Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung hat sich seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 als internationales Leitmotiv der Politik durchgesetzt. Der menschengemachte Klimawandel bedroht jedoch die nachhaltige Entwicklung auf vielfältige Weise. Infolgedessen wurde von den Vereinten Nationen 2015 im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommen beschlossen, Maßnahmen einzuleiten, die den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzen. Hauptsächlicher Treiber des Klimawandels ist der Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid, die beispielsweise durch die Energiegewinnung oder durch den Verkehr verursacht werden. Der Ausbau klimafreundlicher Energieerzeugung und die Umstellung des Verkehrs auf nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität sind daher zentral für die Bekämpfung des Klimawandels.
Die politische Entscheidung für die Energie- und Verkehrswende bringt tiefgreifende Änderungen für Wirtschaft und Gesellschaft mit sich und betrifft eine Vielzahl von Akteuren und Institutionen mit unterschiedlichen Interessen und Zielen. Die Transformationen verändern die Lebensräume sowie den Alltag der Menschen und erfordern Veränderungen von Einstellungs- und Verhaltensmustern in vielen Lebensbereichen. So hat beispielsweise der Ausbau erneuerbarer Energien Auswirkungen auf das Landschaftsbild und die Wohnumgebung der betroffenen Menschen. Verschiedene Formen der Beteiligung und Teilhabe bieten den Bürgerinnen und Bürgern neue Möglichkeiten, den Prozess aktiv mitzugestalten und an der mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien verbundenen Wertschöpfung zu partizipieren. Zudem erfordern Energie- und Verkehrswende von jeder und jedem Einzelnen Änderungen des alltäglichen Verhaltens, zum Beispiel bei Energiesparmaßnahmen im Haushalt oder den Umstieg vom Auto auf umweltfreundlichere Verkehrsträger wie Fahrrad, Bus oder Bahn. Neben Fragen der ökonomischen und technologischen Machbarkeit sind folglich auch die sozialen Dimensionen und Folgen der Transformationsprozesse ein zunehmend relevanter Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung und politischer Überlegungen (Miller et al., 2013).
Für das Gelingen der Energie- und Verkehrswende wird es entscheidend sein, dass sich deren Ausgestaltung an den Vorstellungen der betroffenen Menschen orientieren und sozial nachhaltige Lösungen bei deren Umsetzungen gefunden werden. Politische Entscheidungsträgerinnen und -träger benötigen hierfür Wissen über die in der Bevölkerung herrschenden Anliegen, Erwartungen und Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen. Eine reflexive Politik, die ihre Handlungen kontinuierlich evaluiert und an aktuelle Gegebenheiten und Veränderungen anpasst, kann nur auf Basis einer soliden Datengrundlage erfolgreich sein (Renn, 2015). Bislang fehlen jedoch Untersuchungen im Längsschnitt, die die Bevölkerungsperspektive im Kontext der Transformationsprozesse wiederholt in Betracht nehmen, um somit intra-individuelle Veränderungen und Entwicklungsverläufe über die Zeit zu erfassen und kausale Zusammenhänge überprüfen zu können. Das im Folgenden dargestellte Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende (SNB) möchte diese Forschungslücke schließen und entsprechende Daten für die Wissenschaft und politische Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Themenfeldern Energie und Verkehr zur Verfügung stellen. Ziel der im Rahmen des Kopernikus-Projekt Ariadne neu konzipierten Online-Panelstudie ist, zentrale Aspekte sozialer Nachhaltigkeit bei der Umstellung des Energie- und Verkehrssystems fortlaufend zu untersuchen, Dynamiken in der Bevölkerung zu identifizieren und somit ein gesellschaftliches Monitoring bestehender und neu aufkommender Herausforderungen, Hemmnisse und Handlungsbedarfe zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden ab 2021 in einer jährlich wiederholten Online-Panelbefragung energie- und verkehrsbezogene Einstellungen, Vorstellungen und Bedürfnisse unter mehr als 6.500 Bürgerinnen und Bürger für einen Zeitraum von drei Jahren erfasst. Weiterhin enthält der Datensatz Informationen über die soziodemographischen und -ökonomischen Merkmale sowie allgemeinen Einstellungen, Wertevorstellungen und Verhaltensmerkmale der Befragten. Die jährlichen Erhebungen werden durch Verhaltensexperimente und zusätzliche Kurzbefragungen zu ausgewählten Themen und Experimente beispielsweise zur Wirkung von Informationen auf die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen ergänzt.
Dieser Bericht stellt das Befragungskonzept sowie die Indikatoren zur Messung der subjektiven Bewertung sozialer Nachhaltigkeit in den Bereichen Energie und Verkehr dar. Im Weiteren erfolgt die Beschreibung des methodischen Vorgehens der Befragungsstudie sowie ein deskriptiver Überblick über die Strukturmerkmale der Panel-Stichprobe einschließlich der psychologischen und verhaltensbezogenen Merkmale der Panelteilnehmerinnen und -teilnehmer. Die Ergebnisse der ersten Befragungswelle wurden bereits in Form eines Ariadne-Booklets (siehe Wolf et al., 2021) sowie eines interaktiven Datenexplorationstools auf der Projekt-Webseite veröffentlicht. Die Resultate der weiteren Erhebungswellen werden ebenfalls in diesen Formaten publiziert.
2. Konzeption des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers
Soziale Nachhaltigkeit ist ein vielfach aufgegriffenes Prinzip ohne einheitliche konsensuelle Definition (z.B. Shirazi & Keviani, 2019). Allgemein wird das Konzept als gesamtgesellschaftliches Leitbild verstanden und behandelt soziale Aspekte im Kontext politischen, ökonomischen und ökologischen Handelns (Opielka, 2016). Dabei stehen Fragen des Ressourcenzugangs, der Wohlfahrt sowie deren faire und gerechte Verteilung im Zentrum der Betrachtung. Trotz der Kritik an dem Fehlen eines kohärenten und brauchbaren Konzepts sowie einheitlicher Dimensionen sozialer Nachhaltigkeit (z.B. Littig & Griessler, 2005), wurden in den letzten Jahren zahlreiche Indikatoren in verschiedenen Bereichen vorgeschlagen, um soziale Aspekte gesellschaftlicher Entwicklungen zu messen (z.B. Carrera et al., 2010; Janker et al., 2020; Whitton et al., 2015; Woodcraft, 2015).
Im Kontext der Energie- und Verkehrswende ergeben sich daraus folgende allgemeine Kriterien: Erstens, die für deren Umsetzung notwendigen Maßnahmen sollen nicht im Konflikt mit den gegenwärtigen individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen stehen (World Commission on Environment and Development [WCED], 1987). Zweitens gilt dabei die Beachtung übergeordneter gesellschaftlicher Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität (Jäger et al., 2007; Pieper et al., 2019). Für die Umsetzung der Transformationsprojekte im Energie- und Verkehrsbereich bedeutet dies beispielsweise, dass der Zugang zu grundlegenden energie- und verkehrsbezogenen Ressourcen für alle Bevölkerungsteile gewährleistet sein muss (Williams & Doyon, 2019). Weiterhin führt ein soziotechnisches Systemverständnis der Transformationsprozesse zu der Notwendigkeit einer partizipativen und integrativen Politikgestaltung. Diese verfolgt das Ziel, die Umsetzung der Energie- und Verkehrswende an den Präferenzen und Werten der betroffenen Bevölkerung auszurichten und einen breiten gesellschaftlichen Diskurs über die damit verbundenen Anforderungen anzustoßen (Renn, Ulmer & Deckert, 2020). Dieses Vorgehen trägt außerdem dazu bei, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in die politischen Institutionen zu stärken (Fraune et al., 2019) sowie Fragen sozialer Gerechtigkeit im Sinne der Verteilungs-, Chancen- und Leistungsgerechtigkeit in den Blick zu nehmen (Williams & Doyon, 2019). Insgesamt erfordert das Leitbild der sozialen Nachhaltigkeit die Auseinandersetzung mit den vielfältigen gesellschaftlichen Erwartungen und Gegebenheiten bei der Umgestaltung des Energie- und Verkehrssystems, um das Ziel einer klimaverträglichen und gleichzeitig sozial gerechten Energie- und Verkehrswende zu erreichen.
