Modell-Dokumentation: ASTRA

ASTRA-M (ASsessment of TRAnsport Strategies) ist ein systemdynamisches Modell, das sich für die Durchführung strategischer Analysen des Verkehrssektors mit integrierten Bündeln von Politikinstrumenten eignet. Das Modell enthält ein Bottom-up-Verkehrsmodul sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr, das mit einem makroökonomischen Modul, einem Fahrzeugflottenmodul und einem Umweltmodul verbunden ist. Der makroökonomische Teil von ASTRA-M umfasst die Entwicklung verschiedener Wirtschaftssektoren wie Landwirtschaft, verarbeitendes Gewerbe, Versorgungs- und Bergbauindustrie sowie marktbestimmte und nicht marktbestimmte Dienstleistungen. Das Modell deckt Deutschland ab, räumlich aufgelöst in NUTS2-Regionen, die 39 Verwaltungsbezirken entsprechen. Die jährlichen Modellkalibrierungsperioden reichen von 1995 bis 2023 und die Modellprojektionen werden von 2024 bis 2050 simuliert. Die daraus resultierenden Simulationen umfassen vor allem den Modal Split, die zukünftige Fahrzeugflotte (sowohl Bestand als auch Neuzulassungen), die Gesamtfahrleistung im Güter- und Personenverkehr sowie die gesamten Treibhausgasemissionen. Um diese Ergebnisse zu erhalten, geht das Modell in vier aufeinanderfolgenden Schritten vor: Verkehrserzeugung, Verkehrsverteilung, Wahl des Verkehrsträgers und Ermittlung der Fahrleistung. Darauf aufbauend wird eine Umweltbewertung in ASTRA-M unter Verwendung von Emissionsfaktoren pro Verkehrsträger durchgeführt. Für den motorisierten Individualverkehr werden die Fahrzeuge nach Größe und Antriebsart (Benzin, Diesel, Strom, Wasserstoff, Gas) unterschieden. Die Emissionsfaktoren sind dem HBEFA (Handbuch für Emissionsfaktoren im Straßenverkehr) entnommen. Der technische Fortschritt wird berücksichtigt, und es wird unterschieden zwischen Kaltstartemissionen und Emissionen, die während der Fahrt entstehen. Darüber hinaus unterscheidet ASTRA zwischen direkten (tank-to-wheel) und indirekten (well-to-tank) Emissionen.

Nachfragetreiber und Endnutzungstechnologien

Haupttreiber der Verkehrsnachfrage sind die Bevölkerungsentwicklung, das BIP, die Energiepreise sowie das Verkehrsmittelwahlverhalten. Während die drei erstgenannten Komponenten exogen in das Modell einfließen, wird die letztgenannte Komponente endogen abgeleitet und durch Daten des „Deutschen Mobilitätspanels“ (BMVI, 2019a) und der „Mobilität in Deutschland“ (BMVI, 2019b) gespeist. Die Modal-Choice-Komponente für den Personenverkehr integriert Verkehrsmittel wie Auto, Bus, Bahn, Fahrrad, zu Fuß gehen sowie geteilte Mobilitätsformen wie Carsharing, Ridepooling und Microsharing (gemeinsam genutzte Fahrräder und E-Roller). Darüber hinaus werden lokale, kurze, mittlere und lange Reiseentfernungen sowie städtische und ländliche Gebiete berücksichtigt.

Darüber hinaus umfasst eine Technologiekomponente die Differenzierung von Straßenfahrzeugflotten nach Antriebstechnologien, Altersklassen, Fahrzeuggrößen und verschiedenen Kategorien von Emissionsstandards. Die berücksichtigten Technologien sind im Folgenden aufgeführt und umfassen Benzin, Diesel, komprimiertes Erdgas (CNG), Flüssiggas (LNG), Flüssiggas (LPG), batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEV), Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge (PHEV), Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge (FCEV) und Trolleys für Stadtbusse und Fernlastwagen. Die Verbreitung dieser Antriebstechnologien wird mit dem agentenbasierten Modell ALADIN simuliert.

