechnung zu tragen ist“. Vor diesem Hintergrund legen Ariadne-Fachleute der Universität Greifswald, Stiftung Umweltenergierecht und TU Darmstadt nun konkrete Handlungsoptionen für die Stärkung der europäischen Klima- und Energie-Governance vor.

Um die Klimaziele für 2030 zu erreichen, ist eine Reform der Governance-Verordnung dringend notwendig, argumentiert das interdisziplinäre Team von Autorinnen und Autoren in dem neuen Ariadne-Kurzdossier. Denn bislang besteht der dortige Mechanismus im Wesentlichen aus  prozeduralen Pflichten, nicht aber inhaltlichen Vorgaben: Die Mitgliedstaaten müssen zwar Pläne vorlegen und berichten, ob sie die selbst gesetzten Ziele einhalten und Maßnahmen ergriffen haben. Die Kommission überprüft dies. Die Schließung von Lücken bei zu wenig ambitionierten Zielsetzungen oder unzureichender Durchführung versprochener Maßnahmen kann jedoch von der EU bislang nicht beziehungsweise nur äußerst begrenzt gerichtlich eingefordert werden. Weitere Sanktionsmechanismen fehlen.

Werden die Vorschläge ohne Reform der Governance-Verordnung umgesetzt, führte dies erstens zu einem enormen Zuwachs in erster Linie prozeduraler und damit bürokratiekostenträchtiger Planungs- und Berichtspflichten. Zweitens käme es zu einer Zersplitterung und Fragmentierung der Klima- und Energie-Governance, da diese Regelungen nicht gebündelt in der Governance-Verordnung, sondern in der Erneuerbaren- und Energieeffizienz-Richtlinie verankert wären. Diese Entwicklung konterkarierte das Konzept eines integrierenden und sektorübergreifenden Governance-Mechanismus, der Basis des EU Green Deal ist. Die Ariadne-Fachleute empfehlen deshalb, diesen regulatorischen Trend zu stoppen. Weiter präsentieren sie am Beispiel des Ausbaus Erneuerbarer Energien und der Energie- und Gebäudeeffizienz konkrete Optionen, um die Klima- und Energie-Governance des EU Green Deal auf verbindliche Füße zu stellen. Sie empfehlen, mehr Kohärenz beispielsweise durch Vereinheitlichung nationaler Prozesse bei der Festlegung von Zielen und Teilzielen zu schaffen. Ferner raten sie, den Verpflichtungsgrad für die Mitgliedstaaten zu erhöhen und zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten zu sondieren. Darüber hinaus diskutieren sie die Idee, Konditionalität zwischen finanzieller Förderung und der Einhaltung von Kommissionsempfehlungen zu schaffen – also die Auszahlung bestimmter EU-Gelder an die Einhaltung der Selbstverpflichtungen der Mitgliedstaaten im Klima- und Energiebereich zu knüpfen – wie es die EU aktuell gegenüber Ungarn zwecks Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit praktiziert.

Ariadne-Kurzdossier

Sabine Schlacke, Fabian Pause, Michèle Knodt, Eva-Maria Thierjung, Miriam Köster (2022): Governance-Mechanismus stärken: 2030er Klimaziele erreichen und Lücke des EU Green Deal schließen. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam.