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Analyse: Kohlenstoffarmer Wasserstoff in der Europäischen Union – Ein kohärenter regulatorischer Rahmen (Zusammenfassung)

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Wasserstoff wird eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung von schwer elektrifizierbaren Sektoren spielen, doch die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff steckt noch in der Anfangsphase. Aus diesem Grund wird die Nutzung von kohlenstoffarmem Wasserstoff aus nicht-erneuerbaren Quellen als Übergangslösung auf dem Weg zu einer erneuerbaren Wasserstoffwirtschaft diskutiert. Kohlenstoffarmer Wasserstoff umfasst unterschiedliche Produktionsmethoden, wie die Herstellung aus fossilen Brennstoffen mit nachfolgender Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) oder -nutzung (CCU), sowie die Elektrolyse mit Strom aus Kernenergie. Um eine positive Klimaschutzwirkung durch den Einsatz von kohlenstoffarmem Wasserstoff sicherzustellen, müssen signifikante Reduzierungen von Treibhausgasemissionen (THG) erzielt werden. Dies sollte durch einen kohärenten regulatorischen Rahmen für die Produktion und den Import von kohlenstoffarmem Wasserstoff auf EU-Ebene gewährleistet werden.

Diese Analyse gibt demnach Einblicke in den aktuellen Stand der EU-Gesetzgebung zur Produktion und zum Import von kohlenstoffarmem Wasserstoff und untersucht, ob die verbundenen Risiken und Herausforderungen für einen wirksamen Klimaschutz durch den Rechtsrahmen abgedeckt sind. Da jede Produktionsmethode durch unterschiedliche Herausforderungen charakterisiert ist, untersucht die Analyse die jeweiligen Regelungen gasbasierter Wasserstoffproduktion mit CCS, gasbasierter Wasserstoffproduktion mit CCU, sowie die Wasserstoffproduktion mit Kernenergie im Einzelnen. Auf dieser Grundlage werden Empfehlungen für die Entwicklung des regulatorischen Rahmens für innereuropäisch produzierten und importierten kohlenstoffarmem Wasserstoff formuliert.

Obwohl kohlenstoffarmer Wasserstoff bereits in der Europäischen Union produziert und verschiedene Abkommen über dessen Import aus Drittländern bestehen, wird kohlenstoffarmer Wasserstoff unzureichend im strategischen Ansatz der EU adressiert. Dies ist jedoch für die Gewährleistung einer positiven Klimaschutzwirkung notwendig. Zwar sind bereits verschiedene europäische Rechtsakte in Kraft oder im Gesetzgebungsverfahren, die z.B. Standards und Ziele für kohlenstoffarmen Wasserstoff betreffen. Diese bilden jedoch einen fragmentierten Rahmen mit unterschiedlichen Anwendungen auf die sektoralen Ziele im Energie- und Klimabereich.

Die Gas- und Wasserstoffbinnenmarkt-Richtlinie sollte als zentraler Rechtsakt für kohlenstoffarmen Wasserstoff eine nachhaltige THG-Reduzierung gewährleisten. Die Richtlinie sieht vor, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff eine THG-Einsparung von 70 Prozent im Vergleich zu fossilem Wasserstoff erreichen muss. Um eine positive Klimaschutzwirkung zu erreichen, sollte die künftige Methode zur Berechnung von Emissionseinsparungen die vor-, mittel- und nachgelagerten Emissionen (Upstream-, Midstream- und Downstream-Emissionen) einbeziehen und die Unterschiede der Produktionsmethoden berücksichtigen. Die Integration bestehender EU-Rechtsvorschriften, die einzelne Dimensionen der Lebenszyklusemissionen abdecken, bietet die Möglichkeit, einen kohärenten Rechtsrahmen zu entwickeln, der die Risiken und Herausforderungen adressiert.

Um vorgelagerte Emissionen durch die Förderung und den Transport von Gas abzudecken, sollten die Vorschriften der Methan-Verordnung mit den Anforderungen an kohlenstoffarmen Wasserstoff verknüpft werden. Bezüglich nachgelagerter Emissionen, sollte der Rechtsrahmen die unterschiedlichen Herausforderungen und Risiken von CCS und CCU separat adressieren. Die in der CCS-Richtlinie festgelegten Bestimmungen können eine dauerhafte Speicherung von CO2 durch strenge Anforderungen an Speicherstätten, Überwachungs- und Berichtspflichten sicherstellen und damit zu effektiven Klimaschutzwirkungen von kohlenstoffarmem Wasserstoff beitragen. Jedoch bestehen noch Unklarheiten bezüglich der Bereitstellung von ausreichend finanziellen Mitteln zur Kompensation von Leckagen.

Bedenkliche regulatorische Lücken können im Falle von kohlenstoffarmer Wasserstoffproduktion mit CCU identifiziert werden. Risiken für eine positive Klimaschutzwirkung bestehen insbesondere, wenn abgeschiedenes CO2 aus fossilen Quellen in Produkten nur kurz- bis mittelfristig gespeichert und beim Verbrauch re-emittiert wird (z.B. bei synthetischen Kraftstoffen). Es wird empfohlen, durch den regulatorischen Rahmen sicherzustellen, dass fossiles CO2 permanent in Produkten gespeichert wird und es nicht zu einer zeitlichen Verlagerung von Emissionen kommt. Eine Angleichung der Vorschriften der EU-ETS-Richtlinie zu chemisch gebundenen THG-Emissionen und der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie zur Nutzung von fossilem CO2 für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen sollte Klarheit schaffen, für welche Produkte fossiles CO2 genutzt werden darf. 

Kohlenstoffarmer Wasserstoff umfasst auch die strombasierte Produktion durch die Nutzung von Kernenergie. Während die Einbeziehung von Upstream- und Downstream-Emissionen wichtig ist, stellt die größte Herausforderung die Schaffung von Kohärenz mit erneuerbarem Wasserstoff dar, da beide Produktionsmethoden die strombasierte Elektrolyse nutzen. An die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff werden strenge Anforderungen wie Additionalität sowie zeitliche und geographische Korrelation gestellt, die bisher nicht für die Wasserstoffproduktion mit Kernenergie gelten. Darüber hinaus müssen gleiche Regeln für die Förderfähigkeit von erneuerbaren und nuklearen Anlagen zur Stromproduktion für Wasserstoff entwickelt werden, um sicherzustellen, dass erneuerbarer Wasserstoff nicht durch einen ungleichen Regulierungsrahmen benachteiligt wird.

Da die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mit hoher Wahrscheinlichkeit kohlenstoffarmen Wasserstoff aus Drittländern importieren werden, wird empfohlen, einen strategischen Ansatz und Maßnahmen zur Gewährleistung von Standards einzuführen, die THG-Emissionsreduktionen sicherstellen, um effektive Klimaschutzwirkungen zu erreichen. Ergänzend zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus hat die Europäische Wasserstoffbank das Potenzial, als zentralen Mechanismus den strategischen Ansatz mit umzusetzen, die Genehmigung von Zertifizierungssystemen zu fördern und die gebündelte Nachfrage des Auktionsmechanismus als Hebel zu nutzen, um kohlenstoffarmen Wasserstoff zu beziehen, der den detaillierten Anforderungen des europäischen Rahmens entspricht.

Autorinnen & Autoren

Nils Bruch

Nils Bruch

Technische Universität Darmstadt

Prof. Dr. Michèle Knodt

Technische Universität Darmstadt