Politische Instrumente

ASTRA-M ermöglicht die Simulation einer Vielzahl von politischen Instrumenten für jeden Verkehrsträger; eine detaillierte Übersicht findet sich in Tabelle 1. Die Umsetzung der politischen Maßnahmen beginnt in verschiedenen Bereichen des Modells. So werden z.B. Stau- und Parkgebühren als zusätzliche monetäre Kosten für Pkw-Gebühren in das Modell zur Verkehrsmittelwahl aufgenommen. Diese fallen pro Fahrt an. Die Staugebühr wird für die NUTS2-Zonen der Großstädte eingeführt, während die Parkgebühren in allen städtischen Regionen gelten. Die Internalisierung der Umweltkosten in Bezug auf den CO2-Preis und die Benzin- und Dieselsteuer ist nominal. Die CO2-Preise gelten für jede ausgestoßene Tonne CO2, während die Steuer auf Diesel und Benzin pro Liter erhoben wird. Die Steuern werden zu dem im Modell endogen ermittelten und prognostizierten Preis pro Liter Kraftstoff addiert, und dann wird die Mehrwertsteuer hinzugefügt. Die Subventionen für emissionsfreie Autos werden in dem endogenen Flottenmodell angewendet. Damit werden die Subventionen für die verschiedenen Fahrzeugsegmente und Antriebssysteme berücksichtigt und fließen in die Investitionsentscheidung der Haushalte bzw. Individuen ein.

PrivatwagenLastkraft-
wagen
Öffentliche VerkehrsmittelSchiffeRadfahren
Pendler-pauschale Förderung des Ausbaus der Eisenbahn-infrastrukturVerschärfung der Emissionsgrenz-werte für SchadstoffeAusweitung der schnellen Fahrrad-verbindungen
Besteuerung von Firmenwagen Einführung des „Deutschland-takts“Verpflichtung zur Nutzung von Landstrom 
Geschwindig-keitsbegrenz-ungenGeschwindig-keitsbegrenz-ungenSenkung der Trassenpreise  
Ziele der FlotteZiele der Flotte   
Verbot von Verbrennungs-motorenVerbot von Verbrennungs-motoren   
MautbefreiungMautbefreiung   
CO2 Anpassung Energiesteuer Diesel / BenzinCO2 Anpassung Energiesteuer Diesel / Benzin   
Parkraum-bewirtschaft-ung    
Ausbau der InfrastrukturAusbau der Infrastruktur   
Tabelle 1: Überblick über die Verkehrspolitik pro Verkehrsträger

Methoden und Modellrahmen

Für den Modellierungsansatz wird die Logik des Vier-Stufen-Modells angewendet. Die Umsetzung dieses Ansatzes, die in VENSIM durchgeführt wird, ist in Abbildung 1 für den Personenverkehr grafisch dargestellt und wird im Folgenden beschrieben.

In der ersten Stufe der Verkehrserzeugung wird der Verkehr unabhängig von der durch ihn verursachten Standortveränderung generiert. Dies geschieht unter Berücksichtigung der Entwicklung von verhaltenshomogenen Bevölkerungsgruppen (differenziert nach Alters- und Einkommensgruppen und NUTS2-Zonen) und auf der Grundlage von Reiseraten (abgeleitet aus der MID 2017) für vier verschiedene Reisezwecke: Arbeits-, Geschäfts-, Privat- und Freizeitreisen. Zusätzlich werden auch induzierte Reisen auf der Grundlage makroökonomischer Entwicklungen hinzugefügt.

Abbildung 1: Struktur des Moduls zur Modellierung des Personenverkehrs in ASTRA

In der zweiten Stufe wird der in der vorherigen Stufe erzeugte Verkehr verwendet, um ihn räumlich zu verteilen. Dies geschieht mit Hilfe von Ursprung-Ziel-Matrizen, die die Quelle des Verkehrsflusses und das Ziel als Interdependenzmatrix darstellen. Die räumliche Aufteilung basiert auf der Einteilung in NUTS-II-Zonen.

