Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2023

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Was die Menschen in Deutschland bewegt – Ergebnisse einer Panelstudie zu den Themen Energie und Verkehr

Für das Gelingen der Energie- und Verkehrswende ist es entscheidend, die sozialen Ziele der Nachhaltigkeit wie Gerechtigkeit, Teilhabe und Beteiligung sowie Sozialverträglichkeit zu berücksichtigen. Soziale Nachhaltigkeit ist als ein positives Leitbild der Transformationsprozesse auf dem Weg zur Klimaneutralität zu verstehen. Es zielt darauf ab, die Energie- und Verkehrswende an den Vorstellungen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen der Bürger:innen zu orientieren sowie sozialverträgliche und faire Lösungen bei deren Umsetzung zu finden.

Im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne werden mithilfe des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers der Energieund Verkehrswende (SNB) die gesellschaftlichen Dimensionen dieser Transformationsprozesse untersucht. Auf Basis einer jährlich stattfindenden bevölkerungsrepräsentativen Onlinepanelbefragung von über 6.500 Personen werden Einstellungen, Anliegen und Bewertungen der deutschen Bevölkerung zur Ausgestaltung und Umsetzung der Energie- und Verkehrswende erhoben. Durch die jährlich wiederkehrende Erhebung wird ein Monitoring bestehender und neu aufkommender Herausforderungen, Probleme und Handlungsbedarfe in unterschiedlichen Lebensbereichen der Bürger:innen ermöglicht. Die Ergebnisse sollen dazu dienen, die politische Entscheidungsfindung und Prioritätensetzung bei der Gestaltung eines klimaneutralen Deutschlands zu unterstützen.

Der Befragung liegt ein neu entwickelter Ansatz zur Messung der subjektiven Bewertung sozialer Nachhaltigkeitsaspekte in den Bereichen Energie und Verkehr zugrunde. Das Konzept umfasst fünf verschiedene Dimensionen mit jeweils vier Indikatoren, die im Folgenden beschrieben werden. Dimension gesellschaftliche Akzeptanz: Für das Gelingen der Energie- und Verkehrswende ist die gesellschaftliche Verankerung durch soziale Akzeptanz entscheidend. Allgemeine Einstellungen zur Energie- und Verkehrspolitik ist einer der vier Indikatoren dieser Dimension. Im weiteren Indikator sozio-politische Akzeptanz wird unter anderem der Grad der Zustimmung zu politischen Zielen und konkreten Maßnahmen auf Bundesebene erfasst. Einstellungen zu lokalen Infrastrukturmaßnahmen bei den betroffenen Bürger:innen vor Ort sind Inhalt des Indikators der lokalen Akzeptanz. Ebenfalls ist bei dieser Dimension von Interesse, inwieweit die Bevölkerung die Transformationsprozesse mit ihrem Handeln mitträgt und ob und in welchen Bereichen die Menschen Konsum- und Verhaltensweisen geändert haben oder sich vorstellen können (Indikator Verhaltensakzeptanz). Dimension Beteiligung: Politische Mitspracheund Beteiligungsmöglichkeiten bieten den Bürger:innen die Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen und Bewertungen im Hinblick auf die Umsetzung und Ausgestaltung der Energie- und Verkehrswende einzubringen. Ein Indikator dieser Dimension ist die aktive und gewünschte Beteiligung und erfasst den Bedarf an Partizipationsmöglichkeiten. Die Wahrnehmung und Bewertung lokaler Beteiligungsprozesse sowie die Bewertung der allgemeinen Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten sind zwei weitere Indikatoren. Unter dem Indikator der politischen Selbstwirksamkeit wird untersucht, ob die Bürger:innen das Gefühl haben, selbst Einfluss auf den politischen Prozess ausüben zu können. Dimension soziale Kohäsion: Die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieerzeugung und nachhaltige Mobilitätskonzepte erfordert einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt und stellt gleichzeitig eine große Herausforderung für ebendiesen dar. Vertrauen in die zentralen Akteure sowie sozialer Zusammenhalt und Konflikte im Kontext der Energie- und Verkehrswende in den Kommunen sind hierbei wesentliche Indikatoren, um den sozialen Zusammenhalt zu bewerten. In der Gesellschaft vorherrschende Normen und Werte stellen einen weiteren Indikator der Dimension soziale Kohäsion dar. Im Hinblick auf das soziale Gefüge werden zudem die Ortsverbundenheit und soziale Identität der Bürger:innen untersucht. Dimension Lebensqualität: Durch die Energie- und Verkehrswende soll die Lebensqualität der Bevölkerung verbessert werden. Zur Untersuchung dieser Dimension werden die Indikatoren erwartete Umwelt- und wahrgenommene Gesundheitsauswirkungen des bestehenden und zukünftigen Verkehrs- und Energiesystems sowie die Bewertung der Umweltqualität erhoben. Die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung sind ein weiterer Indikator der Dimension Lebensqualität. Dimension sozio-ökonomische Sicherheit: Die durch die Transformationsprozesse anfallenden (ökonomischen) Kosten und veränderten wirtschaftlichen Strukturen können zur Folge haben, dass die sozioökonomischen Bedürfnisse der Bevölkerung derzeitig oder zukünftig nicht hinreichend gedeckt werden. Zentrale Indikatoren für diese Dimension sind unter anderem die Wahrnehmung der Befragten zu ihrer aktuellen wirtschaftlichen Situation und zukünftig erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsplatzsicherheit sowie die finanzielle Belastung durch Energie- und Mobilitätskosten. Unter dem Indikator Fairness wird darüber hinaus erfasst, inwieweit die Verteilung von Kosten und Nutzen energie- und verkehrspolitischer Maßnahmen von der Bevölkerung als gerecht wahrgenommen wird. Schließlich ist von Interesse, in welchem Ausmaß die Menschen in Deutschland Zugang zu klimafreundlicher Energie und Mobilität haben (Ressourcenzugang).

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs im vergangenen Jahr und der damit einhergehenden Energiekrise und Inflation befasst sich die vorliegende Broschüre schwerpunktmäßig mit den Reaktionen und Erfahrungen der Bürger:innen im Umgang mit den Folgen der Krise sowie den Bewertungen der (Entlastungs-)Maßnahmen der Bundesregierung. Darüber hinaus werden ausgewählte Ergebnisse zu der (wahrgenommenen) Akzeptanz von Technologien und Politikmaßnahmen im Rahmen der Ausgestaltung der Energie- und Verkehrswende vorgestellt. Dabei werden auch zeitliche Entwicklungen und Veränderungen dargestellt, soweit entsprechende Daten vorliegen. Weitere Informationen zum SNB sind auf der Projektwebsite zu finden. Zudem können auf dieser Website die gesamten Ergebnisse der Befragung über eine Datenvisualisierungsapplikation eingesehen und interaktiv erkundet werden. Diese enthält neben den neuesten Ergebnissen auch die Befunde aus den letzten beiden Jahren und ermöglicht neben der Betrachtung einzelner Variablen im Zeitverlauf auch die Analyse von Zusammenhängen mit soziodemografischen und allgemeinen Einstellungen der Befragten.

Autorinnen & Autoren

Dr. Ingo Wolf

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)

Benita Ebersbach

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)

Jean-Henri Huttarsch

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS)