Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Die Klima- und Verteilungseffekte der im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung verankerten Instrumente sind noch weitgehend unverstanden. Zudem ist unklar, inwieweit diese Instrumente die Akzeptanz der Bürger genießen. Diese Forschungslücke soll im Zuge des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens Ariadne mit Hilfe eines neu zu etablierenden Paneldatensatzes geschlossen werden, dessen primäres Ziel im Aufbau einer für Deutschland repräsentativen Datengrundlage zur Heiz- und Energieinfrastruktur liegt. Dazu wird im Projekt Ariadne das Wärme- & Wohn-Panel etabliert: Ab dem Jahr 2021 werden im jährlichen Rhythmus drei Panelerhebungen unter ca. 15.000 Haushalten durchgeführt. Der Fokus dieser wiederholten Befragungen wird auf der Erfassung von Heizenergieinformationen sowie der Ermittlung der Präferenzen privater Haushalte hinsichtlich verschiedener Klimaschutz-Instrumente im Gebäudesektor liegen. Mittels der detaillierten Erfassung einer großen Anzahl an Haushaltsmerkmalen soll eine Vielzahl sozial-, wirtschafts- und verhaltenswissenschaftlicher Theorien getestet werden. Darüber hinaus sollen die Daten zur Politikberatung genutzt werden können. Der durch die Erhebungen entstehende Paneldatensatz wird der Wissenschaft durch das Forschungsdatenzentrum Ruhr zur Verfügung gestellt: Die Auswertung des Panels wird über die Website des Projekts Ariadne veröffentlicht.
Zielsetzung und Notwendigkeit des Panels
Mit der Verabschiedung des Klimaschutzprogramms 2030 wurde ein Paradigmenwechsel in der Ausgestaltung des klimapolitischen Instrumentenmixes in Deutschland eingeleitet: Während der bisherige Ansatz auf Fördermaßnahmen, Standards und freiwilligen Selbstverpflichtungen basierte, wird ab dem Jahr 2021 der CO2-Bepreisung eine zentrale Rolle in der deutschen Energie- und Klimapolitik eingeräumt, wenngleich dieses Instrument durch zahlreiche weitere Maßnahmen ergänzt wird. Viele dieser Instrumente, und vor allem die CO2-Bepreisung, zielen speziell auf den Wärme- und Verkehrssektor ab; Bereiche, die bis dato weniger im Fokus der Energiewende standen und in denen die bisherigen Emissionsminderungen gering sind. Noch unbeantwortet ist allerdings die Frage, wie ein sinnvoll abgestimmter Instrumentenmix für eine effiziente und sozial ausgewogene Klimapolitik aussehen kann. Da die deutsche Energiewende bislang stark auf den Stromsektor ausgerichtet war, gibt es nur wenige, teils vorläufige Studien zur Effektivität von Instrumenten (Öko-Institut und Fraunhofer ISI 2020) im Wärme- (z.B. Frondel et al. 2020; Germeshausen, von Graevenitz 2019) und Verkehrssektor (z.B. Nikodinoska, Schröder 2016; Reaños, Wölfing 2018).
Ebenso wenig sind Verteilungseffekte bisher ausreichend verstanden, weil verschiedene soziale Gruppen unterschiedlich auf Preisänderungen reagieren. Dabei wird grundsätzlich zwischen vertikalen (über verschiedene Einkommensgruppen) und horizontalen Verteilungseffekten (innerhalb einzelner Einkommensgruppen) unterschieden (Fischer, Pizer 2019; Pizer, Sexton 2019). Diese Forschungslücken sollen mit Hilfe des neu zu etablierenden Wärme- & Wohn-Panels im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens Ariadne geschlossen werden. Dazu wird auf bestehenden Paneldaten aufgebaut, die das RWI in mehreren früheren Forschungsprojekten erhoben hat und die in Form des German Residential Energy Consumption Survey (GRECS) zur Verfügung stehen. Das GRECS stellt einen umfangreichen Paneldatensatz zum Energieverbrauch privater Haushalte für die Jahre 2003-2013 dar und umfasst insgesamt fünf Erhebungswellen. Die GRECS-Daten bildeten die Grundlage zahlreicher Publikationen, z.B. zur Heterogenität des Stromverbrauchs (Frondel et al. 2019).