Das dem Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende (SNB) zugrundeliegende Konzept sozialer Nachhaltigkeit orientiert sich an den aus der wissenschaftlichen und politischen Literatur bekannten Dimensionen und Indikatoren des Ansatzes (z.B. McGuinn et al., 2020; Pieper et al., 2019; Shirazi & Keivani, 2019). Ausgehend von theoretischen Überlegungen sowie Erkenntnissen aus der Ariadne-Bürgerdeliberation1s. https://ariadneprojekt.de/buergerdeliberation/ wurde der Ansatz zur Messung der subjektiven Bewertung sozialer Nachhaltigkeit im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne neu erarbeitet. Dabei wurde das Konzept, das verschiedene grundlegende Dimensionen sozialer Nachhaltigkeit unterscheidet, so gestaltet, dass es die beiden Analysebereiche der Energie- und Verkehrswende gleichermaßen abdeckt. Bei der Entwicklung der dimensionsspezifischen Indikatoren wurden konkrete Merkmale identifiziert, die wichtige Facetten der jeweiligen Dimension darstellen und mit konkreten Ansatzpunkten für eine sozial nachhaltige Gestaltung der Transformationsprozesse in der Praxis verknüpft sind. Inhaltlich und strukturell unterscheidet sich die Herangehensweise damit deutlich von den früheren Erhebungen des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers, die in den Jahren 2017-2019 durchgeführt wurden (vgl. Setton, 2020).
Die konkrete Ausgestaltung des Fragebogeninstruments der aktuellen Version des SNB erfolgte auf Basis eines Mixed-Method-Ansatzes. Die Operationalisierung der einzelnen Indikatoren wurde überwiegend durch die Entwicklung neuer Befragungsitems vorgenommen. Dazu wurden auch die Ergebnisse aus den im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne durchgeführten Dialog- und Deliberationsprozess zu den Präferenzen, Werten und Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger im Kontext der Energie- und Verkehrswende herangezogen. Weiterhin wurde vereinzelt auf bewährte Fragen aus früheren Befragungen des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers (vgl. Renn, Wolf & Setton, 2020) zurückgegriffen.
Das SNB erfasst die subjektiv wahrgenommenen Aspekte sozialer Nachhaltigkeit der Energie- und Verkehrswende in fünf verschiedenen Dimensionen, die jeweils vier Indikatoren umfassen (siehe Abbildung 1 sowie Tabellen 1 bis 5). Diese Indikatoren erfassen entweder spezifische Einstellungs- und Verhaltensaspekte in einem der beiden Themenfelder Energie und Verkehr oder beziehen sich auf beide Transformationsbereiche. In Abhängigkeit von der Komplexität der Dimensionen variiert die Anzahl der Fragen pro Indikator. Bei ungefähr der Hälfte der Fragen handelt es sich um sogenannte Monitoringvariablen, die jährlich oder in zweijährigem Abstand wiederholt erhoben werden und somit intraindividuelle Veränderung abbilden können. Die übrigen Fragen werden einmalig erhoben, um Verständnis über die Haltung der Bürgerinnen und Bürger in bestimmten Themenfelder zu vertiefen oder Einstellungen zu aktuellen Themen zu untersuchen. Im Folgenden werden die fünf Dimensionen sowie deren zugehörigen Indikatoren und Fragen aus der erste Befragungswelle im Jahr 2021 dargestellt.2Die konkrete Ausformulierung der gestellten Fragen findet sich im Datenexplorationstool unter https://ariadneprojekt.de/nachhaltigkeitsbarometer-2021/ sowie im dort downloadbaren Dokument „Fragebogen 2021“.
1. Dimension: Gesellschaftliche Akzeptanz
Für die weitere Ausgestaltung und Umsetzung der Energie- und Verkehrswende ist eine breite gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung durch die Bürgerinnen und Bürger ein zentraler Erfolgsfaktor. Vor dem Hintergrund der zunehmend tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen im Zuge der Transformationsprozesse sowie der teilweise vehementen Proteste von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern gegen den Ausbau von Erneuerbare-Energien-Anlagen (Hoeft et al., 2017), hat die Frage nach der Akzeptanz weiter an Bedeutung gewonnen. Dabei wird unter dem Begriff der (Nicht-)Akzeptanz eine (negative) Reaktion der Öffentlichkeit oder anderer Akteursgruppen auf Maßnahmen oder Projekte verstanden. Diese Reaktionen können entweder nur auf einer Bewertungsebene (Befürwortung/Ablehnung) stattfinden oder auch auf der Verhaltensebene mit konkreten Handlungen verbunden sein (Hildebrand & Renn, 2019).
In der Akzeptanzforschung werden gemäß dem Modell von Wüstenhagen et al. (2007) im Kontext der Transformation des Energie- und Verkehrssystems drei Ebenen der Akzeptanz unterschieden, die zur Definition der drei folgenden Indikatoren herangezogen wurden: (1) Sozio-politische Akzeptanz, womit die Einstellungen der Öffentlichkeit gegenüber politischen Zielen, Maßnahmen und Technologien erfasst werden. (2) Lokale Akzeptanz nimmt die Reaktionen von Anwohnerinnen und Anwohnern auf die Umsetzung konkreter Infrastrukturprojekte in den betroffenen Gemeinden in Betracht. (3) Verhaltensakzeptanz (bei Wüstenhagen et al., 2007: Marktakzeptanz) bezieht sich auf konkrete Investitions- und Kaufentscheidungen der Haushalte sowie (intendierte) Verhaltensveränderungen. Weiterhin umfasst die Dimension Gesellschaftliche Akzeptanzdes SNB den Indikator allgemeine Einstellungen & Bewertungen, der die Bewertung der Umsetzung sowie Probleme und Herausforderungen im Kontext der Energie- und Verkehrswende aus Sicht der Bevölkerung abbildet.
Tabelle 1 liefert einen Überblick über die Frageninhalte, die die vier Indikatoren dieser Dimension in den Themenfeldern Energie und Verkehr operationalisieren.
Indikator | Themenfeld | Operationalisierung | Item-anzahl | Skalentyp |
---|---|---|---|---|
Allgemeine Einstellungen & Bewertungen | Energiewende | Interesse am Thema Energiewende | 2 | 5-stufige Likert-Skala |
Allgemeine Einstellungen zur Energiewende | 3 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Zufriedenheit mit derzeitigem Fortschritt der Energiewende | 1 | 7-stufige Likert-Skala | ||
Bewertung der Umsetzung der Energiewende | 7 | 7-stufiges Semantisches Differenzial | ||
Probleme und Herausforderungen der Energiewende | 15 | Mehrfachauswahl | ||
Wasserstofftechnologien | 1 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Verkehrswende | Interesse am Thema Verkehrswende | 2 | 5-stufige Likert-Skala | |
Allgemeine Einstellungen zur Verkehrswende | 4 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Probleme und Herausforderungen der Verkehrswende | 15 | Mehrfachauswahl | ||
Zufriedenheit mit derzeitigem Fortschritt der Verkehrswende | 1 | 7-stufige Likert-Skala | ||
Sozio-politische Akzeptanz | Energiewende | Maßnahmen und Erwartungen im Kontext der Energiewende | 10 | Mehrfachauswahl |
EU-Klimaziel 2030 | 4 | Einfachauswahl | ||
Energiepolitische Zielsetzungen | 6 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Förderung des Ausbaus Erneuerbarer-Energien-Technologien | 8 | 5-stufige Likert-Skala | ||
CO2-Steuer | 3 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Standortpräferenz beim Aus- oder Neubau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen | 7 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Verkehrswende | Verkehrspolitische Zielsetzungen | 4 | 5-stufige Likert-Skala | |
Verkehrspolitische Maßnahmen | 7 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Lokale Akzeptanz | Energiewende | Einstellungen zu bestehenden Erneuerbaren-Energien-Anlagen im Wohnumfeld | 4 | 5-stufige Likert-Skala |
Einverständnis zum Bau neuer Erneuerbare-Energien-Anlagen oder Hochspannungsleitungen im Wohnumfeld | 5 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Bedingungen für die Zustimmung zum Bau neuer Erneuerbare-Energien-Anlagen im Wohnumfeld | 5 | 4-stufige Likert-Skala | ||
Verhaltensakzeptanz | Energiewende | Wahrscheinlichkeit persönlicher Verhaltensveränderung im Kontext der Energiewende | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Finanzielle Beteiligungsbereitschaft an der Energiewende | 5 | Nominalskala | ||
Gründe gegen die finanzielle Beteiligung an der Energiewende | 2 | Mehrfachauswahl | ||
Bereitschaft zum Bezug von Mieterstrom | 6 | Einfachauswahl | ||
Verkehrswende | Wahrscheinlichkeit persönlicher Verhaltensveränderung im Kontext der Verkehrswende | 1 | 5-stufige Likert-Skala | |
Vorstellbare Veränderungen des Verkehrsverhaltens | 11 | Mehrfachauswahl | ||
Voraussetzungen für persönliche Verhaltensveränderungen im Kontext der Verkehrswende | 13 | Mehrfachauswahl | ||
Gründe gegen E-Auto | 13 | Mehrfachauswahl | ||
Energiewende & Verkehrswende | Bereitschaft zur Anschaffung klimafreundlicher Technologien | 4 | Nominalskala | |
Gründe gegen die Anschaffung klimafreundlicher Technologien | 3 | Mehrfachauswahl |
2. Dimension: Beteiligung
Eine sozial nachhaltige Energie- und Verkehrswende ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern sich an den Entscheidungen auf den unterschiedlichen politischen Ebenen (Kommunen, Ländern und Bund) angemessen zu beteiligen und ihre Vorstellungen und Wünsche in diese einfließen zu lassen. Die zur Dimension Beteiligung zählenden vier Indikatoren und deren Operationalisierung werden in Tabelle 2 abgebildet. Unter dem Indikator Mitsprache- & Beteiligungsmöglichkeiten werden die wahrgenommene Transparenz, Berücksichtigung von Bevölkerungsinteressen und Partizipationsmöglichkeiten an politischen Entscheidungen über die Gestaltung der Energie- und Verkehrswende im Allgemeinen erfasst. Im Rahmen des Indikators Wahrnehmung & Bewertung lokaler Beteiligungsprozesse wird nach den Merkmalen dieser Prozesse und der Wahrnehmung der dort beteiligten Akteurinnen und Akteure gefragt. Ob Bürgerinnen und Bürger sich aktuell beteiligen oder dazu bereit sind, dies in Zukunft zu tun, und welche Erwartungen sie an zukünftige Beteiligungsmöglichkeiten an Entscheidungen in der Energie- und Verkehrswende haben, wird unter dem Indikator aktive & gewünschte Beteiligung erhoben. Der vierte Indikator politische Selbstwirksamkeit fragt nach der eigenen Urteilskompetenz in Bezug auf transformationsbezogene Themen.
Indikator | Themenfeld | Operationalisierung | Item-anzahl | Skalentyp |
---|---|---|---|---|
Mitsprache- & Beteiligungsmöglichkeiten | Energie- und Verkehrswende | Wahrnehmung der Beteiligungsmöglichkeiten im politischen System | 3 | 7-stufige Likert-Skala |
Wahrnehmung & Bewertung lokaler Beteiligungsprozesse | Energiewende | Aussagen zur Planungs- und Bauphase Erneuerbarer-Energien-Anlagen in Stadt/Gemeinde | 6 | Nominalskala |
Gerechtigkeitsbewertung der Planungs- und Bauphase | 2 | 5-stufige Likert-Skala | ||
aktive & gewünschte Beteiligung | Energiewende | Wunsch nach Mitgestaltung der Energiewende vor Ort | 1 | 3-stufige Likert-Skala |
Protest- und Beteiligungsbereitschaft | 2 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Verkehrswende | Wunsch nach Mitgestaltung der Verkehrswende vor Ort | 1 | 3-stufige Likert-Skala | |
Politische Selbstwirksamkeit | Energie- und Verkehrswende | Kompetenz im Bereich von energie- und verkehrspolitischen Themen | 2 | 5-stufige Likert-Skala |
3. Dimension: Soziale Kohäsion
Weitreichende gesellschaftliche Veränderungen, wie sie die Energie- und Verkehrswende mit sich bringen, können den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Damit zusammenhängende Konzepte wie Vertrauen und die Ausbildung sozialer Identitäten werden in der Forschung unter dem Begriff Soziale Kohäsion verhandelt.
Tabelle 3 zeigt die vier Indikatoren dieser Dimension samt deren Operationalisierung. Im Indikator Vertrauen wird nach der Stärke des Vertrauens in Institutionen und Personengruppen gefragt. Unter dem Indikator Normen & Werte werden die kollektive Verantwortung, persönliche Normen sowie die im sozialen Umfeld wahrgenommenen gesellschaftlichen Erwartungen hinsichtlich einschlägiger Verhaltensweisen in den Transformationsfeldern erfasst. Im Rahmen des Indikators Ortsverbundenheit & soziale Identität werden die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung bezüglich der Umsetzung der Energie- und Verkehrswende in Deutschland im Ganzen und in der eigenen Stadt oder Gemeinde erhoben. Zu den Inhalten des Indikators Sozialer Zusammenhalt & Konflikte zählen die Sorge vor sozialen Konflikten, die im Zuge der Umsetzung der Energie- und Verkehrswende zwischen den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ausgelöst werden, und die allgemeine Angst vor sozialer Spaltung.
Indikator | Themenfeld | Operationalisierung | Itemanzahl | Skalentyp |
---|---|---|---|---|
Vertrauen | Energiewende | Vertrauen in Einrichtungen und Personengruppen, sinnvolle Lösungen zu erarbeiten | 10 | 5-stufige Likert-Skala |
Verkehrswende | Vertrauen in Einrichtungen und Personengruppen, sinnvolle Lösungen zu erarbeiten | 10 | 5-stufige Likert-Skala | |
Normen & Werte | Energiewende | Wahrnehmung als Gemeinschaftsaufgabe | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Verkehrswende | Wahrnehmung als Gemeinschaftsaufgabe | 1 | 5-stufige Likert-Skala | |
Energie- und Verkehrswende | Ansichten des sozialen Umfeldes | 5 | 5-stufige Likert-Skala | |
Ortsverbundenheit & soziale Identität | Energiewende | Vorreiterrolle Deutschlands | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Verkehrswende | Vorreiterrolle Deutschlands | 1 | 5-stufige Likert-Skala | |
Energie- und Verkehrswende | Lokale Aspekte | 6 | 5-stufige Likert-Skala | |
Sozialer Zusammenhalt & Konflikte | Energiewende | Sorge vor sozialer Spaltung | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Konflikte bei Umsetzungsprozessen von Erneuerbaren-Energien-Anlagen | 2 | Nominalskala | ||
Verkehrswende | Sorge vor sozialer Spaltung | 1 | 5-stufige Likert-Skala | |
Energie- und Verkehrswende | Lokale Sorgen | 6 | Mehrfachnennung |
4. Dimension: Lebensqualität
Dem Konzept der Lebensqualität mit Komponenten wie Gesundheit und Zufriedenheit kommt bei der Bewertung sozialer Nachhaltigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen eine zentrale Rolle zu. In Tabelle 4 werden die vier Indikatoren und die jeweiligen Frageninhalte der Dimension Lebensqualität dargestellt. Der Indikator Zufriedenheit & Wohlbefinden erfasst die Zufriedenheit mit der allgemeinen Lebensqualität in der Region. Im Indikator Umweltqualität wird nach der Bewertung diverser energie- und verkehrsbezogener Umweltaspekte gefragt. Unter dem Indikator Gesundheit finden sich Fragen zur wahrgenommenen Beeinträchtigung der Gesundheit durch Verkehr oder durch störende Aspekte energiepolitischer Infrastrukturprojekte. Der Indikator erwartete Umweltauswirkungen fragt nach den voraussichtlichen Auswirkungen der Energie- und Verkehrswende auf die persönliche Umwelt.
