Modell-Dokumentation: ALADIN

Das Modell ALADIN – Alternative Automobiles Diffusion and INfrastructure – ist ein agentenbasiertes Simulationsmodell, das die Marktdiffusion alternativer Antriebe für Pkw, Lkw, Busse, Flugzeuge und Schiffe bestimmt. Kern des Modells ist es, die Gesamtnutzungskosten für verschiedene Antriebsarten (z.B. Benzin, Diesel, Batterie-elektrisch, Plug-in-Hybrid-elektrisch, Wasserstoff) auf Basis großer Datensätze für individuelle Fahrprofile [MOP 2010, Fraunhofer ISI 2014, KiD 2010, Truckscout 2016] zu berechnen und die nutzenmaximierende Fahroption unter verschiedenen Restriktionen, wie z.B. begrenzte Infrastruktur oder begrenzte Modellverfügbarkeit neuer Antriebstechnologien, zu bestimmen. Dabei wird der Anteil jeder Antriebstechnologie berechnet, aufgrund von Infrastruktur und begrenzter Fahrzeugverfügbarkeit reduziert und als Marktanteil für das betrachtete Jahr berücksichtigt [Plötz et al. 2014, Gnann 2015, Wietschel et al. 2017].

Das Modell deckt die Jahre 2020 bis 2050 in jährlicher Auflösung ab. Für Deutschland ist eine räumliche Auflösung auf NUTS3-Ebene verfügbar. Die NUTS3-Ebene entspricht 294 Landkreisen und 107 kreisfreien Städten. Vereinfachte Modellvarianten ermöglichen Marktdiffusionsberechnungen für Europa, China, die Vereinigten Staaten von Amerika und Indien sowie für die EU27+3 auf Länderebene. Darüber hinaus können Ladelastprofile und die Verfügbarkeit von Fahrzeugen am Netz für Pkw extrahiert werden, z.B. für Lastverschiebungs- und Vehicle-to-Grid-Analysen [Gnann et al, 2018].

Die Modellergebnisse umfassen die Fahrzeugzulassungen, den Fahrzeugbestand, den Endenergiebedarf, aufgeschlüsselt nach Energieträgern, und die CO2-Emissionen.

Abbildung 1 gibt einen Überblick über die in ALADIN berücksichtigten Dimensionen.

Abbildung 1: Schwerpunkt der Forschung mit ALADIN (www.aladin-model.eu)

Das Modell verwendet im Wesentlichen drei verschiedene Arten von Eingangsparametern: (1) Daten zum Nutzerverhalten, (2) Fahrzeugparameter und technische Trends sowie (3) Prognosen zum künftigen Fahrzeugmarkt. Wie bereits erwähnt, umfassen die Daten zum Nutzerverhalten Fahrprofile. Zu den Daten über das Nutzerverhalten gehören aber auch die Bereitschaft mehr oder weniger für alternative Antriebe zu bezahlen, d.h. die Einstellung zu alternativen Antrieben, und die Bereitschaft, gegebenenfalls die Fahrzeugmarke zu wechseln. Zu den Fahrzeugparametern gehören technische Daten – z.B. Verbrauch oder Reichweite – und wirtschaftliche Parameter – z.B. Fahrzeugpreise, Steuern oder Kosten für Betrieb und Wartung. Schließlich werden auch Prognosen über den zukünftigen Gesamtfahrzeugmarkt – Fahrzeugabsatz und Fahrzeugbestand – benötigt. ALADIN wird daher häufig in Kombination mit dem ASTRA-Modell verwendet, das den Modal Split, eine mögliche zukünftige Fahrzeugflotte und die Gesamtfahrleistung auf der Grundlage makroökonomischer Parameter wie Bevölkerung und BIP (siehe oben), berechnet. Darüber hinaus beinhaltet der zukünftige Fahrzeugmarkt auch Annahmen über verfügbare Modelle und Antriebsstränge, die exogen vorgegeben werden müssen.

Technologien für die Endanwendung

Bei Personenkraftwagen umfasst das Modell Benzinfahrzeuge, Dieselfahrzeuge, Gasfahrzeuge, Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge, Batterie-Elektrofahrzeuge und Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge.

Die Fahrzeuge werden in drei Größen unterschieden – klein, mittel, groß -, und ALADIN unterscheidet drei Verwendungszwecke: Privatfahrzeuge, Flottenfahrzeuge und Dienstwagen.