Das GRECS wird im Projekt Ariadne ergänzt durch die Etablierung des Wärme- & Wohn-Panels. Dazu werden im jährlichen Rhythmus ab 2021 Panelerhebungen unter ca. 15.000 Haushalten durchgeführt, zunächst für drei Jahre. Bei einer Verlängerung der Projektlaufzeit von Ariadne könnte das Wärme- & Wohn-Panel um zusätzliche Erhebungswellen erweitert werden. Die Etablierung des Wärme- & Wohn-Panels im Rahmen des Projekts Ariadne ist unabdingbar, da sich die Analyse der Klima- und Verteilungswirkungen vorhandener und zukünftiger Klimaschutz-Instrumente für den Verkehrs- und insbesondere Gebäudesektor auf Grundlage alternativer Datensätze als äußerst schwierig gestaltet. Existierende Mehrfachbefragungen, wie das Sozio-Oekonomische Panel (SOEP), beinhalten zwar umfangreiche sozio-ökonomische Informationen zu deutschen Haushalten, enthalten jedoch nur unregelmäßig Informationen zu Energiekosten (Bach et al. 2018). Eine systematische und jährliche Erfassung des Heizenergiebedarfs und der Heizkosten in Wohnhäusern liegt seit 2014 im Zuge des DIW-Wärmemonitors vor (z.B. Stede et al. 2020). Auch wenn in dieser wiederholten Erhebung die Entwicklung und Anpassung des Verbrauchsverhaltens über die Zeit erkennbar ist, bezieht sich der DIW-Wärmemonitor auf gebäudespezifische Heizkostenabrechnungen, beinhaltet aber keine sozio-ökonomischen Informationen auf Haushaltsebene sowie keine weiteren Determinanten des Verbrauchverhaltens privater Haushalte. Letztere werden benötigt, um die Reagibilität auf verschiedene politische Interventionen und somit eine genaue Analyse der Verteilungswirkungen für verschiedene soziale Gruppen durchführen zu können.
Eine weitere Datenquelle, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), welche alle fünf Jahre unter ca. 60.000 deutschen Haushalten durch das Statistische Bundesamt und die Statistischen Landesämter durchgeführt wird, beinhaltet zwar sozio-ökonomische sowie Informationen zur Geräteausstattung und Heizinfrastruktur privater Haushalte. Allerdings werden hier, wie im SOEP, statt tatsächlicher Energieverbräuche nur die Energieausgaben erfasst. Daher sind Rückschlüsse auf Änderungen im Verbrauchsverhalten nicht unmittelbar möglich. Des Weiteren werden in jeder Welle der EVS unterschiedliche Haushalte befragt, sodass es sich bei der EVS nicht um ein Panel handelt. Zudem fehlt es an Informationen bezüglich finanzieller Mittel unterschiedlicher Haushaltstypen für die Finanzierung konkret vorhandener Sanierungsoptionen. Um langfristige Einstellungs- und Verhaltensänderungen untersuchen zu können sowie Hemmnisse und Barrieren der Haushalte zu identifizieren, welche die avisierte Wirkungsweise der Instrumente abschwächen, ist ein Panel jedoch unabdingbar. Aus wissenschaftlicher Sicht bietet nur ein Panel die Möglichkeit, mit dem Problem der unbeobachtbaren Heterogenität umgehen zu können.
Aus diesen Gründen ist der Aufbau bzw. die Fortführung eines Haushaltspanels, das eine wiederholte und systematische Erhebung der Energiekosten derselben privaten Haushalte mit einer detaillierten Erfassung sozio-ökonomischer Angaben sowie weiterer Informationen auf Haushaltsebene verknüpft, elementar für die Evaluierung aktueller Klimaschutzinstrumente. Die zu erhebenden Daten sollen mit den bereits bestehenden Daten des GRECS, die das RWI in der Vergangenheit in mehreren Forschungsprojekten erhoben hat, verknüpft werden. Auch beim GRECS handelt es sich um ein „echtes“ Panel (Schupp 2014), bei dem dieselben Inhalte bei denselben Haushalten mehrfach erhoben wurden.
