Wenn die Europäische Kommission im Juli ihr „Fit for 55“-Gesetzespaket vorstellt, mit dem die Ziele von 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 im Vergleich zu 1990 und die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden sollen, dann verlässt sie sich zu einem großen Teil auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz. Doch in beiden Bereichen stehen der EU aufgrund fehlender Kompetenzen nur weiche Steuerungsmechanismen zur Verfügung. Mit der Governance Verordnung von 2018 hatte die EU versucht diese weiche Steuerung zu härten. Die Erfahrungen aus der ersten Runde der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECPs) der Mitgliedstaaten zeigen: Die Härtung der weichen Steuerung reicht nicht aus. Eine Nachbesserung sieht das „Fit für 55“ jedoch nicht vor und gefährdet damit die Einhaltung der gesteckten Ziele.
Die EU-Mitgliedsstaaten legen in Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECPs) unter anderem ihre Ambitionen und Implementationsstrategien für die Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz fest. Die Kommission bewertet die NECPS und macht Verbesserungsvorschläge. Die Mitgliedstaaten können, müssen diesen Empfehlungen aber nicht folgen.
Für Ariadne hat ein Team von Forschenden von der Technischen Universität Darmstadt, der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter Leitung von Prof. Dr. Michèle Knodt haben untersucht, wie sich die Umsetzung der Empfehlungen der Europäischen Kommission in den Mitgliedstaaten unterscheidet.
Die ersten beiden Runden der Bewertung der NECPs durch die Kommission sind durchlaufen. Es hat sich gezeigt, dass im Bereich der Erneuerbaren Energien, in dem die Governance-Verordnung eine härtere „weiche“ Steuerung vorsieht, den Empfehlungen der Kommission eher gefolgt wird. Das Ergebnis: Die alten 2030 Ziele werden gerade so erreicht. Im Bereich der Energieeffizienz, in dem die Steuerung besonders weich ist, werden die Empfehlungen weniger befolgt und die EU verfehlt die alten 2030 Ziele.
Mit dem neuen „Fit for 55“-Gesetzespaket sollen nun auch im Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz die Ziele ein gutes Stück angehoben werden. Die Governance-Verordnung und damit eine weitere Härtung der Steuerung steht jedoch nicht auf der Tagesordnung. Damit jedoch wird die EU ihre ehrgeizigen Ziele in diesen Bereichen wahrscheinlich verfehlen. „Wenn die EU die Governance Verordnung nicht mit in die Gesetzesnovelle einbezieht“, so prognostiziert Prof. Dr. Knodt, „dann ist sie nicht fit für das 55% Ziel in 2030.“
Ariadne-Analyse
Michèle Knodt, Rainer Müller, Marc Ringel, Sabine Schlacke (2021): (Un)Fit for 55? Lehren aus der Implementation der Governance-Verordnung. Eine Ariadne-Analyse.