Indikator | Themenfeld | Operationalisierung | Itemanzahl | Skalentyp |
---|---|---|---|---|
Zufriedenheit | Energie- und Verkehrswende | Zufriedenheit mit der Lebensqualität in der eigenen Region | 1 | 7-stufige Likert-Skala |
Umweltqualität | Energiewende | Vorhandensein von Erneuerbaren-Energien-Anlagen in Stadt/Gemeinde | 4 | Nominalskala |
Störende Aspekte von Erneuerbaren-Energien-Anlagen in Stadt/Gemeinde | 5 | Einfachnennung | ||
Verkehrswende | Zufriedenheit mit klimafreundlichen Verkehrsangeboten vor Ort | 3 | 5-stufige Likert-Skala | |
Gesundheit | Energiewende | Störende Aspekte von Erneuerbaren-Energien-Anlagen im Wohnumfeld | 6 | Mehrfachauswahl |
Verkehrswende | Gesundheitliche Beeinträchtigung durch Verkehr in der Wohnumgebung | 1 | 5-stufige Likert-Skala | |
Gründe für die Belastung durch Verkehr in der Wohnumgebung | 6 | Einfachauswahl | ||
Erwartete Umweltauswirkungen | Energiewende | Erwartete Auswirkungen auf die Qualität der Umwelt | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Verkehrswende | Erwartete Auswirkungen auf die Qualität der Umwelt | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
5. Dimension: Sozio-ökonomische Sicherheit
Die mit der Umgestaltung des Energie- und Verkehrssystems einhergehenden politischen Maßnahmen und Regulierungen verändern die Kostenstrukturen und finanziellen Belastungen der Menschen in diversen Lebensbereichen. Die faire und gerechte Verteilung der (finanziellen) Kosten sowie ein gerechter Ressourcenzugang sind Gegenstand der Dimension Sozio-ökonomische Sicherheit.
Tabelle 5 liefert eine Übersicht über die vier Indikatoren sowie die jeweiligen Operationalisierungen dieser Dimension. Wie sich die Transformationen finanziell auswirken, wird im Rahmen des Indikators aktuelle wirtschaftliche Situation erfasst. Der derzeitige Zugang zu Ressourcen in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität wird in dem Indikator Ressourcenzugang erhoben. Im Indikator Fairness wird die Wahrnehmung einer gerechten Verteilung von durch die Energie- und Verkehrswende entstandenen Kosten und Nutzen abgefragt. Welche Erwartungen die Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf die zukünftige landesweite, lokale und individuelle wirtschaftliche Situation haben, erfasst der Indikator erwartete wirtschaftliche Auswirkungen.
Indikator | Themenfeld | Operationalisierung | Itemanzahl | Skalentyp |
---|---|---|---|---|
Aktuelle wirtschaftliche Situation | Energie- und Verkehrswende | Bewertung gegenwärtiges Haushaltseinkommen | 1 | 4-stufige Likert-Skala |
Finanzielle Belastungen durch Energie- und Mobilitätskosten | 3 | 7-stufige Likert-Skala | ||
Folgen der finanziellen Belastungen | 9 | Mehrfachnennung | ||
Ressourcenzugang | Energiewende | Informationsstand über finanzielle Be- und Entlastungen bei der Energiewende-Politik | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Verkehrswende | Verfügbarkeit von klimafreundlichen Verkehrsangeboten vor Ort | 3 | Nominalskala | |
Energie- und Verkehrswende | Berufliche Tätigkeit im Kontext der Energie- und Verkehrswende | 7 | Mehrfachnennung | |
Fairness | Energiewende | Verteilung von Kosten und Nutzen energiepolitischer Maßnahmen | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Ungerechte Verteilung von Kosten und Nutzen zwischen spezifischen Gruppen | 7 | Mehrfachnennung | ||
Verteilungspräferenzen der Energiekosten | 3 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Erwartete wirtschaftliche Auswirkungen | Energiewende | Sorge vor allgemeiner Wohlstandsgefährdung | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
Versorgungssicherheit | 3 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Verkehrswende | Sorge vor negativen wirtschaftlichen Auswirkungen | 1 | 5-stufige Likert-Skala | |
Energie- und Verkehrswende | Sorgen vor steigenden Kosten | 3 | 5-stufige Likert-Skala | |
Lokale wirtschaftliche Auswirkungen | 2 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Auswirkungen auf die Energieversorgung | 3 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt | 2 | 5-stufige Likert-Skala | ||
Auswirkungen auf zukünftige Generationen | 1 | 5-stufige Likert-Skala |
3. Erhebungsmethode
Das soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende ist eine Online-Panelstudie, die im einjährigen Abstand zunächst für drei Jahre durchgeführt wird. Die erste Erhebungswelle erfolgte im ersten Quartal 2021. Die Feldphase der zweiten Welle wurde Mitte April 2022 beendet und die dritte Welle ist für das erste Quartal 2023 geplant (siehe Abbildung 2). Mithilfe des überarbeiteten Befragungsinstruments werden die gesellschaftlichen Dimensionen der Umgestaltung des Energie- und Verkehrssektors untersucht. Neben der jährlich wiederkehrenden Umfrage werden ergänzende Kurzbefragungen, sogenannte Fokussurveys, zu ausgewählten Themen und Maßnahmen durchgeführt. Der erste Fokussurvey wurde im November 2021 parallel zu den im Rahmen der Bürgerdeliberation in Kopernikus-Projekt Ariadne durchgeführten Bürgerkonferenzen erhoben. Vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Kriegs wurde eine weitere derartige Befragung im April 2022 zu den neuen Zielen und Maßnahmen der Bundesregierung durchgeführt. Die zusätzlichen künftigen Erhebungszeitpunkte dieses Befragungsformats wurden bewusst vorab nicht festgelegt, um im Studienverlauf flexibel auf aktuelle gesellschaftliche Ereignisse und im Projektverlauf aufkommende inhaltliche Fragestellungen eingehen zu können.
Die Längsschnittstudie wird als Online-Erhebung von forsa (forsa.omninet) durchgeführt. Bei forsa.omninet handelt es sich um ein für die deutsche Online-Bevölkerung ab 14 Jahren repräsentatives Panel mit derzeit über 100.000 Personen. Die Rekrutierung der Panelteilnehmerinnen und -teilnehmer erfolgt offline, das heißt per Telefon, über ein mehrstufiges Zufallsverfahren (ADM-Telefonstichproben-System). Dabei handelt es sich um ein Dual-Frame-Design, bei dem eine kombinierte Festnetz- und Mobilfunkstichprobe sicherstellt, dass sowohl Personen, die ausschließlich über Mobiltelefon erreichbar sind, als auch Personen mit einem Festnetzanschluss einbezogen werden. Im forsa.omninet-Panel sind nicht nur Internetnutzerinnen und -nutzer sondern auch Personen ohne Internetzugang vertreten. Es ist gewährleistet, dass nicht mehrere Personen eines Haushalts ausgewählt werden. Durch diesen Rekrutierungsprozess hat jede(r) Bürgerin und Bürger die gleiche statistische Chance an dem forsa.omninet-Panel teilzunehmen. Die Befragung erfolgte als computergestütztes Web-Interview (CAWI) und wurde von den Befragten selbst ausgefüllt. Personen ohne Internetzugang führten die Befragung mit Hilfe einer Set-Top-Box3Übertragungsbox mittels der die Fernsehgeräte der Panelmitglieder mit dem Telefonnetz verbunden werden und auf diesem Weg Online-Schaltung zu Befragungszwecken mit den Personen ermöglicht. über das Fernsehgerät aus.
Als Grundgesamtheit für das SNB der zweiten Phase gelten alle in Privathaushalten lebenden deutschsprachigen Personen ab 18 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, die das Internet nutzen. Dabei sind auch Teil-Offliner (z.B. Personen, die nur E-Mail, aber keine anderen Online-Dienste nutzen) im Panel vertreten. Die Auswahl der Befragten der vorliegenden Studie wurde nach dem Zufallsprinzip aus dem gesamten forsa.omninet-Panel vorgenommen. Die Zusammensetzung des Panels wird kontinuierlich anhand zentraler Merkmale wie etwa Alter, Geschlecht oder Region kontrolliert und bei Bedarf wird die Rekrutierung entsprechend angepasst. Um zu gewährleisten, dass der Anteil der Befragten, die an allen drei Erhebungswellen teilnehmen, möglichst hoch ist, werden verschiedene Maßnahmen zur Panelpflege ergriffen. Es findet eine kontinuierliche Analyse der Zufriedenheit der Panelteilnehmer statt. Dabei wird unter anderem erfasst, ob der Fragebogen für die Befragten interessant und verständlich war oder möglicherweise zu lang ist. Zudem erhalten die Befragten eine Aufwandsentschädigung. Dabei handelt es sich um Bonuspunkte, die in Form von Gutscheinen ausgezahlt oder bei Wunsch gespendet werden können. Je nach Rücklauf gibt es bis zu drei Erinnerungsschreiben, die zur Teilnahme an der Befragung aufrufen. Insgesamt ist der Prozess für die Befragten so gestaltet, dass die Teilnahme sehr einfach ist und es bei Rückfragen die Möglichkeit der telefonischen Nachfrage bei forsa gibt. Um die Bereitschaft zur Teilnahme zu erhöhen, wurde den Befragten geschildert, warum ihre kontinuierliche Teilnahme wichtig ist, und versucht, durch Titel und Kurzbeschreibung der Befragung Interesse fürs Thema zu wecken. Befragte, die trotz dieser Bemühungen keine Bereitschaft für eine erneute Teilnahme haben, werden von forsa möglichst strukturähnlich ersetzt. Somit wird ein Stichprobenumfang von ca. 6.500 Personen über alle Erhebungswellen sichergestellt.
Fragebogen
Den Befragungen liegt ein standardisierter Fragebogen mit einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von ca. 30 Minuten zugrunde. Wie weiter oben ausgeführt wurde (siehe ausführliche Beschreibung in Kapitel 2), umfasst das der Befragung zugrunde liegende neu entwickelte Konzept fünf Dimensionen der sozialen Nachhaltigkeit der Energie- und Verkehrswende: (1) Gesellschaftliche Akzeptanz, (2) Beteiligung, (3) soziale Kohäsion, (4) Lebensqualität und (5) sozio-ökonomische Sicherheit. Der Fragebogen enthält in allen Indikatoren ein Set an wiederkehrenden Fragen zum Zwecke des Monitorings über die Erhebungswellen hinweg. Darüber hinaus gibt es in jeder Befragungswelle einige Fragen mit einer spezifischen thematischen Ausrichtung, die einmalig gestellt werden. Neben den inhaltlichen Aspekten werden zudem persönliche Merkmale der Befragten erhoben. Diese umfassen soziodemographische und psychologische Merkmale sowie Informationen zum Verkehrsverhalten (siehe Kapitel 4). Der Fragebogen ist frei zugänglich und kann über die Projektwebseite4https://ariadneprojekt.de/nachhaltigkeitsbarometer-2021 eingesehen und heruntergeladen werden.
Pretests
Im Vorfeld der eigentlichen Befragung der ersten Welle des SNB im Jahr 2021 wurde der Fragebogen mithilfe kognitiver Interviews sowie eines quantitativen Pretests überprüft. Nach Fertigstellung des Befragungsinstruments wurden in einem ersten Schritt durch das Forschungsteam am IASS fünfzehn sogenannte kognitive Interviews geführt. Diese Art von Interviews ermöglicht es, von den Befragten Informationen zum Verständnis und zur Beantwortung von Items und Fragen im Survey zu sammeln. Dabei wird erfasst, wie die Fragen verstanden und gedeutet werden und wie Entscheidungen über das Antwortverhalten getroffen werden (Beatty & Willis, 2007). Durch den Einsatz verschiedener Techniken wird nachgefasst, wie jede einzelne Frage aus dem Fragebogen verstanden wurde und aus welchen Gründen eine spezifische Antwortkategorie beziehungsweise ein bestimmter Skalenwert ausgewählt wurde. So konnte überprüft werden, ob die gewählten Frage- und Antwortformulierungen richtig verstanden wurden. Nach kleineren sprachlichen Änderungen einzelner Items erfolgte in einem zweiten Schritt der quantitative Pretest (n = 105), der von forsa am 2. und 3. März 2021 durchgeführt wurde. Im Rahmen dieses Pretests wurde erfasst, ob der Fragebogen für die Befragten logisch, konsistent und sprachlich verständlich ist. Durch Feedbackfragen wurde explizit erfasst, ob es Schwierigkeiten bei der Beantwortung der einzelnen Fragen gab. Die Ergebnisse lieferten keine Hinweise auf notwendige Veränderungen, so dass in Abstimmung mit forsa das Erhebungsinstrument finalisiert werden konnte.
Feldphase und Rücklauf
Die Haupterhebung der ersten Welle des SNB erfolgte im Zeitraum vom 18. März bis 12. April 2021. Die Bruttostichprobe umfasste 13.000 Personen. Aus der Bruttostichprobe haben 7.851 Personen an der Befragung teilgenommen. Davon haben 1.029 Personen die Befragung abgebrochen. Somit ergibt sich eine Nettostichprobe von 6.822 Personen, die den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben. Eine nachträgliche Gewichtung der Daten wurde nicht vorgenommen. Von den 6.822 Befragten der 2021er Welle des SNB haben 1.316 der befragten Haushalte (19,3 %) bereits an den früheren Umfragen der Studie des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers mit Erhebungen in den Jahren 2017 bis 2019 teilgenommen.
4. Strukturmerkmale der Stichprobe
Neben den inhaltlichen Fragen des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers der Energie- und Verkehrswende (SNB) 2021 wurden soziodemographische und psychologische Merkmale sowie das Verkehrsverhalten der befragten Personen miterhoben.5Eine Zusammenfassung ausgewählter Ergebnisse der inhaltlichen Fragen kann Wolf et al. 2021 entnommen werden. Die gesamten Ergebnisse der Befragung können darüber hinaus interaktiv im Datenexplorationstool unter https://ariadneprojekt.de/nachhaltigkeitsbarometer-2021/ erkundet werden. Diese werden im Folgenden vorgestellt und mit vergleichbaren Daten anderer Studien beziehungsweise der amtlichen Statistik kontextualisiert.
4.1 Soziodemographische Merkmale
Tabelle 6 stellt die Verteilung der zentralen soziodemographischen Merkmale der Nettostichprobe der ersten Welle im Jahr 2021 den entsprechenden Merkmalsverteilungen in der Grundgesamtheit (deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren6Zu beachten ist, dass die Stichprobe des SNB (gezogen aus dem forsa.omninet Panel) repräsentativ für die deutschsprachige Online-Bevölkerung ab 18 Jahren ist (siehe Kapitel 3). Bei dem hier vorgenommen Vergleich der Strukturmerkmale der Stichprobe des SNB mit der Grundgesamtheit werden allerdings hilfsweise auch Personen berücksichtigt, die kein Internet nutzen.; Vergleichsdatensätze: u.a. Mikrozensus und Sozio-ökonomisches Panel) gegenüber. Die Verteilung nach Geschlecht in der Stichprobe entspricht in etwa der der Grundgesamtheit. Der Blick auf die Altersstruktur zeigt, dass die Befragten im Vergleich zur Grundgesamtheit im Schnitt etwas älter sind. Insbesondere die Gruppe der 18-29-Jährigen ist unterrepräsentiert, während die Gruppe der über 60-Jährigen überproportional in der Stichprobe vertreten ist.
Für die Betrachtung der Einkommensverteilung wurde eine Kategorisierung des monatlichen Nettohaushaltseinkommen auf der Basis von Niehues (2017) vorgenommen, welche eine fünfstufige Unterscheidung von einkommensarmen bis einkommensreichen Haushalten erlaubt. Einkommensarme verfügen über weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens in Deutschland und liegen damit im armutsgefährdeten Bereich. Die einkommensschwache Mitte hat ein Nettohaushaltseinkommen, das zwischen 60 bis 80 Prozent des Medianeinkommens liegt, die Mitte im engeren Sinne eines von 80 bis 150 Prozent und die einkommensstarke Mitte liegt bei 150 bis 250 Prozent des Medianeinkommens. Kann ein Haushalt über mehr als 250 Prozent des Medianeinkommens verfügen, gehört er zu der Gruppe der Einkommensreichen. Beim Vergleich der Stichprobe mit entsprechenden Verteilungen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) 2019 zeigt sich bei den Befragten eine Verschiebung zur Mitte im engeren Sinne. Einkommensarme sind in der Stichprobe unterrepräsentiert, während die Verteilungen in der Gruppe der Einkommensschwachen Mitte und den Einkommensreichen mit den Anteilen im SOEP vergleichbar sind.
Der Anteil der in Ost- und Westdeutschland lebenden Personen in der Stichprobe entspricht der Verteilung im Mikrozensus. Die Daten des SNB ermöglichen eine Differenzierung der Ergebnisse nach der Siedlungsstruktur. Das heißt, es kann unterschieden werden, ob der oder die Befragte in einem eher dünn besiedelten ländlichen Kreis oder in einer Großstadt lebt. Bei der Kennzahl der Siedlungsstruktur weisen die Daten eine hohe Repräsentativität auf.
Merkmal | Merkmalsausprägungen | Stichprobe [%] | Grundgesamtheit7Als Grundgesamtheit gilt die über 18-jährige deutsche Bevölkerung. Daten über die Geschlechterverteilung wurden dem Statistischen Bundesamt (2019a) entnommen. Daten zur Altersverteilung in der Grundgesamtheit ebenfalls (Statistisches Bundesamt 2019b). Stand der Daten ist jeweils der 31.12.2019. Die Vergleichswerte der Einkommensgruppen basieren auf eigenen Berechnungen mit den Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP, 2019). Die in dieser Studie verwendeten Einkommenskategorien wurden auf Basis von Niehues (2017) gebildet. Tabelle 14 im Anhang zeigt eine numerische Gruppierung des Nettohaushaltseinkommen. Der Verteilung auf Ost- und Westdeutschland liegen Daten des Statistischen Bundesamts (2019a) zugrunde. Die Daten der Siedlungsstruktur der Grundgesamtheit wurden auf Anfrage vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) erstellt und dem IASS zur Verfügung gestellt. [%] |
---|---|---|---|
Geschlecht | Mann | 52.4 | 48,9 |
Frau | 47.5 | 51,1 | |
Divers | 0,1 | — | |
Alter | 18 – 29 Jahre | 9,0 | 16,3 |
30 – 39 Jahre | 11,4 | 15,5 | |
40 – 49 Jahre | 17,8 | 14,7 | |
50 – 59 Jahre | 21,4 | 19,4 | |
60+ Jahre | 40,4 | 34,2 | |
Einkommen | Einkommensarm | 14,3 | 20,4 |
Einkommensschwache Mitte | 16,0 | 16,8 | |
Mitte im engeren Sinn | 51,2 | 36,5 | |
Einkommensstarke Mitte | 13,5 | 21,0 | |
Einkommensreiche | 5,1 | 5,4 | |
Ost/West | Ost | 16,1 | 15,2 |
West (mit Gesamt-Berlin) | 83,9 | 84,8 | |
Siedlungsstruktur (nach Kreistypen) | dünn besiedelter ländlicher Kreis | 13,6 | 14,8 |
kreisfreie Großstadt | 30,7 | 29,5 | |
ländlicher Kreis mit Verdichtungsansatz | 15,9 | 17,1 | |
städtischer Kreis | 39,9 | 38,6 |
Bundesländer | Stichprobe | Grundgesamtheit8Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2019). Eigene Berechnung des Anteils der über 18-Jährigen. |
---|---|---|
[%] | [%] | |
Schleswig-Holstein | 4,3 | 3,5 |
Hamburg | 2,4 | 2,2 |
Niedersachsen | 9,7 | 9,6 |
Bremen | 0,8 | 0,8 |
Nordrhein-Westfalen | 20,5 | 21,5 |
Hessen | 8,5 | 7,5 |
Rheinland-Pfalz | 5,2 | 4,9 |
Baden-Württemberg | 12,9 | 13,3 |
Bayern | 18,4 | 15,8 |
Saarland | 1,3 | 1,2 |
Berlin | 4,1 | 4,4 |
Brandenburg | 2,5 | 3,1 |
Mecklenburg-Vorpommern | 1,7 | 2,0 |
Sachsen | 4,0 | 4,9 |
Sachsen-Anhalt | 1,7 | 2,7 |
Thüringen | 2,0 | 2,6 |
Tabelle 6 zeigt die Verteilung der Befragten nach Bundesländern im Vergleich zur Grundgesamtheit. Im Falle von Bayern zeigt sich eine maximale Abweichung zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit in Höhe von 2,6 Prozentpunkten. Insgesamt besteht eine gute Vergleichbarkeit zwischen den Bevölkerungsanteilen der Bundesländer in der Gesamtsichtprobe des SNB und den entsprechenden Verteilungen im Mikrozensus.
Eine Gegenüberstellung weiterer soziodemographischer Merkmale zu den Themen Bildung, Arbeit und Erwerbstätigkeit, Haushalte sowie Familie, Partnerschaft und Kinder findet sich im Anhang.
4.2 Allgemeine Einstellungen
4.2.1 Partei-Identifikation
Bei der Frage nach der Parteiidentifikation der Befragten wurde im SNB 2021 auf die in der empirischen Politikforschung gängige Einzelfrage zurückgegriffen: „Viele Leute in der Bundesrepublik neigen längere Zeit einer bestimmten Partei zu, obwohl sie auch ab und zu eine andere Partei wählen. Wie ist das bei Ihnen? Neigen Sie – ganz allgemein gesprochen – einer bestimmten Partei zu? Wenn ja, welche Partei ist das?“.
Abbildung 3 zeigt die Parteineigung der Befragten. Ein Viertel der Befragten (25,1 %) identifiziert sich mit der CDU/CSU. Jede(r) Fünfte (21,5 %) hingegen mit Bündnis 90/Die Grünen. 16,3 Prozent weisen eine Neigung zur SPD auf. Der Anteil der Anhängerinnen und Anhänger der Partei Die Linke und der FDP ist mit jeweils 5,7 Prozent gleich groß. 4,1 Prozent der Befragten neigen der AfD zu. Mehr als jede(r) Zehnte (11,7 %) gibt an, keiner Partei dauerhaft zugeneigt zu sein. Ein geringer Anteil (3,1 %) weist eine Parteineigung zu einer hier nicht angeführten Partei auf. Rund sieben Prozent machen keine Angabe.
4.2.2 Umweltbewusstsein
Latente psychologische Merkmale wie das Umweltbewusstsein werden in der empirischen Sozialforschung häufig anhand multipler Indikatoren gemessen. Um das Umweltbewusstsein zu erfassen, greifen wir auf ausgewählte Items aus dem Messinstrument der Umweltbewusstseinsskala des Umweltbundesamts (UBA) zurück (z.B. Bauske & Kaiser, 2019; Geiger & Holzhauer, 2020). Bei dieser Skala werden drei Komponenten des Umweltbewusstseins unterschieden (Geiger & Holzhauer, 2020): Die kognitive Komponente umfasst wissensbasierte Bewertungen, beispielsweise über den Zustand der Umwelt. Bei der affektiven Komponente handelt es sich um gefühlsbasierte Bewertungen, die sowohl positive als auch negative Emotionen umfassen können. Unter der konativen Komponente versteht man das umweltrelevante Verhalten der Menschen beziehungsweise die Verhaltensintention. Im Fragebogen des SNB 2021 wurden sowohl affektiv-kognitive Items sowie Verhaltensitems aus der bewährten und validierten Umweltbewusstseinsskala des UBA abgefragt. Aus Gründen der Sparsamkeit wurde für die vorliegende Studie die Anzahl der Items auf Basis inhaltlicher Überlegungen reduziert.
Die Fragen zur kognitiven Komponente im Kontext des Umwelt- und Klimaschutzes zeigen, dass ein recht hohes Problembewusstsein vorhanden ist (siehe Abbildung 4). Die breite Mehrheit der Befragten ist der Auffassung, dass jede(r) einzelne Verantwortung dafür trägt, dass die nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt haben (85,0 %) und dass ein gutes Leben unabhängig vom Wirtschaftswachstum möglich sein sollte (75,7 %). Zudem sind annähernd drei Viertel (72,8 %) der Auffassung, dass Umweltschutz mit mehr Lebensqualität und Gesundheit einhergeht. Die negativen emotionalen Reaktionen der Befragten zu Themen des Umwelt- und Klimaschutzes fallen verhaltener aus. Das Item zur Messung der affektiven Komponente erfasst konkret, ob es die Menschen wütend macht, wenn sie sehen, wie Deutschland seine Klimaschutzziele verfehlt. Über vier von zehn der Befragten (44,5 %) empfinden Wut, wenn es um die Verfehlung der Klimaschutzziele geht. Jede(r) Vierte (27,5 %) äußert sich unentschlossen. Ein etwas geringerer Anteil (23,8 %) stimmt dieser Aussage (eher) nicht zu.
Schließlich wurden einige verhaltensbezogene Indikatoren herangezogen, um das vorhandene Umweltbewusstsein der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu erfassen. Eine relativ hohe Bereitschaft zu einem umweltfreundlichen Verhalten zeigt sich beim Thema Energiesparen. Vier von fünf Befragten achten beim Kauf von Haushaltsgeräten (80,5 %) oder Leuchtmitteln (82,6 %) (fast) immer auf die Energieeffizienz. Bei der Frage nach dem Verkehrsverhalten geben annähernd ein Drittel (30,7 %) an, die alltäglichen Wege (fast) immer mit dem Fahrrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zurückzulegen.
4.2.3 Einstellungen zum Klimawandel
Da die Energie- und Verkehrswende das Ziel haben zum Klimaschutz beizutragen, ist es von Interesse, die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger zu diesem Thema zu erfassen. Menschen, die den Klimawandel nicht als problematisch wahrnehmen, sehen womöglich auch weniger Sinn in der Umstellung der Energieerzeugung auf erneuerbare Energiequellen. Um die Motivlage der Befragten besser zu verstehen, greifen wir im SNB 2021 auf zwei etablierte Fragen zum Thema Klimawandel zurück.9Zu finden sind diese beiden Fragen unter anderem im European Social Survey (ESS 8). Die erste Frage hat die Ursache des Klimawandels im Fokus (siehe Abbildung 6) und die zweite erfasst, inwiefern diese Veränderung den Menschen Sorgen bereitet (siehe Abbildung 7).
Über die Hälfte der Befragten (53,8 %) ist der Auffassung, dass der Klimawandel vor allem durch menschliches Handeln verursacht wird. Etwa jede(r) Fünfte (24,1 %) führt hingegen an, dass er etwa zu gleichen Teilen durch natürliche Prozesse und menschliches Handeln ausgelöst wird. Jede(r) zehnte Befragte (11,6 %) sieht die Ursache nur im menschlichen Handeln. Ein sehr geringer Anteil gibt an, dass ausschließlich natürliche Prozesse zu den klimatischen Veränderungen geführt haben (1,0 %) oder dass es keinen Klimawandel gibt (0,9 %).
Eine große Mehrheit der Befragten (88,9 %), die annehmen, dass der Klimawandel stattfindet, sehen diese Veränderung mit Sorge. Davon gibt mehr als jede(r) Zweite (55,6 %) an, äußerst oder sehr besorgt zu sein. Jeder/m Dritten (33,3 %) bereitet der Klimawandel etwas Sorgen. Lediglich jede(r) Zehnte (10,8 %) ist nicht sehr bzw. überhaupt nicht besorgt.
4.2.4 Gerechtigkeitsvorstellungen
Die Menschen unterscheiden sich in ihren Vorstellungen darüber, was in einer Gesellschaft gerecht und was ungerecht ist. Wenn es um die Verteilung von Gütern in einer sozialen Gemeinschaft geht, können vier grundlegende Gerechtigkeitsprinzipien unterschieden werden: Gleichheits-, Leistungs-, Bedarfs- und Anrechtsprinzip. Im SNB 2021 wurde die Haltung der Befragten zu diesen vier Verteilungsgerechtigkeitsprinzipien mit jeweils einer Aussage gemessen (siehe Abbildung 8). Dabei wurde auf eine Skala zur Messung von Einstellungen zur Gerechtigkeit von Hülle et al. (2018) zurückgegriffen.
Für die Mehrheit der Befragten ist eine Gesellschaft gerecht, wenn fleißige Menschen mehr verdienen als andere (68,0 %), und wenn sich um die gekümmert wird, die arm und bedürftig sind, unabhängig davon, was sie der Gesellschaft zurückgeben (67,3 %). Damit kommen sowohl dem Leistungsprinzip als auch dem Bedarfsprinzip ein verhältnismäßig hoher Stellenwert unter den Befragten zu. Bei den anderen beiden Gerechtigkeitsprinzipien herrscht mehr Uneinigkeit. Eine Gesellschaft, in der Einkommen und Vermögen gleichermaßen unter allen Menschen verteilt sind (Gleichheitsprinzip), sehen 28,6 Prozent der Befragten als gerecht an. Lediglich eine kleine Minderheit (7,8 %) stimmt der Aussage zu, dass eine gerechte Gesellschaft bedeutet, dass Menschen aus Familien mit hohem sozialen Status Privilegien in ihrem Leben genießen (Anrechtsprinzip).
4.2.5 Universelle Wertevorstellungen
Um zu erfassen, was für Menschen in ihrem Leben wichtig und gesellschaftlich wünschenswert ist und woran sie sich in ihrem Handeln orientieren, sind Werte von zentraler Bedeutung. Werte repräsentieren motivationale Ziele, die Einstellungen und Verhalten von Menschen beeinflussen. Der Einbezug von grundlegenden Werteorientierungen ermöglicht daher eine systematische Analyse und ein tiefergehendes Verständnis der Haltungen und Positionen der Bürgerinnen und Bürgern gegenüber konkreten Fragestellungen im Kontext der Energie- und Verkehrswende.
Mit Hilfe der von Schwartz (1992) entwickelten Werteskala können zehn verschiedene Wertetypen, die vier bipolaren Wertedimensionen zugeordnet werden können, empirisch erhoben werden. Im Fragebogen des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers 2021 wurde eine Kurzversion der ursprünglichen Skala aufgenommen (Sandy et al., 2017). Jedes Item entspricht einem der zehn Wertetypen aus dem individuellen Wertesystem von Schwartz (1992): Konformität: Menschen, denen dieser Wert wichtig ist, wollen mit dem eigenen Handeln nicht gegen soziale Normen verstoßen und sich auch dann an Regeln halten, wenn man sich im eigenen Handeln einschränken muss. Tradition: Respekt und Akzeptanz der Sitten, Gebräuche und Traditionen, zu denen Personen sich verpflichtet fühlen, sind bei diesem Wert zentral. Prosozialität: Hinter diesem Wert steht die Absicht zur Erhaltung und Verbesserung des Wohlergehens von Menschen, die man zur eigenen sozialen Gruppe zählt. Universalismus: Verständnis, Wertschätzung, Toleranz und Schutz für das Wohlergehen aller Menschen und für die Natur sind die zentralen Verhaltensdimensionen. Selbstbestimmung: Unabhängiges Denken und Handeln ist für Menschen mit einem hohen Wunsch nach Selbstbestimmung wichtig. Stimulation: Menschen, die diesen Wert teilen, legen in ihrem Leben viel Wert auf Aufregung, Neuheit und Herausforderung. Hedonismus: Inhalt dieses Wertes ist das Streben nach Vergnügen und sinnlicher Befriedigung für sich selbst. Macht: Prägend für diesen Wert ist die Ausübung von Kontrolle und Herrschaft über Menschen und Ressourcen. Sicherheit: Dieser Wert betont das Bedürfnis nach Sicherheit, Harmonie und Stabilität der Gesellschaft, der Beziehungen und des Selbst. Leistung: Eine zentrale Zielsetzung ist die Demonstration von Kompetenz und Erfolg.
Die Items der genutzten Werteskala bestehen aus kurzen Portraits von Menschen, die beschreiben, welche Werte für sie wichtig sind. Die Befragten wurden aufgefordert anzugeben, inwiefern sie sich dieser Person ähneln. Über alle Befragten hinweg sind die Werte Selbstbestimmung (88,5 %), Universalismus (83,9 %) und Prosozialität (83,7 %) besonders ausgeprägt (siehe Abbildung 9). Somit sind gegenseitige Wertschätzung, Wohlwollen und eigenständiges Handeln wichtige Zielgrößen für die breite Mehrheit. Am wenigsten Ähnlichkeit sehen die Befragten mit Personen, für die Stimulation (23,8 %), Tradition (21,9 %) oder Macht (21,8 %) zentrale Werte darstellen.
4.3 Verkehrsverhalten
Neben den oben in Kapitel 2 dargestellten Fragen zu den Einstellungen gegenüber den Zielen und Maßnahmen der Verkehrswende wird im Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende (SNB) auch das aktuelle Verkehrsverhalten der deutschen Bevölkerung erfasst. Die Ergebnisse bieten einen Einblick in die Alltagsmobilität und Fahrzeugnutzung der Befragten. Die im SNB enthaltenen Fragen zu diesem Verhaltensaspekt wurden aus der Studie Mobilität in Deutschland (MiD) 2017 entnommen.10Eine Auflistung der Fragen der MiD 2017 kann dem Nutzerhandbuch unter folgendem Link entnommen werden: MiD 2017 Nutzerhandbuch – Fragenübersicht (mobilitaet-in-deutschland.de). Zum Zwecke der Überprüfung der Repräsentativität wurden die Verteilungen in der Stichprobe des SNB mit den entsprechenden Häufigkeiten in der MiD verglichen.11Im Folgenden wird an einigen Stellen ein Abgleich mit den MiD Daten vorgenommen. Die dem Vergleich zugrundeliegenden Daten stammen aus dem Ergebnisbericht zur Studie (Nobis/Kuhnimhof 2018) und aus dem Datenexplorer zur MiD Studie: Mobilität in Tabellen 2017 zu finden unter https://mobilitaet-in-tabellen.dlr.de/mit/login.html?brd). Waren deckungsgleiche Vergleichswerte nicht vorhanden, wurden eigene Berechnungen auf Basis der MiD Daten vorgenommen.