Kurzbeschreibung und Vorteile des Wärme- & Wohn-Panels
Die neu zu erhebenden Daten sollen auf einer für die deutsche Wohnbevölkerung repräsentativen Wiederholungsbefragung privater Haushalte basieren, die ab 2021 im jährlichen Rhythmus für zunächst drei Jahre durchgeführt wird. Der Fokus dieser wiederholten Befragungen von anfänglich ca. 15.000 Haushalten wird einerseits auf der Erfassung umfangreicher Gebäudeinformationen privater Haushalte liegen. Neben den Daten für die bewohnte Wohnung werden private Vermietende nach den Gebäudecharakteristika der vermieteten Wohnungen befragt. Diese können genutzt werden, um den Endenergiebedarf der bewohnten Gebäude zu bestimmen. Mit der Erhebung von Energiekosten und der Nutzung lokaler Energiepreise kann außerdem der Energieverbrauch approximiert werden. Andererseits sollen die Präferenzen der Befragten hinsichtlich verschiedener Klimaschutzinstrumente im Gebäudesektor ermittelt werden. Mittels der detaillierten Erfassung einer großen Anzahl an Haushaltsmerkmalen soll eine Vielzahl sozial-, wirtschafts- und verhaltens-wissenschaftlicher Theorien getestet werden können.
Neben Informationen zu objektiven Lebensbedingungen der Haushalte, etwa Baujahr und Struktur des Wohngebäudes, sowie zu sozio-ökonomischen Eigenschaften, wie Alter, Anzahl der Haushaltsmitglieder und monatlichem Nettoeinkommen, soll der Datensatz Auskunft über Heizinfrastruktur, -verhalten und -energiekosten sowie die für Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der Haushalte geben. Durch die Verknüpfung sozio-ökonomischer Angaben mit Energieinformationen können unterschiedliche Belastungen für verschiedene sozioökonomische Gruppen analysiert werden, beispielsweise für Mietende oder Eigentümerinnen und Eigentümer, wohlhabende oder einkommensschwache Haushalte. Des Weiteren wird der Datensatz Informationen über Persönlichkeitseigenschaften, Wertvorstellungen und die Akzeptanz verschiedener Klimaschutzinstrumente sowie dazugehörige verteilungspolitische Präferenzen enthalten. Schließlich werden mit Hilfe von Experimenten auch Hemmnisse und Barrieren bei der Anpassung des Heizenergieverhaltens ermittelt, welche etwa technische, institutionelle und verhaltensökonomische Aspekte umfassen können, beispielsweise Informationsdefizite sowie lange Amortisationsdauern.
Zusätzlich wird eine Teilstichprobe des Panels von ca. 6.000 Befragten einmalig zu ihrem Mobilitätsverhalten inklusive ÖPNV-Nutzung und eigenem Fahrzeugbestand befragt, sodass sich für diese Haushalte ein noch umfassenderes Gesamtbild des Energieverbrauchs ergibt. Darüber hinaus soll in diese Erhebung ein Experiment integriert werden, das die Determinanten bei der Kaufentscheidung von Elektro-Fahrzeugen bestimmt.
Insgesamt wird durch diese Panelerhebungen ein sehr umfangreicher Datensatz geschaffen, der in seinem Datenreichtum im Zusammenhang mit dem Energieverbrauchsverhalten privater Haushalte und in seiner Aktualität bezüglich der Akzeptanz und Auswirkung aktueller und zukünftiger Klimaschutzinstrumente in dieser Art für Deutschland noch nicht besteht. Mit Hilfe derartiger Paneldaten können nicht nur generelle Veränderungen im Zeitverlauf erfasst werden, sondern auch für einzelne Personen.
Durch die wiederholte Erfassung von Energieinformationen stellen diese Paneldaten mehr als nur eine Bestandsaufnahme bezüglich der Heizinfrastruktur privater Haushalte in Deutschland dar, die kürzlich erhoben wurde (BDEW 2020). Der Längsschnittcharakter der Daten ermöglicht zusätzlich die Identifikation allgemeiner Dynamiken, beispielsweise langfristige Veränderungen in der Heizinfrastruktur sowie im Verbrauchsverhalten privater Haushalte infolge von Preisänderungen. Mit dem SOEP oder der EVS ist dies hingegen nicht möglich.