Für Nutzfahrzeuge berücksichtigt ALADIN bis zu fünf Größenklassen: bis 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht, 3,5-7,5 t zulässiges Gesamtgewicht, 7,5-12 t zulässiges Gesamtgewicht, >12 t zulässiges Gesamtgewicht und Sattelzugmaschinen. Als mögliche Antriebe werden Dieselfahrzeuge, Gasfahrzeuge, Plug-in-Hybridfahrzeuge, batterieelektrische Fahrzeuge (kurze und lange Reichweite), Oberleitungs-Dieselhybridfahrzeuge, batterieelektrische Oberleitungsfahrzeuge und Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge berücksichtigt.

Politische Instrumente und Maßnahmen

Politische Maßnahmen können in ALADIN auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Politische Maßnahmen, die einen direkten monetären Einfluss auf die Fahrzeugkaufentscheidung oder die Fahrzeugnutzung haben, können direkt integriert werden, z.B. Kaufprämien, Strafzahlungen, Steuerermäßigungen oder eine CO2-Steuer (vgl. [Cao Van et al. 2023]). Weitere Maßnahmen, wie Emissionsminderungsziele für Neufahrzeuge, aber auch Verkaufsverbote für Verbrennungsmotoren, haben Einfluss auf die in ALADIN modellierte Fahrzeugverfügbarkeit. Schließlich beeinflussen Maßnahmen zum Ausbau der Infrastruktur – Ladeeinrichtungen und Tankstellen – die technische Machbarkeit von batterieelektrischen Fahrzeugen und Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugen.

Methoden und Modellrahmen

Das ALADIN-Modell verwendet ein dreistufiges Verfahren zur Analyse der zukünftigen Marktdiffusion alternativer Antriebe: (1) individuelle EV-Simulation, (2) individuelle Nutzenmaximierung und (3) Bestandsmodell. In einem ersten Schritt werden mehrere tausend Fahrprofile als batterieelektrische und Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge simuliert. Unter Berücksichtigung technischer Rahmenparameter ermittelt ALADIN die batterieelektrische Machbarkeit eines batterieelektrischen Fahrzeugs und den elektrischen Fahranteil eines Plug-in-Hybrids. Zweitens ermittelt eine Funktion den Nutzen für jeden technisch möglichen Antriebsstrang, wobei Investitionen und Betriebskosten, aber auch weiche Faktoren wie die Bereitschaft, mehr für ein Elektrofahrzeug zu bezahlen, oder Markentreue berücksichtigt werden. Drittens werden die Fahrzeugverkäufe nach Antriebstechniken berechnet. Jedes einzelne Fahrprofil repräsentiert mehrere Fahrzeugkäufer. Wenn möglich, wird der Antriebsstrang mit dem höchsten Nutzen gewählt. Der Fahrzeugabsatz berücksichtigt aber auch ein begrenztes Angebot an Fahrzeugmodellen und eine begrenzte Infrastruktur. Mangels geeigneter Modelle und – in den ersten Jahren – Lade- oder Tankstellen für alternative Antriebe werden teilweise die zweit- oder drittbesten Optionen gewählt. Die Verkaufszahlen werden in ein Bestandsmodell integriert. Weitere Details sind in [Cao Van et al. 2023] und [Gnann et al. 2022] zu finden. Abbildung 2 zeigt als Beispiel das Verfahren für Personenkraftwagen. Der Ansatz für Nutzfahrzeuge ist ähnlich, enthält jedoch nutzergruppenspezifische Annahmen.

Abbildung 2: Modellübersicht ALADIN für Personenkraftwagen.

Die Marktdiffusion von Lkw wird ähnlich wie bei Pkw modelliert, jedoch wird die Nutzenmaximierung vollständig durch die Gesamtbetriebskosten des Fahrzeugs bestimmt. Ein Überblick über diesen Modellteil ist in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Modellübersicht ALADIN für Lkw.

Alle verwendeten exogenen Daten und Parameter sind in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt.

Der Endenergiebedarf von Luftfahrt, Schifffahrt, Bahn und Bussen wird anhand historischer Werte für die Verkehrsnachfrage, den spezifischen Energiebedarf, die Marktdiffusion alternativer Antriebe und deren künftige Entwicklung geschätzt. Dieser vereinfachte Ansatz wird in [Krail et al. 2021] ausführlicher beschrieben.