In der dritten Stufe werden die erzeugten Verkehrsströme auf die verfügbaren Verkehrsmittel aufgeteilt. Bei den verfügbaren Verkehrsmitteln unterscheidet ASTRA-M zwischen dem privaten Pkw, dem öffentlichen Verkehr (Bus und Bahn), dem Fahrrad, dem Zufußgehen und mit der Erweiterung auf Shared-Mobility-Angebote auch Carsharing, Ridepooling und Microsharing (geteilte Fahrräder und E-Scooter). Dazu werden Logit-Funktionen verwendet, die die Wahlentscheidung in einem Intervall von 0 bis 1 berechnen. Dazu werden Informationen von Mobilitätskonsumenten verwendet. Dazu gehören soziodemografische Daten und Daten über ihre Mobilitätsinstrumente, wie z. B. der Besitz eines Autos. Auch spezifische Daten zu den verschiedenen Verkehrsträgern (z.B. Reisezeit und Kosten) fließen in die Berechnung ein. Für das Passagiermodell verwendet die Verkehrsmittelwahl den Ansatz der verallgemeinerten Kosten, d. h. die Kombination von monetären und anderen Kosten wie dem Zeitwert. Diese Aspekte werden in eine Logit-Funktion integriert, um die jeweiligen Modal Splits endogen zu berechnen.

Für die vierte Stufe, die Verkehrszuordnung, werden die in Stufe 2 erzeugten Verkehrsströme und die in Stufe 3 ermittelten Verkehrsträger in Fahrleistungen überführt, die zur Deckung des in den vorangegangenen Schritten zu simulierenden Verkehrsbedarfs erforderlich sind. Damit können Aussagen über die Auslastung des Verkehrsnetzes gemacht werden und wo diese mit welchem Verkehrsmittel im Besonderen auftreten. In ASTRA-M werden zwar die ersten drei Stufen der Verkehrsmodellierung im Detail durchlaufen, da das Modell aber kein Netzmodell ist, erfolgt die Zuordnung über die Umrechnung des in den ersten drei Stufen erzeugten Verkehrs in den Fahrleistungsbedarf. Dies ist dem Fokus des systemdynamischen Ansatzes auf die Verkehrsleistung und die Verkehrsmittelwahl geschuldet, die für die gesamtwirtschaftlichen und ökologischen Wirkungen des Verkehrs besonders entscheidend sind. Dazu wird an vierter Stelle im Modell die Fahrleistung auf Basis der Verkehrsverteilung und der Verkehrsverteilung berechnet. Dies ermöglicht durch die Integration von Besetzungsgraden Aussagen über die zurückgelegten Fahrzeug- sowie Personenkilometer pro Verkehrsmittel und Reisezweck in der jeweiligen räumlichen Auflösung.

Ähnlich wie im Personenverkehr wird auch die Verkehrsnachfrage im Güterverkehr in ASTRA-M endogen berechnet. Auch hier wird ein vierstufiger Ansatz verwendet, der auf den Treibern des Güterverkehrs (Handel, Produktion von Gütern, Verkauf an Endverbraucher) basiert. Die Verkehrsträger umfassen drei verschiedene Arten von Lastkraftwagen (leichte Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von <3,5 t, Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t bis 12 t und schwere Lastkraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 12 t einschließlich Sattelzugmaschinen) sowie die Eisenbahn und die Binnenschifffahrt ohne die See- und Küstenschifffahrt. Die Besonderheit des ASTRA-M-Ansatzes besteht darin, dass das vierstufige Modell direkt mit den Flottenmodellen der Nutzfahrzeuge verknüpft ist, so dass sich politische Maßnahmen, die die Flottenstruktur und damit die Kostenstruktur der Logistik verändern, unmittelbar auf die Verkehrsnachfrage und die Verkehrsmittelwahl im Güterverkehr auswirken. Dies ist z.B. in den bisherigen Modellierungen des BVWP oder der VP2030 nicht möglich. Ebenso wirkt sich durch die Verknüpfung mit politiksensitiven Energiepreis- und Strom-/Energieerzeugungsmodellen in ASTRA-M eine Änderung der Umlagepolitik für Energieträger (z.B. H2, PtL) unmittelbar auf die Verkehrsnachfrage aus.

Referenzen