Mittels der ebenfalls erfassten sozio-ökonomischen Angaben sowie der Informationen zu Persönlichkeitseinstellungen und Gebäudecharakteristika bietet das Panel eine aktuelle und einmalige Datengrundlage, um langfristige Einstellungs- und Verhaltensänderungen sowie Hemmnisse und Barrieren bei der Verhaltensanpassung im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch privater Haushalte in Deutschland zu identifizieren. Die Größe der Stichprobe und die avisierte, langjährige Laufzeit des Panels sind dabei unabdingbar, da dies zusätzlich die Erfassung von Informationen ermöglicht, die nur selten zu beobachten sind. Dazu gehören u.a. Investitionen im Gebäudebereich, wie beispielsweise energetische Sanierungen, die lange Amortisationsdauern aufweisen.
Überdies ist mit der Fortführung der Untersuchung unter weitgehender Beibehaltung des Erhebungsdesigns eine hohe Validität der Ergebnisse verbunden. Dabei profitiert die Erhebung von der wachsenden Erfahrung aller an dieser Befragung Beteiligten. Neben der Möglichkeit der Verknüpfung von Merkmalen späterer Erhebungen mit früher erhobenen Daten bei den gleichen Haushalten besteht eine weitere wissenschaftliche Stärke des Panels in der geografischen Feinheit der Daten bis auf Postleitzahlebene, worüber weitere externe räumliche Daten, die den Heizenergieverbrauch sowie den Mobilitätsbedarf betreffen – etwa Heizgradtage, lokale Energiepreise und Verbrauch oder die Verkehrsinfrastruktur einer Region –, hinzugefügt werden können.
Mit Hilfe dieses Datensatzes können die Umwelt- und Verteilungswirkungen bereits implementierter bzw. noch zu implementierender Klimaschutz-Instrumente, beispielsweise einer CO2-Bepreisung oder eines Einbauverbots von Ölheizungen, anhand aktueller und für Deutschland repräsentativer Daten unter Berücksichtigung einer Vielzahl an Einflussfaktoren quantifiziert werden. Die Möglichkeit, Verhaltens-anpassungen der Haushalte und Investitionen im Gebäudebereich als Folge der Klimaschutz-Instrumente in der Analyse zu berücksichtigen, führt im Vergleich zu einer einmaligen Erhebung zu einer erhöhten Präzision der Schätzergebnisse.
Methodisch bieten Längsschnittdaten außerdem einen weiteren Vorteil bei der Berücksichtigung von Einflussfaktoren: Um kausale Zusammenhänge erkennen und Effekte isoliert betrachten zu können, müssen möglichst alle relevanten Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Trotz der Unmöglichkeit, alle relevanten Einflussfaktoren zu beobachten bzw. zu erheben, lassen sich mit Hilfe von Panelmethoden unbeobachtbare Einflüsse kontrollieren. Dies erleichtert die Schätzung kausaler Effekte von wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
Zeitplan der Erhebungen
In Zusammenarbeit mit forsa, eines auf bundesweit repräsentative Haushalts-befragungen spezialisierten Instituts, wird das RWI die erste Erhebung im Frühjahr 2021 durchführen. Die weiteren zwei Erhebungen folgen jeweils im Frühjahr 2022 und 2023 (Abbildung 1). Im Anschluss an jede Erhebungswelle wird ein Werkstattbericht erstellt, der einen deskriptiven Überblick über die mit der Erhebung abgedeckten Themen gibt und die Rohdaten der Erhebung in deskriptiver Form darstellt. Der dritte Werkstattbericht wird außerdem Informationen über die zeitliche Entwicklung der abgefragten Variablen vermitteln.
Methodische Vorgehensweise der Erhebung
Rekrutierung der Teilnehmenden und Erhebungsmethode
Basis der Befragung ist forsa.omninet, ein Panel mit ca. 80.000 Teilnehmenden. Die Rekrutierung der Teilnehmenden erfolgt im Rahmen von forsa.omniTel, einer telefonischen Mehrthemenumfrage von forsa, bei der täglich 500 Personen befragt und so ausgewählt werden, dass das forsa.omninet Panel repräsentativ für die deutschsprachige Online-Bevölkerung ab 14 Jahren ist. Als einziges Panel in Deutschland werden die Teilnehmenden hierbei ausschließlich offline, d.h. telefonisch rekrutiert. Aufgrund der hohen Teilnahmebereitschaft sowie der durch den besonderen und aufwändigen Rekrutierungsprozess gewährleisteten gleichen statistischen Chance jedes Haushalts in Deutschland, an dem Panel teilzunehmen, ist eine sehr hohe Repräsentativität der Stichprobe sichergestellt, die darüber hinaus regelmäßig überprüft wird.
Die Auswahl der Panelisten von forsa.omninet anhand eines wissenschaftlich anerkannten Auswahlverfahrens auf Basis einer reinen Zufallsstichprobe sowie die ausschließliche Rekrutierung über bevölkerungsrepräsentative Telefoninterviews bietet eine Vielzahl an Vorteilen: Zunächst bestehen aufgrund des telefonischen Kontaktes keine Zweifel über die Identität der Teilnehmenden. Des Weiteren kann eine Verzerrung der Stichprobe durch Selektivität, beispielsweise hervorgerufen durch Online-Affinität, durch den Rekrutierungsprozess für forsa.omninet vermieden werden. Die Auswahl der Teilnehmenden bei forsa.omninet wird allein durch das Zufallsverfahren bestimmt. Es ist weder möglich, sich für die Teilnahme am Panel zu bewerben noch über Online-Werbung oder Banner in das Panel einzutragen. Die Panelisten haben zudem nicht die Möglichkeit, selbst eine von ihnen präferierte Befragung auszuwählen, sondern bekommen die Einladung von forsa. Somit ist die Motivation, sich aufgrund von finanziellen Anreizen an dem Panel zu beteiligen, ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu reinen Online-Panels sind auch Personen im Panel vertreten, die das Internet nur vergleichsweise wenig nutzen: Rund 10 Prozent der forsa.omninet-Panelisten sind sogenannte Teil-Offliner, die höchstens einmal im Monat soziale Medien, wie Twitter, Facebook oder Instagram nutzen. Da über 90 Prozent der Panelmitglieder von forsa.omninet ausschließlich an Befragungen in forsa.omninet, nicht aber an anderen Befragungen teilnehmen, kann forsa bei nahezu allen Panelmitgliedern mithilfe einer ausführlichen Dokumentation der Teilnahmehistorie aller Befragten eine Überbefragung der einzelnen Panelisten (insbesondere auch zu thematisch ähnlichen Studien) verhindern. Mehrfachanmeldungen, Fake-Profile und automatische Bots werden außerdem durch den Stichprobenansatz grundsätzlich verhindert. Schlussendlich wird die Zusammensetzung des Panels kontinuierlich anhand zentraler Merkmale (z.B. Region, Alter, Geschlecht etc.) kontrolliert und die Rekrutierung entsprechend angepasst.
Um darüber hinaus eine hohe Datenqualität zu gewährleisten, beinhaltet das Panel neben der Erstellung einer Teilnahmehistorie für alle Befragten unter anderem eine Zeit- und Antwortenkontrolle, um Personen zu identifizieren, die sich nur durch den Fragebogen durchklicken, ohne Fragen zu beantworten. Über einen Update-Fragebogen werden außerdem die Stammdaten der forsa.omninet-Panelisten regelmäßig aktualisiert. Zu den Stammdaten gehören etwa das Geburtsjahr, der Familienstand und die Postleitzahl.
Alle ausgewählten Befragungsteilnehmenden werden durch eine kurze E-Mail zur Befragung eingeladen. Neben dem Link zum Fragebogen enthält die Einladung eine kurze Einführung zum übergeordneten Thema der Befragung sowie zur Incentivierung, welche sich an der Länge des Fragebogens orientiert. Für technische und inhaltliche Fragen stehen den Panelisten ganzjährig eine Hotline per E-Mail sowie eine werktäglich besetzte telefonische Hotline zur Verfügung. Dies erleichtert nicht nur die Teilnahme, sondern erhöht auch das Vertrauen der Teilnehmenden und kann Zweifel an der Sinnhaftigkeit oder Seriosität der Studie ausräumen.