Nahezu jede(r) Befragte besitzt einen Pkw-Führerschein (96,2 %). Mit diesem hohen Anteil weichen die Daten des SNB im Vergleich mit den Daten der MiD-Studie nach oben ab. Laut MiD Daten besitzen 87,8 Prozent der über 18-jährigen Deutschen einen Pkw-Führerschein.
Abbildung 10 zeigt die Anzahl der Fahrzeuge im Haushalt der Befragten. In der Mehrzahl der Haushalte gibt mindestens einen Pkw (90,9 %). Lediglich acht Prozent der Befragten führen an, dass der eigene Haushalt kein Auto besitzt. Laut der MiD-Studie lag dieser Wert Stand 2017 mit 22 Prozent deutlich höher. Die zweithäufigste Fahrzeugart in den Haushalten sind Fahrräder. Diese sind in knapp vier von fünf Haushalten zu finden (78,3 %). In einem von fünf Haushalten gibt es inzwischen auch Elektrofahrräder/Pedelecs (21,8 %). Auch dieser Wert hat sich im Vergleich zu den MiD Daten deutlich verändert. 2017 gab es in sieben Prozent der Haushalte Elektrofahrräder/Pedelecs. Motorräder, Mopeds oder Mofas finden sich beim SNB 2021 in 16,5 Prozent der Haushalte. Mögliche Erklärungen für diese divergierenden Ergebnisse sind, neben Zufallseffekten bei der Stichprobenziehung und zeitlich bedingten Veränderungen, leichte Abweichungen in den Stichproben hinsichtlich der Verteilung sozio-demographischer Merkmale sowie mobilitätsbestimmenden Größen wie Einkommen und Alter.
Wie Abbildung 11 zeigt, sind die in den Haushalten genutzten Autos mehrheitlich Benziner (62,2-67,8 %). Die Verteilung der Antriebsarten nach Erst-, Zweit- oder Drittfahrzeug im Haushalt unterscheidet sich kaum. Pkw mit reinen Verbrennungsmotoren (ohne Hybrid) machen einen Anteil von rund 95 Prozent aus. Der Anteil der Hybridautos ist unter den Erstfahrzeugen mit drei Prozent am höchsten. Pkw mit Elektroantrieb finden sich tendenziell eher unter den Zweitfahrzeugen der Haushalte.
Bezogen auf alle Autos im Datensatz und im Vergleich zu den Daten der MiD Studie 2017 zeigt sich, dass es einen leicht geringeren Anteil an Benzinern und Diesel gibt, während sich der Anteil der Hybrid- und Elektrofahrzeuge erhöht hat.12Zum Vergleich: Im Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende 2021 liegt der Anteil der Benziner bei 64,1 Prozent (MiD 2017: 66 %), Diesel bei 30,2 Prozent (MiD 2017: 32 %), Gas bei 1,1 Prozent (MiD 2017: 1 %), Hybrid bei 2,4 (MiD 2017: 1 %) und Elektroantrieb bei 1,6 Prozent (MiD 2017: 0 %).
Die durchschnittliche Jahresfahrleistung der Autos im Datensatz des SNB 2021 liegt bei 12.420,5 km.13Die Jahresfahrleistung für das Erstfahrzeug liegt im Schnitt bei 13.404,5 km, die des Zweitfahrzeugs bei 10.895,4 km und die des Drittfahrzeugs bei 9.627,1 km. Dieser Durchschnitt liegt gut 2.200 km unter der in der MiD angegebenen jährlichen Fahrleistung pro Auto von 14.652,8 km.
Abbildung 12 zeigt die gruppierte Fahrleistung differenziert nach Erst-, Zweit und Drittfahrzeug des Haushaltes. Mit dem Erstfahrzeug bzw. in vielen Fällen auch einzigen Auto des Haushalts werden im Vergleich die größten Strecken zurückgelegt. Mit über einem Drittel (34,7 %) der Erstfahrzeuge wird nur wenig gefahren. Dieser Anteil ist unter den Zweit- und Drittfahrzeugen wesentlich höher.
Acht Prozent der Haushalte verfügen nicht über ein eigenes Auto (siehe Abbildung 10). Gefragt nach den Gründen geben 40,9 Prozent der Befragten an, dass keine Notwendigkeit für die Anschaffung eines Autos besteht (siehe Abbildung 13). Für mehr als jede(n) Fünfte(n) (21,8 %) steht ein bewusster Verzicht aus Umweltschutzgründen hinter dieser Entscheidung. Für 15,0 Prozent der autofreien Haushalte ist die Anschaffung oder der Unterhalt zu teuer. 7,8 Prozent verzichten aufgrund ihres Alters auf ein Auto, 6,9 Prozent aus gesundheitlichen Gründen.
Abbildung 14 zeigt die Fahrzeugnutzung der Befragten. Das im Alltag am häufigsten genutzte Verkehrsmittel ist das Auto. Über die Hälfte der Personen (53,1 %) nutzt es täglich bzw. fast täglich. Hinzu kommen rund 30 Prozent, die an ein bis drei Tagen pro Woche mit dem Auto fahren. 7,3 Prozent der Befragten geben an, ihren Pkw im Alltag in der Regel nie bzw. fast nie zu nutzen. Die Nutzungshäufigkeit des privaten Pkws der Befragten des SNB 2021 liegt leicht über den Werten, die 2017 in der MiD Studie erfasst wurden. Laut der MiD Studie fahren 76 Prozent der Befragten im Verlauf einer Woche mindestens einmal mit dem Auto, während der Anteil bei der vorliegenden Befragung bei 82,6 Prozent liegt.
Am zweithäufigsten werden die Alltagswege von den Befragten ausschließlich zu Fuß zurückgelegt. Für ein Drittel der Befragten (33,2 %) ist dies ein täglicher bzw. fast täglicher Verkehrsmodus. Für rund 15 Prozent ist das (Elektro-)Fahrrad ein täglich genutztes Verkehrsmittel. Auf Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs kommen lediglich 7,7 Prozent täglich zurück. Das eigene Motorrad/Moped, Carsharing-Angebote, Fernbus und Bahn auf längeren Strecken sowie Fahrgemeinschaften werden nur von einer kleinen Gruppe im Alltag zur Fortbewegung gewählt. Verglichen mit den Daten der MiD Studie, nutzen in der Stichprobe des SNB 2021 mehr Menschen für ihre Alltagswege das Auto, gehen weniger zu Fuß und fahren seltener mit dem ÖPNV.14Zum Vergleich: Im Sozialen Nachhaltigkeitsbarometer der Energie- und Verkehrswende 2021 nutzen von den Befragten wöchentlich 82,6 Prozent das Auto (MiD 2017: 76 %), 63,6 Prozent gehen zu Fuß (MiD 2017: 69 %) und 14,9 Prozent nutzen den ÖPNV (MiD 2017: 23 %). Die Fahrradnutzung ist ähnlich häufig, und der Anteil derer, die Carsharing Angebote nutzen, ist leicht erhöht. Zu berücksichtigen ist bei diesem Vergleich, dass die 2021er SNB-Studie während der Corona-Krise durchgeführt wurde. Zwar wurde im Fragetext darum gebeten, die Verkehrsmittelnutzung im Alltag vor den pandemiebedingten Einschränkungen anzugeben, allerdings kann ein entsprechender Effekt nicht ausgeschlossen werden.
Anhang: Weitere Strukturmerkmale der Stichprobe
Der vorliegende Ariadne-Hintergrund wurde von den oben genannten Autorinnen und Autoren des Ariadne-Konsortiums ausgearbeitet. Er spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung des gesamten Ariadne-Konsortiums oder des Fördermittelgebers wider. Die Inhalte der Ariadne-Publikationen werden im Projekt unabhängig vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erstellt.
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