Zur Analyse der regionalen Verteilung der Fahrzeuge und des Energiebedarfs wird ein Top-down-Regressionsmodell verwendet. Auf der Grundlage regional aufgelöster Daten zur Fläche der Kreise, ihrer Bevölkerung, ihres BIP und der Beschäftigung wird der landesweite Fahrzeugbestand auf NUTS3-Regionen verteilt. Eine Beschreibung der Methodik findet sich in Speth et al. 2020. Bei Nutzfahrzeugen wird auch der lokale Verkehr berücksichtigt. Bei Flugzeugen und Schiffen wird das Verkehrsaufkommen in Häfen und Flughäfen berücksichtigt, Busse und Bahnen werden entsprechend der Bevölkerungsdichte in NUTS3-Regionen verteilt.

Links und Referenzen

  • Weitere Informationen über ALADIN finden Sie unter: www.aladin-model.eu.
  • Cao Van, T. L.; Barthelmes, L.; Gnann, T.; Speth, D.; Kagerbauer, M. (2023): Enhancing electric vehicle market diffusion modeling: A German case study on environmental policy integration. In: Energy Strategy Reviews, 50, p. 101244. https://doi.org/10.1016/j.esr.2023.101244.
  • Fraunhofer ISI 2014. REM2030 Driving Profiles Database V2014-07. Fraunhofer Institute of Systems and Innovation Research ISI, Karlsruhe, Germany.
  • Gnann, T. (2015): Market diffusion of plug-in electric vehicles and their charging infrastructure. Dissertation. Stuttgart: Fraunhofer-Verlag.
  • Gnann, T.; Speth, D.; Seddig, K.; Stich, M.; Schade, W.; Gómez Vilchez, J. J. (2022): How to integrate real-world user behavior into models of the market diffusion of alternative fuels in passenger cars – An in-depth comparison of three models for Germany. In: Renewable and Sustainable Energy Reviews, 158, p. 112103. https://doi.org/10.1016/j.rser.2022.112103.
  • Gnann, T.; Klingler, A.-L.; Kühnbach, M. (2018): The load shift potential of plug-in electric vehicles with different amounts of charging infrastructure. Journal of power sources 390 (2018), pp. 20-29. https://doi.org/10.1016/j.jpowsour.2018.04.029
  • KiD 2010. WVI, IVT, DLR und KBA (2010): Motor vehicles in Germany 2010 . WVI Prof. Dr. Wermuth Verkehrsforschung und Infrastrukturplanung GmbH, Braunschweig, IVT Institut für angewandte Verkehrs- und Tourismusforschung e.V., Heilbronn, DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt – Institut für Verkehrsforschung, Berlin, KBA Kraftfahrt-Bundesamt, Flensburg
  • Krail, M.; Speth, D.; Gnann, T.; Wietschel, M.: Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland. Treibhausgasneutrale Hauptszenarien. Modul Verkehr. https://doi.org/10.24406/publica-fhg-301405
  • MOP 2010. German mobility panel 1994–2010. Tech. Rep., Project processing by Institute for Transport studies of the University of Karlsruhe (TH) (www.clearingstelle-verkehr.de)
  • Plötz, P; Gnann, T.; Wietschel, M. (2014): Modelling market diffusion of electric vehicles with real world driving data — Part I: Model structure and validation Elsevier, Ecological Economics Vol 107, Nov 2014, pages 411-421. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2014.09.021
  • Speth, D.; Gnann, T.; Plötz, P.; Wietschel, M.; George, J. (2020): Future regional distribution of electric vehicles in Germany. https://doi.org/10.5281/zenodo.4026722.
  • Truckscout 2016: Sales platform for used utility vehicles. Online at http://www.truckscout24.de, last checked at 13.02.2017
  • Wietschel, M.; Gnann, T.; Kühn, A.; Plötz, P.; Moll, C.; Speth, D.; Buch, J.; Boßmann, T.; Stütz, S.; Schellert, M.; Rüdiger, D.; Balz, W.; Frik, H.; Waßmuth, V.; Paufler-Mann, D.; Rödl, A.; Schade, W.; Mader, S. (2017): Feasibility study on hybrid overhead trucks. Study within the framework of the scientific advice for the Federal Ministry of Transport and Digital Infrastructure on mobility and fuel strategy. Karlsruhe: Fraunhofer ISI