Zufallsstichprobe und Maßnahmen zur Optimierung der Ausschöpfungsquote und Wieder-Teilnahmebereitschaft
Die Befragten werden anhand des Zufallsprinzips aus dem forsa.omninet-Panel ausgewählt. Dabei wird im Zuge der Stichprobenziehung sichergestellt, dass in einem Haushalt jeweils nur eine Person ausgewählt wird, die stellvertretend für den Haushalt den Fragebogen beantwortet. In der Erhebung wird dafür jeweils der Haushaltsvorstand der ausgewählten Haushalte befragt. Diese Person ist definiert als dasjenige Haushaltsmitglied, das die finanziellen Entscheidungen für den Haushalt trifft. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die für die Erhebung wesentlichen Fragen zur Heizkosteninfrastruktur und zu den Energiekosten beantwortet werden.
Um neben Querschnittsanalysen auch Längsschnittvergleiche und damit die Erfassung von intertemporalen Veränderungen zu ermöglichen, soll ein möglichst hoher Anteil der Befragten an allen drei Erhebungen teilnehmen. Längsschnittstudien leiden häufig unter einem gewissen Schwund an Teilnehmenden, welcher umso stärker ausgeprägt ist, je anspruchsvoller ein Fragebogen ausfällt (Thema, Umfang, Aufwand, Komplexität, Schwierigkeitsgrad der Fragen) und je länger der Abstand zwischen den einzelnen Wellen ist. Um die Bereitschaft zur wiederholten Teilnahme an der Befragung zu maximieren, werden in den anstehenden Erhebungen verschiedene Maßnahmen ergriffen.
Generell ist die gesamte Befragung darauf ausgerichtet, den Befragten die Teilnahme so einfach wie möglich zu machen, Gründe für die Teilnahme an der Studie zu bieten und Vertrauen zu schaffen. Daher werden die Panelisten bereits in der Einladung zur Teilnahme an der Studie auf die Wichtigkeit der Befragung hingewiesen. Zudem werden sie in der Einladung zur ersten Befragung über das Format der Studie als Längsschnittbefragung informiert. Des Weiteren werden die Fragebögen aller Erhebungswellen möglichst einfach, verständlich, interessant und abwechslungsreich gestaltet, da dies maßgeblich zum Erreichen einer hohen Teilnahmequote beiträgt und auch die Bereitschaft der Befragten, an Folgewellen teilzunehmen, erhöht.
In jeder Befragungswelle werden je nach Rücklauf bis zu drei Erinnerungen versendet, um diejenigen, die den Fragebogen noch nicht beantwortet haben, an die laufende Befragung zu erinnern. Wie bei allen Erhebungen im Rahmen von forsa.omninet, erhalten die Befragten mithilfe von Bonuspunkten einen Anreiz zur Teilnahme. Die Höhe der Bonuspunkte richtet sich hierbei nach der Fragebogenlänge. Am Ende einer Abrechnungsperiode können die Punkte dann in Form von Gutscheinen, einem Los der „Aktion Mensch“ ausgezahlt oder auch an UNICEF gespendet werden. Die Bonuspunkte sollen außerdem je nach Teilnahme gestaffelt vergeben werden, um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, an allen drei Erhebungen teilzunehmen. Insgesamt stellt das Anreizsystem nur eine kleine Aufwandentschädigung bzw. ein kleines „Dankeschön“ an die Teilnehmenden für ihren Einsatz dar, da sehr darauf geachtet wird, professionellen Incentive-Sammelnden keine attraktiven Teilnahmebedingungen zu bieten.
Damit sich die Anzahl der Teilnehmenden zwischen den einzelnen Erhebungswellen durch Ausfälle von Untersuchungseinheiten nicht immer stärker verringert, werden Haushalte, die nicht für eine erneute Befragung gewonnen werden können, möglichst strukturähnlich anhand verfügbarer Stammdaten im forsa.omninet-Panel ersetzt (refreshment sample). In allen Erhebungswellen wird dadurch ein Stichprobenumfang von ca. 15.000 Personen gewährleistet.
Gewichtung
Die für Privathaushalte mit deutschsprachigen Personen und Internetnutzung repräsentative Struktur der Stichprobe wird durch die Stichprobenziehung gewährleistet. Während Strukturdaten für Privathaushalte, z.B. Haushaltsgröße, aus amtlichen Quellen wie beispielsweise dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes vorliegen, fehlen im Mikrozensus Strukturdaten für Haushalte mit Internetnutzung. Von einer Gewichtung der Haushaltsstichprobe allein auf Basis von Mikrozensusergebnissen wird abgesehen, da die im Mikrozensus angewandte Definition zur Abgrenzung eines Haushalts nicht dem allgemeinen Verständnis und damit nicht den in empirischen Untersuchungen erhobenen Angaben entspricht: Die Abgrenzung der Haushalte im Mikrozensus erfolgt nach dem Prinzip des „gemeinsamen Wirtschaftens“ (Wirtschaftshaushalte), während die Abgrenzung der Haushalte im forsa.omninet-Panel dem Prinzip des „gemeinsamen Wohnens“ (Wohnhaushalte) entspricht. Eine Gewichtungsmöglichkeit nach Haushaltsgröße bietet stattdessen die Zensuserhebung von 2011. Im Gegensatz zum Mikrozensus wurden im Zensus 2011 Wohnhaushalte abgebildet. Diese Ergebnisse können unter Nutzung von Mikrozensusergebnissen „fortgeschrieben“ werden.
Erhebungsinstrument und Pretest
Die einzelnen Befragungen werden mithilfe eines strukturierten Fragebogens durchgeführt, dessen durchschnittliche Interviewdauer 20 Minuten möglichst nicht überschreiten sollte. Der Fragebogen wird in enger Absprache mit forsa konzipiert und insbesondere im Hinblick auf die logische Konsistenz, die Reihenfolge und sprachliche Verständlichkeit der Fragen sowie die Vermeidung suggestiver Formulierungen und sozial erwünschten Antwortverhaltens überprüft. Experimentelle Fragedesigns (z.B. sogenannte Discrete-Choice Experimente), beispielsweise zur Kaufentscheidung von Elektro-Fahrzeugen, bei denen die Befragten zufällig in verschiedene Experimentalgruppen eingeteilt werden und unterschiedliche Informationen erhalten, werden ebenfalls eingebettet und eine Incentivierung der Experimente durch randomisierte Zuteilung von Gutscheinen/ Auszahlungen gesetzt.
Um die jeweiligen Erhebungsinstrumente auf ihre Tauglichkeit, Verständlichkeit und Akzeptanz zu überprüfen, wird nach Programmierung des vorläufigen Fragebogens durch forsa und internen Pretests ein Feldpretest mit 100 bis 150 Befragten durchgeführt. Die Ergebnisse des Pretests sowie die am Ende des Pretests enthaltenen Feedbackfragen (Gab es Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Fragen? Sind die Fragen verständlich/ interessant? Ist die Länge des Fragebogens gerade richtig?) ermöglichen eine differenzierte Rückmeldung der Befragten und dadurch eine hilfreiche Überarbeitung des Fragebogens, bevor die Haupterhebung beginnt.
Verringerung von Item-Nonresponse bei Abrechnungsdaten
Um die Tauglichkeit der Erhebungsinstrumente zur Erfassung bestimmter Daten zu bewerten, ist insbesondere die Betrachtung der Item-Nonresponse-Raten relevant: Hierbei handelt es sich um den Anteil der Personen, die eine bestimmte Frage nicht beantwortet haben. Die Nichtbeantwortung einzelner Fragen tritt beispielsweise auf, wenn eine Frage als zu persönlich empfunden wird, nicht verstanden wird, die Absicht der Frage nicht nachvollzogen werden kann oder auch wenn eine Frage aufgrund fehlender Informationen nicht beantwortet werden kann oder einfach die Motivation fehlt, bestimmte, möglicherweise anspruchsvolle oder kritische Fragen zu beantworten. Erfahrungsgemäß liegen bei Fragen zu Abrechnungsdaten im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch hohe Item-Nonresponse-Raten vor, da hierbei u.a. häufig die Motivation fehlt, die Verbrauchsabrechnungen hervorzuholen und bestimmte Werte nachzuschauen.
Um diese hohe Item-Nonresponse-Rate zu reduzieren, kann – neben anderen Maßnahmen – im Fragebogen die Möglichkeit des „soft prompt“ genutzt werden, bei dem die „weiß nicht“-Kategorie zunächst ausgeblendet wird. Ob der Einbau von „soft prompts“ erfolgversprechend ist (Reduzierung von fehlenden Antworten bei gleichzeitig plausiblen Angaben), soll im Rahmen des Pretests überprüft werden. Des Weiteren werden Erklärungen, weshalb die Angaben zu Abrechnungsdaten für die Ergebnisse und Ziele der Studie von hoher Wichtigkeit sind, im Fragebogen integriert. Das Nicht-Ausfüllen der Abrechnungsdaten kommt außerdem häufig zustande, wenn der Fragebogen unterwegs ausgefüllt wird und den Befragten die Abrechnung nicht vorliegt. Dieses Problem kann behoben werden, indem Teilnehmende, die keine Angaben zu Abrechnungsdaten machen, die Möglichkeit bekommen, diese Informationen zu einem späteren Zeitpunkt zu ergänzen. Dazu wird ihnen direkt nach Beendigung der Befragung eine E-Mail mit einem weiteren Link zugesandt, in der sie gebeten werden die noch offenen Fragen zu einem späteren Zeitpunkt zu beantworten.
Der vorliegende Ariadne-Hintergrund wurde von den oben genannten Autorinnen und Autoren des Ariadne-Konsortiums ausgearbeitet. Er spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung des gesamten Ariadne-Konsortiums oder des Fördermittelgebers wider.
Die Inhalte der Ariadne-Publikationen werden im Projekt unabhängig vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erstellt.
Literaturangaben
Bach, S., Harnisch, M., Isaak, N. (2018). Verteilungswirkungen der Energiepolitik – Personelle Einkommensverteilung. Endbericht. DIW Berlin.
BDEW (2020). Wie heizt Deutschland 2019? BDEW-Studie zum Heizungsmarkt. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Berlin.
Fischer, C., Pizer, W. A. (2019). Horizontal equity effects in energy regulation. Journal of the Association of Environmental and Resource Economists, 6(S1), S209-S237.
Frondel, M., Gerster, A., Vance, C. (2020). The power of mandatory quality disclosure: Evidence from the German housing market. Journal of the Association of Environmental and Resource Economists, 7(1), 181-208.
Frondel, M., Kussel, G., Sommer, S. (2019). Heterogeneity in the price response of residential electricity demand: A dynamic approach for Germany. Resource and Energy Economics 57, 119-134.
Germeshausen, R., von Graevenitz, K. (2019). State mandates on renewable heating technologies and the housing market. ZEW-Centre for European Economic Research Discussion Paper 19-028.
Nikodinoska, D., Schröder, C. (2016). On the emissions–inequality and emissions–welfare trade-offs in energy taxation: Evidence on the German car fuels tax. Resource and Energy Economics, 44, 206-233.
Öko-Institut, Fraunhofer ISI (2020). Umsetzung Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 – Begleitung der Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsprogramms. 4. Quantifizierungsbericht. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Berlin.
Pizer, W. A., Sexton, S. (2019). The distributional impacts of energy taxes. Review of Environmental Economics and Policy, 13(1), 104-123.
Reaños, M. A. T., Wölfing, N. M. (2018). Household energy prices and inequality: Evidence from German microdata based on the EASI demand system. Energy Economics, 70, 84-97.
Schupp, J. (2014): Paneldaten für die Sozialforschung. In: Baur, Nina und Jörg Blasius (Hrsg.). Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Springer Fachmedien, Wiesbaden, S. 925-939.
Stede, J., Schütze, F., Wietschel, J. (2020). Wärmemonitor 2019: Klimaziele bei Wohngebäuden trotz sinkender CO2-Emissionen derzeit außer Reichweite. DIW Wochenbericht, 87(40), 769-779.